alter Japaner (Zahnstange)

  • Hallo liebe Astrofans und Bastler!


    Ich will mal über eine Bastelei erzählen, von deren Ergebnis ich selbst erstaunt bin.


    Vor einigen Jahren habe ich mir bei iBäh ein altes Linsenteleskop ersteigert. Eigentlich wollte ich (für ein optisches Experiment) nur so eine Scherbe aus diesen billigen Teleskopen haben, mit denen man Kindern so fantastisch die Begeisterung für die Astronomie verleiden kann. Zudem wurde es noch als defekt bezeichnet. Also geboten und – 3, 2, 1 – das Teil war für 10 Euro meins. Als das Paket ankam, stellte sich jedoch heraus, dass das Teleskop scheinbar wesentlich älter war, als ich zunächst angenommen hatte. Hier mal ein Foto:



    Und es war auch nicht in China sondern in Japan produziert worden. Ist auf dem Foto vielleicht nicht so gut zu sehen.


    Nun zum Problem des Teleskops: Die Zahnstange war in viele Einzelteile zerbrochen. Wahrscheinlich hat jemand zu kräftig dran gedreht...



    Also hab ich mir gedacht, kein Problem, die Feinmechaniker vergangener Zeiten haben ja auch irgendwie Uhren und solchen Kram gebaut und müssen zwangsläufig auch Zahnräder in akzeptabler Qualität von Hand hergestellt haben. Ich hab einige Zeit gesucht und da ich auch im Internet keine Möglichkeit fand, so ein Teil zu bestellen oder für weniger als 500,- Euro anfertigen zu lassen, habe ich mich dazu entschlossen, so eine Zahnstange selbst zu feilen. Hier der erste Schritt: Ein Stück Metall auf die richtigen Außenmaße feilen:



    Nun begannen die Probleme: Die Zähne sind um 10° angeschrägt. Also braucht man eine Sägehilfe. Also Taschenmesser ausgeklappt und ne kleine Sägehilfe mit einem 10°-Schlitz aus V4A (1.4539) gefeilt (ich weiß, es ist nicht das Optimale aber ich hatte gerade kein anderes Material da)...



    Dann konnte der Spaß beginnen. Die einzige Möglichkeit, einigermaßen präzise einen sehr dünnen Schnitt zu machen, sah ich in der Verwendung einer Laubsäge. Das ging sogar erstaunlich gut! Um besser sehen zu können, wo ich schon gesägt hatte, habe ich die Oberfläche einfach mit einem roten Filzer bemalt. Hier das erste Zwischenergebnis:



    Jetzt muss jeder Zahn herausgearbeitet werden und die beim Sägen entstandenen kleinen Fehler in den Abständen müssen mit der Feile korrigiert werden:



    Mit einer Lupe über und zwei 10°-Markierungen auf dem Schraubstock geht das ganz ... ähm - gut. Naja, jedenfalls eine ganz phantastische Quälerei über etwa 12 bis 14 Stunden. Als Werkzeug hatte ich übrigens aus einem Schlüsselfeilenset eine Dreiecksfeile und eine Messerfeile. Beide Feilen müssen mit einem Schleifstein... na sagen wir mal, modifiziert werden. Bei Interesse kann ich noch extra mal ein paar Fotos einstellen.



    Als alles fertig schien, hab ich das Teil eingebaut und "am lebenden Versuchsobjekt" die letzten Korrekturen vorgenommen.



    Nach dem Einbau des OAZ funktioniert der alte Japaner völlig problemlos. Ich hatte eigentlich nicht ernsthaft gedacht, dass man sowas in brauchbarer Qualität selbst machen kann und habe schon mit dem Teleskop beobachtet.



    Übrigens - hat jemand ne Ahnung, welcher Hersteller das sein könnte?


    lg,
    Mirko

  • Hallo Mirko !


    Meisterhaft - welch eine Arbeit hast Du Dir gemacht ...


    Als Teenager hatte ich mal ein aehnliches Teleskop fuer jemanden renoviert. Dort war die Zahnstange auch gebrochen. Ich habe die Einzelstuecke mit Zweikomponentenkleber am Auszugsrohr wieder angeklebt. Keine Ahnung, wie lange das gehalten hat.


    Beim Hersteller tippe ich auf Towa - wahrscheinlich 1960er Jahre. Spaeter wurde dieses Fernrohr etwas sparsamer hergestellt.


    Der Okularauszug bekam die Zahnung direkt eingefraest - vielleicht als Reaktion auf Beschwerden ueber die duenne, schnell zerbrechende Zahnstange. Leider wurde der Fokussierbereich dabei auf 35mm beschraenkt. Ich hatte selber solch ein Tasco 9T (habs immer noch). Auch die Holzkiste musste spaeter einem Pappkarton weichen, und die Fokussierraeder waren aus Plastik.


    Ich habe selbst in meiner Sammlung eines dieser Geraete aus den 1960ern, damals noch 60/710 mit achromatischem(!) 5x24 Sucher. Auch die Azimutalmontierungsfeintriebe laufen richtig glatt, das war damals noch Massarbeit. Spaeter wurden die Geraete graduell schlechter verarbeitet bzw. schlechtere Werkstoffe gewaehlt, bis dann in den 1990ern fast ueberall Plastik verbaut wurde. Die Philosophie hatte sich total gewandelt - von einem wertigen Instrument, das ein Leben lang Freude bereitet, zu einem Gebrauchtsgegenstand begrenzter Standzeit.

  • Toll gemacht! Die Vorrichtung zum Sägen sieht ja schon aufwendig aus. Unter der Lupe sieht man schön, wie fein das gearbeitet ist. Ich glaube nach dem 10. Zahn hätten mich die Nerven verlassen...


    Gruß,


    Marcel

    Wenn du dich für das Thema Selbstbau in FreeCAD einarbeiten willst, findest du einige Beiträge, mit Bezug zu ATM, auf meiner Pinnwand unter "FreeCAD Zeuch"...

  • Hallo Mirko,
    macht richtig Spaß zu sehen wie Du dem schönen Klassiker wieder Leben eingehaucht hast. Deine "Bastelei" (viel zu tief gestapelt!) passt zu der alten plastikfreien Mechanik.
    Bei "CloudyNights" gibt es ein ganzes Unterforum zu "Classic Telescopes" wo ich gerne mal hineinschaue - ich meine da ähnliche Teleskope schon gesehen zu haben. Auf jeden Fall gibt es da viele Informationen:
    <font size="1">http://www.cloudynights.com/ub….php/Cat/0/Board/classics</font id="size1">
    Viele Grüße
    Heinz

  • Ja, danke für die netten Worte und die Infos!


    (==&gt;)Jürgen: Na endlich hab ich mal einen Anhaltpunkt, was das für ein Teil ist.


    (==&gt;)Heinz: Danke für den Link. Ich hab schonmal ein bisschen herumgestöbert. Scheint wirklich ganz interessant zu sein. Aber sag mal, kann man da nur Bilder sehen, wenn man angemeldet ist?

  • Ich bin auch nicht angemeldet bei CloudyNights, aber die Bilder kann ich schon sehen - sie sind allerdings zumeist oben in der Kopfzeile der posts unter "Attachment" verborgen. Ich hoffe, das klappt so auch bei Dir, Mirko.
    Viele Grüße
    Heinz

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