Beiträge von Caro

    Forschende des Leibniz-Instituts für Astrophysik Potsdam (AIP) haben eine neue Plasmainstabilität entdeckt, die unser Verständnis des Ursprungs der kosmischen Strahlung und ihrer dynamischen Auswirkungen auf Galaxien zu revolutionieren verspricht.


    Zu Beginn des letzten Jahrhunderts entdeckte Victor Hess ein neues Phänomen, die kosmische Strahlung, für das er Jahre später den Nobelpreis erhielt. Er führte Ballonflüge in großer Höhe durch und stellte fest, dass nicht die Radioaktivität vom Erdboden die Atmosphäre ionisiert, sondern der Ursprung der Ionisation außerhalb der Erde liegt. In den folgenden Jahren wurde festgestellt, dass kosmische „Strahlen“ aus geladenen Teilchen aus dem Weltall bestehen, die fast so schnell wie das Licht sind, und keine Strahlung darstellen. Der Name „kosmische Strahlung“ überdauerte diese Erkenntnisse jedoch.


    In der vorliegenden Arbeit haben Dr. Mohamad Shalaby, Wissenschaftler am AIP und der Hauptautor dieser Studie, und seine Kolleginnen und Kollegen numerische Simulationen durchgeführt, um die Flugbahnen vieler Teilchen der kosmischen Strahlung zu verfolgen und zu untersuchen, wie diese mit dem sie umgebenden Plasma aus Elektronen und Protonen wechselwirken. Als die Forschenden kosmische Strahlen analysierten, die von einer Seite der Simulation zur anderen flogen, entdeckten sie ein neues Phänomen, das elektromagnetische Wellen im Hintergrundplasma anregt. Diese Wellen üben eine Kraft auf die kosmischen Strahlen aus, die ihre Flugbahnen verändert.


    Simulation der kosmischen Strahlung, die durch ein Hintergrundplasma strömt und eine Plasmainstabilität anregt. Dargestellt ist die Verteilung der Hintergrundteilchen, die auf die strömende kosmische Strahlung im Phasenraum reagieren, der durch Teilchen-Position (horizontale Achse) und Geschwindigkeit (vertikale Achse) aufgespannt wird. Die Farben visualisieren die Anzahldichte und die Löcher im Phasenraum sind Ausdruck der hochdynamischen Natur der Instabilität, die geordnete Bewegungen in Zufallsbewegungen umwandelt. Bild: Shalaby/AIP


    Dieses neue Phänomen lässt sich am einfachsten verstehen, wenn man die kosmischen Strahlen nicht als einzelne Teilchen betrachtet, sondern als elektromagnetische Welle, in welcher diese kosmischen Teilchen gemeinsam schwingen. Indem diese Welle mit den Eigenschwingungen im Hintergrund wechselwirkt, werden sie verstärkt und es findet ein Energieübertrag statt. „Diese Erkenntnis erlaubt es uns, die kosmische Strahlung in diesem Zusammenhang als Strahlung und nicht als einzelne Teilchen zu betrachten, so wie es ursprünglich von Victor Hess angenommen wurde“, bemerkt Professor Christoph Pfrommer, Leiter der Abteilung Kosmologie und Hochenergie-Astrophysik am AIP. Eine gute Analogie für das Verhalten sind einzelne Wassermoleküle, die gemeinsam eine Welle bilden, die sich am Ufer bricht. „Dieser Fortschritt kam nur durch die Berücksichtigung kleinerer Skalen zustande, die bisher übersehen wurden, und stellt die Verwendung effektiver hydrodynamischer Theorien bei der Untersuchung von Plasmaprozessen in Frage“, erklärt Dr. Mohamad Shalaby.


    Für die neu entdeckte Plasmainstabilität gibt es viele Anwendungen, unter anderem eine erste Erklärung für die Beschleunigung von Elektronen aus dem thermischen interstellaren Plasma zu sehr hohen Energien an Supernovaüberresten. „Diese neu gefundene Plasmainstabilität stellt einen Quantensprung in unserem Verständnis des Beschleunigungsprozesses dar und erklärt endlich, warum Supernovaüberreste im Radio- und Gammastrahlenbereich leuchten“, berichtet Mohamad Shalaby. Darüber hinaus öffnet diese bahnbrechende Entdeckung die Tür zu einem besseren Verständnis der grundlegenden Prozesse des Transports der kosmischen Strahlung in Galaxien, der bisher das größte Mysterium in unserem Verständnis der Entwicklung von Galaxien darstellt.


    Weitere Infos auf den Seiten des AIP unter https://www.aip.de/de/news/new-plasma-instability/

    Galaxien geben unter Umständen enorme Materiemengen an ihre Umgebungen ab, ausgelöst durch eine Vielzahl von Explosionen massereicher Sterne. Mit dem MUSE-Instrument am Very Large Telescope der Europäischen Südsternwarte (ESO) wurde nun zum ersten Mal nachgewiesen, dass solche „galaktischen Winde“ keineswegs selten sind, sondern geradezu häufig stattfinden.


    Ein internationales Forschungsteam, das vom französischen Centre national de la recherche scientifique (CNRS) geleitet wurde, fand bei der Untersuchung einer Stichprobe von rund 100 Galaxien die für galaktische Winde charakteristischen doppelkegelförmigen Strukturen vor. Diese werden jedoch nur in bestimmten Spektrallinien des Lichts und nur bei extrem hoher Empfindlichkeit der Messung erkennbar. Zuvor waren nur einige wenige solcher Fälle bekannt, die meisten davon ebenfalls mit dem MUSE-Instrument entdeckt. Prof. Dr. Lutz Wisotzki, Leiter der Abteilung Galaxien und Quasare am Leibniz-Institut für Astrophysik Potsdam (AIP), und Mitautor des Fachartikels im Wissenschaftsmagazin „Nature“ sagt dazu: „MUSE zeigt uns, dass solche galaxienweiten Ausströmungen in so gut wie jeder sternbildenden Galaxie vorhanden sind. Darüber hinaus können wir anhand der neuen Ergebnisse genau erkennen, welche Ausdehnung und welche Form diese galaktischen Winde typischerweise haben. Bisher war dies nur in sehr seltenen Extremfällen möglich.“


    Es wird angenommen, dass ausströmendes Gas eine entscheidende Rolle bei der kosmischen Entwicklung von Galaxien spielt, indem es deren Wachstum und Sternentstehung reguliert. Theoretische Berechnungen sagen „bipolare“ Formen für die Ausströmungen vorher, die sich oberhalb und unterhalb der Galaxienebene bis weit in das zirkumgalaktische Medium erstrecken. Ähnliche Formen wurden auch in einigen nahen Galaxien, beispielsweise der „Zigarrengalaxie“ M82 und sogar in unserer eigenen Milchstraße, schon direkt beobachtet, allerdings sieht man hier nur die innersten Bereiche und kann kein Gesamtbild erstellen.


    Theoretische Skizze für galaktische Winde. Die Verteilung im Hintergrund (rot) zeigt die von MUSE gemessenen Gasausströmungen von Galaxien. Bild: Guo et al. 2023, AIP.


    Kosmologische Simulationen der Galaxienbildung sagen für das junge Universum voraus, dass das Phänomen der galaktischen Winde während dieser Frühphasen deutlich häufiger und stärker auftrat: Auf- grund der höheren Sternbildungsaktivität junger Galaxien gab es mehr Supernova-Explosionen und dadurch stärkere Ausströmungen. Diese transportieren Gas und Energie aus einer Galaxie in ihre Umgebung und entziehen ihr somit den notwendigen Treibstoff für weitere Sternentstehung, während sie gleichzeitig ihre „zirkumgalaktische“ Umgebung anreichern. Dieser Rückkopplungsprozess ist vermutlich ein entscheidendes Element für unser Verständnis der Entstehung und Entwicklung von Galaxien, er ist aber aufgrund der schwierigen Nachweisbarkeit des Phänomens nur sehr unzureichend durch Beobachtungen erforscht.


    Die neue Studie mit dem MUSE-Instrument zeigt nun unmittelbar, dass das galaktische Gas bis zu einer Entfernung von mehr als 30.000 Lichtjahren in die Umgebung der Galaxien ausströmt. Dabei hängt das beobachtbare Signal stark von der Ausrichtung der Galaxie relativ zur Sichtlinie ab: Sieht man das System von der Seite, so findet sich starke Emission oberhalb und unterhalb der Galaxienebene, während bei Galaxien, die wir von „oben“ oder „unten“ betrachten, das Signal schwächer und gleichmäßiger verteilt ist. Diese Beobachtungen bestätigen auf sehr eindrückliche Weise die zuvor theoretisch vorhergesagte bipolare Form der Ausströmungen senkrecht zur Galaxienebene.


    Weitere Infos auf den Seiten des AIP unter https://www.aip.de/de/news/gro…ets-of-galactic-outflows/

    Unter der Leitung von Francesca Ferlaino und Massimo Mannarelli untersuchen Quantenphysiker und Astrophysiker gemeinsam die plötzliche Änderung der Rotationsgeschwindigkeit von Neutronensternen. Es ist ihnen nun gelungen, dieses rätselhafte Phänomen mit ultrakalten dipolaren Atomen numerisch zu simulieren. Die enge Verbindung von Quantenmechanik und Astrophysik ebnet den Weg für die Quantensimulation von stellaren Objekten.


    Neutronensterne faszinieren die Wissenschaft seit ihrer ersten Entdeckung im Jahr 1967. Die für ihre periodischen Lichtblitze und ihre schnelle Rotation bekannten Überreste von Supernovae gehören zu den dichtesten Objekten im Universum. Ihre Masse ist vergleichbar mit jener der Sonne, komprimiert in einer Kugel mit einem Durchmesser von nur etwa 20 Kilometern. Neutronensterne zeigen ein eigenartiges Verhalten, das als „Glitch“ bekannt ist, bei dem der Stern plötzlich seine Rotation beschleunigt. Dieses Phänomen deutet darauf hin, dass Neutronensterne möglicherweise teilweise supraflüssig sind. In einer Supraflüssigkeit ist die Rotation durch zahlreiche winzige Wirbel gekennzeichnet, von denen jeder einen Teil des Drehimpulses trägt. Ein „Glitch“ tritt auf, wenn diese Wirbel aus der inneren Kruste des Sterns in seine feste, äußere Kruste entweichen und dadurch die Rotationsgeschwindigkeit des Sterns erhöhen.


    Ultrakalte Quantengase aus dipolaren Atomen bilden eine Plattform für die Simulation von Vorgängen im Inneren von Neutronensternen. Bild: Elena Poli, Universität Innsbruck


    Der Schlüssel zu dieser Studie liegt im Konzept des Suprafestkörpers – einem Zustand, der sowohl kristalline als auch supraflüssige Eigenschaften aufweist, und der als notwendige Bedingung für die Rotationsstörungen von Neutronensternen vorhergesagt wurde. Demnach nisten sich quantisierte Wirbel im Suprafestkörpers ein, bis sie kollektiv entweichen und von der äußeren Kruste des Sterns absorbiert werden, was dessen Rotation beschleunigt. Kürzlich wurden suprafeste Zustände in Experimenten mit ultrakalten, dipolaren Atomen realisiert. Dies bietet eine einzigartige Möglichkeit, die Bedingungen im Inneren eines Neutronensterns auf der Erde zu simulieren.


    Die aktuelle Studie von Forschern der Universität Innsbruck und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften sowie der Laboratori Nazionali del Gran Sasso und des Gran Sasso Science Institute zeigt, dass in ultrakalten suprafesten Phasen Störungen auftreten können, die mit den Vorgängen im Inneren von Neutronensternen vergleichbar sind. Dieser Ansatz ermöglicht eine detaillierte Erforschung dieses Phänomens und seiner Abhängigkeit von Eigenschaften des Suprafestkörpers. „Unsere Forschung stellt eine enge Verbindung zwischen Quantenmechanik und Astrophysik her und bietet Einblicke in das Innenleben von Neutronensternen“, sagt die Erstautorin Elena Poli. Diese Vorgänge liefern wertvolle Erkenntnisse über die innere Struktur und Dynamik von Neutronensternen. Durch die Untersuchung dieser Ereignisse können die Wissenschaftler mehr über die Eigenschaften von Materie unter extremen Bedingungen erfahren.


    „Diese Forschung demonstriert einen neuen Ansatz, um Einblicke in das Verhalten von Neutronensternen zu gewinnen, und eröffnet neue Wege für die Quantensimulation von stellaren Objekten in niederenergetischen Laboren auf der Erde“, betont Francesca Ferlaino.


    Weitere Infos auf den Seiten der Uni Inssbruck unter https://www.uibk.ac.at/de/news…nensternen-entschlusseln/

    Vor 151 Jahren traf ein gewaltiger Sonnensturm auf die Erde: Am 4. Februar 1872 meldeten Telegrafenämter in vielen Teilen der Welt stundenlange Störungen und Ausfälle; Polarlichter waren selbst in Indien, Sudan und in der Karibik zu sehen. Eine Gruppe von 22 Wissenschaftler*innen, die von der Universität Nagoya in Japan geleitet wurde und zu der ein Forscher des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung (MPS) in Göttingen gehört, legt jetzt die bisher umfassendste Untersuchung des ungewöhnlichen Ereignisses vor. Dafür werteten die Forscher*innen eine Vielzahl historischer Aufzeichnungen, Messungen und Dokumente aus Europa, Asien, Afrika, den USA und Australien aus – darunter auch bisher unbekannte Quellen. Wie die Studie zeigt, gehört der Sonnensturm von 1872 zu den drei heftigsten, die jemals direkt beobachtet wurden. Zudem konnte das Team erstmals die Region auf der Sonne identifizieren, die den Sturm ausgelöst hatte. Dies kann helfen zu verstehen, wie solch gewaltige Sonnenstürme entstehen und wie sie sich ankündigen.


    In heftigen Eruptionen schleudert die Sonne immer wieder Strahlung und hochenergetische, geladene Teilchen ins All. Breiten sich diese in Richtung der Erde aus und treffen auf das irdische Magnetfeld, spricht man von einem Sonnensturm. Kleinere Stürme machen sich durch bunt leuchtende Polarlichter in hohen Breiten bemerkbar; stärkere Exemplare können in der Atmosphäre und zum Teil sogar in Bodennähe so starke elektrische Ströme induzieren, dass Funkübertragungen beeinträchtigt und Transformatoren zerstört werden. Berühmtestes Beispiel ist das so genannte Carrington-Ereignis von 1859. Als Folge des stärksten bisher bekannten Sonnensturms brach in weiten Teilen Nordeuropas und Nordamerikas das Telegrafennetzwerk zusammen; Polarlichter waren sogar in Rom, Mexiko und Kuba zu sehen.


