BB: 17.04.2010, wegen Erkältung vieel zu kurz

  • Hallo allerseits,


    so, mein Gegengewicht (5kg) mit ehemals 20mm Bohrung hat nun EENDLICH 31,7mm Lochdurchmesser. Das heißt, jetzt bin ich endlich einsatzbereit! Naja, eigentlich bin ich schon seit gut 1 Woche einsatzbereit, aber eine abscheuliche Erkältung raffte mich dahin. Ihr könnt euch vorstellen, wie es mir ging, als ich gestern den klaren Himmel gesehen habe. Klarer Himmel! Und ich lag im Bett! Mit Kopfweh, Ohrenweh, Halsweh und aua in den Bronchien lag ich in meinem Bettchen! Während draußen klarer Himmel war! Naja, die Antibiotika die ich dann gestern bekommen hab, schlugen sie heute so langsam an, und so dachte ich mir, heute könnte ich es wagen, die Losmandy GM-8 samt ACF und natürlich dem Beobachter auf den Balkon zu hieven, und den Sternenhimmel zu genießen. Dick packte ich mich ein, zog mir eine Mütze auf (meine Ohren sind noch immer gepeinigt), und baute das Teleskop auf. Das Ausbalancieren war wie immer sehr spaßig, und dem entsprechend froh war ich, als es geschafft war. Sucher und Telrad waren auch schnell justiert, aber es war noch vieel zu hell. Ich setzte mich an meinen Laptop, schaltete das Rotlicht-Programm ein, chattete noch ein bisschen und hoffte, dass kein übereifriger Nachbar auftauchen würde, welcher mein Verhalten als Versuch deutete seiner Frau hinterherzuspannen. Mal davon abgesehen, dass es in unserer Nachbarschaft keine weiblichen Wesen gibt, bei denen sich ein solches Verhalten lohnen würde, wage ich doch stark zu bezweifeln, dass ein Spanner ein 8" Lx-200 ACF-Teleskop auf einer doch recht massiven Losmandy GM-8, mit einem 8x50 Suchfernrohr und einem Telrad auf dem Balkon aufbaut, um Nachbarn hinterherzu spannen. So, genug der Situationskomik, denn es wurde nun langsam immer dunkler. Der Gigawattstrahler in Nachbars Garten leuchtete mal wieder, ich muss umbedingt mal meinen Nachbarn bitten, diesen Auszuschalten. Nun wurde ich langsam aufgeregt, denn es sollte die Erste Beobachtung ohne GoTo werden! Bzw. die erste richtige, ich hab ja schoneinmal mit der GM-8 beobachtet (==> BB: "Raumpatroullie Orion"). Ich holte den Karkoschka, den DSRA aus dem Bücherregal in dem sie viel zu lange ihr Dasein fristeten, und suchte mir das Leo-Triplett als Debüt-Objekt(e) aus. Und tatsächlich. Theta-Orionis im Telrad eingestellt, Viereck aus Sternen, dass im Karkoschka zu sehen war sofort im Sucher wiedererkannt, mit dem Sucher kurz über das eine Sternchen gehüpft (dorthin so nach Karkoschka M65 ist), und ins Okuar geschaut. Und tatsächlich! 2 unscharfe Flecken waren zu erkennen (im 36mm Meade QX Okular, mein bisheriges Lieblingsokular, zu eurer Info, ich hab noch nie durch ein Nagler geschaut... ). Ich beobachtete das Leo Triplett ca. 1h lang. Es kamen immer mehr Details zum Vorschein. Natürlich, der Anblick war nicht vergleichbar, mit dem Anblick, den das Leo Triplett bot, als ich auf dem Kohlhof bei Heidelberg gespechtelt hab, aber trotzdem...WAHNSINN! Mit der Zeit konnte ich leicht eine Zentrale erhellung erkennen, welche schräg in dem unscharfen "galaxienkörper" eingebettet war. Die Andere Galaxie war etwas schmaler, und hatte weniger struktur, aber trotzdem einige "Hell-Dunkel-Unterschiede". Sehr interessant war außerdem das Skype-Gespräch, welches ich während meiner Beobachtung mit einem Kumpel führte, denn er fütterte mich mit Informationen über die Entfernung der Objekte.


