Hallo Forum,
hier kommt die versprochene Beschreibung einer Planspiegel-Auswertung mit OpenFringe.
Ausgangspunkt sind drei beidseitig durchsichtige Scheiben, bei denen jeweils eine Fläche vermessen und ggf. korrigiert werden soll. Die Scheiben seien nummeriert mit A, B und C. Ich beschränke mich hier auf die Betrachtung rotationssymmetrischer Fehler. Bei diesen kann der Ort eines Fehlers auf der Scheibe allein durch den Abstand r von ihrer Mitte beschrieben werden - aufgrund der vorausgesetzten Symmetrie gibt es keine Winkelabhängigkeit. Die Abweichungen der Scheiben von einer ebenen Fläche werden also dargestellt durch A(r), B(r) und C(r).
Das paarweise Interferometrieren liefert diese Abweichungen aber nicht direkt, sondern nur jeweils die Summe der Abweichungen zweier aufeinanderliegender Scheiben. Misst man beispielsweise A auf B, B auf C und C auf A, so erhält man die folgenden Abweichungs-Summen:
Das ist ein Gleichungssystem mit drei Gleichungen, drei bekannten Größen – den U, V und W getauften Abweichungs-Summen – und den drei Unbekannten A, B und C. Löst man nach diesen auf, so erhält man
OpenFringe wertet unsere paarweise gewonnenen Interferogramme aus und erzeugt eine schöne Darstellung der Abweichungs-Summen als Oberfläche. Intern erzeugt O.F. hierzu eine Entwicklung der zugehörigen Wellenfront in eine Reihe von Zernike-Polynomen. Diese Reihe ist nichts weiter als eine lange Summe, bei der jeder Summand aus einem dieser Zernike-Polynome Z(r) und einem Koeffizienten c besteht, der angibt, wie groß der Anteil des zugehörigen Polynoms an unserer Wellenfront ist.
Um die Koeffizienten für die drei Messungen U, V und W unterscheiden zu können, tragen diese einen entsprechenden tiefgestellten Buchstaben. I ist hier ein Laufindex, um die verschiedenen Zernikes zu unterscheiden.
Von den Zernike-Polynomen brauchen wir für unsere Auswertung nur zwei Eigenschaften zu verstehen:
1. Jedes Polynom beschreibt genau einen Abbildungsfehler – z.B. Koma, Astigmatismus oder sphärische Aberration
2. Die einzelnen Polynome sind voneinander auf eine besondere Art unabhängig (orthogonal), und zwar so, dass sich ein Polynom nicht durch eine Überlagerung aus anderen Polynomen darstellen lässt.
Anschaulich bedeutet dies, dass man beispielsweise Koma nicht durch eine Überlagerung von Asti und sphärischer Aberration ersetzen kann. Hieraus folgt für unsere Auswertung, dass zur Beschreibung einer Koma in der Scheibe A auch nur die Koma der mit O.F. ausgewerteten Abweichungs-Summen U, V und W berücksichtigt werden muss. Statt also in unserem Gleichungssystem oben die kompletten Reihen einzusetzen zu müssen, darf man dieses Gleichungssystem für die einzelnen Koeffizienten der Reihen verwenden:
Man speichert sich hierzu jeweils für die Auswertungen von U, V und W die Zernike-Koeffizienten aus OpenFringe und rechnet sich aus diesen die zugehörigen Koeffizienten für die drei Scheiben A, B und C aus. Diese reimportiert man nach O.F. und kann sich dann die gesuchten Oberflächen A, B und C darstellen lassen. Die Berechnung geht sehr einfach mit einem Excel-File, man sollte aber darauf achten, dass OpenFringe einen Dezimalpunkt verwendet und Excel in Deutschland üblicherweise auf Dezimalkomma eingestellt ist [xx(]
Im Menu "Mirror/Test Parameters" von O.F. stelle ich folgendes ein:
Ganz wichtig: Die beschriebene Auswertung gilt unter der Annahme einer Rotationssymmetrie – also bitte bei der Darstellung in O.F. „enable spherical only“ auswählen! Wir verwenden dann "Spherical" bis "7th Spherical". Zusätzlich muss **unbedingt** auch "Defocus" aktiviert werden. Der Defocus-Zernike beschreibt die sphärische Krümmung einer Wellenfront bzw. Oberfläche - das ist beim Planspiegel der wichtigste Fehler. Wird der Defocus-Zernike nicht aktiviert, bleibt der ärgste Feind in der Deckung!
