Hallo Blue.moon,
an den Schoen-Skandal kann ich mich noch erinnern. Zufaellig hatte damals jemand zwei Kurven aus zwei voellig unterschiedlichen Veroeffentlichungen desselben Autors zu unterschiedilchen Sachverhalten gefunden, die wie ein Ei dem Anderen glichen. Ein anderes Beispiel war die "Kalte Kernfusion" aus den spaeten 1980ern, die sich in anderen Laboren nicht reproduzleren liess. Generell ist der Lackmustest, ob andere Teams die gleiche Entdeckung nachvollziehen koennen - ob nun im Labor oder am Teleskop. Beispiel Vera Rubin und die Rotationskurven von Galaxien, die nicht dem Massemodell folgten, das auf sichtbares Licht beruhte. Da hiess es, der Spektrograf sei neu und vielleicht gibt es ein instrumentelles Problem, oder einen sonstigen technischen Fehler. Die Skepsis war gross, bis andere Gruppen an anderen Instrumenten die gleichen Messungen machten.
Es zeigt eben, dass auch Wissenschaft von Menschen gemacht wird und es unter diesen auch schwarze Schafe gibt. Ich habe gerade in den letzten Jahren erlebt, dass Forschungsbetriebe die Integritaet von Forschern zunehmend betonen: So gibt es Seminare, die den Forschungsbetrieb auf inappropriates Verhalten in der Forschung sensibilisieren - ob das nun ein Ausnutzen Untergebener ist, Machtmissbrauch einer hohen Stellung oder generell wissenschaftliches Fehlverhalten oder anderes "foul play" im Team wie Diskrimierung etc. .
Auf Preprintservern kann alles veroeffentlicht werden - es gibt keinen Peer-Review. Das weiss aber auch jeder, der in der Forschung taetig ist. Diese Server haben Betaversionen von Papern, die vor der Veroeffentlichung in Journalen, wo der Zugriff Geld kostet, dort veroeffentlicht werden. Dies verbreitet das Paper besser und motiviert auch, gegebenenfalls die Variante mit dem "letzten Schliff" von einem kostenpflichtigen Publizierer herunterzuladen. Und diese "geschliffenen" Varianten sind von Fachkollegen begutachtet, eben der "peer review".
Das instrument des Peer Review ist ein sehr scharfes, um Spreu von Weizen zu trennen. Es ist unwahrscheinlich, dass in einem solchen "Fegefeuer" nicht Aenderungen gefordert werden, die im Paper eingearbeitet werden muessen. Das reicht von Auesserlichkeiten (Formulierungen, Tippfehler, Lesbarkeit von Graphen etc) bis zur Forderung, ganze Passagen besser zu erklaeren oder Widersprueche aufzuloesen. Das macht die hohe Qualitaet von Peer Reviews aus.
Aber wie ueberall passieren auch hier Fehler. Die Frage ist, wieviel Zeit ein Reviewer fuer ein Paper aufwenden kann. Da kommt eine Email rein - Anfrage, an diesem Prozess teilzunehmen. Dann eine knappe Deadline, nur 2 Wochen Zeit. Eigentlich hat man gerade gar keine Zeit, andererseits ist es natuerlich gut fuer die Sache, daran teilzunehmen - schliesslich lebt die Wissenschaft davon. Ein Problem, das ich persoenlich ein paarmal hatte, wo ich gefragt wurde, war, dass das Fachgebiet doch ziemlich ausserhalb von meinem eigenen Fach war - zwar Physik und auch astronomische Instrumentierung, aber dann beispielsweise sehr elektroniklastig - ich mache Optik. Zeitdruck und ein geringer Ueberlapp von Fachkenntnissen kann dann dazu fuehren, dass speziell absichtlich herbeigefuehrte Falschinformationen, die entsprechend kaschiert werden, vom Reviewer nicht erkannt werden.
Die schlimmste Zote aus meinem Erfahrungsschatz: Ein Ex-Kollege, inzwischen Professor in China, sendete mir ein Konferenzpaper zum Peer-Review. Er schrieb dann noch, ich sollte nach dem Review meinen Namen als Autor drunterschreiben. Haeh? Ich habe mir das Paper angeschaut. Irgendwas Elektronisches, ich verstand nur Bahnhof. Ich habe aber auf technische Maengel in dem Paper hingewiesen: Die Plots hatten keine Fehlerbalken, teils waren die Achsen nicht beschriftet, es fehlte eine ordentliche Erklaerung, was da eigentlich gemessen wurde und warum. Das Ganze war technisch vergleichbar zu einem Studentenprotokoll aus dem ersten Versuch im Anfaengerpraktikum an der Uni - voller elementarer Fehler. Ich habe auch geschrieben, dass ich selbstverstaendlich kein Autor sein moechte, da das gar nicht meine Arbeit sei. Die Email, die ich zurueckbekam, sagte sinngemaess "Danke fuer das Feedback. Wir haben das Paper eingereicht, und Du stehst als Autor drauf" ... Ich habe in meiner Antwort meinen Unmut zu Wort gebracht und darum gebeten, das doch NIE WIEDER zu machen! Zum Glueck war das nur ein unbedeutendes Konferenzpaper, aber alle Umstaende strotzten vom wissenschaftlichen Fehlverhalten, in das ich mit hineingezogen wurde.
ich denke aber immer noch, dass das referierte Paper das hoechste Vertrauensniveau besitzt - Fehler passieren halt, aber hoechst selten. Und kommt sowas dann heraus, wird so ein Skandal auch veroeffentlicht. Gerade in den letzten Jahren gab es ja auch technisch neue Werkzeuge, um zum Beispiel Doktorarbeiten auf Plagiarismus zu ueberpruefen. Aber ganz ausschliessen laesst sich wissenschaftliches Fehlverhalten nie, da Wissenschaftler auch Menschen sind, und unter ihnen die sprichwoertlichen "schwarzen Schafe" verweilen. Es ist deshalb wichtig, wachsam und skeptisch zu bleiben.