    Forschende gehen davon aus, dass ein ähnlich starker Sonnensturm heutzutage deutlich weitreichendere Konsequenzen hätte – nicht zuletzt, weil die heutige Infrastruktur empfindlich von Satelliten abhängt, die ebenfalls in Mitleidenschaft gezogen werden können. Umso drängender ist das Anliegen, heftige Ereignisse dieser Art vorhersagen zu können. „Extrem starke Sonnenstürme treten nur sehr, sehr selten auf“, erklärt MPS-Wissenschaftler Dr. Theodosios Chatzistgeros, Koautor der aktuellen Studie. „Grundsätzlich ist das natürlich gut, es erschwert aber die Erforschung dieser Ereignisse“, fügt er hinzu. Um Gesetzmäßigkeiten zu erkennen, bleibt Wissenschaftler*innen deshalb nur der Blick in die Vergangenheit.


    Etwa auf den Sonnensturm vom 4. Februar 1872. Ähnlich wie beim Carrington-Ereignis waren auch 13 Jahre später Polarlichter in ungewöhnlich niedrigen Breiten zu sehen: Ein rotes, blaues oder violettes Leuchten, gleißend helle Streifen und weitere Lichterscheinungen zeigten sich Aufzeichnungen zur Folge etwa am Himmel über dem heutigen Mumbai (Indien), über Khartum (Sudan) und über der Karibik. Auch von weitreichenden Störungen des Telegraphenbetriebs wird berichtet. In der aktuellen Studie tragen Forscher*innen bereits bekannte sowie neu entdeckte Quellen zusammen und werten sie aus. Dabei blicken sie nicht nur auf die außergewöhnlichen Vorgänge, die sich am 4. Februar 1872 auf der Erde entfalteten, sondern schauen auch auf die Vorgänge auf der Sonne in den Tagen davor.


    Geografische Zusammenfassung der Polarlichtsichtbarkeit am 4. Februar 1872: Polarlichter bedeckten einen großen Teil des Nachthimmels von den Tropen bis zu den Polarregionen. Bild: Hayakawa et al. (2023)


    An mehreren Observatorien wie etwa in den italienischen Städten Rom, Palermo und Moncalieri gehörten im späten 19. Jahrhundert regelmäßige Sonnenbeobachtungen zum wissenschaftlichen Alltag. Die Astronomen waren vertraut mit dem etwa elfjährigen Sonnenfleckenzyklus, zeichneten Anzahl, Größe, Form und Anordnung der dunklen Gebiete auf der Sonnenoberfläche sorgsam auf und konnten zum Teil auch Eruptionen beobachten. Ihre Skizzen und Einträge lieferten den Autor*innen der aktuellen Studie entscheidende Informationen. So fertigte etwa der Jesuitenpater Angelo Secchi, Leiter der Vatikansternwarte, in den Tagen vor dem Sonnensturm detaillierte Handzeichnungen der Sonnenflecke an.


    „Heute wissen wir, dass Sonnenflecken mit starken Magnetfeldern an der sichtbaren Oberfläche der Sonne einhergehen. Oftmals sind sie Ausgangspunkt von Sonneneruptionen“, erklärt Chatzistergos. Die Zeichnungen Secchis und weiterer Zeitgenossen aus den letzten Januar- und ersten Februartagen 1872 zeigen einen sprunghaften Anstieg der Anzahl der Sonnenflecken. Die Autor*innen der aktuellen Studie konnten eine Gruppe von Sonnenflecken identifizieren, die den Sonnensturm ausgelöst haben müssen. Zeit und Ort ihres Auftretens passen genau. Dabei mutet die Ansammlung dunkler Flecken zunächst eher unspektakulär an: Weder ihre Gesamtgröße noch die Abmessungen der einzelnen Flecken ist außergewöhnlich. Allerdings folgt die Anordnung der Flecken innerhalb der Gruppe nicht den typischen Gesetzmäßigkeiten. Die Magnetfeldarchitektur, auf die diese Anordnung hinweise, habe das Potential eine große Menge an Energie freizusetzen, so Chatzistergos.


    Die Folgen des Ausbruchs zeigten sich auf der Erde schon bald. Am 4. Februar 1872 verkündeten Routinemessungen des Erdmagnetfeldes unter anderem aus Greenwich (England), Tiflis (Georgien) und Mumbai (Indien) das Einsetzen des Sturms. Die Daten erlauben es den Forschern einzugrenzen, wie stark der Sturm das Erdmagnetfeld abgeschwächt haben muss. Beinah noch eindrucksvoller sind die zahlreichen Sichtungen von Polarlichtern. Das Forscherteam wertete Berichte in Zeitungen, Chroniken und wissenschaftlichen Zeitschriften aus, sowie Zeichnungen, Tage- und Schiffslogbucheinträge aus Asien, Europa, Afrika, Australien und Amerika. Einige dieser Quellen waren zuvor nicht bekannt gewesen. Die äquatornächsten Polarlichtsichtungen stammen demnach aus dem karibischen Tobago, nur 11 Breitengrade nördlich des Äquators.


    Insgesamt entsteht so ein umfassendes Bild des Extrem-Sonnensturms: Neben dem Carrington-Ereignis von 1859 und einem weiteren Sturm von 1921 zählt der Sonnensturm von 1872 demnach zu den drei heftigsten bisher bekannten Ereignissen. Seit Beginn des Weltraumzeitalters ist kein so starker Sturm mehr aufgetreten.


    Aktuell durchläuft die Sonne ihren so genannten 25. Sonnenzyklus und nähert sich ihrem nächsten Maximum an, das sie in etwa im Laufe des nächsten Jahres erreichen dürfte. Die damit verbundenen häufigeren und stärkeren Sonnenstürme haben sich in den vergangenen Wochen auch in Deutschland und sogar in Teilen Südeuropas bemerkbar gemacht: Die kürzlich aufgetretenen Polarlichter waren sogar in Teilen von Griechenland und Italien zu sehen. Dennoch sind extreme Sonnenstürme wie das Carrington-Ereignis und der Sturm von 1972 eher seltene Phänomene – selbst in Zeiten zunehmender Sonnenaktivität. Weitere Forschung zu vergangenen Sonnenstürmen ist notwendig, um solche Ereignisse in Zukunft besser zu verstehen.


    Weitere Infos und Bilder auf den Seiten des MPS unter https://www.mps.mpg.de/polarlichter-ueber-der-karibik?c=2728

    Planeten wie unsere Erde, auch solche mit Wasser, könnten sogar in den unwirtlichsten bekannten Stern­ent­stehungs­um­gebungen entstehen, die von energiereichem UV-Licht massereicher Sterne durchflutet werden. Das zeigt eine Analyse neuer Beobachtungen mit dem James-Webb-Weltraumteleskop (JWST). Die de­taillierten Be­ob­achtungen sind die ersten ihrer Art und wären vor Inbetriebnahme des JWST nicht möglich gewesen. Das Ergebnis ist eine gute Nachricht für erdähnliche Planeten und für Leben im Universum: Solche Planeten können sich offenbar unter vielfältigsten Bedingungen bilden.


    Astronom*innen haben Wasser- und kohlenstoffhaltige Moleküle in einer Gas- und Staubscheibe um einen jungen sonnenähnlichen Stern gefunden, der sich in einer der unwirtlichsten Regionen unserer Galaxis befindet. Scheiben dieser Art um neu entstehende Sterne sind die Orte, an denen Planeten entstehen. Sie heißen deswegen auch protoplanetare Scheiben. Ein Team von Astronom*innen unter der Leitung von María C. Ramírez-Tannus vom Max-Planck-Institut für Astronomie (MPIA) hat mit dem James-Webb-Weltraumteleskop einen Blick in den inneren Bereich einer solchen Scheibe geworfen – denjenigen Teilbereich, in dem sich typischerweise erdähnliche Planeten bilden: Planeten mit einer dünnen Atmosphäre rund um eine Kugel aus Gestein.


    Die Scheibe, der die Astronom*innen den Namen XUE-1 gegeben haben, ist der intensiven UV-Strahlung der umliegenden heißen, massereichen Sterne in jener Region ausgesetzt. Doch selbst in dieser rauen Umgebung wurden bei den Beobachtungen sowohl Wasser als auch einfache organische Moleküle nachgewiesen. Ramírez-Tannus sagt: „Dieses Ergebnis ist unerwartet und aufregend! Es zeigt, dass selbst in den unwirtlichsten Umgebungen unserer Galaxie günstige Bedingungen für die Entstehung erdähnlicher Planeten und der Zutaten für Leben vorhanden sind.“


    Die neuen Beobachtungen sind die ersten ihrer Art. Bisherige Detailbeobachtungen von protoplanetaren Scheiben waren auf uns vergleichsweise nahe Sternentstehungsgebiete beschränkt, die allerdings keine massereichen Sterne enthalten. Massereiche Sternentstehungsgebiete sind etwas ganz Anderes: Dort bilden sich zahlreiche Sterne in etwa zeitgleich, darunter auch einige der seltenen, aber extrem leuchtstarken, sehr massereichen Sterne. Während des „goldenen Zeitalters“ der Sternentstehung im Universum, vor rund 10 Milliarden Jahren, fand die meiste Sternentstehung in solchen massereichen Haufen statt. Insgesamt wurden mehr als die Hälfte aller Sterne in unserem Universum – einschließlich unserer eigenen Sonne – in massereichen Sternentstehungsgebieten geboren, zusammen mit ihren Planeten. Bisher war jedoch nichts über die Auswirkungen solch unwirtlichen Umgebungen auf die inneren Regionen von Scheiben bekannt, in denen sich vermutlich terrestrische Planeten bilden werden.


    Künstlerische Darstellung des massereichen Sternentstehungsgebiets mit der planetenbildenden Scheibe XUE-1 im Vordergrund. Die Region ist in das UV-Licht massereicher Sterne getaucht, von denen einer in der oberen linken Ecke zu sehen ist. Die Struktur in der Nähe der Scheibe stellt die Moleküle und den Staub dar, die von den Forscher*innen in den jetzt veröffentlichten neuen Beobachtungen gefunden wurden. Illustration: Maria Cristina Fortuna (http://www.mariacristinafortuna.com)


    Massereiche Sterne sind zwangsläufig sehr hell und strahlen große Mengen hochenergetischer UV-Strahlung ab. Es war eine offene Frage, ob diese intensive Strahlung die Bildung von Planeten wie der Erde um sonnenähnliche Sterne stören oder sogar weitgehend verhindern würde. Wäre dies der Fall, dann wäre es zwar nicht unmöglich, aber sehr selten, dass in solchen massereichen Sternhaufen erdähnliche Planeten entstehen würden. Eine Reihe von Überlegungen wiesen genau in diese Richtung: Zum Beispiel treibt die UV-Strahlung der massereichen Sterne das Gas in den äußeren Scheibenbereichen auseinander. Das wiederum hemmt das Wachstum von Staubteilchen und ihren Weg in die inneren Scheibenbereiche. Solche Staubteilchen sind nun aber wichtige Bausteine erdähnlicher Planeten (und auch der Kerne von Riesenplaneten wie Jupiter oder Saturn). Auf diese Weise könnte die UV-Strahlung die Chancen für die Entstehung erdähnlicher Planeten deutlich vermindern.


    Bisherige Beobachtungen haben nicht ausgereicht, um diese Frage zu beantworten. Im heutigen Universum sind massereiche Sternentstehungsgebiete vergleichsweise selten, und selbst die uns nächstgelegenen sind weit von uns entfernt. Bis vor kurzem gab es daher keine Möglichkeit, kleine Scheiben um sonnenähnliche Sterne hinreichend genau zu beobachten. Die wenigen protoplanetaren Scheiben, die nahe genug waren, dass sie im Detail beobachtet werden konnten, befinden sich sämtlich in ruhigen Sternentstehungsgebieten. Dort fehlt die intensive UV-Strahlung massereicher Sterne; entsprechend lässt sich die Frage nach deren schädlichem Einfluss durch die Beobachtung solcher ruhigen Gebiete gar nicht beantworten.


    Die Inbetriebnahme des JWST änderte die Situation grundlegend. Sobald das Teleskop für wissenschaftliche Beobachtungen verfügbar wurde, bewarben sich Ramírez-Tannus und die XUE-Kollaboration (eXtreme UV environments, deutsch sinngemäß Regionen mit extremem Einfluss von UV-Strahlung) erfolgreich für die Beobachtung des Sternentstehungsgebiets NGC 6357. Mit einer Entfernung von 5500 Lichtjahren von der Erde ist dies eines der nächstgelegenen massereichen Sternentstehungsgebiete. Es ist auch das vielversprechendste Beobachtungsziel für die Beantwortung der Frage nach dem möglichen Einfluss von UV-Strahlung auf die inneren Gebiete der Scheibe: NGC 6357 enthält rund ein Dutzend leuchtkräftiger, massereicher Sterne, die dafür sorgen, dass einige der in der Region sichtbaren planetenbildenden Scheiben während des größten Teils ihrer Existenz intensiver UV-Strahlung ausgesetzt waren. Auch die Vielfalt ist ein wichtiger Faktor: Die Region enthält eine Vielzahl von Scheiben, von denen einige mehr, andere weniger Strahlung ausgesetzt waren und sind. „Wenn intensive Strahlung die Bedingungen für die Planetenbildung in den inneren Regionen protoplanetarer Scheiben erschwert, dann ist NGC 6357 der Ort, an dem wir diesen Effekt sehen sollten“, sagt Arjan Bik von der Universität Stockholm, Co-PI (Co-Principal Investigator, entsprechend einem stellvertretenden Projektleiter) der XUE-Kollaboration und Zweitautor der Studie.


    Die Beobachtungsdaten, die in diesem Falle aufgenommen werden, sind sogenannte Spektren, also regenbogenartige Zerlegungen des Lichts, die Schätzungen über das Vorhandensein bestimmter Moleküle in der beobachteten Region ermöglichen. Zu ihrer Überraschung stellten Ramírez-Tannus und ihre Kollegen fest, dass sich zumindest eine der Scheiben in NGC 6357, eben XUE-1, in Bezug auf das Vorhandensein (und die Eigenschaften) von Schlüsselmolekülen in den inneren Scheibenregionen nicht grundlegend von ihren Gegenstücken in massearmen Sternentstehungsgebieten unterscheidet.


    „Wir haben in den innersten Regionen von XUE-1 eine Fülle von Wasser, Kohlenmonoxid, Kohlendioxid, Cyanwasserstoff und Acetylen gefunden“, sagt Ramírez-Tannus. „Dies liefert wertvolle Hinweise darauf, wie die ursprünglichen Atmosphären der entstehenden erdähnlichen Planeten zusammengesetzt sein dürften.“ Die Forscher fanden auch Silikatstaub in ähnlichen Mengen wie in massearmen Sternentstehungsgebieten. Dies ist das erste Mal, dass solche Moleküle unter solchen extremen Bedingungen nachgewiesen wurden.


