<b>Seltene PNs und ferne Cluster</b>
Beobachtungsbericht vom 4./5./6.06.2013
<u>Objekte:</u>
Planetarische Nebel: Abell 35, Abell 36, Jacoby 1
Protoplanetarische Nebel: Minkowski 1-92, Minkowski 2-9, CRL 2688
Galaxiencluster: Abell 2065
<u>Ort:</u>
4./5.06. 2013 Westalb bei Obernheim (950m)
5./6.06.2013 Ostalb bei Pfronstetten (750m)
<u>Bedingungen:</u>
4./5.06.2013 Seeing und Transparenz gut bei hoher Luftfeuchtigkeit
5./6.06.2013 Seeing gut, Transparenz hervorragend, niedrigere Luftfeuchtigkeit
Ich habe in beiden Nächten die gleichen Objekte beobachtet, wenn auch mit verschiedenen Schwerpunkten. Bei der Erstbeobachtung schwieriger Objekte habe ich schon öfter die Erfahrung gemacht, daß ich die erste Nacht brauche, um einen Überblick zu gewinnen und meine Erwartungen anzupassen. Erst in der zweiten Nacht, die meist auch etwas andere Bedingungen hat, kann ich dann intensiv auf Details hin beobachten. Obwohl es sich insgesamt nur um sieben Ziele handelte, mußte ich in beiden Nächte recht sportliche Leistungen erbringen, weil alle Objekte hohe Anforderung an die Konzentration stellten und jeweils viel Zeit beanspruchten.
1) <b>Abell 35</b> (Hydra).
Es handelt sich hier um einen großen und wohl auch recht alten planetarischen Nebel. Hier das DSS Photo:
Manche Beobachter sagen, er sei nicht schwer zu erfassen und falle gleich auf, wenn man ihn im Gesichtsfeld habe. Das ging mir leider anders. Selbst als ich die Himmelsgegend anhand der Sterne eindeutig identifiziert hatte, mußte ich mich noch eine ganze Weile „ein-sehen“, bevor ich den Nebel erkennen und nach und nach die Konturen und die helleren Knoten herausarbeiten konnte. Meine Vergrößerung lag bei 150x. Der OIII Filter war hilfreich, aber noch etwas besser war der UHC-S von Baader, was mich eigentlich erstaunt. H beta erwies sich als wirkungslos.
Hier habe ich in das DSS Bild die Konturen eingetragen, die sich mir nach längerer Beobachtung gezeigt haben. Auch die hellen Flecken habe ich markiert, soweit ich sie erkennen konnte:
Die Konturen decken sich im Wesentlichen mit den Kanten des blauen Bereiches im Photo. Die blaue Fläche wird vermutlich durch OIII Strahlung verursacht, während in den roten Außenbereichen H alpha oder gar NII überwiegt. Von den roten Teilen habe ich nichts sehen können. Die für mich sichtbare, blaue Sphäre ist im Norden oval gekrümmt. Im Süden ist sie dagegen ungewöhnlich gerade begrenzt.
2)<b>Abell 36</b> (Virgo). Dieser PN ist deutlich kleiner als Abell 35.
Auch dieses Objekt war schwieriger, als ich von den Berichten anderer Beobachter her erwartet hatte. Ich habe wieder bei 150x mit UHC-S beobachtet. Als erstes wurde der helle Rand recht vom Zentralstern sichtbar. Von dort aus konnte ich den Ring erschließen inklusive den „Balken“, der quer über dem Zentralstern entlang läuft. Als letztes zeigte sich der Haken, der rechts am Balken ansetzt und nach oben und links verläuft.
