23. Bericht: Hubble läßt grüßen !
Vorwort: Eine eindeutige Festlegung einer 100% Parabel ist am sichersten in Autokollimation
gegen einen Planspiegel möglich. So jedenfalls macht es ZEISS und viele andere namhafte
Hersteller. Das aus einer solchen Test-Anordnung gewonnene Interferogramm sollte dann
die Grundlage für die PV wave, RMS wave und Strehl-Berechnung sein. Die doppelte Genauig-
keit spricht ebenfalls für dieses Verfahren.
Natürlich kann man bei einiger Sorgfalt - Kurt Schreckling hat dies gezeigt - auch nach dem
Dall-Null-Test in Kompensations auf 100% Parabel prüfen, ja sogar ein Interferogramm
erzeugen, aber nur, wenn man den genauen Ort kennt, wo die Kompensations-Linse stehen
muß. Wenn man diese Bedingung nicht beachtet, wird die Messung falsch und der gemessene
Strehl-Wert hinfällig. Hubble läßt grüßen !
Aus aktuellem Anlaß möchte ich zwei der unterschiedlichen Testverfahren beschreiben, wie
sie bei der Herstellung und Prüfung von Newton-Parabol-Spiegel möglich sind:
A: Die Messung in Autokollimation gegen einen hochgenauen Planspiegel bei doppelter
Genauigkeit, siehe jeweils die Schaubilder
B: Die Messung in Kompensation durch eine hochgenaue plankonvex-Einzel-Linse mit einfacher
Genauigkeit.
In beiden Fällen lassen sich Interferogramme erzeugen, die Ronchi-Test, der Sterntest, der
Foucault-Test der PhasenKontrast-Test, Spalt-Test etc. durchführen mit einem entscheidenden
Unterschied: Während bei der Autokollimations-Messung der Planspiegel für die Parabel der
absolute Null-Punkt darstellt, und so die Parabel absolut auf Null gemessen werden kann,
kann man mit der Kompensation "fließend" messen, also sowohl unterkorrigierte Newtons,
100% Newtons, überkorrigierte und alle Rotations-Hyperboloide, wie sie bei RC-Systemen
erforderlich sind. Damit hat man zwei unterschiedliche Meßverfahren mit unterschiedlicher
Genauigkeit und unterschiedlicher Aussagekraft, und man muß natürlich wissen, nach welchem
Verfahren der Strehl-Wert eines Spiegels ermittelt worden ist, um seine Genauigkeit ein-
schätzen zu können.
Nun haben offensichtlich nicht alle Spiegelschleifer den dafür notwendigen Planspiegel für die
Prüfung ihrer Newton-Spiegel, und behelfen sich u.a. mit der Kompensations-Methode. Die
wäre, wenn man die Sorgfalt von Kurt Schreckling zugrunde legen würde, eigentlich aus-
reichend, um eine 100% Parabel zu erzielen. Unter anderem auch deswegen, weil man ja
einen Spiegel auch sehr genau am Himmel prüfen kann, wie es beispielsweise Stathis
Kafalis vormacht. Offensichtlich gibt es aber in Europa noch nicht einen einheitlichen
Konsenz, weshalb diese Diskussion durchaus nützlich sein kann. Das nachfolgende Beispiel
soll den Sachverhalt etwas deutlicher durch Test-Bilder beleuchten.
01 100% Parabel in Autokollimation messen im Doppel-Paß
01 Hierfür ist ein absolut genauer Planspiegel nötig. Am besten aus der Werkstatt der Firma
Zeiss, wie in meinem Fall, mit einem eindeutigen Certifikat und dem Zeiss-Stempel auf der
Rückseite. Der PV-Wert der Wellenfront muß unter L/10 liegen, weil über diesen Planspiegel
keine gravierenden Fehler eingeführt werden dürfen. Wie man diesem Schaubild entnehmen
kann, sitzt die Lichtquelle, ein 12 mü heller künstlicher Stern, hinter dem Planspiegel. Das
"Stern"-Licht fällt durchs Loch des Planspiegels auf den Prüfling, also genau umgekehrt wie
normal, wird zum Planspiegel geschickt, in sich reflektiert, und gelangt ein 2.tes Mal auf den
Prüfling, der das Lichtbündel wieder fokussiert, ein bißchen neben der usprünglichen
Lichtquelle. Das geht auch mit einem Lichtspalt, und man hat erheblich mehr Licht z.B. für
den PhasenKontrast-Test.