Die Beschränkung auf rotationssymmetrische Fehler ist eine Einschränkung - die ich aber für vertretbar halte. Wenn ich kleine Planspiegel mache (150 mm), kann ich die mit der Pechhaut unten korrigieren und den Spiegel oben ständig drehen. Also habe ich wenig Angst vor Asti und anderen assymetrischen Fehlern. Bei großen dünnen Parabolspiegeln, die mit dem Tool von oben korrigiert werden, würde ich dagegen nicht auf die assymetrischen Zernikes verzichten wollen! Muss ich auch nicht, denn dafür ist ja OpenFringe eigentlich gemacht worden...
Man kann mit der Dreischeiben-Methode sicher auch durch bloße Kontrolle mit dem Augenschein einwandfreie Planspiegel machen, ich glaube aber, dass es durch die beschriebene quantitative Auswertung schneller geht. Mir ist es leichter gefallen, die Pechhäute zielgerichtet zu verformen, wenn ich zuvor den Oberflächenfehler von O.F. dargestellt bekomme.
Und hier noch ein paar Antworten auf Eure Fragen/Kommentare:
(==>) Roland
<blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote"> …für Sportler und diejenigen die noch nicht ans Stromnetz angeschlossen sind<hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">
Wenn die Bundesnetzagentur Recht behält, dann ist das Bohren von Hand bei den im Winter angedrohten Stromausfällen doch eine echte Alternative...
(==>) Kai
<blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote">Einfacher geht der Mess-Aufbau wirklich nicht mehr<hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">
War es nicht John Dobson, der gesagt hat, man solle alles so einfach wie möglich machen, aber nicht noch einfacher?
<blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote">Hast Du die beiden Glasflächen einfach so aufeinander gelegt?<hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">
Ja, aber nach dem Korrigieren immer vor dem Antrocknen der Poliermittelreste gründlich mit einem frischen Stück von der Küchenrolle abgewischt - auch Ceri-Reste haben eine Korngröße von ca. 1.5 my. Unmittelbar vor dem Aufeinanderlegen habe ich dann nochmal mit dem Unterarm über beide Flächen gewischt. In den vergangenen drei Monaten habe ich die Platten oft geprüft und bin glücklicherweise von Kratzern verschont worden. Die gewünschte Streifenzahl (der tilt) erreicht man durch leichtes Drücken auf die entsprechende Seite der Platten. Ach ja, bevor ich's vergesse: Vor dem Auswerten immer eine Zeit warten. Auch Borsilikat-Glas braucht eine Weile, bis sich die Temperatur der gerade noch bearbeiteten Platte an die Vergleichsplatte angepasst hat. Ich habe mindestens eine halbe Stunde gewartet, bei den letzten Auswertungen noch länger.
(==>) Michael
Ich sehe das genau so – man kann zwar auch noch ein paar "unrunde" Zernikes rauskitzeln, aber eben nicht alle. Beim nächsten Projekt versuche ich mal, dass wenigstens die achsensymmetrischen Zernikes (also auch Asti) dazukommen. Die Zernike-Polynome erfüllen nämlich eine hübsche Symmetriebedingung bezüglich einer Spiegelung an der x-Achse (siehe z.B. en.wikipedia.org/wiki/Zernike_polynomials).
Viele Grüße
Norbert