Nacht mit Jäger und Mond

  • Nacht mit Jäger und Mond


    Freitag, 15.6., 21 Uhr, vier Tage vor Neumond. Der Himmel ist klar, letzte Wolkenbänke ziehen ab nach Nordosten, der Wetterbericht sagt eine wolkenlose Nacht voraus. Ich mache mich auf den Weg zu meinem besten Beobachtungsplatz auf der Schwäbischen Alb, einer abgelegenen, aber sehr großen Waldlichtung, die gute Sicht nach Osten, Süden und Westen bietet.


    Ankunft kurz vor 22 Uhr. Die Stimmung ist sehr friedlich, warm, ruhige Luft, die Vögel singen vom Waldrand her im letzten Tageslicht. In aller Ruhe baue ich den 25“ Dobson auf, kollimiere und mache das Alignment für Argo Navis und ServoCAT.


    Doch der Himmel ist für Deepsky Objekte noch nicht dunkel genug – wir haben Mitte Juni. Daher beginne ich mit Saturn. Die zarten Wolkenbänder auf der Planetenkugel sind schön und die schwachen Farbschattierungen haben ihren Reiz. Aber sonst ist Saturn, abgesehen von den Ringen, eher undramatisch, besonders im Vergleich mit den Oberflächenstrukturen auf Mars (in Erdnähe) und Jupiter.


    Während ich Saturn beobachte, kommt ein Auto den Waldweg hoch gefahren und hält direkt auf mich zu. Das Auto fährt mit vollem Licht bis auf 3 Meter an meinen Dobson heran. Ein Mitbeobachter? Unmöglich. So rücksichtslos wäre ein Sternfreund nie. Es ist der Jäger! Was ich denn hier mache? Nun, das sei ein Fernrohr und ich beobachtete die Sterne. Ach so! Jetzt ist der Jäger sehr freundlich. Nein, es sei kein Problem, wenn ich auf dieser Wiese stünde. Er wolle jetzt auch nicht mehr jagen, sondern sei bereits auf der Pirsch gewesen, habe aber nichts erlegt. Er habe mich nur zufällig auf seiner abschließenden Revierpatrouille gesehen und fahre jetzt nach hause. Gute Nacht also. Ach übrigens, ob ich in der nächsten Nacht wiederkommen wolle. Dann sei es nämlich nicht so gut, weil dann der andere Jäger komme um auf dem Hochstand da drüben (ca. 70 m) dem Wild aufzulauern. Diesen Rat werde ich beherzigen, denn eine Ladung Schrot auf dem teuren Spiegel – das kann ich unmöglich riskieren.


    Saturn ist nun abgeschlossen. Geht M 87 noch – wegen des Jets? Ja, die Galaxie steht noch relativ hoch. Aber nach einer Viertelstunde zieht ein großes Wolkenfeld heran. Das war in keinem Wetterbericht vorhergesagt. M 87 verschwindet hinter Wolken.


    Mein eigentliches Ziel in dieser Nacht sollten die Abellcluster in Herkules sein, um danach die weiter entfernt liegenden Cluster in Bootes und Corona Borealis zu versuchen. Die Website: „The Atlas of the Universe“ gibt sehr gute Informationen darüber. Doch daraus wird nun nichts. Statt dessen beginnt ein hektisches Schwenken, um in den Wolkenlücken wenigstens ein paar der bekannten hellen Objekte zu erwischen (M 13, M 51, M57 etc.), die aber auch jeweils schnell wieder verschwinden. Das geht so eine gefühlte Stunde lang. Außerdem machen die Rehe im Wald jetzt einen furchtbaren Lärm. Wahrscheinlich streiten sich wieder die Männchen um die Weibchen, ganz wie bei uns. Na wartet, morgen kommt der Jäger …


    Kurz bevor die Frustration einsetzt und erste Gedanken ans Einpacken aufkommen ist das Wolkenfeld durch und der Himmel klart auf. Man spürt es auch an dem kühlen Luftzug, der nun entsteht. Aber für die Abellcluster reicht die Konzentration jetzt nicht mehr, denn das ist Schwerarbeit.


    Da ich gerade in Zenitnähe bin, versuche ich M 101. Die Spiralarme kommen aber nur recht schwach heraus. An diesem Objekt macht sich die Resthelligkeit der „weißen Nacht“ sehr bemerkbar.


    Anders dagegen der Katzenaugennebel (NGC 6543). Er ist ganz hell und verträgt erstaunlich hohe Vergrößerungen. Bei 350x bis 700x kommt die Spiralstruktur sehr deutlich heraus. Dann sieht dieser PN fast wie eine kleine, zweiarmige Spiralgalaxie mit stellarem Kern aus. Erstmals habe ich auch die dünnen Filamente außen um den PN herum beobachtet. Ich habe erst vor Kurzem durch Reiner Vogels Liste „exotischer Objekte“ von diesen Filamenten erfahren. (Dank an Reiner!) Sie sind tatsächlich recht gut zu sehen. Im Ganzen sind sie etwa kreisförmig um den PN herum angeordnet mit lokalen Verdichtungen. Vermutlich stößt der Stern seine äußeren Schichten in immer neuen Ausbrüchen ab; die Filamente sind die verdünnten Überreste länger zurückliegender Eruptionen.


