Hallo zusammen,
Ende Oktober / Anfang November hatte ich die Gelegenheit, im Urlaub von Chile aus mal den Sternenhimmel zu beobachten. Einen Beobachtungsbericht wollte ich euch nicht vorenthalten..
War auf einer Rundreise in der Atacama-Wüste (Umgebung von San Pedro de Atacama) sowie auf der gegenüberliegenden argentinischen Seite und Bolivien (Salar de Uyuni). Dabei habe ich aber keine Profisternwarte besucht, der Schwerpunkt lag sowieso auf Natur- und Landschaftsbeobachtung.
Aus mehreren Gründen nahm ich nur meinen 8x56 Feldstecher mit nebst Fotoausrüstung und Star Adventurer Montierung, aber kein Teleskop. Zum einen wollte ich mein Freigepäck nicht zu sehr strapazieren, zum anderen habe ich in diversen Blogs gelesen, dass einem bei der Wiedereinreise aus Nachbarländern neben verderblichen Lebensmitteln auch Produkte aus Holz abgenommen werden (!), wozu auch mein 8 Zoll Reisedobson zählen würde. An den Grenzen nach Chile wird jedes einzelne Gepäckstück händisch oder manchmal von Spürhunden durchsucht...
Aber auch mit 7 mm und 56 mm Öffnung kann man eine Menge beobachten, wenn der Himmel dunkel ist.
Beobachtungsbedingungen:
Es war nicht immer sternklar, in den ersten Nächten waren meistens Schleierwolken am Himmel, allerdings schien da sowieso der Mond. Außerdem konnte ich die Zeit nutzen, um mich an die Höhe zu akklimatisieren (Passstraßen bis 4900 m Höhe und Übernachtungen bis 4500 m Höhe, die meiste Zeit über 3500 m Höhe).
An den meisten Abenden wehte ein extrem starker eiskalter Sturm... Einmal wehte es nachmittags meinen Sonnenbrillenclip vom Kopf weg, so dass ich ihm in der Wüste und Höhenluft hinterherrennen musste und ihn irgendwo aus dem Sand fischen konnte... Oft ging das bis nach Dunkelheit mit der Windstärke weiter. Das wäre nichts für den klapprigen Fotoaufbau aus Star Adventurer und Stativ gewesen.. Auch mein Schnellhefter für Beobachtungsaufzeichnungen und ausgedruckten Sternkarten wäre mir davongeflattert...
Aber nicht immer war es so stürmisch. Oftmals hörte der Wind gegen 20 bis 21 Uhr, also in der Dämmerung, fast komplett auf. Dann konnte man wirklich von extrem guten Bedingungen profitieren.
Je nach Abend und Standort schätzte ich die freiäugige Grenzgröße im Zenit auf 7.2 mag bis 7.6 mag. Das deckt sich ungefähr mit den Grenzgrößen, die ich auch in Südafrika erreiche, dort ebenso bei trockener Luft abseits menschlicher Siedlungen, aber weniger hoch überm Meeresspiegel als in Chile.
Stichwort Trockenheit.. Tagsüber ist hier die Luftfeuchtigkeit laut Meteoblue meist zwischen 3% und 10%, nachts auf über 4000 m Höhe so um die 20% bei Temperaturen etwas unterhalb des Gefrierpunkts.
Ich beobachtete an folgenden Standorten (in Klammern die visuelle Grenzgröße):
Salar de Uyuni, Bolivien, 3650 m üNN, nur ein bisschen fotografiert. Ernsthaftes Programm noch nicht angefangen, weil nur eine Dreiviertelstunde zwischen astronomischer Dämmerung und Mondaufgang.
Salar de Ascotán, Reserva Nacional Alto Loa, 3720 m üNN (7.3 mag)
Salar de Carcote, Reserva Nacional Alto Loa, 3690 m üNN (7.5 mag)
Laguna Inka Coya, 2540 m üNN, 35 km von der 150 000 Einwohner Stadt Calama entfernt (7.2 mag, die Stadt war als kleiner Schein am Horizont erkennbar, störte kaum. Muss an der trockenen Luft liegen.)
El Tatio Geysire, 4300 m üNN (7.6 mag, bis dahin war ich auch schon akklimatisiert)
Laguna de Tara, Reserva Nacional Los Flamencos, 4300 m (7.6 mag)
Was man so alles um die Jahreszeit auf diesen Breitengraden (20 bis 23 Grad Süd) mit Feldstecher und bloßen Augen beobachten kann... die Milchstraße verläuft abends ganz flach über den Horizont, geht nach Ende der Dämmerung bald im Westen unter (Sagittarius) und im Osten wieder auf (Taurus). Man schaut also abends senkrecht aus der Milchstraße heraus und wünscht sich ein Teleskop, um Galaxien beobachten zu können.. Aber es geht auch ohne große Öffnung!
Große / Kleine Magellansche Wolke:
Die beiden waren recht nah am Horizont, da sind die Abende Dezember bis März besser geeignet.
NGC 253 (Galaxie) und NGC 288 (Kugelsternhaufen) im Sculptor:
Die beiden sind tatsächlich lohnende Feldstecherobjekte, stehen schön nebeneinander am Himmel. Hier ist eine Skizze:
NGC 55 (auch eine schöne Galaxie in Kantenlage im Sculptor):
NGC 300 (Spiralgalaxie im Sculptor, als Fleck, der in der Mitte etwas heller war):
NGC 7293 (Helixnebel, Deepsky-Objekt des Monats September 2018):
Der Helixnebel wirkte unter diesen dunklen und zenitnahen Bedingungen im 8x56 Feldstecher auch ohne Filter deutlich kontrastreicher als von Deutschland aus im Horizontdunst mit 12-Zoll Dobson. Mit zwischen Fernglas und Augen gehaltenem O-III Filter kommt der Kontrast zwischen Ring und Mitte des Helixnebels gut herüber.
