"Die Italiener sind totale Pessimisten!"
Das war dann das Zünglein an der Waage, letzte Kontrolle der Ausrüstung, Zündschlüssel rum, auf geht's Richtung Edelweissspitze!
Die Italiener, das sind diese Wetterfrösche hier:
http://www.meteoliguria.it/tabbolam21.asp
Und Pessimisten waren sie, da hatte Uwe Glahn der Optimist im Nachhinein völlig recht. Trotzdem stellte er klar, was vom Mai in den Alpen zu erwarten ist: 90% Sauwetter, aber eine klare Frühlingsnacht reisst alles raus!
So ganz einig waren sich die Wetterdienst am vorletzten Mittwoch nicht. Ganz gut in den Prognosen, zumindest für einen Zeithorizont von Stunden, lagen diese hier:
http://www.meteoblue.com/de_DE…b/b/pictocast/c/at/f/3205
Unter "Seeing" gibt es einen stündlichen Wolken-Bedeckungsgrad bis Mitternacht. (Nebenbei, die Seeing-Vorhersage ist um Faktor zwei zu optimistisch, als grobe Orientierung aber besser als nichts)
Gute Wetterkarten gibt's hier:
http://www.space-agents.de/modules.php?name=Wettervorhersage
Immerhin, es lag ein Hoch über den Alpen, Richtung Wochendende sollte es noch besser werden. Und es war wegen dem zunehmenden Mond auch die letzte Chanche, die Nächte sind von effektiv 23:00 bis 4:00 ja schon recht kurz. Wenn es also im Mai etwas werden sollte, dann musste man es riskieren.
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- Was sind die Besonderheiten des Beobachtungsplatzes "Edelweissspitze"?
- Wie sieht er aus, der Hochgebirgshimmel aus der Sicht eines Mittelgebirgs-Spechtlers?
- Was zeigt mein superdünner 28" Spiegel unter solchen Bedingungen?</b>
Drei Fragen, auf die ich einzeln eingehen möchte.
Für die unter Euch, die noch nie da oben waren ist die erste Frage sicher interessant, deshalb ausführlich und ganz der Reihe nach:
Zuerst die genannten Wetterdienste checken. Ohne ein gescheites Hoch über den Alpen wird's nix, Hoch, höher am höchsten!
Temporäre Bewölkung kann man ignorieren, eine freie Nacht fällt immer unter die Kategorie "Glück".
Webcam auf der Edelweisshütte:http://www.glocknergallery.com…ws/ews_act_pics/ews_s.jpg
Anfahrt: Von der Autobahn München-Salzburg Ausfahrt Siegsdorf abfahren, über Inzell nach Lofer, dann Zell am See, Großglockner-Hochalpenstrasse. Alles ausgeschildert. PKW Maut kostet 19 Euro nach 18:00.
Die Edelweissspitze ist einer von vielen möglichen Beobachtungsplätzen entlang der Großglockner-Hochalpenstrasse. Aber aufgrund der exponierten Lage vom Seeing her sicher der beste. Das würde ich aufgrund meiner Erfahrungen im Mittelgebirge so unterstellen. Einen transparenten Himmel hat man sicher auch an den Kehren-Stellplätzen. Das Hochtor ist im Moment (oder gar dauerhaft?) beleuchtet!
Uwe hat hier alles zusammengetragen:
http://www.deepsky-visuell.de/Plaetze/Glockner/Glockner.htm
Ich bin am Mittwach abend dort gelandet, wohlwissend, dass diese Nacht vermutlich nicht so toll wird. Kurz vor Einbruch der Dunkelheit verschwanden dann die letzten blauen Löcher in der Wolkendecke, es fing an zu schneien, wie ruhigend! Nach 650 km Fahrt war mir das gerade recht. Ich mag klare Ansagen. Nur, hoppla, ich war noch am Hochtor. Also besser kein Risiko eingehen und einfach mal nicht bewegen. Nachts gegen 22:00 im Hochgebirge muss man nichts riskieren, auch mit Winterreifen nicht.
