<i><u><b>Das Bresser 76/350-Dobson Teleskop </b></u></i>
Hallo Freunde der kleinen, günstigen Teleskope,
Jeder von uns kennt das Firstscope und weiß auch, dass es noch ein paar sehr ähnliche Teleskope auf dem Markt gibt. Da die Qualität dieser Geräte aber meist sehr negativ beurteil wird, hat es mich immer gereizt so einen kleinen Kinderdobson mal selber auszuprobieren.
Vor ein paar Tagen wurde ich HIER auf ein sehr günstiges Ebay-Angebot aufmerksam gemacht. Ein Bresser Junior 76/350-Dobson für rund 30,- Euro. Normalerweise kosten die wie das Firstscope um die 70,- Euro. Ich überlegte nicht lange und schlug zu. Einfach aus purer Neugier, was ich da denn bekommen würde. Ich hatte keine allzu großen Erwartungen, war aber gerne bereit, mich eines besseren belehren zu lassen.
Nach ein paar Tagen hatte ich das Teleskop in der Post. Der kleine Dobson ist sauber und sicher verpackt. Das auf dem Karton abgebildete Kind zeigt deutlich die Zielgruppe an. Eher Spielzeug als ernstzunehmendes Instrument ist die Botschaft.
Der Lieferumfang ist vorbildlich: Der recht stabile und gut bewegbare Dobson, Okulare H20mm und H6mm, eine 2x Plastik-Barlow, ein Mondfilter, eine niedliche kleine drehbare Sternkarte, eine CD mit Stellarium, eine kurze Bedienungsanleitung und ein kleines Heftchen mit einer allgemeinen Einführung in die Astronomie. Also alles, was ein ambitionierter kleiner Sterneentdecker braucht. [;)]
Aber meine Ambitionen sind natürlich größer, mich interessiert die Qualität der optischen Komponenten. Also habe ich mal genauer hin gesehen. Beim ersten Blick in den Plastik-OAZ kam dann der Schreck:
Der FS liegt viel zu weit vorne und nicht in der Mitte des OAZ. Das ließ nichts gutes erwarten. Ich bin dann in den Garten und habe mal die mitgelieferten Okulare ausprobiert. Schon der erste Blick bei Tag durch das H20 (Huygens?) zeigte einen kräftigen Farbsaum und die ungleichmäßige Ausleuchtung des Gesichtsfeldes. Das 6mm zeigte weniger Farbe, die Plastik-Barlow dafür um so mehr. Soweit ich sehen konnte, hat sie eine Einzellinse. Kein Wunder also. Den Mondfilter habe ich nicht ausprobiert, er ist aber hellblau. Vielleicht eher etwas für einen Planeten...
Ich habe das Teleskop dann erst mal beiseite gestellt.
<i><u><b>Bastelzeit</b></u></i>
Es wurde Sonntagnachmittag und ich hatte Zeit und Lust zu basteln. Also habe ich mir den Kleinen mal vorgenommen und ihn justiert.
Zuerst der FS. Die Halterung hat immerhin eine Halte-und drei Justierschrauben. Also Potential. Die Halteschraube ist auch lang genug um den FS mittig unter den OAZ zu bekommen, allerdings sind die Justierschrauben dann zu kurz. Zum Glück habe ich drei lange M3-Schrauben bei mir im Keller gefunden und sie ersetzt. Mit ein bisschen biegen an der Einarmspinne bekam ich den FS dann auch schnell mittig unter den OAZ. Das ganze sieht nun etwas abenteuerlich aus, aber ich will ja durch- und nicht draufschauen:
Der HS hat natürlich keine Mittelmarkierung, also erst mal ausbauen. Er liegt in einer nicht justierbaren Plastikhalterung, gehalten von einem mit drei Schrauben festgeknallten Plastikring. Also Spiegelzelle ausgebaut, Spiegel aus der Zelle, Mittelmarkierung gemacht, Ring gelockert dass der Spiegel minimales Spiel hat und wieder rein. Der Spiegel ist übrigens aus rund 10mm dickem Glas gefertigt. Das gefiel mir schon mal gut.
Der FS ließ sich dann problemlos auf den HS ausrichten, letzterer war aber völlig dejustiert. Da der Spiegel nicht in seiner Zelle justiert werden kann, wollte ich die ganze Zelle dann im Tubus kippen. Dafür waren die Löcher der drei Halteschrauben aber zu klein. Also Zelle noch mal raus, Langlöcher in den Tubus gefeilt, Zelle wieder rein. Durch etwas biegen und drücken ließ sich der HS dann auch überraschend gut auf den FS und OAZ ausrichten und fixieren. Durch die Filmdose sah das ganze schon sehr gut aus. Nur der Offset fehlt... [;)]
Der Spalt zwischen Tubus und HS-Zelle zeigt aber deutlich, wie weit ich sie kippen musste um sauber zu justieren:
Neuer Test mit den mitgelieferten Okularen: deutlich gleichmäßigere Ausleuchtung und auch mehr Schärfe in der Mitte. Am Rand nicht. Nun hat der 76/350 natürlich f/4,6, ist also schon anspruchsvoll was die Okulare angeht. Aber ich habe das passende Okular in meinem Koffer:
Angemessen, oder? [:D]
Das 12mm Nagler T4 kostet mal eben das 12-fache des Teleskops, aber was solls. 30x ist eine gute Vergrößerung am Tag. Und ich hatte ein schön ausgeleuchtetes 82º-Feld. Am Rand allerdings sichtbare Unschärfe. Spiegelkoma?
