Hallo Zusammen,
wir hatten unter
http://swissbi.ch/post.asp?met…PIC_ID=109085&FORUM_ID=74
eine Diskussion, inwieweit Keilprismen geeignet sind, die Wirkung der atmosphärischen Diffraktion aufzuheben und die Beobachtung zu verbessern. Keiner wusste etwas Genaues und Erfahrungen gab es auch noch nicht hierzu. Ich habe mir daraufhin je 2x das 0,5 ° und das 1° Keilprisma von Edmund Optics besorgt mit der VIS-0 Vergütung.
http://www.edmundoptics.com/on…roduct.cfm?productid=2052
Gefasst wurden die Prismen in leere Baader Filterfassungen. Leere Filterfassungen gibt es auch bei Teleskop-Express. Im einfachsten Fall kann man dies durch Umwickeln mit doppelseitigem Klebeband tun oder professionell mit speziell gedrehten Distanzringen zum Ausgleich des Unterschieds von 25 mm und 28,5 mm Durchmesser. Die Keilprismen können so einfach vor die Okulare in die Filtergewinde eingeschraubt werden.
Die Orientierung der Keilprismen erfolgt dabei so, daß – beim Refraktor mit Zenitspiegel – der breite Rand des Keils jeweils zum Betrachter bzw. zum Boden zeigen muß. (Bei einem Newton müsste der breite Teil des Keils wohl auf 15.00 Uhr stehen.) Die Orientierung der Keilprismen wird einfach durch Drehen der Okulare in der Okularaufnahme erreicht.
Am Himmel kann man dies mit einem Stern bzw. dem beobachteten Planet leicht sicherstellen, da man diesen durch Rotieren der Keilprismen mit dem Okular nur auf „18.00 Uhr“ im Refraktor mit Zenitspiegel (bzw. 15.00 Uhr im Newton) einstellen muß. Das Bild des Objektes rotiert im Bildfeld beim Drehen entsprechend dem Winkel des Keilprismas, d.h. es beschreibt bei 0,5° einen kleinen, bei 1° einen größeren Kreis. Bei der einzustellenden Position stellt man am unscharf eingestellten Objekt sofort fest, daß jeder rot/blaue Farbüberschuss entfällt, sich bei weiterem Drehen jedoch wieder einstellt.
Beim Bino werden beide Okulare nur einmal entsprechend eingerichtet. Es genügt danach, das Bino insgesamt in der Ringschwalbe oder durch Lockern und Festziehen der Verschraubung so einzustellen, daß die ursprünglich eingestellte Position der Keilprismen gewährleistet ist.
Bei azimutaler Montierung des Teleskops wie bei einer azimutalen Gabelmontierung entfällt dieses Nachstellen, da die parallele Orientierung der Keile zum Horizont dann immer gewährleistet ist. Bei äquatorialer Montierung muß man immer fortlaufend die Orientierung der Keilprismen bei steigender Horizonthöhe nachstellen. Es genügt jedoch völlig, dies alle 4 – 5 Minuten oder länger zu tun.
Ein erster Eindruck ergab, daß bei Horizonthöhen unter 40 ° das 1 ° Prisma, bei Horizonthöhen über 40 ° bis jedenfalls 65° das 0,5° Prisma zweckmäßig und effektiv ist. Es genügt, durch die vorgegebene feste Ablenkung der Prismen überhaupt eine Korrektur der atmosphärischen Diffraktion herbeizuführen, eine 100 % -ige Korrektur durch Verwendung zwei gegeneinander rotierender Keilprismen scheint jedenfalls für visuelle Zwecke nicht erforderlich.
Erste Beobachtungseindrücke:
Um es vorwegzunehmen: der Unterschied zur Beobachtung mit und ohne Keilprismen ist gewaltig und entscheidend. Ich beziehe mich auf ein ED-Triplett mit 110 mm und ein ED-Triplett mit 130 mm Öffnung.
Jupiter: Bei Horizonthöhe von jetzt maximal 40 ° ist regelmäßig noch mit äußerstens 80 x zu beobachten, allerdings mit dem wenig zufriedenstellenden Resultat eines weichen, detailarmen flauen Bildes. Meistens sind wir versucht dies auf das „Seeing“ oder die halt doch nicht so gute Optik zu schieben. Weit gefehlt: hier schlägt die atmosphärische Diffraktion zu und zwar wie ! Bei Verwendung des 0,5° Prismas im Vixen LV 5 mm am 110 mm Refraktor konnten spielend 150 x und bei Verwenden eines ED 3,8 Okulars noch 200 x sehr gut verwendet werden. Die Darstellung war detailreich, klar, scharf und von hohem Kontrast. Zufällig konnte ich einen Schattendurchgang eines Mondes beobachten. Dabei trat in dessen Folge eine kleine helle Scheibe vor den Jupiter und zog vor der jetzt ja beginnenden „Phase“ auf der leicht verschatteten Seite durch. Das war der Mond, der den Schatten geworfen hatte! Sowohl Schatten als auch die Scheibe des Mondes vor dem Planet waren knackscharf und beides im Kontrast klar abgehoben und getrennt vor der hellen Scheibe des Jupiter.