    Diese Beobachtungen sind eine gute Nachricht für erdähnliche Planeten und für das Leben im Universum allgemein: Offenbar können sich in den inneren Regionen protoplanetarer Scheiben um sonnenähnliche Sterne selbst in den unwirtlichsten Sternentstehungsgebieten in ähnlicher Weise erdähnliche Gesteinsplaneten bilden wie in den ruhigeren, masseärmeren Gebieten. Die entsprechenden Scheibenregionen sind sogar reich an Wasser, einer notwendigen Zutat für Leben, wie wir es kennen. Ob dies insgesamt zu einer großen Anzahl von erdähnlichen Planeten führt, die in solchen Umgebungen entstehen, können die Forscher nicht anhand einer einzigen Scheibe feststellen. Die XUE-Kollaboration geht mit ihren Beobachtungen daher jetzt noch einen Schritt weiter: mit einer JWST-Durchmusterung von 14 weiteren Scheiben in verschiedenen Teilen von NGC 6357, mit der die Forscher*innen der Klärung der Frage nach der Gesamtanzahl erdähnlicher Planeten einen großen Schritt näher kommen dürften.


    Weitere Infos auf den Seiten des MPIA unter https://www.mpia.de/aktuelles/…6-xue-terrestrial-planets

    Astronominnen und Astronomen haben eine bemerkenswerte Entdeckung gemacht: Sie haben eine Scheibe um einen jungen Stern in der Großen Magellanschen Wolke, einer Nachbargalaxie von uns, beobachtet. Zum ersten Mal wurde eine solche Scheibe außerhalb unserer Galaxie gefunden, die mit denjenigen identisch ist, die in unserer eigenen Milchstraße Planeten bilden. Die neuen Beobachtungen zeigen einen massereichen jungen Stern, der wächst, Materie aus seiner Umgebung aufnimmt und eine rotierende Scheibe entwickelt. Die Entdeckung wurde mit dem Atacama Large Millimeter/submillimeter Array (ALMA) in Chile gemacht, an dem die Europäische Südsternwarte (ESO) beteiligt ist.


    „Als ich zum ersten Mal Beweise für eine rotierende Struktur in den ALMA-Daten sah, konnte ich nicht glauben, dass wir die erste extragalaktische Akkretionsscheibe entdeckt hatten. Das war ein besonderer Moment“, sagt Anna McLeod, Dozentin an der Durham University in Großbritannien und Hauptautorin der heute in Nature veröffentlichten Studie. „Wir wissen, dass die Scheiben für die Bildung von Sternen und Planeten in unserer Galaxie von entscheidender Bedeutung sind, und hier sehen wir zum ersten Mal einen direkten Beweis dafür in einer anderen Galaxie.“


    Die Studie schließt sich an Beobachtungen mit dem Instrument Multi Unit Spectroscopic Explorer (MUSE) am Very Large Telescope (VLT) der ESO an, das einen Jet von einem sich bildenden Stern – das System wurde HH 1177 genannt – tief in einer Gaswolke in der Großen Magellanschen Wolke entdeckte. „Wir entdeckten einen Jet, der von diesem jungen massereichen Stern ausgeht. Seine Existenz ist ein Anzeichen für eine anhaltende Scheibenakkretion“, sagt McLeod. Zur Bestätigung, dass eine solche Scheibe tatsächlich vorliegt, musste das Team jedoch die Bewegung des dichten Gases um den Stern messen.


    Wenn Materie in Richtung eines wachsenden Sterns gezogen wird, kann sie nicht direkt auf den Stern fallen; stattdessen flacht sie sich zu einer rotierenden Scheibe um den Stern ab. In der Nähe des Zentrums rotiert die Scheibe schneller, und dieser Geschwindigkeitsunterschied ist für Astronominnen und Astronomen der Beweis, dass eine Akkretionsscheibe vorhanden ist.


    Die Scheibe und der Jet im jungen Sternsystem HH 1177, beobachtet mit MUSE und ALMA. Die Aufnahmen des Multi Unit Spectroscopic Explorer (MUSE) am VLT (links) zeigen die Mutterwolke LHA 120-N 180B, in der dieses System mit der Bezeichnung HH 1177 erstmals beobachtet wurde. Das Bild in der Mitte zeigt die Jets, die das System begleiten. Der obere Teil des Jets ist leicht auf uns gerichtet und daher blauverschoben; der untere Teil entfernt sich von uns und ist daher rotverschoben. Die Beobachtungen von ALMA (rechts) förderten dann die rotierende Scheibe um den Stern zutage, deren Seiten sich ebenfalls auf uns zu und von uns weg bewegen. Bild: ESO/ALMA (ESO/NAOJ/NRAO)/A. McLeod et al.


    „Die Frequenz des Lichts ändert sich je nachdem, wie schnell sich das leuchtende Gas auf uns zu oder von uns weg bewegt“, erklärt Jonathan Henshaw, Wissenschaftler an der Liverpool John Moores University in Großbritannien und Mitautor der Studie. „Das ist genau das gleiche Phänomen, das auftritt, wenn sich die Tonhöhe einer Krankenwagensirene ändert, während sie an einem vorbeifährt. Die Frequenz des Tons verschiebt sich von höher zu niedriger.“

    Die detaillierten Frequenzmessungen mit ALMA ermöglichten es den Autoren, die charakteristische Drehung einer Scheibe zu erkennen und bestätigten die Entdeckung der ersten Scheibe um einen extragalaktischen jungen Stern.


    Massereiche Sterne, wie der hier beobachtete, bilden sich viel schneller und haben eine viel kürzere Lebensdauer als massearme Sterne wie unsere Sonne. In unserer Galaxie sind diese massereichen Sterne bekanntermaßen schwer zu beobachten und werden oft von dem staubigen Material verdeckt, aus dem sie sich zu dem Zeitpunkt bilden, zu dem sich eine Scheibe um sie herum formt. In der Großen Magellanschen Wolke, einer 160 000 Lichtjahre entfernten Galaxie, unterscheidet sich das Material, aus dem neue Sterne geboren werden, jedoch grundlegend von dem in der Milchstraße. Dank des geringeren Staubanteils ist HH 1177 nicht mehr in seinen Geburtskokon gehüllt und bietet den Forschenden einen ungehinderten, wenn auch weit entfernten Blick auf die Entstehung von Sternen und Planeten.


    „Wir befinden uns in einem Zeitalter des rasanten technologischen Fortschritts der astronomischen Einrichtungen“, sagt McLeod. „Es ist sehr aufregend, die Entstehung von Sternen in solch unglaublichen Entfernungen und in einer anderen Galaxie untersuchen zu können.“

    Eine Gruppe von Astrophysiker*innen unter der Leitung von Núria Miret-Roig von der Universität Wien fand heraus, dass zwei Methoden zur Bestimmung des Sternenalters unterschiedliche Dinge messen: Die isochrone Messung bestimmt dabei das Geburtsdatum von Sternen, während die dynamische Verfolgung Aufschluss darüber gibt, wann die Sterne "ihr Nest verlassen", in den untersuchten Sternenhaufen etwa 5,5 Millionen Jahre später. Die Studie ermöglicht eine Bestimmung der frühesten Stadien des Lebens von Sternen.


    Das Alter von Sternen ist in der Astrophysik ein grundlegender Parameter, aber dennoch relativ schwierig zu messen. Die besten Annäherungen gab es bisher für so genannte Sternenhaufen, also für Gruppen gleichaltriger Sterne mit einem gemeinsamen Ursprung. Sechs relativ nahe und junge Sternenhaufen wurden nun im Rahmen einer Studie am Institut für Astrophysik der Universität Wien hinsichtlich ihres Alters untersucht. Dabei zeigte sich, dass zwei der verlässlichsten Methoden zur Bestimmung des Sternenalters - die isochrone Messung und die dynamische Rückverfolgung - systematisch und beständig auseinander lagen; konkret waren die Sterne laut der Methode der dynamischen Rückverfolgung jeweils rund 5,5 Millionen Jahre jünger als mit der isochronen Messung.


    "Dies deutet darauf hin, dass die beiden Messmethoden unterschiedliche Dinge messen", erklärt Núria Miret-Roig, Erstautorin der Studie, die aktuell in Nature Astronomy erscheint: Demnach beginnt die isochrone "Uhr" ab dem Zeitpunkt der Sternenentstehung zu ticken, die "Uhr" der dynamischen Rückverfolgung jedoch erst dann, wenn ein Sternhaufen nach dem Verlassen seiner Mutterwolke zu expandieren beginnt. "Diese Erkenntnis hat erhebliche Auswirkungen auf unser Verständnis der Sternentstehung und der stellaren Entwicklung, einschließlich der Planetenbildung und der Entstehung von Galaxien, und eröffnet eine neue Perspektive auf die Chronologie der Sternentstehung. So kann die Länge der so genannten 'eingebetteten Phase', während derer Babysterne innerhalb der elterlichen Gaswolke bleiben, abgeschätzt werden", erklärt João Alves, Ko-Autor und Professor an der Universität Wien.


    "Dieser Altersunterschied zwischen den beiden Methoden stellt ein neues und dringend benötigtes Werkzeug dar, um die frühesten Stadien im Leben eines Sterns zu quantifizieren", so Alves. "Konkret können wir damit messen, wie lange die Baby-Sterne brauchen, bevor sie ihr Nest verlassen". Möglich wurden die Messungen durch die hochauflösenden Daten der Gaia-Sondermission in Verbindung mit bodengestützten Radialgeschwindigkeiten (z. B. aus dem APOGEE-Katalog). "Diese Kombination erlaubt es uns, die Positionen der Sterne mit der Genauigkeit der 3D-Geschwindigkeiten bis zu ihrem Geburtsort zurückzuverfolgen," erklärt Miret-Roig. Neue und kommende spektroskopische Durchmusterungen wie WEAVE, 4MOST und SDSS-V werden diese Untersuchung für die gesamte Sonnenumgebung ermöglichen.


    Bild des Wolkenkomplexes Rho Ophiuchi, der der Erde am nächsten liegenden Sternhaufen. Diese Studie zeigt, dass die neu entstandenen Sterne in Rho Ophiuchi noch nicht auseinanderdriften und dass die Vorläuferwolke sie noch zusammenhält. C: NASA, ESA, CSA, STScI, Klaus Pontoppidan (STScI)


    Astronom*innen verwenden isochrone Altersangaben, seit wir wissen, wie Sterne funktionieren, aber diese Altersangaben hängen von dem jeweiligen Sternmodell ab, das wir verwenden", sagt Miret-Roig. "Die hochwertigen Daten des Gaia-Satelliten haben es uns nun ermöglicht, das Alter dynamisch, also unabhängig von den Sternmodellen, zu messen und wir waren begeistert, die beiden Uhren zu synchronisieren." Während der Berechnungen trat jedoch ein beständiger und rätselhafter Unterschied zwischen den beiden Altersbestimmungs-Methoden auf. "Und irgendwann kamen wir an einen Punkt, an dem wir die Diskrepanz nicht mehr auf Beobachtungsfehler schieben konnten – da wurde uns klar, dass die beiden Uhren höchstwahrscheinlich zwei verschiedene Dinge messen," so die Astrophysikerin.


    Das Forschungsteam analysierte für die Studie sechs nahe gelegene und junge Sternenhaufen (bis zu 490 Lichtjahre entfernt und 50 Millionen Jahre alt). Dabei zeigte sich, dass Zeitskala der eingebetteten Phase rund 5,5 Millionen Jahre beträgt (plus/minus 1,1 Millionen Jahre) und von der Masse des Sternenhaufens und der Menge der stellaren Rückkopplung abhängen könnte. Die Anwendung dieser neuen Technik auf andere junge und nahe der Sonne gelegenen Sternenhaufen verspricht neue Einblicke in die Sternentstehung und das Auseinanderdriften der Sterne, hofft Miret-Roig: "Unsere Arbeit ebnet den Weg für die zukünftige Forschung im Bereich der Sternentstehung und bietet ein klareres Bild davon, wie sich Sterne und Sternhaufen entwickeln. Das ist ein wichtiger Schritt in unserem Bestreben, die Entstehung der Milchstraße und anderer Galaxien zu verstehen."


    Weitere Infos auf den Seiten der Uni Wien unter https://medienportal.univie.ac…abysterne-fluegge-werden/

    Üblicherweise wird angenommen, dass Zwerggalaxien unsere Galaxie für lange Zeit als Satelliten umkreisen. Eine neue Studie zeigt nun, dass viele dieser Zwerggalaxien bereits kurz nach dem Eindringen in den galaktischen Halo zerstört werden könnten. Dank des neuesten Katalogs des ESA-Satelliten Gaia konnte ein internationales Team nachweisen, dass Zwerggalaxien aus dem Gleichgewicht geraten sein könnten. Die Studie wirft wichtige Fragen zum kosmologischen Standardmodell auf, insbesondere zum Vorhandensein Dunkler Materie in unserer unmittelbaren Umgebung.


    Eine Besonderheit dieser Studie liegt in der Rolle der Dunklen Materie. Erstens verhindert das fehlende Gleichgewicht eine Schätzung der dynamischen Masse der Zwerggalaxien der Milchstraße und damit ihres Anteils an Dunkler Materie. Zweitens: Während im vorherigen Szenario die Dunkle Materie die vermeintliche Stabilität von Zwerggalaxien sicherte, wird sie bei Objekten, die aus dem Gleichgewicht geraten sind, eher hinderlich. Enthielte nämlich der Zwerg bereits viel Dunkle Materie, hätte diese seine anfängliche rotierende Sternscheibe stabilisiert und seine Umwandlung in eine Galaxie mit zufälligen Sternbewegungen, wie sie beobachtet werden, verhindert.


    Die beschriebene erst kürzliche Ankunft von Zwerggalaxien und ihre Umwandlung im Halo erklären viele beobachtete Eigenschaften dieser Objekte, insbesondere, warum sie Sterne in großer Entfernung von ihrem Zentrum besitzen. Ihre Eigenschaften scheinen sich auch ohne Dunkle Materie erklären zu lassen – im Gegensatz zur bisherigen Auffassung, dass Zwerggalaxien die am stärksten von Dunkler Materie dominierten Objekte sind. Nun stellen sich viele Fragen, wie zum Beispiel: Wo sind die vielen von Dunkler Materie dominierten Zwerggalaxien, die das kosmologische Standardmodell um die Milchstraße erwartet? Wie können wir auf den Gehalt an Dunkler Materie in einer Zwerggalaxie schließen, wenn kein Gleichgewicht angenommen werden kann? Welche anderen Beobachtungen könnten zwischen den vorgeschlagenen Zwerggalaxien außerhalb des Gleichgewichts und dem klassischen Bild mit von Dunkler Materie dominierten Zwergen unterscheiden?