Mit fiel auf, dass sich der Newton in Azimut nicht so gut bewegen ließ. Ich habe dann das Lager zerlegt und fand Hartplastikgleiter auf einer Hartplastikoberfläche. Nicht optimal. Außerdem klemmte die Azimutachse etwas. Also das Lager in der Pressholzplatte etwas größer gefeilt und Velours auf die Gleiter geklebt. Und dann auch gleich Veloursscheiben auf die Gleitflächen des Höhenlagers geklebt. Wieder zusammen gebaut und schwupps: der Newton ließ sich mit einem Mal richtig schön sanft bewegen. Perfekt. Nur die Hartplastikfüße des Teleskops gleiten zu leicht auf der Tischoberfläche, da kommt bei Gelegenheit etwas anderes drunter.
Nun störte mich nur noch die Aufstellung auf dem Gartentisch. Immer ist eine Tischkante im Weg, das nervt. Ich will ein Stativ! Aber woher nehmen? Mir fiel dann ein, dass das Holzstativ meiner SP-DX oben eine schöne glatte Fläche in der richtigen Größe hat. Gesagt, getan: drei Streifen doppelseitiges Klebeband später war auch dieses Problem gelöst:
Das ist doch mal ein angemessenes Stativ für ein 3"-Teleskop, oder? [;)]
Das Setup war bereit, die Nacht konnte kommen...
<i><u><b> In der Praxis </b></u></i>
Ich hatte zwei Nächte Gelegenheit, den 76/350 zu testen. Leider war der Mond schon im zweiten Viertel, deshalb war ein Deepskytest nicht wirklich möglich. Aber für ein paar Aussagen reicht es allemal.
Der Überblick im 12er Nagler zeigte ein übersichtliches Feld von 30x und rund 2,5º bei einer AP von 2,6mm. Ein richtig schönes Weitfeldinstrument also. Grobe Bildfehler sind mir nicht aufgefallen, am Rand aber deutliche Koma. Kein Wunder bei f/4,6. Leider passt mein Paracorr nicht in den 1,25"-OAZ. [;)]
Auf zum Sterntest. Mit 2,5mm Okularbrennweite (145x, AP 0,54) zeigte sich ein leichter Asti. Der typische ovale Donut und statt Beugungsringen vier Beugungskleckse um das mittlere Scheibchen. Das extrafokal ausgefranste Beugungsscheibchen zeigt eine Unterkorrektur an. Ich habe nicht so viel Ahnung von theoretischer Optik, aber soweit ich weiß könnte das ein Hinweis auf einen Kugelspiegel sein.
Allgemein bin ich von der optischen Qualität aber ausgesprochen positiv überrascht worden. Sowohl Asti als auch Unterkorrektur halten sich in Grenzen und machen sich erst bei höchsten Vergrößerungen bemerkbar. Bresser legt das Teleskop für maximal 116x aus, das macht zumindest mein Spiegel in akzeptabler Qualität mit.
Also weiter zum Mond. Da habe ich mir einen unfairen Vergleich erlaubt und neben dem Dobson meinen 80/560er ED aufgebaut. Böser Marcus. [:D]
Sinus Irdium leuchtete hell auf und war das Testfeld auf dem David sich Goliath stellen musste. Und was soll ich sagen: er machte sich nicht schlecht. Ich habe verschiedene Kombinationen von Okularen und Barlows ausprobiert und an besten war das Bild mit dem 15mm Eudiaskopischen Plössl und der 3x Meade TeleXtender. (Auch diese Kombi kostet ein Vielfaches des Teleskops...) Bei 70x hatte ich ein knackiges Bild ohne Säume und Unschärfen auf der Achse. Auch das mitgelieferte H6mm lieferte ein überraschend gutes Bild, natürlich bei einem Minigesichtsfeld. In einer vernünftigen 2x-Barlow (nicht dem Plastikeumel der dabei lag) kam es dann aber an seine Grenze und zeigte erste leichte Unschärfen am Mond. Da lag der ED natürlich deutlich weiter vorne.
Ich denke, die Grenze für den kleinen Dobson liegt bei 4mm Okularbrennweite, respektive 88-facher Vergrößerung. 3mm gehen so grade noch, somit sind die mitgelieferten Okulare von ihren Brennweiten her im Prinzip gut ausgelegt. Wenn sie qualitativ nur nicht so unterirdisch wären... [:(]
Ein bisschen Deepsky habe ich dann auch noch versucht. H & Chi Persei machten sich schon recht gut im Teleskop, von der Koma natürlich abgesehen. Ich habe dann todesmutig den UHC-Filter in das Nagler geschraubt und damit auch M27 gefunden und grob die Hantelform sehen können. Aber für mehr war der Mond einfach zu hell.