02 Ein unterkorrigierter Spiegel im PhasenKontrast-Test
02 Neben der Flächenstruktur läßt dieser Foucault-ähnliche Test die tiefste Stelle bei ca. 80%
erkennen. Von dort steigt zur Mitte hin ein flacher Kegel an, und auch der Rand wölbt sich
leicht nach oben. Diese Topografie findet ihre Entsprechung beim Interferogramm, das bei
unterkorrigierten autokollimations-gemessenen Spiegeln ein flaches "W" zeigt und damit die
Unterkorrektur offenbart. Warum das so ist, kann man bei Bild 06 studieren.
03 Ronchi-Gramm intrafokal 13 lp/mm in Autokollimation
03 Intrafokal zeigt die kissenförmige Verzeichnung der Ronchi-Linien bei der Autokollimations-
Anordnung sehr schnelle die Unterkorrektur an, in diesem Falle erheblich. Ein weiteres Indiz
für den Sachverhalt.
04 Das flache "W" läßt UNterkorrektur erkennen
04 Ich habe eine Zeitlang gebraucht, um bei gleicher Interferometer-Einstellung aus den
Interferenz-Streifen die Korrektur ablesen zu können. Man begreift es besser wenn man
zunächst von der Sphäre ausgeht. Ein perfekter Kugelspiegel hat völlig gerade Streifen
mit genau gleichen Abständen. Von dieser Situation muß man ausgehen. Sie wird im
übernächsten Bild genauer beschrieben. Bei diesem Bild es es wichtig, daß das "W" möglichst
symmetrisch erscheint, da sonst im Testaufbau noch eine Koma erkennbar wäre, aber
auch ein möglicher Astigmatismus. Beides kann nicht immer sauber voneinander getrennt
werden.
05 Vorsichtige Auswertung der 3 mittleren Interferenz-Streifen.
05 Um eine Koma zu unterdrücken, die sich senkrecht zu den Interfrerenz-Streifen mit
größer werdenden Streifenabständen bemerkbar machen würde, werte ich in kritischen
Fällen nur die mittleren Streifen auf, um mich nicht dem Vorwurf auszusetzen, ich hätte den
Spiegel schlechter bewertet, als er tatsächlich ist, weil in meiner Messung noch Rest-Koma
stecken würde, die man mangelnder Justage des Testaufbaues zuordnen muß. Damit
werte ich nach einem ähnlichen Verfahren aus, wie das beim Foucault-Test oft gemacht
wird. Wobei ich immer noch eine Fläche messe, während Foucault oder Caustik nur auf
einer Linie durch die opt. Achse mißt, und behauptet, der Spiegel sei rotations-symmetrisch.
Möglicher Astigmatismus wird bei dieser Interpretation negiert. Trotzdem läßt sich eines
sicher behaupten, daß die Unterkorrektur bei ca. L/2 wave liegt und der RMS-Wert bzw.
auf Strehl umgerechnete Wert bei 0.64 Strehl liegt nach der Näherungs-Formel:
Strehl = 1 - (2*Pi*RMS)^2 für kleine RMS-Werte.
06 Die Parabel aus dem Krümmungsmittelpunkt
06 Bei diesem Interferenz-Streifenbild sieht man "M"-förmig "verbogene" Streifen. Weil dieses
I_Gramm aus dem Krümmungsmittelpunkt gemacht wurde, ist gegenüber der Kugel mit
ihren geraden und parallelen Streifen dieser Spiegel hemmungslos überkorrigiert, wie jeder
weiß, der schon einmal einen Kugelspiegel parabolisiert hat: Man legt die Mitte tiefer. Weil
jedoch das Interferogramm fokussiert werden kann, legt man die Streifen so, daß nicht nur
die Vertiefung zu sehen ist, sondern fokussiert auf die 0.707 Zone und hat so Rand-Mitte-Rand
auf einer Linie durch die Mitte und das Kurvenmaximum bei 0,707 vom Durchmesser.
Auch damit könnte man eine Parabel auf Null prüfen, mit dem großen Vorteil, keine Hilfs-
Optik zu benötigen, leider auch nur bei einfacher Genauigkeit. Ich fand jedoch bisher keinen
Programmierer, der mir dieses mathematische Problem umgesetzt hätte. Zurück zu Bild 4
läßt sich also über diesen Umweg zeigen, daß das I_Gramm von Bild 4 zu einem unterkorri-
gierten Spiegel gehört.