Nächster Morgen, 6 Grad Minus, 5cm Neuschnee! Der Winterdienst kam ab 6:30 dreimal vorbei, jetzt konnte es losgehen Richtung Edelweisshütte! Langsam lichtet sich der Nebel, alles weiss gepudert, ein fantastischer Anblick!
Jaaaah, es reisst auf, Blick auf die Edelweissspitze vom Hochtor...
... es wird immer besser!
Gegen 11:00 auf der Spitze oben komplett blauer Himmel, das war also die richtige Entscheidung, die Italiener sind Pessimisten, definitiv.
Prinzipiell kann man auch ohne Hüttenbesuch und Zimmer-Mieten auskommen und tagsüber irgendwo in der Gegend rumgammeln. Nur für mich mit einem rammelvollen Auto bot die Hütte einige Vorzüge. Zunächst konnte ich meinen 28" beim Edelweisswirt in der Garage parken. Sehr bequem! Die folgenden Tage blieb der Dob gleich zusammengebaut vor der Garage stehen, beide Spiegel natürlich raus! Fakt ist, die Teleskope müssen tagsüber runter vom oberen Parkplatz, da ist *richtig* was los.
Weiterhin ist das Frühstück ausgezeichnet, zeitlich sehr flexibel (10:00 bis Mittag) und der Edelweisswirt hat bislang keine Aussenbeleuchtung angebracht, in diesen Zeiten billigen Stroms auch keine Selbstverständlichkeit. Auch ein Grund gerade dort einzukehren.
Mein Tagesablauf sah dann so aus:
Etwas tiefer in einem ruhigen Kehrenstellplatz die Zeit verdösen. Tee kochen, viel trinken, Sternkarte lesen, schlafen... Wandern und andere Aktivitäten (Skifahren :o) wären zwar auch sehr schön, nur kann man Gift drauf nehmen dass man nach einem anstrengenden, sonnigen Tag in über 2000m Höhe extrem gut schläft.
Ab 19:00 wurde es ruhiger oben auf der Spitze. In aller Ruhe Teleskop aufbauen, oder rauftragen. Danke Männer! War nicht gerade leicht wie man deutlich sieht!
Inzwischen waren Uwe, Friedl und Frank angereist. Martin kam später auch noch, für ihn stand die Achilles-Fersen-Revanche vom letzten Herbst auf dem Programm. Ob diesesmal alles gut geht?
Und für die letzte, beste Nacht kam Marc hinzu.
Wie ist nun der Himmel?
Am Donnerstag abend war ich zunächst etwas enttäuscht vom Alpenhimmel - und gleichzeitig erleichtert, dass mein Himmel daheim zumindest im Zenit nicht soooo schlecht ist wie angenommen, also doch deutlich besser als meine geschätzten 5mag. Wenn ich im folgenden über Himmelsqualität schreibe, dann immer unter dem Gesichtspunkt "Zenitnah". In Sachen Horizontsicht hat die Edelweissspitze immer die Nase vorn gegenüber meinem besten Platz im Erzgebirge auf knapp 1200m. Als Testobjekt dienten die hochstehenden Frühlingsgalaxien wie M101 und M51 die ich durch meine Zeichenversuche gut kenne.
Das Seeing war zeitweise ziemlich gut, aber auch nicht besser als in guten Nächten daheim. Also geschätzte 1,5".
Anfangs etwas Wind bei Minus 2 Grad. Recht angenehm mit Daunenhose + zwei Daunenjacken.
Die Milchstrasse Richtung Schütze war ein echter Hingucker, nur so mit dem Immerdabei-Bino 1x7.
Die zweite und dritte Nacht waren dann deutlich besser! Feinheiten wie der Pfeifennebel in der Schütze-Milchstrasse waren zu erkennen. Der Abschnitt unterhalb des Schwans war so prägnant, dass ich ihn für eine Nebelbank hielt - das entsprechende Gelächter kann man sich vorstellen.