    Man geht seit langem davon aus, dass die Zwerggalaxien rund um die Milchstraße uralte Satelliten sind, die unsere Galaxie seit fast 10 Milliarden Jahren umkreisen. Dazu müssten sie riesige Mengen an Dunkler Materie enthalten, um sie vor den enormen Gezeiteneffekten zu schützen, die durch die Anziehungskraft unserer Galaxie verursacht werden. Es wurde angenommen, dass Dunkle Materie die Ursache für die großen Geschwindigkeitsunterschiede zwischen den Sternen in diesen Zwerggalaxien ist.


    Die Zwerggalaxien der Milchstraße. Bild: ESA/Gaia/DPAC


    Die neuesten Gaia-Daten haben nun ein völlig anderes Bild der Eigenschaften von Zwerggalaxien ergeben. Astronominnen und Astronomen des Pariser Observatoriums PSL, des Centre national de la recherche scientifique (CNRS) und des Leibniz-Instituts für Astrophysik Potsdam (AIP) waren in der Lage, die Geschichte der Milchstraße zu datieren, und zwar dank der Beziehung zwischen der Bahnenergie eines Objekts und seiner Eintrittszeit in den Halo, dem Zeitpunkt, zu dem sie erstmals vom Gravitationsfeld der Milchstraße erfasst wurden: Objekte, die zu früheren Zeiten in die Milchstraße eindrangen, als diese noch weniger massereich war, haben eine niedrigere Energie als solche, die erst kürzlich eintrafen. Die Bahnenergie der meisten Zwerggalaxien ist überraschenderweise deutlich größer als jene der Sagittarius-Zwerggalaxie, die vor 5 bis 6 Milliarden Jahren in den Halo eintrat. Dies deutet darauf hin, dass die meisten Zwerggalaxien erst vor viel kürzerer Zeit, nämlich vor weniger als drei Milliarden Jahren, in den Halo eingetreten sind.


    Eine solche jüngste Ankunft bedeutet, dass die nahen Zwerggalaxien von außerhalb des Halos stammen, wo fast alle Zwerggalaxien riesige Reservoirs an neutralem Gas enthalten. Diese gasreichen Galaxien verloren ihr Gas, als sie mit dem heißen Gas des galaktischen Halos zusammenstießen. Die Gewalt der Schocks und Turbulenzen in diesem Prozess veränderte diese Zwerggalaxien völlig. Während die zuvor gasreichen Zwerggalaxien durch die Rotation von Gas und Sternen bestimmt wurden, wird ihre Schwerkraft bei der Umwandlung in gasfreie Systeme durch die zufälligen Bewegungen der verbleibenden Sterne ausgeglichen. Der Prozess, mit dem Zwerggalaxien ihr Gas verlieren, ist so heftig, dass er sie aus dem Gleichgewicht bringt. Das bedeutet, dass die Geschwindigkeit, mit der sich ihre Sterne bewegen, nicht mehr im Gleichgewicht mit ihrer Gravitationsbeschleunigung ist. Die kombinierten Auswirkungen von Gasverlust und Gravitationsschocks durch den Sturz in die Galaxie erklären die große Streuung der beobachteten Geschwindigkeiten der Sterne innerhalb des Überrests der Zwerggalaxie gut.


    Weitere Infos auf den Seiten des AIP unter https://www.aip.de/de/news/a-r…w-view-on-dwarf-galaxies/

    Zum ersten Mal ist es gelungen, die Spiralform des drehenden Lichts zu messen, das vom Rand eines supermassereichen Schwarzen Lochs entweicht.  Diese Ergebnisse hat die Event Horizon Telescope (EHT) Kollaboration (an der das MPI für Radioastronomie und das Institut de Radioastronomie Millimétrique maßgeblich beteiligt sind) kürzlich veröffentlicht.  Diese sogenannte zirkulare Polarisation ist eine Folge der Rotation der Schwingungsrichtung des elektrischen Feldes in den Radiowellen.  Auf seiner Reise bringt das Radiolicht Informationen über die Magnetfeld-Struktur und die Zusammensetzung der energetischen Teilchen nahe dem Schwarzen Loch mit sich. Die neue Arbeit unterstützt frühere Erkenntnisse des EHT bezüglich eines rotierenden Magnetfeldes, das stark genug ist das schwarze Loch in der Galaxie M87 zeitweise daran zu hindern, Materie zu “verschlucken”.


    “Die Untersuchung der zirkularen Polarisation war der letzte Teil unserer umfassenden Analyse der Polarisation um das Schwarzen Loches in M87 mit den Daten aus dem Jahr 2017. Da die zirkulare Polarisation relativ schwach ist, war es besonders schwierig dieses Signal zu extrahieren”, sagt Andrew Chael, Wissenschaftler der Gravity Initiative an der Princeton University, der das heute vorgestellte Projekt koordiniert hat. "Diese neuen Ergebnisse bestätigen unser Bild eines starken Magnetfelds, welches das heiße Gas um das Schwarze Loch durchdringt. Die EHT-Beobachtungen helfen uns, besser zu verstehen, wie Schwarze Löcher Materie aufsaugen und gleichzeitig energiereiche Jets ausstoßen, die weit über die Galaxie hinausreichen können, in der sich das Schwarze Loch befindet.”


    Im Jahr 2019 erreichte das Event Horizon Telescope (EHT) einen Meilenstein als es zum ersten Mal ein Bild eines glühenden Rings aus heißem Plasma um das zentrale Schwarze Loch in M87 zeigte. Im Jahr 2021 veröffentlichten die EHT-Wissenschaftler dann ein weiteres Bild, das die Ausrichtung der elektrischen Felder des Lichts, zeigt also die lineare Polarisation aus dem Plasmaring. Diese lineare Polarisation deutet auf die Existenz geordneter und starker Magnetfelder in der Nähe des Ereignishorizonts des Schwarzen Lochs hin.


    Computersimulation des Plasmas um das supermassereiche Schwarze Loch im Zentrum der Galaxie M87. Eine neue Analyse von zirkular polarisiertem (oder spiralförmigem) Licht in EHT-Beobachtungen zeigt, dass in der Nähe des Schwarzen Lochs starke Magnetfelder existieren. Diese Magnetfelder wirken auf die einfallende Materie zurück und tragen dazu bei, dass Materiestrahlen mit Geschwindigkeiten nahe der Lichtgeschwindigkeit nach außen geschleudert werden.

    Computersimulation des Plasmas um das supermassereiche Schwarze Loch im Zentrum der Galaxie M87. Eine neue Analyse von zirkular polarisiertem (oder spiralförmigem) Licht in EHT-Beobachtungen zeigt, dass in der Nähe des Schwarzen Lochs starke Magnetfelder existieren. Diese Magnetfelder wirken auf die einfallende Materie zurück und tragen dazu bei, dass Materiestrahlen mit Geschwindigkeiten nahe der Lichtgeschwindigkeit nach außen geschleudert werden.

    Grafik: George Wong


    "Darauf aufbauend liefern unsere neuen Messungen der zirkularen Polarisation, die zeigen, wie sich die elektrischen Felder des Lichts spiralförmig drehen, eine noch überzeugendere Bestätigung für die Existenz dieser starken Magnetfelder", sagt Eduardo Ros, Wissenschaftler am MPIfR und Koautor der veröffentlichten Arbeit.


    "Das zirkular polarisierte Signal ist etwa 100 Mal schwächer als die unpolarisierte Strahlung, die wir für das erste Bild des Schwarzen Lochs verwendet haben", erklärt Ioannis Myserlis, Astronom am Institut für Radioastronomie im Millimeterbereich (IRAM). "Dieses schwache Signal in den Daten zu finden war, als würde man versuchen, ein Gespräch neben einem Presslufthammer zu verfolgen. Wir mussten unsere Methoden sorgfältig testen, um herauszufinden, worauf wir uns wirklich verlassen konnten.”


    Um diese genaue Analyse durchführen zu können, entwickelte und testete das Team mehrere neue Methoden, um aus den spärlichen und verrauschten EHT-Messungen ein polarisiertes Bild zu rekonstruieren. "Es war entscheidend, unsere verschiedenen Analysemethoden gegen simulierte Daten und gegeneinander zu testen", sagt Freek Roelofs, Postdoktorand am Center for Astrophysics | Harvard and Smithsonian. In einer ebenfalls heute veröffentlichten Arbeit stellte Roelofs fest, dass die Daten einen überraschenden Unterschied zwischen den links- und rechtshändig zirkular polarisierten Anteilen des Lichtes des Rings zeigen. Dieses Ergebnis basiert jedoch auf der (plausiblen) Annahme einer ringförmigen Struktur der Emission – unter weniger stringenten Annahmen über die Helligkeitsverteilung verschwanden diese Unterschiede. "Zusammen zu arbeiten und herauszufinden, was und was nicht aus den Daten abgeleitet werden kann, hat dieses Projekt unglaublich spannend und interessant gemacht", sagt Roelofs.


    Das Team führte verschiedene Tests mit den Daten durch, die alle auf die tatsächliche Präsenz zirkular polarisierten Lichtes in der Nähe des Ereignishorizonts hinweisen. Maciek Wielgus, Wissenschaftler am MPIfR und Mitglied des Teams, erklärt: "Da die Genauigkeit der EHT-Messungen der zirkularen Polarisation durch die Messempfindlichkeit begrenzt war, konnte unser Team letztlich kein klares Bild von der 'Händigkeit' des zirkular polarisierten Lichtes gewinnen. Stattdessen konnten wir aber feststellen, dass der zirkular polarisierte (oder spiralförmige) Anteil des Lichts nur einen kleinen Teil des gesamten Lichts ausmacht, aus dem sich das Bild des Schwarzen Lochs zusammensetzt.”


    In einer kürzlich durchgeführten Studie hat das Team des EHT mit einer speziellen Messtechnik verschiedene Hypothesen über die Form und das Verhalten von Plasma- und Magnetfeldern in der Umgebung eines Schwarzen Lochs untersucht. Dabei kamen auch modernste Supercomputer-Simulationen zum Einsatz. Die nun vorliegende Messung der zirkularen Polarisation untermauert frühere Befunde, die auf die Existenz starker Magnetfelder hindeuten. Diese Magnetfelder üben eine beträchtliche Kraft auf die in das Schwarze Loch fallende Materie aus und begünstigen die Bildung robuster Plasmajets, die sich weit vom Zentralbereich der Galaxie M87 entfernen.


    Die kombinierte Analyse von Simulationen und Beobachtungen zeigt eine turbulente und dynamische Umgebung nahe dem Ereignishorizont des Schwarzen Lochs. In dieser Region kommt es zu heftigen Wechselwirkungen zwischen Magnetfeldern, dem heißen Plasma und der Schwerkraft.


    "Obwohl die EHT-Daten von 2017 nicht empfindlich genug sind, um alle Details in der Struktur der zirkularen Polarisation um das Schwarze Loch zu enthüllen, sind wir optimistisch die momentanen Einschränkungen überwinden zu können", sagt Thomas Krichbaum vom MPIfR, einer der Pioniere von Millimeter-VLBI Messungen. "Unsere laufende Analyse neuerer und besserer EHT-Datensätze verspricht, dass wir dieses Signal noch genauer messen können. Das würde uns Aufschluss darüber geben, ob Materie-Antimaterie-Paare Teil des Plasmas am Ereignishorizont sind und welche Mechanismen ihrer Beschleunigung auf nahezu Lichtgeschwindigkeit zugrunde liegen", schließt er.


    Unter den teilnehmenden Teleskopen in der Messung befindet sich auch das vom MPIfR gebaute und betriebene Radioteleskop APEX in Chile. "Die Arbeit an diesen bahnbrechenden Beobachtungen war zweifellos eine große Herausforderung, aber sie hat uns auf die spannenden Perspektiven vorbereitet, die noch vor uns liegen", ergänzt Anton Zensus, Gründungsvorsitzender der EHT-Kooperation und Direktor am MPIfR. Er fügt hinzu: "Das EHT erlebt derzeit eine rasante Expansion mit neuen Teleskopen und verbesserter Technologie an allen Observatorien, die auch auf den Ergebnissen von unserem VLBI-Korrelator in Bonn basieren."

    Explodieren massereiche Sterne oder andere stellare Objekte in der kosmischen Nachbarschaft der Erde, kann dabei ausgeschleudertes Material auch unser Sonnensystem erreichen. Spuren dieser Ereignisse finden sich auf der Erde oder dem Mond und lassen sich mit der Beschleuniger-Massenspektrometrie oder kurz AMS genannten Methode nachweisen. Prof. Anton Wallner vom Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) will diesen vielversprechenden Forschungszweig bald auch mit der neuen, extrem empfindlichen AMS-Anlage „HAMSTER“ entscheidend vorantreiben.


    Gemeinsam mit seinem Kollegen Prof. Brian D. Fields von der University of Illinois im US-amerikanischen Urbana gibt Wallner einen Überblick über erdnahe kosmische Explosionen mit speziellem Fokus auf Ereignisse, die vor drei beziehungsweise sieben Millionen Jahren stattfanden. „Zum Glück waren diese Ereignisse noch weit genug entfernt, sodass sie wohl keinen signifikanten Einfluss auf das Erdklima oder größere Auswirkungen auf die Biosphäre hatten. Richtig ungemütlich wird es bei kosmischen Explosionen in einer Entfernung von bis zu 30 Lichtjahren“, erklärt Wallner. Umgerechnet in die astrophysikalische Einheit Parsec entspricht dies weniger als acht bis zehn Parsec.


    Sobald massereiche Sterne ihren gesamten Brennstoff verfeuert haben, kollabiert ihr Kern zu einem extrem kompakten Neutronenstern oder zu einem Schwarzen Loch, während gleichzeitig heißes Gas mit hoher Geschwindigkeit nach außen geschleudert wird. Eine sich ausdehnende Schockwelle nimmt einen großen Teil des zwischen den Sternen fein verteilten Gases und Staubs mit. Wie ein gigantischer Luftballon mit Beulen und Dellen sammelt diese Hülle auch schon vorhandenes Material aus dem Weltraum auf. Nach vielen Tausenden von Jahren haben sich die Reste einer Supernova auf einen Durchmesser von mehreren zehn Parsec ausgedehnt, breiten sich immer langsamer aus, bis die Bewegung schließlich ausklingt.