Alles in allem hatte ich zwei sehr nette Beobachtungabende. Der kleine Dobson hat sich gegen den ED tapfer geschlagen und sich dabei besser gemacht als ich erwartet habe.
<i><u><b>Fazit </b></u></i>
Ich hatte beim Kauf keine allzu großen Erwartungen an den kleinen Dobson gestellt. Pure Neugier und Lust zu experimentieren und basteln waren meine Hauptmotivation. Und ich muss sagen, dass ich nicht enttäuscht wurde. Zum einen ist das Paket prinzipiell wirklich sinnvoll zusammen gestellt, zum anderen zeigte das Teleskop nachdem ich es massiv überarbeitet hatte ein überraschend gutes Bild. In Anbetracht des sehr günstigen Preises habe ich für mich persönlich nichts daran auszusetzen.
Natürlich ist das hier ein Kinderteleskop und die Auflösung ist nicht beugungsbegrenzt. Aber wenn man die Kirche im Dorf lässt ist das in Anbetracht des Preises zu verschmerzen.
Wo ich aber deutliche Kritik üben muss ist beim Auslieferungszustand des Teleskopes. Ich konnte durch zwei Stunden Bastelarbeit und vor allem mein Wissen um Justage und Lageroptimierung das Instrument in einen gut brauchbaren Zustand versetzen. Aber <i>out of the box</i> war das Teleskop nicht nur nicht justiert, sondern <i>nicht justierbar!</i> Ich musste selbst längere Justierschrauben einsetzen, die HS-Lagerung entspannen und Langlöcher in den Tubus feilen. Und dann einmal komplett durchjustieren. Sicherlich hätte das Teleskop auch so einem Kind und unerfahrenem Laien ein Bild und einen schönen Mond gezeigt. Aber bei einem Teleskop mit einer UVP von rund 70,- Euro kann man meiner Meinung nach schon etwas mehr erwarten. Zumal längere Justierschrauben in der chinesischen Produktion sicherlich nicht die Kalkulation hätten platzen lassen.
Um Bresser in dieser Sache Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, muss man natürlich festhalten, dass das Teleskop von einem Onlinehändler für weniger als die Hälfte der UVP vertickt wurde. Wer weiß, auf welchen Kanälen er an die Geräte gekommen ist. Vielleicht ist es Ausschussware. Vielleicht sind die 76/350er die von Bresser und Konzessionären regulär verkauft werden besser justiert. Ich kann es nicht nachprüfen, aber ich hoffe es doch sehr.
Des weiteren muss man festhalten, dass ich hier ein altes Modell habe. Bresser bietet mittlerweile das Nachfolgemodell unter dem Label National Geographic an:
http://www.meadeshop.de/item.php5?lang=de&id=9015000
Da liegt dann noch ein 4mm Okular bei und laut Ankes Info im oben verlinkten Thread hat das Teleskop auch einen etwas größeren FS. Hoffentlich sitzt dieser FS auch da, wo er hin gehört...[;)]
Genug gemeckert. Ich will den kleinen Dobson nicht schlechter machen als er ist. Ganz im Gegenteil, ich hatte lange nicht mehr so viel Spaß mit einem Teleskop. In dem Teil steckt mehr Potential als ich erwartet hatte, aber man muss es halt erst heraus arbeiten. Dazu gehören neben der beschriebenen Justierung auch bessere Okulare.
Was habe ich weiter damit vor? Vermutlich werde ich es im Wochenendhaus meiner Eltern deponieren. Das liegt im Dunklen an der Ostsee und da kommen immer mal meine Neffen und die Kinder meiner Cousine zu Besuch. Dann habe ich ein Teleskop vor Ort mit dem ich ihnen mal was zeigen kann und mit dem sie auch selbst herum experimentieren können. Dazu will ich noch einen Stativadapter für das Cullman meines Vaters basteln und zwei einfache Plössl besorgen. Ich dachte an die Superplössl von TS in 9 und 25mm in Kombination mit der bereits vorhandenen einfachen achromatischen TS-Barlow. Die sind preislich dem Gerät angemessen und sollen qualitativ ganz OK sein. Kann da jemand etwas zu sagen? Alternativ hätte ich die Vixen Plössl in 8 und 25mm im Auge.
Mit der f/4,6-Randunschärfe muss ich halt leben, dafür habe ich ja die Barlow.
Alles in allem bin ich sehr zufrieden mit meinem Kauf. Wenn ein erfahrener Hobbyastronom ein kleines Teleskop als Geschenk sucht und bereit ist, selber Hand anzulegen, kann ich dieses Instrument empfehlen.
Diskussion und abweichende Meinungen zu diesem Teleskop und meinem Bericht sind natürlich wie immer willkommen.
Bis dann:
Marcus
<i>Edit: Betreff präzisiert</i>