Barndoor fotografisch auf Pol ausrichten

  • Hallo liebe Foren-Mitglieder,


    mein Name ist Ralf (58) und ich wohne in Barsbüttel in Schleswig-Holstein, nahe am östlichen Stadtrand Hamburgs.


    Ich habe mir vor zwei Jahren meine erste Barndoor gebaut und fotografiere inzwischen mit dem zweiten selbstgebauten Modell.



    Neben diversen anderen Frage stellte sich mir als Neueinsteiger die Frage, wie die Barndoor möglichst genau auf den nördlichen Himmelspol ausrichten ? Eine einfache Visiereinrichtung war zu ungenau, Scheinern zu langwierig und die Verwendung eines Polsuchers auch nicht gerade das gelbe vom Ei. Da ich zur Steuerung meiner Barndoor ohnehin ein Notebook dabei habe und sich dieses auch bereits zum Fokussieren und bei der Auswahl des Bildausschnittes bewährt hatte, kam die Idee, den Drehpunkt meiner Barndoor und den Solldrehpunkt fotografisch zu bestimmen und aus dem Vergleich die nötigen Korrekturinformationen zur Ausrichtung zu gewinnen.


    Den Drehpunkt fotografiere ich bei grob auf Polaris ausgerichteter Barndoor indem ich meine Barndoor im Schnelllauf ca. 1 Minute laufen lasse und dabei mit 200 mm Brennweite belichte. Aus den Bilddaten gewinne ich mittels meines selbstentwickelten Programms den Drehpunkt im Bild indem ich die zusammenhängenden, hellen Pixel erkenne, auf diese Kreissegmente die Lote fälle und deren Schnittpunkte miteinander berechne. Der rechnerische Schwerpunkt dieser Schnittpunkte im Bild kennzeichnet den Drehpunkt meiner Barndoor.



    Das nächste Bild belichte ich im Stillstand mit ca. 15 Sekunden. Die Barndoor ist grob so ausgerichtet, dass Polaris
    einigermaßen im Zentrum steht. Ggf. muss ich jetzt etwas nachkorrigieren - allerdings ohne die Ausrichtung der Kamera auf der Barndoor zu verändern. Im Foto ist Polaris als hellster (flächengrößter) Stern eindeutig zu erkennen, auch für meine Software. Ich habe nun einmalig einige weitere markante Sterne in der direkten Umgebung von Polaris ausgemessen und lasse mein Programm jetzt nach diesen aufgrund ihres Abstandes zu Polaris und der Winkel zueinander - ebenfalls gegenüber Polaris - suchen. Bisher ist mein Programm immer fündig geworden. Das Programm kennt somit die Position von Polaris und die der Referenzsterne im Foto und damit auch die Position des Himmelspols.



    Im so analysierten Foto blendet das Programm jetzt ein: den Himmelspol als gelbes Kreuz, den zuvor bestimmten Drehpunkt meiner Barndoor als gelben Kreis, sowie die Istposition von Polaris und seine Sollposition als roten Kreis bei gleicher Verschiebung wie zwischen Himmelspol und Ist-Drehpunkt.


    Mittels einer Programmfunktion "Polfind." fragt das Programm die Stellung der Barndoor ab, blendet ein Raster ein das zeigt, wie sich Änderungen der Einstellungen des Stativkopfes in der Ebene und der Höhe auswirken würden, und zeigt unten an, wie die Einstellung beider Achsen zu korrigieren ist:



    -3,4 Einheiten in der Waagerechten drehen, -0,1 Einheiten neigen. Ist eine Kamera mit LiveView angeschlossen, kann die Korrektur unter direkter Sichtkontrolle so erfolgen, dass Polaris in den roten Kreis positioniert wird. Nach wenigen Korrekturzyklen, Probeaufnahmen und Bestimmungen des Poles durch das Programm ist die Barndoor nach einigen Minuten ausgerichtet und ich kann mich jetzt aufs eigentliche Fotografieren stürzen.