    Eine nahe Explosion könnte einen gravierenden Effekt auf die Biosphäre der Erde haben und ein Massensterben verursachen ähnlich wie etwa der Asteroideneinschlag vor 66 Millionen Jahren. Diesem fielen die Dinosaurier und viele weitere Tierarten zum Opfer. „Betrachtet man den Zeitraum seit Bildung des Sonnensystems, der sich über Milliarden Jahre erstreckt, können sehr nahe kosmische Explosionen nicht ausgeschlossen werden“, betont Wallner. Immerhin treten Supernovae nur bei sehr schweren Sternen mit mehr als acht- bis zehnfacher Masse unserer Sonne auf. Derartige Sterne sind selten. Einer der nächsten Kandidaten dieser Größenklasse ist Betelgeuse im Sternbild Orion, der sich mit rund 150 Parsec in sicherer Entfernung des Sonnensystems befindet.


    Bei den kosmischen Explosionen oder kurz vor und während der Supernova werden viele neue Atome frisch gebildet – unter ihnen auch eine Reihe radioaktiver Atome. Besonders interessiert sich Wallner für das radioaktive Eisen-Isotop mit der Atom-Masse 60. Von diesen kurz Fe-60 genannten Isotopen haben sich etwa die Hälfte aller Atome nach 2,6 Millionen Jahren in ein stabiles Nickel-Isotop verwandelt. Daher ist heute alles Fe-60, das schon bei der Entstehung der Erde vor rund 4.500 Millionen Jahren vorhanden war, längst verschwunden. „Fe-60 ist auf der Erde extrem selten, da es auf natürliche Weise nicht signifikant produziert wird. Es wird aber in großen Mengen direkt vor einer Supernova-Explosion erzeugt. Taucht nun in Sedimenten der Tiefsee oder im Material von der Oberfläche des Mondes dieses Isotop auf, stammt es von einer Supernova oder einem anderen, ähnlichen Prozess im Weltraum, der erst vor einigen Millionen Jahren in der Nähe der Erde stattgefunden haben sollte“, fasst Wallner zusammen.


    Messungen der Beschleuniger-Massenspektrometrie (AMS) an dieser Ferromangan-Kruste aus dem Pazifischen Ozean ergaben interstellares Eisen-60, Mangan-53 und Plutonium-244. Enthalten sind Nuklidinkorporationen aus einem Zeitraum von mehr als 20 Millionen Jahren. Die Münze als Maßstab hat einen Durchmesser von 3,2 cm. Bild: Dominik Koll/HZDR


    Vergleichbares gilt auch für das Plutonium-Isotop mit der Masse 244. Dieses Pu-244 entsteht allerdings vermutlich eher beim Zusammenstoß von Neutronensternen als bei Supernovae. Damit ist es ein Indikator für die Nukleosynthese schwerer Elemente. Nach einer Zeit von 80 Millionen Jahren hat sich ungefähr die Hälfte des Isotops Pu-244 in andere Elemente verwandelt. Deshalb ist das langsam zerfallende Pu-244 neben dem Fe-60 ein weiterer Indikator für galaktische Ereignisse und die Produktion neuer Elemente in den letzten Millionen Jahren.


    „Wie häufig, wo und unter welchen Bedingungen genau diese schweren Elemente produziert werden, wird derzeit heiß in der Wissenschaft diskutiert. Das Plutonium-244 benötigt ebenfalls explosive Ereignisse und entsteht laut Theorie ähnlich wie die seit jeher natürlich auf der Erde vorkommenden Elemente Gold oder Platin, die nun aus stabilen Atomen bestehen“, erklärt Wallner.


    Aber wie kommen diese Isotope überhaupt bis zur Erde? Die von der Supernova ausgeschleuderten Fe-60-Atome sammeln sich gern in Staubkörnern. Das tun auch die – möglicherweise bei anderen Ereignissen entstandenen – Pu-244-Isotope, die von der sich ausbreitenden Hülle der Supernova aufgefegt werden. Bei kosmischen Explosionen in mehr als zehn, aber weniger als 150 Parsec Entfernung verhindern laut Theorie der Sonnenwind wie auch das Magnetfeld der Heliosphäre ein Vordringen einzelner Atome bis zur Erde, doch die in Staubkörnchen eingeschlossenen Fe-60- und Pu-244-Atome fliegen weiter Richtung Erde und Mond und können dort schließlich auf die Oberfläche herunterrieseln.


    Selbst bei einer Supernova innerhalb des sogenannten „Kill-Radius“ von weniger als zehn Parsec landet auf jedem Quadratzentimeter nicht einmal ein Mikrogramm Materie aus der Hülle. Von dem Fe-60 kommen pro Quadratzentimeter überhaupt nur ein paar Atome pro Jahr auf die Erde. Das stellt „Ermittler“ wie den Physiker Anton Wallner vor eine gewaltige Herausforderung: In einer ein Gramm schweren Probe aus dem Sediment verteilen sich vielleicht ein paar 1.000 Fe-60-Atome wie Stecknadeln in einem Heuhaufen in einer Menge von Milliarden mal Milliarden der allgegenwärtigen und stabilen Eisenatome mit der Atom-Masse 56. Obendrein erfasst selbst die empfindlichste Messmethode vielleicht nur jedes fünftausendste Teilchen, also maximal jeweils nur ein paar Fe-60-Atome in einer typischen Messprobe.


    Bestimmen kann man solch extrem geringe Konzentrationen nur mit der Beschleuniger-Massenspektrometrie, die nach dem englischen Begriff „Accelerator Mass Spectrometry“ mit AMS abgekürzt wird. Eine dieser Anlagen steht mit DREAMS, der Dresdner AMS, am HZDR, dazu kommt demnächst die Anlage HAMSTER (Helmholtz Accelerator Mass Spectrometer Tracing Environmental Radionuclides). Da AMS-Anlagen weltweit teils unterschiedlich ausgelegt sind, können sich verschiedene Anlagen ergänzen bei der Fahndung nach den seltenen Isotopen aus Supernova-Explosionen.


    Isotope des gleichen Elements, die aber wie das auf der Erde natürlich vorkommende Fe-56 eine andere Masse haben, werden mit Massefiltern entfernt. Ebenso stören Atome eines anderen Elements mit der gleichen Masse wie das Untersuchungsobjekt Fe-60, also zum Beispiel das natürlich vorkommende Nickel-60. Selbst nach einer sehr aufwendigen chemischen Aufbereitung der Proben sind sie immer noch milliardenfach häufiger als Fe-60 und müssen in einer speziellen Beschleuniger-Anlage mit den Methoden der Kernphysik abgetrennt werden. Bis dann am Ende vielleicht fünf einzelne Fe-60-Atome in einer einige Stunden dauernden Messung dingfest gemacht werden. Pionierarbeit zum Nachweis von Fe-60 leistete die TU München. Zurzeit gibt es jedoch nur eine Anlage weltweit, die empfindlich genug ist für diese Messungen, und zwar in Canberra an der Australian National University.


    Insgesamt hat man in den vergangenen 20 Jahren gerade einmal rund tausend Fe-60-Atome gemessen. Für das interstellare Pu-244 lagen wegen der nochmals mehr als 10.000-fach niedrigeren Konzentration lange nur Daten für einzelne Atome vor. Erst vor kurzem ist es gelungen, an einer speziellen Infrastruktur in Sydney, die der im Aufbau befindlichen HAMSTER-Anlage am HZDR ähnelt, etwa hundert Pu-244-Atome zu bestimmen. Für die Untersuchungen eignen sich allerdings nur bestimmte Proben, die als Archive die aus dem Weltraum kommenden Atome für Jahrmillionen konservieren. So werden kosmische Isotope auf der Erdoberfläche durch geologische Prozesse rasch „verdünnt“. Ideal sind Sedimente und Krusten aus der Tiefsee, die sich ungestört am Meeresboden langsam bilden. Oder Proben von der Mondoberfläche, weil störende Prozesse dort kaum eine Rolle spielen.


    Während einer Forschungsreise bis Anfang November 2023 hat sich Wallner mit Kolleg*innen in Australien auf die Jagd nach weiteren kosmischen Isotopen gemacht – in Canberra fahndete er nach Fe-60-, in Sydney nach PU-244-Atomen. Dafür hat er von der US-Weltraumorganisation NASA eine Reihe von Mond-Proben erhalten. „Parallel finden auch Messungen am HZDR statt. Die einzigartigen Proben erlauben es uns, neue Erkenntnisse über Supernova-Explosionen in der Nähe der Erde, aber auch über die in diesen und anderen Prozessen entstehenden schwersten Elemente in unserer Galaxie zu gewinnen“, ist sich Wallner sicher.


    Weitere Infos auf den Seiten HZDR unter https://www.hzdr.de/db/Cms?pOid=70651&pNid=99

    Hallo Marius,


    unter https://www.isb.bayern.de/schu…en/abiturpruefung/physik/ findest du schonmal die bayerischen Aufgaben des Zentralabiturs in Physik. Jeweils im letzten Drittel kommst du zu den Aufgaben der Lehrplanalternative Astrophysik.


    Generell wäre die Frage aber, was du genau ihr eigentlich vorhabt. Zuerst klang es so, als ginge es euch eher darum einen Überblick zu erstellen, was genau im Astronomieunterricht (so es ihn denn gibt) vorkommt. Für die meisten Bundesländer, in denen es Astronomie als Unterrichtsfach, als Wahlpflichtkurs oder im Rahmen eines naturwissenschaftlichen Profilfachs findet ihr online Bildungs- bzw. Lehrpläne, hier mal als Beispiel für Baden-Württemberg:

    - Naturwissenschaftliches Profilfach in der Mittelstufe am Gymnasium: https://www.bildungsplaene-bw.…/LS/BP2016BW/ALLG/GYM/IMP

    - Physik-Grundkurs in der Oberstufe mit Schwerpunkt Astrophysik: https://www.bildungsplaene-bw.…H.V2/IK/11-12-BF-ASTRO/07

    - Wahlkurs in der Oberstufe: https://www.bildungsplaene-bw.…2016BW_ALLG_GYM_ASTRO.pdf


    Unterrichtsmaterialien zur Astronomie (also Ideen für Lehrer*innen, was konkret sie im Unterricht machen können inklusive Beispiel für Arbeitsaufträge) findest du en masse unter https://www.spektrum.de/page/p_wis_materialienpaket_html&sv[r_wis_hauptfach][]=1050333


    Viele Grüße

    Caro

    Wann ist ein Planet bewohnbar? Wie bleibt er bewohnbar, wie entwickelt sich dort Leben, und wie gerät es in Gefahr? Forschende des Heidelberger Instituts für Theoretische Studien (HITS) haben sich diesen existentiellen Fragen gestellt, um spielerisch die Bewohnbarkeit von Planeten zu testen. Herausgekommen ist ein Brettspiel, das Astronomie und Klimakrise miteinander verbindet. Für die Idee wurde das internationale Team im Hochschulwettbewerb zum Wissenschaftsjahr „Unser Universum“ Anfang des Jahres ausgezeichnet. Nun ist die Onlineversion des Spiels kostenfrei zugänglich. Der Prototyp des Brettspiels wird demnächst fertiggestellt.


    „Nur ein Jahr nach der ursprünglichen Idee sind wir glücklich und erleichtert, dass wir auf der Zielgeraden angekommen sind“, sagt die Astrophysikerin Eva Laplace,, Postdoktorandin in der der Forschungsgruppe „Stellar Evolution Theory“ (SET) und Mitglied im Team „Habitable“, auf deren Initiative das Spiel beruht. Zusammen mit ihren Kolleg*innen Dandan Wei, Jan Henneco, Duresa Temaj, Vincent Bronner, Rajika Kuruwita, Simon Speith und Julian Saling entwickelte sie „Habitable“, das die Bewohnbarkeit von Planeten auf spielerische Art und Weise erklärt und zugleich auf den kritischen Zustand der Erde aufmerksam macht. Dabei kam den Forschenden ihre Leidenschaft für Brettspiele zugute. „Es steckt schon eine Menge Herzblut drin“, sagt Vincent Bronner, Doktorand in der Forschungsgruppe „Stellar Evolution Theory“. „Ohne das persönliche Engagement aller Teammitglieder wäre ein solch komplexes Spiel nie zustande gekommen.“


    Zielgruppen von „Habitable“, bei dem Spielende Exoplaneten erforschen und einen bewohnbaren Planeten erschaffen können, sind Familien, Spielefans, Astronomiebegeisterte und Pädagog*innen, die das Spiel bei verschiedenen Gelegenheiten ausgiebig testen konnten und durch ihr Feedback immer wieder wertvolle Verbesserungsvorschläge machten. Eine echte Herausforderung war der Besuch einer Gymnasialklasse aus dem badischen Schwetzingen am HITS, die das Spiel unter Anleitung der Wissenschaftler*innen einem letzten kritischen Härtetest unterzog, den „Habitable“ mit Bravour bestand. Die Onlineversion ist jetzt unter diesem Link verfügbar und kann ein Jahr lang kostenfrei gespielt werden: https://tabletopia.com/games/habitable . Die Spielenden können über die „Discord“-Plattform interagieren und Kommentare und Anregungen zum Spiel abgeben.Außerdem gibt es ein Spielregelheft auf Englisch und Deutsch und ein Erklärvideo auf YouTube: https://youtu.be/LytHF-71OTE


    Doch welche astronomischen Fakten stecken hinter „Habitable“? Jan Henneco, Doktorand in der Forschungsgruppe „Stellar Evolution Theory“, erklärt den wissenschaftlichen Hintergrund des Spiels: „Bis heute wurden schon mehr als 5.000 Planeten entdeckt, die um andere Sterne im Universum kreisen, so genannte Exoplaneten.“ So weit, so spannend. „Aber nur einige von ihnen befinden sich in einer bestimmten Region, der so genannten bewohnbaren, oder „habitablen“ Zone“; ergänzt Rajika Kuruwita, HITS Independent Postdoc. „In unserem eigenen Sonnensystem gibt es drei Planeten innerhalb der bewohnbaren Zone, aber nur auf einem davon ist nach heutigen Kenntnisstand Leben möglich: auf unserer Erde.“


    Ausschnitt aus dem Habitable Game. Foto: HITS


    Allerdings verändert der Mensch durch seine Lebensweise die Durchschnittstemperatur und andere wichtige Eigenschaften – eine echte Gefahr für die Bewohnbarkeit der Erde. Die grundlegende Frage für die Spieler*innen ist also: Wie bleibt ein Planet bewohnbar, wie kann sich dort Leben entwickeln, und durch welche strategischen Entscheidungen gerät es in Gefahr? „Unser Ziel ist es, dass Menschen im Familien- und Freundeskreis ein spannendes Spiel genießen können, das sie dazu anregt, über den Klimawandel und die Auswirkungen menschlichen Handelns auf die Bewohnbarkeit unseres Planeten nachzudenken“, sagt Dandan Wei, die als Postdoktorandin in der SET-Forschungsgruppe „ebenfalls an der Entwicklung von „Habitable“ beteiligt war.