07 Der gleiche Spiegel aus der Sicht einer Kompensations-Messung.
07 Zunächst zeigt das Schaubild das Prinzip einer Kompensations-Messung. Man prüft ein
wenig in der Nähe des Krümmungs-Mittelpunktes der Parabel. Und weil die Plankonvex_linse
in den Testaufbau eine der Parabel gegenläufige sphärische Aberration einführt, gibt es einen
bestimmten Abstand, bei dem sich dieser Fehler von Linse und Newton-Spiegel gegenseitig
kompensiert. Und wenn ein Spiegel keine weiteren Fehler hat, dann erscheint er in dieser
Meßanordnung perfekt. Dann ist ein unterkorrigierter Spiegel ebenso perfekt, wie ein über-
korrigierter, wie eine 100% Parabel, wie ein x-beliebiger Hyperbol-Spiegel. Dieses Meßverfahren
erkennt man daran, daß die Mitten-Abschattung durch das Planspiegel-Loch fehlt
08 Die Unterkorrektur ist verschwunden
08 Mit einiger Sorgfalt lassen sich nun alle Ungereimtheiten "weg-kompensieren" und man
bekommt ordentliche Interferogramme. Wobei ich bei diesen Messungen 650 nm Laserdioden
verwendet habe und nicht im Traum daran dachte, daß das ein Diskussions-Gegenstand
werden könnte. Da hätte ich mich etwas mehr um die Bildqualität bemüht.
09 Weniger Streifen ergibt höhere Auswert-Genauigkeit
09 Interferogramme mit vielen Streifen täuschen das Auge. Es ist bereits ein Qualitäts-
Merkmal, wenn ein Interferogramm wenig Streifen überhaupt zuläßt: Die Auswert-Genauigkeit
nimmt zu. Schon deswegen wichtig, um dem Spiegelhersteller kein Unrecht zu tun. Als
Kunde vergißt man oft, wieviel Schweiß und Gribs hinter einem Parabol-Spiegel stecken.
Es sollt also auch die Leistung, die hinter einem Spiegel stecken, richtig gewürdigt werden,
besonders, wenn die Preise sehr kundenfreundlich sind.
10 Der "Lohn" des Kompensations-Verfahrens
10 MIt diesen Meßwerten ist zumindest die Psyche des Sternfreundes zufriedengestellt, obwohl
der Spiegel immer noch unterkorrigiert ist. Da setzt nun die Diskussion an, bei welchem Glas-
Substrat welche Unterkorrektur sinnvoll ist. Selbst Pyrex verträgt noch eine zarte Unterkorrektur.
Bei Temperatur-Differenzen von nur 3-4 Grad Celsius zwischen Spiegelfläche und Spiegel-
Rückseite ändert sich bereits meßbar der Strehl, wie im Testbericht Nr. 20 gezeigt werden
konnte. Die Frage der Unterkorrektur ist also substrat-abhängig und kann gar nicht so
einfach beantwortet werden. Spätestens jedoch, wenn man Zerodur-, Sital- oder Low
Expansion Material als Spiegelträger benutzt, dann sollte die Parabel möglichst bei 100%
liegen und einen darauf bezogenen Strehl.
Fazit: Eine eindeutige Festlegung einer 100% Parabel ist am sichersten in Autokollimation
gegen einen Planspiegel möglich. So jedenfalls macht es ZEISS und viele andere namhafte
Hersteller. Das aus einer solchen Test-Anordnung gewonnene Interferogramm sollte dann
die Grundlage für die PV wave, RMS wave und Strehl-Berechnung sein. Die doppelte Genauig-
keit spricht ebenfalls für dieses Verfahren.
Natürlich kann man bei einiger Sorgfalt - Kurt Schreckling hat dies gezeigt - auch nach dem
Dall-Null-Test in Kompensations auf 100% Parabel prüfen, ja sogar ein Interferogramm
erzeugen, aber nur, wenn man den genauen Ort kennt, wo die Kompensations-Linse stehen
muß. Wenn man diese Bedingung nicht beachtet, wird die Messung falsch und der gemessene
Strehl-Wert hinfällig. Hubble läßt grüßen !