3) <b>Jacoby 1</b> (Bootes). Dies ist ein größerer, sehr lichtschwacher und daher vermutlich alter PN. Hier ist die blaue POSS II Platte des STScI, und zwar mit sehr stark hochgezogenen Kontrasten:
Auch hier habe ich wieder mit 150x und UHC-S Filter beobachtet. Während ich die beiden Abells schwierig nennen würde, klassifiziere ich dieses Objekt als sehr schwierig. Nach einiger Zeit zeigte sich sehr schwach die Wolke am unteren Rand (Pfeil nach oben). Von dort aus ließ sich der Kreisbogen ein wenig nach rechts oben verfolgen. In der Nähe des hellen Sterns wird er jedoch überstrahlt. Oberhalb des hellen Sterns setzt sich der Bogen fort auf den inneren Stern des dort stehenden Paares zu (Pfeil nach links). Ich meine hier eine Zweiteilung gesehen zu haben, nämlich einen äußeren Bogen, der tangential an der Innenseite dieses Sterns vorbeizulaufen scheint, und ein inneres Filament, das eine etwas engere Kurve nimmt. Zählt man alles zusammen, so könnte man sagen, daß der Rand des PN auf der Hälfte des Umfangs sichtbar ist. Allerdings muß man immer vorsichtig sein, wenn man Bögen zu sehen meint, die Sterne verbinden. Dennoch werte ich dies als Sichtung.
4) <b>Minkowski 1-92</b> (Cygnus) „Minkowskis Fußabdruck“
Dies ist ein wunderschönes, aber sehr kleines Objekt. Hier das Hubble-Photo:
Im Übersichtsokular erscheint Minkowski 1-92 wie ein etwas unscharfes Sternchen. Bei hoher Vergrößerung (500x und 720x) waren die Konturen in Momenten ruhiger Luft sehr klar gezeichnet. Es handelt sich offenbar um den Abdruck eines Damenschuhs: vorne spitz, und auch hinten spitz zulaufend. Die vordere Hälfte ist hell (ca. 12 mag) und problemlos in ihrer Tropfenform zu erkennen. Der breite Rand des Fusballens zur Fußwölbung, d.h. zum Staubtorus hin ist am hellsten. Im Staubtorus sitzt auch der Zentralstern, den ich aber nicht eindeutig vom Fusballen trennen konnte. Vielmehr verwischte er mit dessen hellem Rand. Die dunkle Unterbrechung in der Mitte ist deutlich zu sehen. Gelegentlich, aber sehr selten, blitzt das Sternchen auf, das neben dem dunklen Torus steht. Die Ferse ist genau spiegelbildlich zum Vorderfuß, aber wesentlich schwächer als dieser. Ich konnte sie knapp direkt halten. Am spitzen Ende der Ferse war oftmals eine quasi-stellare Aufhellung zu sehen, die ich nicht recht zu deuten weiß. Möglicherweise war es der Lichtknoten, der auf dem Hubble-Photo innerhalb der Ferse zu sehen ist. Falls ich die äußersten Bereiche, die auf dem Photo noch abgebildet sind, visuell nicht erfassen konnte, wäre diese Aufhellung für mich sozusagen ganz ans Ende des Schuhs gerückt.
5) <b>Minkowski 2-9</b> (Butterfly Nebula) in Ophiuchus
Diesen protoplanetarischen Nebel habe ich vor vier Wochen schon einmal beobachtet. Er ist sehr klein und die beiden Lobes sind relativ lichtschwach. Der Zentralstern ist deutlich zu sehen und auch der dunkle Staubtorus, der die beiden Hälften trennt. Dieses Mal habe ich vor allem darauf geachtet, ob ich die beiden Lichtknoten in den Lobes sehen konnte, die auf dem Hubble-Photo so deutlich herauskommen. Das erwies sich aber als schwierig. Gelegentlich meinte ich, die Knoten zu sehen, und zwar an den richten Stellen, aber immer nur unsicher und für sehr kurze Zeit. Leider hatte ich keinen Mitbeobachter, der diese Sichtung hätte bestätigen oder falsifizieren können.
