Liebe Stern- und Fernglas-Freunde,
Murphy schein mein Freund zu sein. Oder der pennt total. Vielleicht liegt es ja auch daran, dass er bei Öffnungen unter 4" nicht mehr seinen Hintern hoch kriegt.
Auf jeden Fall zieht Murpy´s law nicht mehr bei mir. Heute kam mein kürzlich im Biete-Forum von A.de geschossenes <font color="orange">Nikon 18x70 IF WP</font id="orange"> bei mir an und ich hatte sofort die Gelegenheit, das FG ausgiebig am Tage und in der Nacht zu testen.
Und es wurde nicht nur getestet, sondern auch verglichen mit meinem bewährt guten <font color="orange">16x70 Fujinon FMT-SX</font id="orange">.
Klar, jetzt werden sich einige fragen, was will der Kerl mit einem 18x70, wenn er doch schon ein 16x70 der Marke Fujinon sein eigen nennt. Mich reizten die Aussicht auf 18-fach statt 16-fach bei gleichem Gesichtsfeld von 4° (die Nikon-Okulare sind weitwinkliger). In Vergangenheit habe ich immer wieder festgestellt, dass mitunter die Vergrößerung entscheidender ist als die Öffnung, wenn es darauf ankommt ...
Aber los jetzt. Hoffentlich schaffe ich das kurz und bündig.
Beim Nikon fiel mir als erstes auf, dass es an der Objektivseite schlanker ist als das Fujinon.
Beide auf die Waage gestellt, das Nikon ist auch gut 240g leichter (1.990g ggü. 2.220g). Im Vorfeld hatte ich bei Vergleichstests im Netz gelesen, dass das Nikon schwerer sein soll. Puh, ein erstes Mal tief durchatmen, Mein Unterbau hat bislang gerade so gereicht für das Fujinon, nun tritt auch auf der Gewichtsfront etwas Entspannung ein.
<u>Tagtest</u>
Das Einblickverhalten beim Fujinon ist bei mir so, dass ich meine Augen richtig anpressen muss, um das ganze Gesichtsfeld zu überblicken. Beim Nikon war ich anfangs ziemlich irritiert, ich bin fast in das Glas hinein gekrochen und konnte trotzdem nicht bis an die Ränder schauen bzw. das Bild war viel dunkler .
Irgendwann habe ich dann festgestellt, dass zwischen den Augenmuscheln und dem Fernglas Abstandhalter eingebaut sind - an die Brillenträger wurde also auch gedacht. Ich als Nicht-Brillenträger habe trotzdem zu der Variante ohne Abstandhalter gewechselt. So, die Augenmuscheln direkt aufs Fernglas und ab ging die Luzie. Was für ein Bild! Natürlich kein großer Unterschied zum Fujinon, aber die 2x mehr waren trotzdem schon zu spüren am 200 m entfernten Waldrand. Ein klares helles Bild ohne spürbare Farbsäume. Da nehmen sich beide Gläser nicht viel.
Das Fujinon ist ja bekanntlich konsequent auf Astronomie ausgerichtet. Nikon hat aber noch einen drauf gesetzt. Ich sage nur Naheinstellgrenze 85 Meter! Und die Scharfstellung geht so schwergängig, dass ich anfangs dachte, die klemmt. Aber mit Blick auf die Augenmuscheln sinnvoll ... einmal die richtige Schärfe eingestellt, kann man an den Augenmuscheln drehen, ohne dass man Angst haben muss, noch einmal versehentlich die Schärfe zu verstellen.
Das Thema Randschärfe spielt bei mir nur eine untergeordnete Rolle, ich verrenke mir ungern die Augen, der Blick durch die Mitte ist für mich der Weg zum Ziel.
<u>Nachttest</u>
So, jetzt ran ans Eingemachte. Überflüssiger Fehlkauf oder Zugewinn, das war hier die Frage.
Ich habe beide Ferngläser (auf Stativ) an einigen Objekten verglichen. Zwei will ich exemplarisch heraus greifen.
<font color="green">Messier 77</font id="green">
Hier habe ich im 18x70 begonnen. Die Galaxie ist schön einfach sichtbar, die Helligkeitsunterschiede zwischen Rand und Zentrum deutlich. Direkt besehen wirkte das Zentrum stellar, indirekt kompakt.
So, mit dem Fujinon drauf gehalten. Hm auch schön, der Kern von M 77 indirekt fast stellar und direkt kaum auffällig. Aber irgend etwas war anders. Hm, nochmal gewechselt zum Nikon ... das Umfeld angeschaut. Hui, ein schöner farbiger Stern oberhalb von M 77, schön anzusehendes Umfeld. Zurück auf Fujinon 16x70. Jetzt wird es klar. Der Hintergrund im Fujinon wirkt leicht heller, der Stern zwar auch auffällig farbig, aber im Nikon war er knackiger, die Farbe fällt dadurch eher auf.