    Nächstes Objekt ist der Adlernebel im Schützen (M 16). Mich interessieren vor allem die „Säulen der Schöpfung“. Unter diesem Namen (The Pillars of Creation) ist seinerzeit das wohl berühmteste Foto des Hubble Teleskops um die Welt gegangen. Es handelt sich dabei um drei sogenannte „Elefantenrüssel“, also dichtere Staubkerne, die vom Strahlungsdruck der umliegenden jungen Sterne noch nicht aufgelöst worden sind und durch ihren Schatten auch das hinter ihnen liegende Material abschirmen. Es sind insgesamt drei parallel ausgerichtete Säulen in verschiedener Größe. Man hört mitunter, daß die größte im Amateurteleskop nicht sichtbar sei. Das ist aber nicht richtig, wie ich nun sagen kann. Man sieht alle drei Säulen ganz gut, die größte allerdings zuletzt. Sie ist auf mäßigen Fotos meist überbelichtet, denn ihr vorderes Ende reflektiert besonders viel Licht vom Sternhaufen. Im Okular sieht man bei 350x deutlich die Aufhellung. Ich habe einen UHC Filter und einen H-beta Filter probiert. Da die Aufhellung nicht darauf regiert hat, nehme ich an, daß es sich tatsächlich um reflektiertes Sternlicht handelt.


    Das letzte Objekt ist Barnard’s Galaxie (NGC 6822), ebenfalls im Schützen. Sie gehört zur lokalen Gruppe und liegt näher bei uns als die Andromeda Galaxie. Allerdings ist sie äußerst lichtschwach mit geringer Flächenhelligkeit und hebt sich kaum von der Umgebung ab. Sie ist strukturlos, oder jedenfalls unregelmäßig geformt. Für solche kontrastschwachen Objekte brauche ich immer viel Zeit. Nur nach und nach lassen sich Konturen identifizieren. Es gibt einige beobachtbare HII Regionen, die sich ebenfalls allmählich zeigen. Doch das wird nun immer schwieriger, denn im Nordosten hellt sich bereits der Himmel auf, wodurch auch diese im Süden gelegene Galaxie in ihrer Umgebung ertrinkt. – Es ist Zeit einzupacken.


    Samstag, 16.6., ca. 3.30 Uhr: Der Beobachtungsplatz ist abgeräumt, die Ausrüstung ist im Auto verstaut. Wie immer nehme ich mir nun noch ein paar Minuten Zeit, um mit bloßem Auge einen letzten Blick auf den Himmel zu werfen. Im Sommer kommt mir als Galaxienfreund dabei immer der gleiche Gedanke: Die schönste Edge-on Galaxie am ganzen Himmel ist unsere eigene. Herrliche Struktur, zahlreiche Sternwolken, ein phantastisches Staubband mit unendlich vielen Details, und riesengroß. Und man braucht nicht einmal ein Fernrohr, um sie zu beobachten!


    In diesem Moment hebt sich die schmale Mondsichel über den Horizont. Wunderbar! Diese magische Stimmung, die entsteht, wenn nachts über freiem Feld der Mond aufgeht, ist einfach unvergleichlich. Das wußten wohl auch Matthias Claudius und die anderen Dichter.


    Um 4.30 Uhr liege ich im Bett und mache die Augen zu – müde, aber glücklich. Draußen dämmert es und die Vögel begrüßen den neuen Tag.


    Johannes

  • Hallo Johannes,


    ein schöner Bericht, vielen Dank dafür! Die Jagd nach den Wolkenlücken hatte ich zur gleichen Zeit gestern auch, allerdings im Schwarzwald nordwestlich von Freudenstadt. Als es nach 1.00 h nur immer dichter wurde, habe ich um 1.30 dann doch aufgegeben...


    Viele Grüße
    Andreas

  • Hallo Johannes,


    Ja, ein wirklich toller Bericht und schön, daß es kein Problem mit dem Jäger gab.


    Barnards Galaxie hatte ich vor ein paar Jahren mal mit dem 18er Dobson im Okular. Mehr als eine leichte Aufhellung konnte ich aber nicht erkennen. Ich hatte aber auch mit einem aufgehelltem Südhorizont zu kämpfen. Muß ich wieder mal vorbeischauen.


    Viele Grüße
    Rudi

  • Hey das ist ein sehr schöner Bericht, so einen könnte ich jeden Abend lesen bevor ich ins Bett geh. Klasse ! Sehr ausführlich geschrieben.

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