    Die Bestimmung des Poles im Foto der Polaris-Umgebung ist noch auf eine einfachere Weise möglich als durch das Ausmessen der Koordinaten von Hand: Erstellt man das erste Foto statt mittels Drehung der Barndoor durch Drehung der Erdachse - einfach z.B. 20 Minuten bei stillstehender Barndoor belichten - bestimmt die Analyse des Programms den Himmelsdrehpunkt. Im darauf folgenden Foto bei Stillstand der Barndoor ist damit direkt die Position des Himmelspoles bestimmt. Damit kann ich auch auf einfache Weise der Präzision der Himmelsachsefür die nächsten Jahrhunderte folgen.


    Zum Abschluss noch eines der so gewonnenen Fotos:



    M31 am 09.09.2012 im Kreis Lauenburg, EOS 400D astromodifiziert, Ausschnitt aus 200 mm Brennweite, Blende 4, 30 Fotos mit zusammen 68 Minuten Belichtungszeit, 11 Darks.


    Viele Grüße
    Ralf


    <font color="limegreen">Vom Einsteigerforum verschoben</font id="limegreen">

  • Hallo Ralf,


    ich weiß nicht wie es kommt, daß ich anscheinend der erste bin der so etwas liest. Ist ja total abgefahren was du dir da hast einfallen lassen. Vor allem auch sehr verständlich erklärt. Aber wie du es schaffen willst die nächsten Jahrhunderte diese Technik anzuwenden weiß ich nicht ganau, es sei denn du bist ZJ so wie ich. Dann erwarten wir ewiges Leben. Die Technik steckt in dir wie man merkt. Geht so etwas auch ich anderer Weise, wenn einem Polaris verwehrt bleibt? Schnittpunkte gibt es ja nicht wenn man keinen Nordblick hat.


    Gruß Armin

  • Hallo Armin,


    na ja, das mit den Jahrhunderten war wohl nicht so ernst gemeint.
    Theoretisch liesse sich das auch ohne Nordblick realisieren. Je weiter man sich aber vom Pol entfernt, je spitzer schneiden sich die Lote und je ungenauer läßt sich der Drehpunkt bestimmen. Zudem muss man die Position der Sterne, deren Strichspuren man fotografiert, sehr genau kennen. Also für die Praxis mit meinem einfachen Gerät wohl eher ungeeignet. Zudem muß ich ohnehin mobil fotografieren und kann mir dann auch einen Platz mit Nordblick suchen.


    Danke für Deinen netten Kommentar !


    Gruß, Ralf

  • Hallo Ralf,


    wirklich beeindruckend was du hier zeigst. Ich bewundere Leute die so geduldig an ihrer Technik feilen und dann auch noch so schöne Ergebnisse präsentieren können.


    Respekt!


    Gruss Sascha


  • Hallo Ralf,
    ich bin Tom (47) und auch ich bin schwer beeindruckt von deiner Barndoor und noch mehr von deiner Software.


    Ich sitze hier in meinem Arbeitszimmer und versuche gerade bei meiner im Winter entstandenen (nunmehr 3.) Barndoor das Fadenkreuzfernrohr zu justieren, um dann nachfolgend eine fotografische Ausrichtung, ähnlich der deinigen, in Angriff zu nehmen.


    Zunächst großes Kompliment zu der Barndoor, da steckt viel know how drin. Ähnliche Gedankengänge habe ich auch hinter mir und die führten zu einem ähnlichen Ergebnis. Dabei gibt es bei mir sicherlich noch konstruktive Mängel, aber darum ist man ja Bastler.


    Ziel meiner neuerlichen Montierung war es, auch eine Tangentialnachführung im AT-Style zu verwirklichen und dabei die Steuerung und die Stromversorgung aller Komponenten zu zentralisieren. Bei mir bildet nicht das Laptop die zentrale Steuereinheit, sondern eine Handbox mit OLCD auf Grundlage des Fernauslösers siehe hier http://www.sternhimmel-ueber-ulm.de/. Ein Schrittmotor dreht die Spindel, dafür gibt es ein Schrittmotormodul, welches über SPI mit der Box kommuniziert, welches selbständig die Korrektur des Tangentialfehlers vornimmt. Die Belichtungsreihen werden durch die Handbox gesteuert. Ein erster Test steht noch aus, aber gerade im Kometenjahr möchte ich gerne dabei sein.


    Soweit so gut, bleibt immer noch das Problem der Nordausrichtung. Es gibt ein Fadenkreuzfernrohr zur Grobausrichtung, mehr ist damit nicht drin. Den Rest möchte ich auch am Laptop justieren. Hierzu habe ich auch einen Modus für eine Strichspuraufnahme programmiert und möchte diese dann mit eine Folie mit dem Himmelsnordpol auf dem Laptop abgleichen.