    Mit der Idee eines Brettspiels bewarben sich die HITS-Astrophysiker*innen beim Hochschulwettbewerb von Wissenschaft im Dialog (WiD) zum Wissenschaftsjahr 2023 „Unser Universum.“ Für die Umsetzung ihrer Idee erhielten sie im März des Jahres Mittel in Höhe von 10.000 Euro.  Die Wissenschaftler*innen eigneten sich zunächst in einem Workshop mit einem erfahrenen Spieleentwickler theoretisches Wissen zum Aufbau, zur Struktur und den Besonderheiten von Brettspielen an. Danach entwickelten sie „Habitable“ Schritt für Schritt mit Spieletest-Veranstaltungen am HITS und anderswo. Der Prototyp des Brettspiels wird demnächst fertiggestellt und professionell produziert.


    In diesem Strategiespiel für bis zu fünf Spielende geht es darum, Planeten nachhaltig bewohnbar zu machen und das Leben auf ihnen zu ermöglichen und zu entwickeln. Wer am Ende die meisten „Lebenspunkte“ erzielt, hat gewonnen. Die Spielenden können aber auch kooperieren und sich gegenseitig unterstützen. Was „Habitable“ von vielen anderen Brettspielen unterscheidet, ist, dass es vollständig auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruht – aus der Astronomie, aber auch aus der Klimaforschung.


    Weitere Infos auf den Seiten des HITS unter https://www.h-its.org/de/2023/10/25/habitable-online/

    Originalmeldung auf den Seiten der ETH Zürich: https://ethz.ch/de/news-und-ve…ern-des-mars-geloest.html


    Der Mars­kern aus flüs­si­gem Ei­sen ist klei­ner und dich­ter als ge­dacht. Dar­über gibt es ei­ne Schicht aus flüs­si­gem Man­tel­ma­te­ri­al. Das schließen ETH-Forschende auf­grund von seis­mi­schen Da­ten der Son­de In­Sight.


    Vier Jah­re lang re­gis­trier­te die NASA-Sonde In­Sight mit ih­rem Seis­mo­me­ter auf dem Mars Be­ben. For­schen­de an der ETH er­faß­ten und ana­ly­sier­ten die zur Er­de über­mit­tel­ten Da­ten, um die in­ne­re Struk­tur des Pla­ne­ten zu be­stim­men. «Ob­wohl die Mis­si­on be­reits im De­zem­ber 2022 be­en­det wur­de, ha­ben wir jetzt et­was sehr In­ter­es­san­tes ent­deckt», sagt Amir Khan, Pri­vat­do­zent im De­par­te­ment Erd­wis­sen­schaf­ten der ETH Zü­rich.


    Die Ana­ly­se der re­gis­trier­ten Mars­be­ben kom­bi­niert mit Com­pu­ter­si­mu­la­tio­nen zei­gen ein neu­es Bild des In­ne­ren des Pla­ne­ten. Zwi­schen dem Mars­kern aus ei­ner flüs­si­gen Ei­sen­le­gie­rung und dem Man­tel aus fes­tem Si­li­kat­ge­stein be­fin­det sich ei­ne rund 150 Ki­lo­me­ter di­cke Schicht aus flüs­si­gen Si­li­ka­ten. «Ei­ne sol­che, völ­lig ge­schmol­ze­ne Si­li­kat­schicht se­hen wir auf der Er­de nicht», sagt Khan.


    Die­se Er­kennt­nis lie­fert auch neue Wer­te für die Größe und Zu­sam­men­set­zung des Mars­kerns und löst da­mit ein Rät­sel, das sich die For­scher bis­her nicht er­klä­ren konn­ten. Zu ähn­li­chen Er­geb­nis­sen kommt auch ei­ne Stu­die un­ter der Lei­tung von Hen­ri Sa­mu­el vom In­sti­tut de Phy­si­que de Glo­be de Pa­ris, die gleich­zei­tig er­schie­nen ist.


    Die Ana­ly­se der ers­ten be­ob­ach­te­ten Mars­be­ben hat­te näm­lich er­ge­ben, daß die mitt­le­re Dich­te des Mars­kerns be­deu­tend klei­ner sein muß­te als die­je­ni­ge von rei­nem, flüs­si­gen Ei­sen. Der Erd­kern be­steht zu rund 90 Ge­wichts­pro­zen­ten aus Ei­sen. Leich­te Ele­men­te wie Schwe­fel, Koh­len­stoff, Sauer­stoff und Was­ser­stoff ma­chen un­ge­fähr 10 Ge­wichts­pro­zen­te aus. Im Mars­kern hat­ten die leich­ten Ele­men­te ge­mäß der ers­ten Ana­ly­sen ei­nen An­teil von 20 Ge­wichts­pro­zen­ten. «Über die­ses selt­sa­me Re­sul­tat ha­ben wir uns da­mals ge­wun­dert», sagt Don­gyang Huang, Post­dok­to­rand am De­par­te­ment Erd­wis­sen­schaf­ten der ETH Zü­rich.


    Auf­grund der neu­en Be­rech­nun­gen be­trägt der Ra­di­us des Mars­kerns nun an­statt 1800 bis 1850 Ki­lo­me­ter noch 1650 bis 1700 Ki­lo­me­ter und macht da­mit un­ge­fähr 50 Pro­zent des Ra­di­us vom Mars aus. Ist der Mars­kern klei­ner als bis­her an­ge­nom­men, aber gleich schwer, so be­deu­tet dies fol­gen­des: Sei­ne Dich­te ist größer, und er ent­hält we­ni­ger leich­te Ele­men­te. Ge­mäß der neu­en Be­rech­nun­gen sinkt der An­teil der leich­ten Ele­men­te auf 9 bis 14 Ge­wichts­pro­zen­te. «Da­mit ist die mitt­le­re Dich­te des Mars­kerns zwar im­mer noch et­was klein, aber nicht mehr un­er­klär­bar», sagt Pao­lo Sos­si, As­sis­tenz­pro­fes­sor im De­par­te­ment Erd­wis­sen­schaf­ten der ETH Zü­rich und Mit­glied des NCCR Pla­net S. Denn man nimmt an, dass der Mars sehr früh ent­stan­den ist, als die Son­ne noch von ei­nem Gas­ne­bel mit leich­ten Ele­men­ten um­ge­ben war, die sich im Kern an­sam­meln konn­ten.


    Die ers­ten Be­rech­nun­gen stütz­ten sich auf Be­ben, die ziem­lich na­he bei der InSight-Sonde statt­ge­fun­den hat­ten. Im Au­gust und Sep­tem­ber 2021 re­gis­trier­te das Seis­mo­me­ter je­doch zwei Be­ben, die sich auf der an­de­ren Sei­te des Mars er­eig­ne­ten. Ei­nes da­von stamm­te von ei­nem Me­teo­ri­ten­ein­schlag. «Die­se Be­ben pro­du­zier­ten seis­mi­sche Wel­len, die durch den Kern lie­fen», er­klärt Ce­ci­lia Du­ran, Dok­to­ran­din im De­par­te­ment Erd­wis­sen­schaf­ten der ETH Zü­rich. «Da­mit konn­ten wir den Kern durch­leuch­ten.» Bei den frü­he­ren Be­ben hin­ge­gen wur­den die Wel­len an der Kern­gren­ze re­flek­tiert und lie­fer­ten kei­ne In­for­ma­tio­nen über den in­ne­ren Be­reich des Ro­ten Pla­ne­ten. Neu konn­ten die For­schen­den nun Pro­fi­le der Dich­te und der Ge­schwin­dig­keit der Be­ben­wel­len im Kern er­stel­len, die bis in ei­ne Tie­fe von rund 1000 Ki­lo­me­ter im Kern rei­chen.


    Um aus sol­chen Pro­fi­len auf die Zu­sam­men­set­zung des Ma­te­ri­als zu schließen, ver­glei­chen For­schen­de nor­ma­ler­wei­se die Wer­te mit je­nen von künst­lich her­ge­stell­ten Ei­sen­le­gie­run­gen, die un­ter­schied­li­che An­tei­le an­de­rer Ele­men­te ent­hal­ten. Im La­bor setzt man die­se Le­gie­run­gen ho­hen Tem­pe­ra­tu­ren und Drü­cken aus, wie sie im Pla­ne­ten­in­nern herr­schen, und misst die ent­spre­chen­de Dich­te und Ge­schwin­dig­keit der Be­ben­wel­len. Doch die meis­ten die­ser Ex­pe­ri­men­te be­zie­hen sich auf das In­ne­re der Er­de und las­sen sich kaum auf den Mars an­wen­den. Die ETH-Forschenden ver­wen­de­ten des­halb ei­ne an­de­re Me­tho­de. Sie be­stimm­ten die Ei­gen­schaf­ten ver­schie­dens­ter Le­gie­run­gen mit quan­ten­me­cha­ni­schen Be­rech­nun­gen, die sie am Na­tio­na­len Hoch­leis­tungs­re­chen­zen­trum der Schweiz (CSCS) in Lu­ga­no durch­führ­ten.


    Doch als die For­schen­den die be­rech­ne­ten mit den ge­mes­se­nen Pro­fi­len ver­gli­chen, stießen sie auf ein Pro­blem: Es gab kein Ma­te­ri­al, das gleich­zei­tig zu den Wer­ten im In­nern und am äuße­ren Rand des Kerns paß­te. An der Kern­gren­ze hät­te die rich­ti­ge Ei­sen­le­gie­rung bei­spiels­wei­se viel mehr Koh­len­stoff ent­hal­ten müs­sen als im Kern­in­nern. «Das brach­te uns auf die Idee, daß der Be­reich, den wir frü­her als den äuße­ren, flüs­si­gen Ei­sen­kern be­trach­tet hat­ten, gar nicht der Kern ist, son­dern der tiefs­te Be­reich des Man­tels», er­klärt Huang. Tat­säch­lich stimm­ten die in den äußers­ten 150 Ki­lo­me­ter ge­mes­se­nen und be­rech­ne­ten Pro­fi­le über­ein mit den­je­ni­gen ei­ner flüs­si­gen Schicht aus Si­li­kat­ma­te­ri­al, aus dem auch der Mars­man­tel be­steht.


    Wei­te­re Ana­ly­sen der frü­he­ren Mars­be­ben so­wie zu­sätz­li­che Com­pu­ter­si­mu­la­tio­nen be­stä­tig­ten die­ses Re­sul­tat. Die For­schen­den be­dau­ern, daß die InSight-Sonde auf­grund der ver­staub­ten So­lar­pa­nels kei­ne wei­te­ren Da­ten lie­fern konn­te, die noch mehr Auf­schluß über die ge­naue­re Zu­sam­men­set­zung des Ma­te­ri­als im Mar­sin­nern hät­ten ge­ben kön­nen. «Doch In­Sight war ei­ne sehr er­folg­rei­che Mis­si­on, aus der wir viel her­aus­ge­holt und viel Neu­es ge­lernt ha­ben», faßt Khan zu­sam­men.

    Neue Beobachtungen haben einen entscheidenden Schritt im Prozess der Sternentstehung bestätigt: einen rotierenden "kosmischen Wind" aus Molekülen. Dieser Molekülwind ermöglicht, dass sich kollabierende Gaswolken überhaupt ausreichend dicht zusammenziehen können, um einen heißen, dichten jungen Stern zu bilden. Das Ergebnis wurde durch eine ausgeklügelte Analyse von radioastronomischen Beobachtungen erzielt des Materiestroms um einen jungen Stern in der Dunkelwolke CB26 erzielt. 


    Beobachtungen von Ralf Launhardt, einem Gruppenleiter am Max-Planck-Institut für Astronomie, und seinen Kollegen haben einen wichtigen Teil des Standardszenarios für die Entstehung neuer Sterne bestätigt: einen Mechanismus, der es Gaswolken erlaubt zu kollabieren (und so einen neuen Stern hervorzubringen), ohne dabei von ihrer eigenen Rotation zerrissen zu werden.


    Neue Sterne entstehen, wenn Gas in einer kosmischen Wasserstoffwolke unter seiner eigenen Schwerkraft kollabiert und die Gastemperatur dabei gehörig ansteigt. Ab einer bestimmten Dichte- und Temperaturschwelle setzt Kernfusion ein, bei der Wasserstoffkerne zu Heliumkernen verschmelzen. Dann ist ein neuer Stern entstanden. Zum Leuchten gebracht wird er durch die Energie, die bei der Kernfusion freigesetzt wird. Allerdings gibt es dabei eine Komplikation. Keine Gaswolke im Kosmos ist vollkommen unbewegt – alle Wolken rotieren zumindest ein wenig. Zieht sich das Gas zusammen, wird diese Rotation immer schneller. Physiker nennen dies "Drehimpulserhaltung". Außerhalb der Astronomie kennt man das z.B. vom Eiskunstlauf: Eine Eiskunstläuferin, die eine Pirouette drehen möchte, beginnt eine langsame Drehung, bei der beide Arme und ein Bein vom Körper weggestreckt sind. Zieht sie anschließend Arme und Beine nahe an den Körper, erhöht sich die Drehgeschwindigkeit beträchtlich.


    Für die Sternentstehung ist das potenziell ein Problem. Schnelle Rotation erzeugt Zentrifugalkräfte, die Materie von der Drehachse wegschleudern. Bei einem Kettenkarussel ist das gewollt: Dreht sich das Karussell, werden die an Ketten befestigten Sitze der Mitfahrenden nach außen geschleudert. Für einen Protostern hingegen könnten die Fliehkräfte fatal sein: Wird genügend viel Material herausgeschleudert, während die Wolke kollabiert und ihre Drehung dadurch immer weiter beschleunigt, bleibt möglicherweise nicht mehr genug übrig, um überhaupt einen Protostern entstehen zu lassen!


    Dies wird als "Drehimpulsproblem" der Sternentstehung bezeichnet. Eine theoretische Lösung für zumindest einen großen Teil des Problems wurde in den 1980er Jahren gefunden. Fällt zusätzliche Materie auf den entstehenden zentralen Protostern fällt, bildet sie eine so genannte Akkretionsscheibe: eine flache, rotierende Scheibe aus Gas und Staub, deren Materie schließlich auf den Protostern im Zentrum fällt. Die Physik von Akkretionsscheiben ist dabei ziemlich kompliziert: Ein Teil des Gases in der Scheibe wird zu Plasma, in dem sich Wasserstoffatome in jeweils ein Elektron und ein Proton aufspalten. Wird das Plasma in der Scheibe herumgewirbelt, erzeugt es ein Magnetfeld. Dieses Feld wiederum beeinflusst den Plasmastrom: Ein kleiner Teil des Plasmas driftet entlang der Magnetfeldlinien ab. Immer wieder stoßen die abdriftenden Plasmateilchen dabei mit (elektrisch neutralen) Molekülen zusammen und reißen so einen Teil des molekularen Gases mit. Jene wegfliegenden Moleküle bilden einen "Scheibenwind", welcher der Scheibe erhebliche Mengen an Drehimpuls entziehen kann. Der Verlust des Drehimpulses wiederum verlangsamt die Rotation, verringert die Zentrifugalkräfte und könnte so das Drehimpulsproblem des Protosterns lösen.