    Nach Wikipedia ist M65 30 Millionen Lichtjahre entfernt, das heißt, das Licht was ich da sehe ist 30 Millionen Jahre alt! Das muss man sich erstmal klar machen! Als diese Photonen auf die Reise gingen, sah unsere Erde so aus (diese Geschichte hat mir mein Kumpel über Skype vorgelesen):


    Vor 25 Millionen (so ca. 30 *gg*) Jahren sah der heutige Westerwald ganz anders aus: Vulkane prägen die Landschaft, immer wieder bebt die Erde und es kommt zu kleineren Ausbrüchen. Das Klima ist warm und feucht. Lorbeergewächse und Zypressen gedeihen prächtig. Am damaligen „Stöffel-See“ leben Krokodile und Schildkröten. Kaulquappen mit einer Länge von 20 Zentimeter sind keine Seltenheit. Frösche quaken am Seeufer und im Gebüsch lauert der Flussjäger, ein kleines, otterartiges Raubtier. Im Unterholz krabbeln schillernde Käfer und Spinnen. Libellen flattern durch die warme Luft und in den Bäumen versteckt sich ein kleines, seltsam anmutendes Wesen. Plötzlich stößt sich das Tier ab, breitet seine zwischen Vorder- und Hinterbeinen sitzenden Flughäute aus und segelt gekonnt durch die Lüfte, immer auf der Suche nach etwas Fressbarem. Millionen Jahre später wird dieses Tier unter dem Namen „Stöffel-Maus” für eine Sensation sorgen.


    M65 und M66 im Leo Triplett sind 2 direkte Nachbarn, sie Wechselwirken miteinander über Gravitation, was ich auch sehr faszinierend Finde. Allgemein ist der Anblick von mehr als einer Galaxie im Okular sehr faszinierend. NGC3628 konnte ich leider beim besten Willen nicht erkennen.


    Nun suchte ich im DSRA nach weiteren Lohnenswerten Objekten im Löwen, und wurde fündig! Die M96 Galaxiengruppe stand nun auf dem program!


    M96 ist eine ca. 34 MillionenLichtjahre entfernte Spiralgalaxie im Löwen, sie ist Namensgeber der M96 Galaxiengruppe, welche aus den Galaxien M95, M96, M105 und noch einigem NGC-Gewusel besteht. Ich sag jetzt so einfach Gewusel, aber man sollte nie Vergessen, dass jede einzelne Galaxie (zur Erinnerung, hier in der M96 Gruppe sind das über 5 Galaxien) eine ausgewachsene Spiralgalaxie, mit über 100.000 Ly Durchmesser, mehreren 100 MILLIARDEN (! mehrere 100.000.000.000) Sternen, und ziemlich vielen Planeten ist. Und das sehen wir mit dem bloßen Auge!


    So aber genug zu den schnöden Fakten, nun heißt es genießen! Ich habe den Telrad auf rho Orionis gerichtet, und hab das Teleskop ca. die Halbe strecke richtung Theta Orionis geschwenkt. Ins Suchfernrohr geschaut, und das Dreieck wiedererkannt, das man auch im Karkoschka sehen konnte. Das war diesmal etwas schwieriger als beim Leo triplett! Fadenkreuz im Suchfernrohr dahingerichtet, wo nach Karkoschka M96 sein müsste, und ins Okular geschaut. Aber erstmal...nix zu sehen. Ich schaute nochmal durchs Suchfernrohr, wusste, hier musste M96 sein! Hier und nirgendswo anders! Ich schaute nochmal in das Okular, mit dem Vorsatz diesmal nicht so ungeduldig zu sein, und tatsächlich! So langsam tauchte ein unscharfer Fleck auf! Dicht gefolgt von einem weiteren, schwächeren Unscharfen Fleck! Voller Freude wollte ich kurz aufstehen, um meine Sitzposition zu wechseln, und knallte volle kanne gegen den Tubus, so dass nicht nur eine schmerzende Stelle am Kopf, sondern auch die Verstellung des Teleskop die Direkte Folge dieser Unachtsamkeit darstellten. Ich stellte das Teleskop nocheinmal auf die selbe Stelle, und erkannte wieder den Unscharfen Fleck. Ich wollte mehr Details herauskitzeln, konnte den 2. Unscharfen Fleck nun besser erkennen! Konnte eine Ausdehnung erkennen, leichte Unterschiede in der Helligkeit. Ich bewegte die Feinbewegungen des Teleskops, um die Galaxien durch die Bewegung im Okular besser erkennen zu können. Und hatte dabei die ganze Zeit im Hinterkopf: Eine Entfernung von über 30 Millionenlichtjahren (30 Mio jahre altes licht), 2 Galaxien mit über 100 Millionen Sternen, Planeten, Leben? Vielleicht schaut gerade ein extraterrestrischer Hobyastronom, von einer dieser Galaxien in unsere Richtung? Genießt den schwachen Schimmer der Milchstraße? Sitzt an seinem Teleskop, unter dem fremden Himmel einer uns fremden Welt, und schaut uns an. Wie mag dieser Hobbyastronom aussehen? Wie mag seine Welt aussehen? Diese Fragen sind zu hoch für uns, wir werden sie nie beantworten können, wir werden möglicherweise versuchen sie irgendwie (gezwungen) zu beantworten, da wir es nicht aushalten etwas nicht zu wissen, aber wirklich wissen werden wir es nie. Ich überlegte, es wäre doch schön eine solche fremde Welt mal zu sehen, wenn ich einen Wunsch frei hätte...

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