Beiträge von JSchmoll im Thema „Mein aller erster Spiegel“

    Ah Emil,

    unsere Antworten haben sich ueberschnitten. Ja, anscheinend schon damals "social distancing", auch wenn die Kontamination eher von Karbokoernchen als von Viren ausging. Die alten Bilder von den Schleifclubs, alles Maenner und in Schlips und Kragen, sind recht unterhaltsam. Das war ja noch zu Zeiten der Prohibition. Da traf man sich nicht auf ein Bierchen in der Kneipe, sondern auf nen Strich im Schleiflokal.

    Das mit dem Pechgeschmack ist lustig ... was man nicht alles macht, um an einen Teleskopspiegel zu kommen. Ich habe mit dem Holzbrett, auf dem die Schale mit drei Holzkloetzchen befestigt war, unsere Badewanne verkratzt. Das kam auch nicht gut. Aber Opfer muessen gebracht werden.

    Ich fand das mit dem Staender immer sehr kompliziert gedacht und schwierig durchzufuehren. Ein grosses Fass hat man ja nicht in jedem Haushalt, und der Staender mit Bodenplatte erschien mir immer kippelig. Auch aus Angst davor, dass mir der Spiegel mal runterploesslt, habe ich meine Spiegelschliffe stets am Tisch ausgefuehrt. Statt um diesen herumzugehen, habe ich die Strichrichtung stets geaendert und zur Kompensation unterschiedlicher Kraefte die Schale aller paar Minuten gedreht. Das ging auch erstaunlich gut.


    Erst spaeter las ich in einem anderen Buch, dass diese Methode auch als "Clockstroke Method" bezeichnet wurde. Also in etwa als "Zifferblattmethode" uebersetzbar, weil man jeden Strich ueber etwas andere Zeiten auf einem gedachten Zifferblatt ausfuehrt: Erster Strich 12/6, zweiter 12.30/6.30, dritter 1/7 und so weiter.

    Interessant, dass das "Fernrohr fuer jedermann"-Buch von Rohr fuer manche von Euch abschreckend war. Mich hat das Buch begeistert. Ein Freund kaufte es zunaechst, und er wollte einen Spiegel schleifen. Ich wussste von dem Set fuer 80DM von der Materialzentrale. Ich borgte mir sein Buch aus, und wurde so stark motiviert, dass ich rein aus Spass versuchte, die Boeden zweier Trinkglaeser gegeneinander zu bearbeiten - mit Saftpulver als Schleifmittel! Das Experiment ging in die Hose, und das Glas zu Bruch. Schliesslich beschlossen wir, zwei richtige Schleifsaetze mit richtigen Rohlingen zu ordern. Elterliches Placet bekommen, fuhr ich mit der Bestellung zur Post. Auf dem Fahrrad fiel mir dann siedendheiss ein, dass wir ja noch Geld fuer die Verspiegelung brauchten! Also zurueck zum Freund und nach ein paar Recherchen - Mist, das kostet ja nochmal so viel! So gingen unsere Spiegelschleifambitionen am Finanzmangel zu Grunde.

    Inzwischen erforschte ich eine alternative Methode, um an einen Teleskopspiegel zu kommen - Membranspiegel. Jahrelange Tueftelei und Teilnahme an "Jugend forscht" und "Jutec", dann die Quintessenz: Das funktioniert nicht! 1989 dann zur VdS-Tagung entschloss ich mich, jetzt mal endlich einen richtigen Spiegel anzufangen. Ich brauchte 2 Jahre fuer den Sechszoeller (nicht nur schleifend verbracht - auch Abi gemacht, immer noch "Membranspiegelforschung", und nach diversen Rueckschlaegen Null-Bocque-Phasen). Es musste f/6 sein, denn ich hatte da schon ein 150/1300er Dynascope und ich wollte fotografieren. Das Teleskop, das ich drumherumbaute, hiess LIN (LIttle Newtonian), und ein paar Jahre spaeter als Student kam dann LAN (LArge Newtonian) als Nachfolger: 257/1140mm. Spaeter machte ich noch drei andere, der groesste ein 450mm f/4.1 fuer einen Freund.

    Gerade heute faellt es schwer, die Faszination fuer das Spiegelschleifen an junge Leute weiterzugeben. Einerseits sind die Materialien und auch das Verspiegeln deutlich teurer geworden, andererseits gibt es aus dem Reich der Mitte fuer wenig Geld bereits komplette Teleskope. Da ist die Motivation sicher geringer, so etwas selbst zu machen. Und doch, man lernt so viel! Wer also interessiert ist, etwas ueber Optik zu lernen und gleichzeitig die Geduld zu schulen, sollte sich an die Spiegelschleiferei heranwagen.

    Wow, das weckt Erinnerungen! Meinen 155er-Schleifsatz kaufte ich ebenfalls in diesem Keller in der Wilhelm-Foerster-Sternwarte, als ich wegen der VdS-Tagung 1989 sowieso gerade da war. 80DM kostete der Spass, aber komplett. Fuer jede Koernung wieder durch die ganze BRD und DDR zu reisen, waere auch etwas ineffizient gewesen. An diese Tabellen mit den Fokaldifferenzen erinnere ich mich auch. Meiner wurde nach zwei Jahren fertig (155mm f/6) und obwohl er 18% abwich, war der Spiegel brauchbar. Und das naechste Projekt war ebenfalls ein Zehnzoeller!


    Gemessen habe ich, indem ich Bleistiftstriche an der Kante des Foucaultstaenders machte, der dazu auf einem Blatt Papier auflag. Dann wurde mit einem Lineal abgeschaetzt, wie gross die Differenz war. Beim Polieren war die Pechhaut weiss, weil ich viel zu viel Ceroxid draufkippte. Ich hatte Lichtquelle und Schneide auf einen Halter (Benutzung einer alten 35mm-Filmpatrone, da war der Schlitz fuer die Klinge schon drin), aber natuerlich habe ich nicht daran gedacht, dass sich die Fokaldifferenzen halbieren, wenn man Quelle und Klinge verfaehrt. Zum Glueck fiel mir das vor Fertigstellung auf, sonst haette ich einen Hubble-Skandal gehabt mit 100% Hyperbel oder so. Im Grunde genommen gar nicht so verkehrt, diese Anfaengerfehler erstmal an einem kleinen Spiegel zu machen - von daher kann ich Herrn Nehls verstehen. Wobei der Hans Rohr ("Ein Fernrohr fuer jedermann") ja noch davor warnte, einen Sechszoeller schneller als f/8 zu machen! Die Zeiten aendern sich.