Der sprichwörtliche Schatten den Milchsstrasse war zu sehen. Diffus unter der Hand über der weissen Sternkarte. Beindruckend. Es war keineswegs dunkel am Platz und trotzdem - oder gerade deshalb - ein hervorragender Himmel!
Nun war es fast windstill und das Seeing war besonders in der zweiten Nacht so gut, dass es für einen fantastischen Saturn mit tiefschwarzer Ringkante und Enke-Teilung reichte - Erstsichtung für mich! Ich hielt das zunächst für einen Witz von Frank (es wäre nicht der erste gewesen [:D]) aber in seinem 20" f/5 war Enke in kurzen, ruhigen Momenten klar zu sehen. Das Seeing könnte um die 1" gelegen haben! Ein Wunder bei der Thermik am Tage.
Martins 18" auf EQ Platform lief ebenfalls zu Höchstform auf, aber Martin war mit der Balance noch nicht gaaanz zufrieden. Er musste unbedingt ein Okular in den Hutrand legen. "Vergiss es nicht wieder rauszunehmen!" waren meine letzten Worte. Zehn Minuten später - PLING! Martin war ganz ruhig. Erst als klar war, daß der Spiegel noch einteilig war, wagte Frank den ersten Scherz. Noch mal gut gegangen, ausser einem kleinen Abdruck.
Nächste Station: M87-Jet-Quizz mit Uwe
Jeder durfte die Position des Jets raten. Zuerst Martin - Niete, dann ich - ebenfalls Niete. Frank - richtig! Gar nicht so einfach! Man muss mit dem Fokus spielen damit man den Jet im schwammigen Galaxienkern zu fassen bekommt. Erstsichtung - unter Anleitung.
Dann weiter, auf meinen speziellen Wunsch, zum Zwillingsquasar in UMa. In meinem 28" nicht zu trennen und nur indirekt zu sehen. In Uwe's 27" ein einfaches Objekt, fast direkt! Zu diesem krassen Problem bezüglich der stellaren Grenzgröße unten mehr.
Imer wieder klarte der Himmel so perfekt auf, dass es ganz still auf dem Platz wurde. Nahazu unheimlich. Es gab keine Anweisungen mehr zur richtigen Wahl des Aufsuchokulars von Frank (Ethos 3,7mm - mindestens 500x, ausnahmsweise 300x), dafür ein komplettes Messier- und NGC-Verbot.
Die Transparenz des Hochgebirgshimmels wurde dann am dritten Tag besonders deutlich, das Warten auf den späten Monduntergang war einfach nur lästig, was liegt da näher als einfach schon mal anfangen! Galaxien bei Mond? Kein Problem! Uwe konnte sicht kaum auf der Leiter halten, M94 zeigte sich mit allen Details, ist ja auch klar- besonders Face-On Galaxien profitieren von der frontalen Mond-Beleuchtung. Undenkbar unter dunstigen Landhimmel.
Weiteres Higlight: Friedl's Einführung in die Dunkelwolken der Milchstrasse. Wieder Erstsichtung für mich in Friedl's vollausgestatteten 16".
Barnard 72 ("The snake") und der Barnard 104 (1-Nebel oder L-Nebel) standen auf dem Programm. Als Kennzeichen excellenter Himmelqualität werde ich das daheim probieren! Danke Friedl!
Die Blicke auf H-beta Fetzen im Schwan waren ebenfalls sehr interessant!
Gegen morgen gab es "Programm mit Uwe", Trifid- Adler und Schwan-Nebel sowie der tiefe M22 mit 27". Einfach Fantastisch! Hier war ich mit meinem 28" einfach dumm dran, da meine Höhenräder nicht unter 30 Grad reichen, naja heisst ja auch Höhenräder, dieser Misstand muss geändert werden. Uwe's Dob schaffte das spielend. Überhaupt ein Fernröhrli der Referenzklasse, funktioniert in allen Lagen einfach perfekt! Danke Uwe für diese Morgen-Schau!