    Künstlerische Darstellung der Geometrie der Akkretionsscheibe um den jungen Stern und des ausfließenden rotierenden Scheibenwinds. Diejenigen Regionen des Scheibenwinds, die sich auf uns zubewegen, erscheinen blauverschoben und sind entsprechend blau eingefärbt; Regionen, die sich von uns weg bewegen, sind rotverschoben (rot eingefärbt). Grafik: T. Müller, R. Launhardt (MPIA)


    Zunächst war dieses Szenario nicht mehr als eine plausible Hypothese. Akkretionsscheiben sind vergleichsweise kleine Strukturen. Selbst für die erdnächsten Sterne waren die Beobachtungsmethoden lange Zeit nicht gut genug, um sie zu untersuchen. Deshalb dauerte es mehr als 20 Jahre, bis Astronomen erste Belege für die Richtigkeit der Hypothese fanden: Im Jahr 2009 konnten Ralf Launhardt und Kollegen am Max-Planck-Institut für Astronomie solche Ausflüsse in der Nähe jungen Sterns in einer kleinen Wasserstoffwolke mit der Bezeichnung CB26 beobachten. Mit einer Entfernung von weniger als 460 Lichtjahren von der Erde ist CB26 eines der nächsten bekannten Scheibensysteme um einen Protostern.


    Die fraglichen Beobachtungen werden mit Radioteleskopen durchgeführt, die bei Millimeterwellenlängen arbeiten, in diesem Fall am Observatorium Plateau de Bure Interferometer. Die Signale mehrerer Antennen werden dabei auf geschickte Weise so kombiniert, dass sie wie eine einzige, deutlich größere Radioantenne wirken. Radioteleskope dieser Art können Strahlung nachweisen, die für verschiedene Arten von Molekülen – hier konkret Kohlenmonoxid (CO) ­– charakteristisch ist. Bewegen sich Moleküle auf die Antenne zu oder von ihr weg, verschiebt sich diese charakteristische Strahlung zu etwas längeren oder kürzeren Wellenlängen ("Dopplereffekt"). Das ermöglicht es Astronomen*innen, die Gasbewegung entlang der Sichtlinie zu erfassen.


    Die Beobachtungen von 2009 zeigten, dass der Gasausfluss des jungen Sterns tatsächlich in einer Weise in Bewegung war, wie man es von einem rotierenden Scheibenwind erwarten würde, der Drehimpuls abgibt. Sie konnten jedoch keine ausreichend feinen Details liefern, um ein Urteil über den Abstand vom Stern zu ermöglichen, in dem der Wind von der Scheibe ausgeht. Dieser Abstand bestimmt (Hebelwirkung!), wieviel Drehimpuls der Gasfluss abtransportieren kann.


    Die neuen Ergebnisse, die jetzt veröffentlicht wurden, liefern endlich die Bestätigung. Dafür haben Launhardt und Kolleg*innen Beobachtungen mit deutlich höherer Winkelauflösung durchgeführt als zuvor. Sie verwendeten eine Konfiguration des Plateau de Bure-Observatoriums, bei der die Radioantennen weiter voneinander entfernt waren als bei ihren ersten Beobachtungen. Außerdem brachten sie ein ausgeklügeltes physikalisch-chemisches Modell der Scheibe ins Spiel, das es ihnen ermöglichte, in ihren Beobachtungen zwischen den Beiträgen der Scheibe und den Beiträgen des Scheibenwindes zu unterscheiden. Damit gelang es erstmals, die Dimensionen des kegelförmigen Ausflusses direkt aus den rekonstruierten Bildern zu bestimmen. Vorangehende Forschungen hatten diese Dimensionen lediglich unter Zuhilfenahme eines theoretischen Modells indirekt erschließen können, da die Startregion der Winde in den betreffenden Beobachtungen nie direkt abgebildet werden konnte. In der Nähe der Scheibe hat das untere Ende des Kegels einen Radius von etwa dem 1,5-fachen der Erde-Neptun-Entfernung – mehr als genug für den Scheibenwind, um eine Menge Drehimpuls mitzunehmen!


    Damit steht fest: Scheibenwinde können tatsächlich den größten Teil des Drehimpulsproblems bei Protosternen lösen. Zum Vergleich zogen die Forscher*innen noch die indirekten Ergebnisse zur Scheibenrotation in neun anderen jungen Stern-Scheiben-Systemen heran, die seit ihrem 2009er-Artikel veröffentlicht worden waren. Dieser Vergleich zeigte einen deutlichen Trend: Im Laufe der Zeit wächst der durchschnittliche Radius des Scheibenbereichs, von dem aus der Scheibenwind ausströmt. Während der ersten Zehntausende von Jahren, gibt es hoch konzentrierte Scheibenwinde, während die Scheibenwinde nach etwa einer Million Jahren ungleich diffuser sind.


    Die Astronomen planen bereits ihre nächsten Beobachtungen von CB26. In der Zwischenzeit wurde das Plateau de Bure Interferometer aufgerüstet: Das neue Observatorium mit dem Namen NOEMA verfügt über 12 statt der bisherigen 6 Antennen und ermöglicht Konfigurationen, mit denen doppelt so kleine Details wie mit dem Vorgänger-Observatorium herausgearbeitet werden können. Doch auch wenn diese Verbesserungen sehr vielversprechend sind, war der entscheidende Schritt das, was der hier beschriebene Artikel leistet: die Bestätigung, dass Scheibenwinde tatsächlich ein wichtiger Faktor sind, der die Entstehung von Protosternen überhaupt erst ermöglicht und das Drehimpulsproblem lösen kann.


    Weitere Infos auf den Seiten des MPIA unter https://www.mpia.de/6069525/ne…tion_20960427_transferred

    Eine neue 3D-Computersimulation des Lichts, das nach der Verschmelzung zweier Neutronensterne ausgesendet wird, hat eine ähnliche Abfolge von spektroskopischen Merkmalen ergeben wie eine real beobachtete Kilonova. 


    „Die einmalige Übereinstimmung zwischen unseren Simulationen und den Beobachtungen von Kilonova AT2017gfo zeigt, dass wir weitgehend verstehen, was bei der Explosion und in der Folgezeit passiert ist“, sagt Luke J. Shingles, Wissenschaftler bei GSI/FAIR und Hauptautor der Studie. Jüngste Beobachtungen, die sowohl Gravitationswellen als auch sichtbares Licht kombinieren, weisen darauf hin, dass Neutronensternenverschmelzungen der Hauptort der Elementproduktion sein könnten. Die Forschung wurde von Wissenschaftler*innen des GSI Helmholtzzentrums für Schwerionenforschung und der Queen's University Belfast durchgeführt.


    Die Wechselwirkungen zwischen Elektronen, Ionen und Photonen innerhalb des ausgestoßenen Materials einer Neutronensternverschmelzung bestimmen das Licht, das wir mithilfe von Teleskopen beobachten können. Diese Vorgänge und damit das emittierte Licht können mit Computersimulationen des Strahlungstransfers modelliert werden. Forschende haben kürzlich zum ersten Mal eine dreidimensionale Simulation erstellt, die die Verschmelzung von Neutronensternen, die Nukleosynthese durch Neutroneneinfang, die durch radioaktiven Zerfall deponierte Energie und den Strahlungstransfer mit Dutzenden von Millionen atomarer Übergänge schwerer Elemente in sich schlüssig abbildet.


    Als 3D-Modell kann das beobachtete Licht für jede Blickrichtung vorhergesagt werden. Bei Betrachtung nahezu senkrecht zur Bahnebene der beiden Neutronensterne (wie es die Beobachtungen für die Kilonova AT2017gfo nahelegen), sagt das Modell eine Abfolge von Spektralverteilungen voraus, die den Beobachtungen für AT2017gfo bemerkenswert ähnlich sehen. „Die Forschung in diesem Bereich wird uns helfen, den Ursprung von Elementen, die schwerer als Eisen sind (wie Platin und Gold), zu verstehen, die hauptsächlich durch den schnellen Neutroneneinfangprozess bei der Verschmelzung von Neutronensternen entstanden sind“, sagt Shingles.


    Künstlerische Darstellung einer Kilonova: Zwei Neutronensterne im Moment ihrer Verschmelzung. Illustration: Dana Berry SkyWorks Digital, Inc.


    Etwa die Hälfte der Elemente, die schwerer als Eisen sind, entstehen in einer Umgebung mit extremen Temperaturen und Neutronendichten – z.B. wenn zwei Neutronensterne miteinander verschmelzen. Die daraus resultierende Explosion führt zum Auswurf von Materie mit den geeigneten Bedingungen, um durch eine Abfolge von Neutroneneinfang und Betazerfall instabile, neutronenreiche schwere Kerne zu erzeugen. Diese Kerne zerfallen bis zur Stabilität und setzen dabei Energie frei, die einen explosiven Kilonova-Transienten antreibt, eine helle Lichtemission, die nach etwa einer Woche schnell wieder verblasst.


    Die 3D-Simulation kombiniert mehrere Bereiche der Physik, darunter das Verhalten von Materie bei hoher Dichte, die Eigenschaften instabiler schwerer Kerne und die Wechselwirkungen zwischen Atom und Licht bei schweren Elementen. Weitere Herausforderungen bleiben bestehen, wie z. B. die Berücksichtigung der Geschwindigkeit, mit der sich die Spektralverteilung ändert, und die Beschreibung von Material, das zu späten Zeiten ausgestoßen wird. Künftige Fortschritte in diesem Bereich werden die Präzision erhöhen, mit der wir Merkmale in den Spektren vorhersagen und verstehen können, und sie werden unser Verständnis der Bedingungen fördern, unter denen schwere Elemente synthetisiert wurden. Ein grundlegender Bestandteil dieser Modelle sind qualitativ hochwertige atomare und nukleare experimentelle Daten, wie sie die FAIR-Anlage liefern wird.


    Weitere Infos auf den Seiten der GSI unter https://www.gsi.de/start/aktue…le-struktur-von-kilonovae

    Schwere Elemente wie Gold, Silber oder Uran sind im Universum offenbar viel häufiger vertreten als bislang angenommen. Zu diesem Schluss kommt ein internationales Forschungsteam unter Mitwirkung von Wissenschaftlern des Zentrums für Astronomie der Universität Heidelberg, das die astrophysikalischen Prozesse in Sternentstehungsgebieten und insbesondere die chemische Zusammensetzung von sogenannten HII-Regionen untersucht hat. Ungleichmäßige Temperaturverteilungen in diesen wasserstoffreichen Gaswolken, so die Forscherinnen und Forscher, könnten dafür verantwortlich sein, dass die Häufigkeit, mit der schwere Elemente vorkommen, systematisch unterschätzt wird. Die Forschungsergebnisse bieten wichtige Erkenntnisse zur Evolution galaktischer Strukturen.


    Unmittelbar nach dem Urknall bildeten sich zunächst leichte chemischen Elemente wie Wasserstoff und Helium. Nachdem sich das Universum weiter ausgedehnt und abkühlt hatte, entstanden Sterne, in denen bis heute chemische Elemente wie Sauerstoff und Stickstoff produziert werden. In einer zweiten Phase erzeugten Zusammenstöße von Neutronensternen oder Supernova-Explosionen noch schwerere Elemente wie Gold, Silber und Uran. „Einige dieser Elemente bleiben in langlebigen Sternen oder deren Überresten gebunden oder werden durch Explosionen und Sternwinde freigesetzt. Im interstellaren Raum stehen sie nachfolgenden Generationen von Sternen als Baumaterial zur Verfügung“, so Dr. José Eduardo Méndez Delgado vom Astronomischen Rechen-Institut, das zum Zentrum für Astronomie der Universität Heidelberg gehört.


    Die Veränderungen und räumlichen Variationen in der Häufigkeit chemischer Elemente verraten dabei viel über die Evolution galaktischer Strukturen und werden daher intensiv untersucht. Die Wissenschaftler aus Deutschland, Spanien und Mexiko haben sich mit den wasserstoffreichen Gaswolken befasst, die als HII-Regionen bezeichnet werden. Werden sie von massereichen Sternen bestrahlt, emittieren sie eine große Menge an Strahlung, die selbst aus den größten kosmischen Entfernungen registriert werden kann. Diese Gaswolken enthalten aber auch schwere Elemente. Mit Hilfe ihrer Emissionslinien lässt sich ihre chemische Zusammensetzung und die Häufigkeit der Elemente bestimmen. Einige dieser Emissionslinien entstehen bei Kollisionen zwischen schweren Atomen und freien Elektronen, während andere nach der Rekombination von Elektronen mit Atomen generiert werden.


    NGC6888, eine Blase aus ionisiertem Gas, die mit dem Stern WR136 assoziiert ist. Dieser Nebel, der durch stellare Rückkopplungsprozesse erzeugt wird, weist die größten Temperaturinhomogenitäten aller Objekte auf, die bei diesen Arbeiten untersucht wurden. Dies führt letztendlich dazu, dass die Metallizität dieser Objekte unterschätzt wird. Bild: Kombination von Hα und [O III]-Aufnahmen des galaktischen Wolf-Rayet-Ringnebels NGC 6888, Daniel López (IAC/INT)


    Frühere Messungen der Elementhäufigkeiten haben ergeben, dass die Rekombinationslinien systematisch etwa doppelt so viele schwere Elemente aufweisen wie ihre durch Kollisionen angeregten Gegenstücke. Für diese Diskrepanz sorgt möglicherweise eine inhomogene Temperaturverteilung in den HII-Regionen, so eine Annahme aus dem Jahr 1967. In einem solchen Szenario werden die kollisionsangeregten und sehr leuchtstarken Emissionslinien in den heißesten Bereichen der Gaswolke überproportional verstärkt. Hier wäre die Temperatur des Gases höher als der Durchschnittwert. Im Gegensatz dazu werden die Rekombinationslinien aufgrund ihrer geringeren Empfindlichkeit gegenüber Temperaturvariationen weit weniger beeinflusst. Sie müssten daher die korrekten Elementhäufigkeiten liefern.


    Die Wissenschaftler um Dr. Méndez Delgado sind davon ausgegangen, dass sich die bislang nicht belegten Temperaturschwankungen auf die Bereiche der HII-Regionen konzentrieren, die in der Nähe von Sternen stärker bestrahlt werden und daher stärker ionisiert sind. Ein hoher und ein niedriger Ionisationsgrad müsste sich dabei mit einem Parameter in Verbindung bringen lassen, der auch die Diskrepanz in der Häufigkeit der Elemente quantifiziert. „Tatsächlich zeigen alle verfügbaren Beobachtungen von HII-Regionen eine solche Korrelation. Damit wird das erste Mal eine generelle Lösung dieses astrophysikalischen Problems durch starke Beweise gestützt“, sagt der Heidelberger Forscher.