Die Zeichnung gehört dann aber in diesen Thread drüben. Hole ich noch nach..
NGC 7293 und NGC 253 sollen unter sehr guten Bedigungen angeblich mit bloßen Augen sichtbar sein. Nicht von Deutschland aus, da stehen sie ja im Horizontdunst. Musste ich unbedingt probieren... Wenn nicht hier und jetzt, wo und wann sonst..?
Zur Bestimmung der visuellen Grenzgröße im Zenit suchte ich mir ein Sternfeld zwischen beta Ceti und alpha Sculptoris, das im Laufe des Abends durch den Zenit lief. An den beiden höchstgelegenen und abgelegensten Standorten kam ich dabei auf 7.6 mag. 7.0 bis 7.1 mag Sterne waren dabei einfach erkennbar.
Tatsächlich, in den beiden genannten Nächten auf 4300 m Höhe konnte ich NGC 253 mit bloßen Augen erkennen, als ziemlich schwieriges Objekt. Sie soll 7.2 mag hell sein und ist ja flächig. Aber es hat ausgereicht. Vermutlich ist der Unterschied zwischen stellar und nichtstellar mit bloßen Augen auch nicht so groß, weil auch stellare Objekte bei indirektem Sehen etwas verschmiert auf der Netzhaut ankommen..
Also folgte ein Blick Richtung Norden und Osten.. Wie schaut es mit den beiden hellen Nordhimmelgalaxien aus?
Messier 31: Flächiges, längliches Objekt, das in der Mitte heller als am Rand war, mit bloßen Augen.
Messier 33: Diffuser Fleck, aber mit bloßem Augen bei direktem Sehen gut erkennbar.
Damit konnte ich also neben unserer eigenen Galaxie 5 weitere Galaxien mit bloßen Augen erkennen: Messier 31, Messier 33, Große Magellansche Wolke, Kleine Magellansche Wolke, NGC 253.
Wie schaut es mit NGC 7293 (6.3 mag) aus?
Bei 7.2 mag Himmel konnte ich sie nicht erkennen. Bei 7.5 mag Himmel meinte ich, da was zu erahnen, war mir aber nicht sicher. In der letzten Beobachtungsnacht auf der hochgelegenen Laguna de Tara probierte ich es mehrmals. Tatsächlich konnte ich bei indirektem Sehen bei mehreren Anläufen immer wieder was an der Stelle aufblitzen sehen, ohne Filter. War aber noch schwieriger als NGC 253.
Eine Skizze lade ich noch im Thread zum Objekt des Monats September 2018 hoch.
Ich hatte dann auch versucht, den Planeten Neptun (7.8 mag) mit bloßen Augen zu erkennen. Das ist mir allerdings nicht gelungen.
NGC 6822
Diese Zwerggalaxie unserer Lokalen Gruppe war das Deepsky-Objekt des Monats Juni 2016 und kommt bei mitteleuropäischen Breiten auch nicht sehr weit über den Horizont.
Von der Laguna de Tara aus konnte ich sie im 8x56 Feldstecher bei indirektem Sehen halten. Hier ist eine Skizze:
An mehreren Abenden konnte ich den Kometen 46P/Wirtanen mit dem Feldstecher beobachten und konnte ihn fotografieren. Aber das gehört ja nicht unter Deep-Sky, sondern eher hier her:
http://www.astrotreff.de/topic.asp?TOPIC_ID=232171
Darüber hinaus konnte ich einige Deep-Sky Objekte mit Spiegelreflexkamera, 200 mm Objektiv und Star Adventurer Montierung fotografieren:
http://www.astrotreff.de/topic.asp?TOPIC_ID=232344
Hier ist eine Nightscape-Aufnahme der Milchstraße über dem Salar de Uyuni (Bolivien). Es handelt sich um den größten (ausgetrockneten) Salzsee der Welt. Man kann da mit dem Auto drauf herumfahren und mitten auf dem Salzboden übernachten. Durch den starken Wind und die entsprechende gefühlte Kälte hat man den Eindruck, man würde nicht über Salz laufen, sondern über Eis, und man wäre in der Antarktis.
Aufgenommen mit Canon EOS 70D (nicht modifiziert), Samyang 10 mm f/2.8 bei Offenblende, ISO 3200, 15 Sekunden belichtet ohne Nachführung.
Was hier noch auffällt, ist der helle Lichtschein fast senkrecht zur Milchstraße. Es handelt sich um das Zodiakallicht. Und der starke Farbton. Hierbei handelt es sich um Airglow. Man erkennt das sogar an der Salzoberfläche, dass sie vom Airglow beschienen wird. Das menschliche Auge sieht das einfach als Grau.
Was mich aber am meisten beeindruckt hat, war ein Objekt, das eigentlich gar nicht unter Deep-Sky fällt, auch wenn es flächig und diffus ist:
Das Zodiakalband und der Gegenschein! Das Zodiakalband, das ich von Südafrika (Januar-März) als recht schwaches Band entlang der Ekliptik kenne, ist um diese Jahreszeit (November) sehr viel höher am Himmel und bei direktem (!) Sehen richtig auffällig. Wirkte etwa so wie die Milchstraße unter etwas lichtverschmutztem Landhimmel.
Aber das gehört ja eigentlich unter Beobachterforum Sonnensystem:
http://www.astrotreff.de/topic.asp?TOPIC_ID=232345
Clear skies
Robin