Bei einer weiteren Beobachtung konnte die Vergrößerung im 130 mm Refraktor bis auf 300 x getrieben werden, allerdings bei dann etwas weichem Bild. 250 x wäre wohl das Optimum gewesen. Dabei wurde dabei eine diagonale Verbindung zwischen den südlichen Bändern sichtbar, die mir bislang nicht zugänglich war.
Es versteht sich, daß bei beiden Beobachtungen Jupiter selbst scharf und ohne jeden farbigen Rand im Okular stand.
Mond: Der Mond wurde bei einer Horizonthöhe von 65 ° beobachtet. Eine Wirkung der Keilprismen hatte ich nicht erwartet bzw. mit einer farblichen Überkorrektur gerechnet. Beobachtet habe ich mit dem Bino. Was tat sich wirklich? Ich habe noch nie so weiße Kraterränder und Kliffe gesehen. Bei Beobachtung ohne Prismen zeigten diese einen leicht blau/grünen Rand, der mir bislang entgangen war. Die Darstellung wechselte bei Verwendung der Prismen auf eine hochgradig plastische, reliefhafte Qualität, wie ich sie bislang noch nicht kannte (und ich beobachte den Mond nicht erst seit ein paar Jahren). Die Mondränder hatten eine Präsenz, daß man unwillkürlich an geologische Formationen denken musste. Selbst im flach beleuchteten Zentralbereich des Mondes zeigten die Formationen einen greifbar reliefhaften Charakter, der sonst in der flachen Beleuchtung untergeht. Das Ganze wie gesagt bei einer Horizonthöhe von 65° !
Als vorläufiges Ergebnis daraus kann ich festhalten:
Die atmosphärische Diffraktion beeinträchtigt unser Beobachtung viel stärker, als wie dies gemeinhin annehmen. Eine Korrektur ist mit einfachen Mittel, nämlich Keilprismen mit festem Ablenkwinkel möglich. Die Korrektur führt zu einer deutlich verbesserten Darstellung. Einen Effekt wird man erst ab einer Vergrößerung von 80 x aufwärts feststellen, wobei es auf den Durchmesser des Objektives / Spiegel und damit seine Auflösung ankommt. Je größer das Objektiv / der Spiegel ist, um so mehr wird man den Effekt der Korrektur bei mittleren und hohen Vergrößerungen nutzen können. Die Grenze liegt dann bei dem, was das Seeing tatsächlich zulässt, und das ist weit mehr als wir glauben.
Ich sehe eine Verwendung auch in der Sonnenbeobachtung bei niedrigen und mittleren Höhen, z.B. zur Beobachtung der Granulation. Ich schließe nicht aus, daß sogar bei kleinen Deep-Sky Objekten und Verwendung mittlerer und hoher Vergrößerungen der Kontrast und die Durchzeichnung verbessert werden kann wie z.B. bei planetarischen Nebeln.
Bei Verwendung von Farbkameras oder Video kann mit einer besseren Wiedergabe gerechnet werden. Ob die Genauigkeit eines RGB-Abgleichs immer erreicht werden kann, ist zweifelhaft, er ist zum Erzielen zufriedenstellender Ergebnisse auch wohl nicht immer erforderlich. An die photographische Verwertung mögen sich die Sternfreunde mit dem entsprechenden Know How und Gerät machen.
Nach meinem Eindruck ist die Verwendung von Keilprismen in den Niederlanden und in Frankreich bei Amateurastronomen weithin bekannt und wird dort regelmäßig praktiziert. Dies in der Form der gegeneinander rotierbaren Keilprismen – sogenannten Risley Prismen. Unter astrosurf.com finden sich entsprechende Nachweise unter correcteur de dispersion atmospherique mit Bildbelegen aus den vergangenen Jahren. Im englischen Umfeld finden sich nur erstaunlich wenige Erläuterungen unter der Bezeichnung wedge prism.
Zusammengefasst erscheint mir eine Beobachtung von Planeten ohne Keilprisma grundsätzlich nicht mehr sinnvoll. Die bevorstehende tiefe Mars-Opposition gibt hier ein gutes Feld zum Erproben. Weitere Beobachtungsfelder zum Einsatz von Keilprismen liegen nahe.
Beste Grüße
Dietmar