    Hier ist ein erstes Bild von der Montierung, noch nicht sehr aussagekräftig, man erkennt die Handsteuerbox und bekommt einen kurzen Eindruck.


    Deine Software ist aus meiner Sicht natürlich der Clou. Da frage ich einfach mal nach, ob du sie mir zur Verfügung stellen würdest und ob das überhaupt geht. Zuweilen programmiert man tools, deren Bedienung sich nur einem selbst erschließt. Von der Idee bin ich sehr begeistert, so dass ich mal sofort einen Beitrag im Forum hier schreiben musste. Da ist meine Folien-Strichspurmethode eher steinzeitlich.


    Gruß TOM.

  • Ok falls jemand Interesse hat noch ein paar Bilder, die jetzt freigegeben wurden. Ich wollte eigentlich nicht vor den ersten Sternaufnahmen posten, aber dieser Beitrag hat mich einfach überrumpelt;-)


    Die Holzkonstuktion im AT-Style, hier ist der Optosensor für den Endanschlag sichtbar:



    Hier ein paar Spezialteile, teilweise gedreht und teilweise mit zöllischem Gewinde:



    Der Schrittmotor mit der Steuereinheit im Schrumpfschlauch.



    Alle anderen Elektronikkomponenten:



    Ein einfache Polhöhenwiege für meine Barndoor:


  • Hallo Hartwig,


    das war im letzten Jahr im Frühjahr in Allermöhe und ich hatte das Thema im Herbst auf dem NAFT in Neumünster vorgestellt.



    Hallo Tom,


    ich freue mich über Dein Interesse! Meine Software ist bislang genau auf mein Equipment (Hard- und Software) abgestimmt und ausgelegt. Neben diversen Änderungen, die nötig wären, um sie auch in anderem Kontext einzusetzen, fehlt auch eine Doku. Wie Du schon schreibst, ergeben sich mit der Zeit Entwicklungen, die sich einem nur noch selbst erschliessen. Ich melde mich aber noch einmal bei Dir.



    Viele Grüße
    Ralf

  • Hallo Ralf,


    wirklich ein tolles liebevoll gebautes Gerät. Wäre toll wenn wir (unser Verein) für die kommende Astroseminare so ein Gerät hätten. Was würde so etwas bei Dir/Ihnen kosten? Die Präzision ist bewundernswert.


    Aber (wohlwissend das das hier unbezahlbar ist, bestimt zu Recht) hätte ich gerne eine andere Frage: Wie kriegt man die Objektiveinstellung so knack scharf wie bei Dir/Ihnen bei dem Andromedanebel? Gibt es da eine Scharfstellhilfe? Das Spiel am Objektiv selbst ist katastrophal klein. Oder mache ich hier was ganz falsch?


    Für eine Antwort wäre ich sehr dankbar. Kämpfe zur Zeit mit der Schärfe bei meinen Nikkors. An der Fa. kann es nicht liegen.


    Viele schöne Sternstunden und dunkle und sternenklare Himmel


    Witold

  • Hallo Witold,


    vielen Dank für Anerkennung meiner Barndoor !


    Das Fokussieren ist auch für mich noch das größte Problem. Für meine 200'er Brennweite nutze ich z.Zt. zwei Hilfsmittel: Eine in Plexiglas selbstgeritzte Bahtinov-Maske und eine 200%-Zoomfunktion meiner Software mit Aufteilung in die drei Farbauszüge:


    Je nach Objekt versuche ich manuell die Fokussierung so zu korrigieren, dass im wichtigsten Farbauszug (rot bei Halpha) der waagerechte Beugungsstrich mittig zu den anderen liegt. Das geht aber nur mit helleren Sternen (im Foto Polaris) und kostet einige Geduld, lohnt sich aber. Ich belichte dann jeweils ca. 15 Sekunden.


    Bei kleineren Brennweiten wird es eher noch schwieriger. Hier sind die Beugungsspikes weniger ausgeprägt. Ich werde es hier als nächstes mal mit einer Scheiner-Maske probieren.


    Viele Grüße
    Ralf

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