Hallo Deepsky-Freunde [:)]
in der vergangenen Neumondphase ergab sich die Gelegenheit, eine Beobachtungsnacht im Südschwarzwald über der seit Tagen andauernden Nebelsuppe zu verbringen.
Nach der Fahrt durch das diesige und bedeckte Rheintal geht es auf den letzten Kilometern endlich nach oben, bei 0°C beginnt auf 400m Höhe der dichte Nebel. Über dem Nebel sind es 6°C, auf 900m Höhe entsteht das Bild oben bei einem kurzen Zwischenstopp. Die Luft ist sehr frisch und riecht leicht nach Wald, besonders auffällig nach den Tagen in der schmutzigen Luft unter der Inversion. Am wunderbar intensiv und klar gefärbten Dämmerungshimmel neigt sich die dünne Mondsichel zum Nebelmeer, eine fantastische Stimmung stellt sich ein.
Nach einigen weiteren Serpentinen bietet sich am Beobachtungsplatz auf gut 1200m Höhe ein Blick auf die schwach durch den gnädigen Nebel schimmernden Städte im Oberrheingraben. Der Himmel ist noch dunkelblau, die Umrisse der über 150km entfernten Alpen verschwinden allmählich und der neue 14" Dobson steht für seinen ersten Einsatz an diesem Platz bereit.
Als die wunderschönen Dämmerungsfarben abgeklungen sind, enttäuschen die Bedingungen zunächst. Der Horizont ist ringsum merkwürdig stark aufgehellt, einzig erfreulich das gute Seeing und die Windstille, die an diesem Platz sehr selten ist.
Wie sich herausstellen soll, ist für den unterdurchschnittlichen Himmel eine Dunstschicht über 1300m Höhe verantwortlich, die später unter den Beobachtungsplatz absinken wird.
Ich starte mit Galaxiengruppen:
<b>Hickson 99</b> im Pegasus ist die erste. Bei 270x sind drei der fünf Mitglieder zu sehen, dafür befindet sich eine vierte schwache Galaxie etwas nördlich der Gruppe.
Etwas südlicher geht es zu <b>Hickson 97</b>, die bei 270x alle fünf Mitglieder zeigt. Die Gruppe ist zwar recht ausgedehnt, aber die stark unterschiedlichen Erscheinungsbilder ihrer Mitglieder machen sie spannend. Die einzige problematische Galaxie ist Mitglied b, eine auf Fotografien extrem dünne Edge-on.
Noch südlicher fahre ich eine der einfachsten ihres Kataloges an, <b>Hickson 16</b> im Wal. Drei der vier Galaxien sind bereits im Aufsuchokular auffällig. Bei 190x wirken alle Galaxien verschieden stark elongiert, rund ist keine.
Der Himmel wird besser, M 33 ist jetzt freiäugig einfach und ich bekomme Lust auf etwas Strukturiertes.
In der Giraffe geht es zu <b>NGC 1569</b>, einer irregulären Starburst-Galaxie. Erwartungsgemäß zeigt die sehr flächenhelle Galaxie schnell Struktur. Der Kernbereich weist eine unregelmäßige Helligkeitsverteilung auf und nach Osten zieht sich ein schwacher Ausläufer. Bald merke ich, dass meine momentane Maximalvergrößerung 270x deutlich zu wenig ist und verschiebe die Zeichnung.
Spontan entschließe ich mich als Ersatzprogramm einen Blick auf die nahegelene <b>NGC 1530</b> zu werfen. Unerwarteterweise zeigt sich an der nicht besonders flächenhellen Galaxie reiches Detail. Vom hellen runden Kern geht ein Balken aus, an dessen Enden unterschiedlich ausgeprägte Knoten sitzen. Jeder dieser Knoten bildet einen "Angelpunkt" für einen Spiralarm. Der nördliche Arm ist schmaler und besser definiert als sein Gegenstück.
Nach dieser begeisternden, aber auch etwas anstrengenden Beobachtung mache ich einen kurzen Abstecher zu gewissen Messier- und NGC-Nebeln im Orion [:D]
Ein Blick zu Jupiter mit dem anderen Auge zeigt das sehr gute Seeing, bei 270x steht er fast und Daniels scharfer Spiegel zeigt wunderbar feine Details.