Die Dämmerung vor 23:00 und nach 4:00 war für Tests am Polaris noch gut zu gebrauchen. Und auch deshalb bin ich ja hier hergefahren.
Wie funktioniert nun mein 28" Dünnspiegel?
Naja, hier gibt's jetzt ein paar Baustellen.
Zuerst die Sache mit der stellaren Grenzgröße. Dank Uwe's Hilfe und Vergleichsmöglichkeit konnte einige Dinge festmachen. Das Problem ist hauptsächlich in der Spiegelzelle zu finden, durch eine hartnäckige Verformung kommen die Sterne ab ca 300x nicht mehr "auf den Punkt". Wobei man das bei dieser Vergrößerung noch nicht sehen kann, nur es drückt die Grenzgröße. Bei 1200x waren die Unterschiede deutlich zu sehen. Bei flächigen Objekten (zarte Ausläufer von Galaxien) war auf den ersten und auch zweiten Blick kein Unterschied zu bemerken. Sobald der Hauptspiegel eine Aluschicht hat (noch ist da Silber mit undefinierten Eigenschaften drauf) kann ich mit den bisher gewonnenen Erkenntnissen weitertesten. Leider ist auch die neue Aluschicht vom Fangspiegel ein Reklamationsfall...
Weiterhin war die Thermik meines Spiegels in der geschlossenen, lüfterlosen Kiste ein Problem. Vor der zweiten Nacht lag der Spiegel tagsüber im heissen Auto, er hatte mindestens 30 Grad! Wenn nicht sogar mehr. Das dauerte dann bis Mitternacht zum Temperaturausgleich, auch bei nur 25mm am Rand und 10mm in der Mitte. So eine krasse Überkorrektur habe ich noch nie gesehen, selbst in 150x Aufsuchvergrößerung nur eine Ring im Fokus, wow!
Zuhause ist das nie ein Problem, nur an diesem Punkt heisst es aufpassen! Für die dritte Nacht blieb der Spiegel dann im Zimmer liegen und wurde noch eher zum Auskühlen rausgestellt - wesentlich besser!
Insgesamt ist zu sagen:
Wer vorhat einen Borofloat-Spiegel in Richtung 70cm zu schleifen - etwas Geduld und einige Überraschungen sind einzuplanen!
Ich würde sagen, die 69cm mit 30mm Dicke (und knapp 20mm Mittedicke) von Werner Reimann in Uwe's Teleskop sind im Moment die Referenz für ein "Universalteleskop". Meine 71cm mit 10mm Mittendicke sind hart an der Grenze, ich versuche jetzt noch eine neue Spiegelzelle, wenn aber alles nichts hilft bleibt es bei einigen Einschränkungen bei hohen Vergrößerungen. Wer etwas perfektes haben will, liegt mit einem 20" f/5 ziemlich richtig. Trotzdem möchte ich das Extra-Licht nicht missen.
Und Zeichnungen?
Gibt es beim nächsten mal!
Der Glockner hat soviele neue Eindrücke zu bieten, da passt das Zeichnen nicht so recht rein. Die Ausrüstung muss stimmen, gute Rotlichtlampe, keine beschlagenen Okulare, einfach keinen zusätzlichen Stress. Krieg ich in den Griff - beim nächsten mal.
Abreise dann Sonntag früh, im Alpenglühen. Mit vielen neuen Eindrücken im Gepäck.
Wie teuer war eigentlich die Beobachtungsstunde da oben? Will ich gar nicht wissen, es gibt noch Dinge zwischen Himmel und Erde, die kann man nicht mit Geld bezahlen, zum Beispiel die Stimmung oben auf der Spitze, was für ein Spass - einmalig!
Viele Grüße
Kai
ps. sämtliche Nacht- und Dämmerungsbilder sind von Friedl und Uwe - Dankeschön!