6) <b>CRL 2688</b> (Egg Nebula) in Cygnus
Hier das Hubble-Photo:
Das Hubble-Photo weckt in diesem Fall leider ganz falsche Vorstellungen. Für die visuelle Beobachtung muß man sich zunächst die kreisförmigen Lichterscheinungen vollständig wegdenken, und auch von den vier Scheinwerferkegeln, die auf dem Photo ins All leuchten, konnte ich nichts sehen. Was bleibt, sind die beiden hellen, langgestreckten Lobes. Insgesamt sieht der Egg Nebel dem Butterfly Nebel strukturell sehr ähnlich. Sie sind etwa gleich groß und haben im Prinzip die gleiche Form. Allerdings ist der Egg Nebel viel heller. Ich schätze die Lobes, die gleich hell sind, auf mag. 11-12. Auch hier ist der Staubtorus, der die beiden Hälften trennt, sehr deutlich, aber im Gegensatz zum Butterfly Nebel sieht man den Zentralstern nicht. Das Hubble-Photo zeigt nicht nur den Staubtorus, der den Nebel quer in zwei spiegelbildliche Hälften unterteilt, sondern auch ein Staubband, das die Lobes der Länge nach aufspaltet. Besonders an den Spitzen der Lobes ist das auf dem Photo erkennbar. Während der quer liegende Torus praktisch bei allen protoplanetarischen Nebeln vorkommt, ist das längs gerichtete Staubband etwas sehr seltenes. Ich habe visuell nach diesem längs verlaufenden Staubband gesucht, konnte es aber nicht sichten.
7) <b>Abell 2065</b> „Corona Borealis Galaxiencluster“
Dieser Galaxiencluster gilt als der am weitesten entfernte, der gerade noch mit Amateurmitteln zugänglich ist. Er befindet sich in gut 1 Milliarde Lichtjahren Entfernung und umfaßt etwa 400 Galaxien. Hier das DSS Photo:
In der ersten Nacht konnte ich 5 bis 6 Mitglieder des Haufens sichten. Die zweite Nacht, in der die Transparenz noch einmal deutlich besser war, brachte eine viel größere Ausbeute. Bei der Beobachtung habe einen invertierten DSS Ausdruck zu Hilfe genommen. 3 Galaxien konnte ich auf den ersten Blick und in direktem Sehen erkennen. Bei den anderen habe ich bei 350x einfach ins Okular gesehen und gewartet, bis irgendwo etwas aufblinkte. Diese Methode war ebenso einfach wie erfolgreich. Die Galaxien sind mir sozusagen eine nach der anderen in den Schoß gefallen. Jede neu aufgetauchte habe ich gleich auf meinem Blatt markiert. Manchmal bin ich allerdings auch umgekehrt verfahren: Ich habe zuerst auf meinem Blatt nachgesehen, wo eine Galaxie sein müßte, und dann am Okular gewartet, bis sie kam. Auch das hat wunderbar funktioniert. Auf diese Weise habe ich ca. 25 Galaxien erfaßt. Hätte ich noch mehr Zeit darauf verwendet, wären es sicher noch mehr geworden. Wie gesagt: Außer den hellsten drei waren sie nicht ständig zu sehen, sondern haben sich im indirekten Sehen kurzzeitig gezeigt, dies aber immer wieder. Auf diesem STScI Ausdruck habe ich alle gesichteten Galaxien markiert:
Die doppelt eingekreiste Galaxie ist übrigens PGC 54876. Sie ist eine der hellsten Galaxien des Corona Borealis Clusters. Edwin Hubble hat sie seinerzeit - neben vielen anderen - vermessen und aufgrund der festgestellten Rotverschiebung die These vom expandierenden Kosmos aufgestellt.
Viele Grüße
Johannes
P.S. Ich bitte um Entschuldigung für die falsche Orthographie in "Fusballen". Das ist ein kleiner work around, weil hier immer noch das richtig geschriebene Wort "Fu[s]sball" automatisch gegen "Fußpilz" ausgetauscht wird. Ich glaube, das ist seit der letzten EM so. Vielleicht könnten die Moderatoren das mal wieder ausschalten?