Ich bleibe in der Wintermilchstraße, das nächste Ziel ist ein kollidierendes Galaxienpaar: <b>NGC 2444/2445</b> in den Zwillingen, das von Pollux über den Intergalactic Wanderer und einen Pfad aus kleineren Galaxien aufgesucht werden kann. Die Folgen der Kollision sind bei 190x dann auch deutlich zu sehen:
Nun brauche ich eine Galaxienpause - etwas südlicher geht es zu einem Reflexionsnebelkomplex im Einhorn. Drei Nebel passen hier ins Gesichtsfeld des Übersichtsokulars. Wunderbar im dichten Milchstraßengewimmel fällt <b>IC 2169</b> als relativ heller, sehr großer strukturierter Nebel auf. Durch die Mitte läuft ein heller Balken, die Grenzen sind unterschiedlich hart. Interessantestes Detail ist ein in sich strukturierter Dunkelschlauch, der von Westen in den Nebel ragt. Am anderen Ende des Gesichtsfelds fällt <b>NGC 2245</b> als Fleck an einem helleren Stern auf. Zum Stern wird er sehr hell und verliert sich auf der anderen Seite. Unspektakulär der dritte Nebel, <b>IC 446</b>, ein runder Hauch mit einem mittig stehenden Stern.
Inzwischen ist der Himmel richtig gut geworden. Weniger km südlicher misst ein Kollege mit dem SQM durchschnittlich 21.60, und in dieser Nacht ist es nicht nur dunkel, sondern auch transparent.
Zum Spaß schwenke ich zur sehr tief stehenden <b>M 81</b> und kann zu meiner Überraschung die Arme gut verfolgen.
Es ist 3 Uhr, der Osthimmel wird komischerweise heller. Ich befürchte, dass die Nebeldecke undicht geworden ist und Lichtverschmutzung durchlässt. Nach einiger Zeit gibt es aber keinen Zweifel mehr, dass es das Zodiakallicht ist - im Schwarzwald ein sehr seltenes Vergnügen.
Die verbleibenden Morgenstunden verbringe ich in den Frühlingssternbildern.
<b>NGC 3310</b>, eine irreguläre Spirale in UMa, ist das nächste Objekt. Die enorm flächenhelle Galaxie erinnert mich bei 270x an eine schwimmende Ente. Auf der Ostseite des merkwürdigerweise halbkreisförmigen Zentrums (Entenkörper) geht nach Norden ein gerader flächenheller Spiralarmansatz ab (Hals). Eine Helligkeitsspitze liegt versetzt am Rand des hellen Zentrums. Nach Norden und Süden schließt ein Halo an, der im Norden heller ist.
Nach einigen weiteren tollen Galaxien soll das letzte "ernsthafte" Ziel wieder ein kollidierendes Galaxienpaar werden. Auf der Suche im kleinen Löwen stolpere ich über einige "unangemeldete" Galaxien. Ein Pärchen fällt besonders ins Auge, dessen eine Galaxie stark gestreckt ist, die zweite ist 3:2 elongiert und flächenschwächer und zeigt Unregelmäßigkeiten im Randbereich. Wie sich ich der Nachbereitung herausstellt, handelte es sich um <b>NGC 3424</b> und <b>NGC 3430</b>.
Ein Gesichtsfeld weiter liegt das eigentliche Ziel - oh Mann, schon wieder zwei "Brummer" [:)]. <b>NGC 3396</b> ist ein breiter Strich mit aus der Mitte versetztem kleinem Zentrum. <b>NGC 3395</b> direkt daneben ist fetter und hat eine etwas verbogen wirkende ovale Form. Am Südostende knickt ein heller Spiralarmansatz nach Norden ab. Beide Galaxien sind mit einem schwächeren Nebelschlauch verbunden, eine Nebenwirkung der Kollision.
Inzwischen hat die Dämmerung begonnen und exakt rechtzeitig der Leuchtpunktsucher den Geist aufgegeben. Das unverschämt helle Zodiakallicht dominiert den Osthimmel und lässt sich bis hoch in den Himmel verfolgen. Der gesamte Ost- und Südosthimmel ist bis zur Horizontlinie absolut natürlich dunkel. Ich glaube ich bin im falschen Film bzw. Land, die umgebenden Hügel überzeugen mich aber davon, nicht in den Alpen zu sein [:o)]
Schließlich beende ich diese gegen Morgen fantastisch gewordene Nacht, in der mir zum ersten Mal wirklich bewusst geworden ist, was für eine schöne Öffnung diese 14“ sind. Jedes Objekt, das in dieser Nacht im Okular war, war auf den ersten Blick strukturiert - die Vorfreude auf den Galaxien-Frühling hält sich NICHT in Grenzen [:)]
Viele Grüße und danke fürs Lesen,
Andru