<font color="green">Messier 38 & Co.</font id="green">
Im Nikon 18x70 begonnen. Was für eine Pracht. Als erstes fällt mir diese Grinsekatze auf, strahlend. Die Mundpartie ordentlich beschmaddert mit vielen schwachen Sternen. NGC 1907 ein zarter Hauch an der linken Wange, M 38 prächtig. Was für ein Anblick. Nun das Fujinon ... der gleiche schöne Anblick. Aber das Nikon war wieder einen Zacken kontrastreicher.
Hier kämpfen 4,4 mm AP (Fujinon) gegen 3,9 mm AP (Nikon). Das wird sicherlich auch ein Grund sein. Vielleicht gibt es an anderer Stelle noch Feinheiten, die ebenfalls zu diesem Eindruck beitagen. Das kann ich nur schwer einschätzen. Deutlich wurde aber allemal, dass der Anblick durch das Nikon ein wenig ästhetischer ist als durch das ebenfalls gute Fujinon.
Nach M 38 habe ich nur noch mit dem Nikon weiter beobachtet.
<font color="green">M 36</font id="green"> - sieht wirklich aus wie ein Frosch auf dem Sprung. Die Hinterbeine zeigen gen M 37, der Frosch springt in Richtung M 38, der Körper wirkt leicht neblig unterlegt, sehr schick.
<font color="green">M 37</font id="green"> - keine Frage, auch toll, schwächere Sterne und homogener - ein schöner Kontrast zu M 36.
Mal aus Übermut <font color="green">Barnard 34</font id="green"> probiert. Der Dunkelnebel liegt zwischen M 36 und M 37 und soll laut der Kontrastreservephilosophie des isDSA erst mit 8" gehen. Er geht auch mit einem Groß-Fernglas. An der Stelle, wo B 34 stehen soll laut Sternkarte, blinken nur 3-4 ganz ganz ganz ganz schwache Lichtpünktchen im südlichen Teil der rund wirkenden Nebels hervor. Die Abrenzung zum Sternumfeld fällt mir nicht sehr schwer. An den Rändern gibt es einige hellere Sterne und beim Schwenken sehe ich deutlich, dass die Gegend sich vom restlichen Umfeld unterscheidet bzw. leicht dunkler wirkt.
Jetzt muss es schnell gehen, im Süden ziehen Wolken auf.
<font color="green">M 35</font id="green"> - groß und prächtig, genau richtig für 4° GF - ein schönes Nebelfähnchen (NGC 2157?) im Westen.
<font color="green">Leiter 11</font id="green"> - der Lasso werfende Stern - alle Sterne klein und fein direkt erkennbar, das Muster sehr eingängig
<font color="green">NGC 2266</font id="green"> - ein Nebelfähnchen östlich eines helleren Sterns, indirekt deutlich heller und voluminöser
<font color="green">M 81 & M 82</font id="green"> - die beiden Galaxien haben mich fast umgehauen - nach den Schwächlingen M 74 und M 77 am Anfang der Nacht sind die beiden richtige Leuchtgranaten. M 81 riesen groß, riesen oval, riesiges ovales Zentrum. M 82 schlank und rank, schön definiert.
Kurz noch in den Schwan gehalten, dabei ist mir <font color="green">M 39</font id="green"> spontan ins Netzt gegangen. Der Haufen wirkt auf mich immer wie ein Dreieck, das keines ist. Weil er keine richtigen Ecken hat wie bspw. M 103. Für mich sieht der Haufen aus wie ein Indianer-Tippi.
Dann sind die Wolken da, zu Ende ist die Hatz. Eine schöne Jagd.
Fazit zum Fernglas-Vergleich. Beide Ferngläser wissen zu gefallen. Das Fujinon ist toll, das Nikon setzt noch einen I-Punkt oben drauf durch die gleiche gute Qualität, 2-fach mehr Vergrößerung und einen kontrastreicheren Hintergrund.
Ich hoffe, ich trete hier keinen Kulturkampf los. Das ist meine persönliche Einschätzung, die bei anderen Testern anders ausfallen kann. Viele schauen ja auch gern durch Ferngläser mit 7 mm AP und freuen sich über riesige Gesichtsfelder. Meine Präferenz sind eben möglichst dunkle Himmelshintergründe.
Wenn ich mir was wünschen dürfte, dann wäre das ein Großfernglas mit 2,5 mm AP und 5° Gesichtsfeld, also ein 28x70 mit Ultraweitwinkelokularen.
Naja, so ist es bei den Ferngläsern nicht anders als bei den Teleskopen. Es gibt keine Eier legende Wollmilchsau. Aber es gibt für jede Gelegenheit ein Fernglas, ob quick & dirty oder auf Fitzeljagd mit Stativ und Aufsuchkarte .
Viele Grüße
Rene