    Mit ihren Untersuchungen konnten Dr. Méndez Delgado und seine Kollegen aufzeigen, dass es möglich ist, bei kollisionsangeregten leuchtstarken Emissionslinien die korrekten chemischen Häufigkeiten abzuleiten, indem Ionen mit geringer Ionisation wie zum Beispiel Stickstoff zur Analyse herangezogen werden. Dr. Kathryn Kreckel, Forschungsgruppenleiterin am Astronomischen Rechen-Institut, geht davon aus, dass sich viele Schlussfolgerungen über die chemische Zusammensetzung und Entwicklung galaktischer Systeme ändern könnten. Wenn sie auf kollisionsangeregten Emissionslinien basieren, unterschätzen sie die Häufigkeit, mit der schwere Elemente auftreten, so die Wissenschaftlerin, die ebenfalls an den Forschungsarbeiten beteiligt war.


    Weitere Infos auf den Seiten der Uni Heidelberg unter https://www.uni-heidelberg.de/…haeufiger-vor-als-gedacht

    Unerwartet große Anzahl junger Sterne in der direkten Umgebung zu supermassivem Schwarzen Loch identifiziert und Wassereis im Zentrum der Galaxie nachgewiesen


    Ein internationales Team um Dr. Florian Peißker vom Institut für Astrophysik der Universität zu Köln hat einen jungen Sternhaufen in der direkter Umgebung des supermassereichen Schwarzen Lochs SagittariusA* (SgrA*) im Zentrum unserer Galaxie im Detail analysiert und gezeigt, dass er deutlich jünger ist als erwartet. Dieser Sternhaufen, bekannt als IRS13, wurde zwar bereits vor über zwanzig Jahren entdeckt, aber erst jetzt ist es durch die Kombination verschiedenster Daten – aufgenommen mit einer Vielzahl von Teleskopen über einen Zeitraum mehrerer Dekaden – gelungen, die Sternhaufenmitglieder im Detail zu bestimmen. Die Sterne sind einige 100.000 Jahre alt und damit für stellare Verhältnisse außerordentlich jung. Zum Vergleich: unsere Sonne ist ca. 5 Milliarden Jahre alt. Eigentlich sollte es aufgrund der hochenergetischen Strahlung wie auch der Gezeitenkräfte der Galaxie nicht möglich sein, dass sich eine derart große Anzahl so junger Sterne in der direkten Umgebung zum supermassereichen Schwarzen Loch befindet.


    In Zusammenhang mit der aktuellen Studie wurde zudem ein weiteres herausragendes Ergebnis publiziert. Zum ersten Mal wurde mit dem James Webb Space Telescope (JWST) ein Spektrum, frei von atmosphärischer Störung, vom galaktischen Zentrum aufgenommen. Ein Prisma an Bord des Teleskops wurde am Institut für Astrophysik in der Arbeitsgruppe um Professor Dr. Andreas Eckart, einem Koauthor der Publikation, entwickelt. Das nun vorliegende Spektrum zeigt, dass sich im galaktischen Zentrum Wassereis befindet. Dieses Wassereis, welches sich häufig in den staubigen Scheiben um sehr junge stellare Objekte befindet, ist ein weiterer unabhängiger Indikator für das junge Alter einiger Sterne nahe des Schwarzen Lochs.


    Ein Multi-Wellenlängenblick auf die Umgebung des supermassiven Schwarzen Lochs SgrA* (gelbes X). Rot sind die Sterne, blau der Staub. Viele der jungen Sterne in dem Sternenhaufen IRS13 werden vom Staub verdeckt oder von den hellen Sternen überblendet. Bild: Florian Peißker / Universität zu Köln


    Neben dem unerwarteten Nachweis von jungen Sternen und Wassereis durch das JWST haben die Forscher*innen um Dr. Peißker auch festgestellt, dass IRS13 eine turbulente Entstehungsgeschichte hinter sich hat. Die Studienergebnisse deuten darauf hin, dass IRS13 durch Reibung mit dem interstellaren Medium, Kollisionen mit anderen Sternhaufen oder interner Prozesse in Richtung des supermassereichen Schwarzen Lochs wanderte. Ab einer gewissen Entfernung wurde der Sternhaufen dann von der Gravitation des Schwarzen Lochs „eingefangen“. Bei diesem Prozess könnte sich an der Spitze des Sternhaufens eine Bugstoßwelle aus dem Staub gebildet haben, der den Haufen umgibt – ähnlich wie bei der Spitze eines Schiffs im Wasser. Die damit verbundene Dichtezunahme des Staubs regte daraufhin weitere Sternentstehung an. Dies ist eine Erklärung, warum diese jungen Sterne vor allem in der Spitze bzw. Front des Sternhaufens zu finden sind.


    „Die Analyse von IRS13 sowie die damit einhergehende Interpretation des Sternhaufens ist der erster Versuch, ein Jahrzehnte altes Rätsel über die unerwartet jungen Sterne im galaktischen Zentrum zu lüften“, so Dr. Peißker. „Denn neben IRS13 gibt es einen Sternhaufen, den sogenannten S-cluster, der sich noch näher am Schwarzen Loch befindet und ebenfalls aus jungen Sternen besteht. Sie sind ebenfalls deutlich jünger als es nach akzeptierten Theorien möglich wäre.“ Die gewonnen Erkenntnisse über IRS13 bieten in weiterer Forschungsarbeit die Gelegenheit, eine Verbindung zwischen der direkten Umgebung des Schwarzen Lochs und Regionen in mehreren Lichtjahren Entfernung herzustellen. Dr. Michal Zajaček, Zweitautor der Studie und Wissenschaftler an der Masaryk-Universität in Brünn (Tschechien), fügt hinzu: „Der Sternhaufen IRS13 scheint der Schlüssel zu sein, um den Ursprung der dichten Sternpopulation im Zentrum unserer Galaxie zu enträtseln. Wir haben umfangreiche Beweise dafür gesammelt, dass sehr junge Sterne in der Reichweite des supermassereichen Schwarzen Lochs in Sternenhaufen wie IRS13 entstanden sein könnten. Dies ist auch das erste Mal, dass wir Sternpopulationen unterschiedlichen Alters – heiße Hauptreihensterne und noch junge entstehende Sterne – in dem Haufen so nahe am Zentrum der Milchstraße unterscheiden können.“


    Weitere Infos auf den Seiten der Uni Köln unter

    Forschungsteam der Universität Tübingen nutzt den offenen Sternhaufen Messier 37 als Himmelslabor zur Bestimmung der Sternentwicklung und der Messung seines Massenverlusts


    Sonnenähnliche Sterne beenden ihr Leben als Weißer Zwerg. Manche davon sind von einem planetarischen Nebel umgeben, der aus Gas besteht, das der sterbende Stern kurz vor seinem Tod abgestoßen hat. Ein internationales Forschungsteam unter Leitung von Professor Klaus Werner vom Institut für Astronomie und Astrophysik der Universität Tübingen untersuchte jetzt erstmals einen Zentralstern eines planetarischen Nebels, der sich in einem offenen Sternhaufen befindet. Die Forscherinnen und Forscher konnten die Masse, die der Zentralstern im Laufe seines Lebens verloren hat, exakt bestimmen.


    In unserer Milchstraße gibt es mehr als tausend offene Sternhaufen. Jeder von ihnen umfasst eine Ansammlung von bis zu einigen Tausend Sternen, die gleichzeitig aus einer dichten Wolke von Gas und Staub entstanden sind. „Dass die Sterne eines Haufens alle das gleiche Alter haben, hat für die Astrophysik eine besondere Bedeutung“, berichtet Klaus Werner. Sie unterschieden sich lediglich in ihrer Masse. „Je massereicher ein Stern ist, desto schneller verbraucht er seinen Kernbrennstoff durch die Fusion von Wasserstoff zu Helium. Desto kürzer ist auch sein Leben und desto schneller die Entwicklung zum Weißen Zwerg“, erklärt er.


    Die Beobachtung eines Sternhaufens zeige wie ein Schnappschuss, wie weit entwickelt Sterne unterschiedlicher Masse im jeweils gleichen Alter zu einem bestimmten Zeitpunkt sind, sagt Werner: „In der Astronomie lassen sich Sternhaufen als eine Art Labor nutzen, in dem wir messen können, wie zuverlässig unsere Theorien der Sternentwicklung sind.“ Eine der größten Unsicherheiten in der Theorie der Sternentwicklung sei bisher die Frage, wie viel Materie ein Stern im Laufe seines Lebens verliert. Dieser Massenverlust sei erheblich. „Sterne wie unsere Sonne verlieren knapp die Hälfte ihrer Masse, bis sie sich zum Weißen Zwerg entwickelt haben. Sterne mit der achtfachen Masse der Sonne verlieren sogar rund 80 Prozent ihrer Masse“, sagt der Astrophysiker. Die Beziehung zwischen der Geburtsmasse der Sterne und der Masse zum Zeitpunkt des Todes als Weißer Zwerg bezeichnet man in der Astronomie als die Anfangs-Endmassen-Relation.


    Die Masse von Weißen Zwergen in Sternhaufen könne bei der Beobachtung direkt mit der Masse in Beziehung gesetzt werden, die diese bei ihrer Geburt hatten, berichtet Werner: „Ganz besonders aussagekräftig sind die Daten sehr junger Weißer Zwerge, genau das sind Zentralsterne planetarischer Nebel.“ Man kenne bisher nur drei Sternhaufen, die einen planetarischen Nebel enthalten. „Bisher war noch keiner von deren Zentralsternen untersucht worden, weil sie alle sehr weit entfernt und lichtschwach sind.



    Aufnahme des planetarischen Nebels im offenen Sternhaufen Messier 37. Der Sternhaufen enthält einige hundert Sterne. Der schmetterlingsförmige Nebel wird durch rotleuchtendes Wasserstoffgas sichtbar.Die Vergrößerung des Bildes vom Sternhaufen zeigt, durch einen grünen Kreis gekennzeichnet, den lichtschwachen Zentralstern. Das Bild wurde insgesamt über 3,5 Tage lang belichtet und von dem Amateurastronomen Peter Goodhew aufgenommen, einem Ko-Autor der Studie.


    Das Forschungsteam hat nun eines der größten Teleskope der Welt, das Zehn-Meter-Teleskop GRANTECAN auf der Kanareninsel La Palma, auf den Zentralstern im Sternhaufen Messier 37 gerichtet und dessen Spektrum analysiert. Die Masse wurde auf 0,85 Sonnenmassen bestimmt und die ursprüngliche Masse auf 2,8 Sonnenmassen. „Der Stern hat also im Laufe seines Lebens 70 Prozent seiner Materie verloren“, erklärt Werner. Eine weitere Besonderheit sei seine spezielle chemische Zusammensetzung. Er habe keinen Wasserstoff mehr an der Oberfläche, was auf ein ungewöhnliches Ereignis in seiner jüngsten Vergangenheit hindeute: ein kurzzeitiges Wiederaufflammen der Kernfusion.


    Die genaue Kenntnis der Anfangs-Endmassen-Relation ist von fundamentaler Bedeutung in der Astrophysik, sagt Werner. Sie entscheide darüber, ob ein Stern sich zum Weißen Zwerg entwickelt, in einer Supernova-Explosion zum Neutronenstern wird oder gar ein schwarzes Loch als Endstadium übrigbleibt. „Andererseits werden aus der ausgestoßenen Materie neue Sterngenerationen gebildet, die mit schweren Elementen als Produkte von Kernreaktionen angereichert sind. Davon hängt die chemische Entwicklung von Galaxien und letztendlich des gesamten Universums ab.“


    Weitere Infos auf den Seiten der Uni Tübingen unter https://uni-tuebingen.de/unive…s-aus-seinem-leben-preis/

    Die nukleare Astrophysik untersucht die Entstehung der Elemente im Universum seit Anbeginn der Zeit. Ihre Modelle verwenden Parameter, die die Forschenden aus Messdaten gewinnen. Eine wichtige Rolle spielen dabei Kernreaktionen, die im Inneren der Sterne ablaufen. Ein Team des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf (HZDR) hat nun gemeinsam mit Forschenden aus Italien, Ungarn und Schottland am Dresdner Felsenkeller- Beschleuniger erneut eine der zentralen Reaktionen untersucht – mit einem überraschenden Ergebnis


    „Wir haben eine altbekannte Kernreaktion unter die Lupe genommen, die für die Elemententstehung in massereichen Sternen bedeutsam und darüber hinaus eine der frühesten ist, die im Labor mit Beschleunigern untersucht wurde: Die Kollision eines Wasserstoffkerns mit einem Kohlenstoffkern, in deren Folge das Isotop Stickstoff-13 entsteht und Gammastrahlung freigesetzt wird. Sie ist der erste Schritt des sogenannten CNO-Zyklus, auch als Bethe-Weizsäcker-Zyklus bekannt. Wir waren vor allem am Wirkungsquerschnitt dieser Reaktion interessiert, der Auskunft über die Wahrscheinlichkeit ihres Auftretens gibt“, sagt Prof. Daniel Bemmerer vom HZDR-Institut für Strahlenphysik.


    Diesen Parameter hat ein Team aus italienischen, ungarischen, schottischen und deutschen Wissenschaftler*innen im Untertagelabor Felsenkeller nun mit bisher beispielloser Präzision bestimmt. Das überraschende Ergebnis: der bisher akzeptierte Wert muss um rund 25 Prozent nach unten korrigiert werden. Das Ergebnis legt nahe, dass das Einbrennen des CNO-Zyklus länger gedauert hat als bisher gedacht und die Emission solarer 13N-Neutrinos im Mittel näher am Zentrum der Sonne stattfindet als vermutet. Die neuen Daten erlauben zudem genauere theoretische Vorhersagen für das Verhältnis der Kohlenstoff-Isotope 12C/13C in Sternen, die wiederum helfen, Modelle für die Vorgänge in deren Innerem zu überprüfen und zu verbessern.


    Neuer Blick auf altbekannte Kernreaktion: Beim Zusammenprall eines Kohlenstoffkerns mit einem Wasserstoffkern entsteht das Isotop Stickstoff-13 und Gammastrahlung wird frei. Illustration: Bernd Schröder/ HZDR


    Sterne beziehen ihre Energie aus der Fusion von Wasserstoff zu Helium. In Abhängigkeit der Masse des Himmelskörpers sind dafür unterschiedliche Prozesse bekannt. So läuft in massearmen Sternen wie unserer Sonne vor allem die sogenannte Proton-Proton-Kette ab. In massereichen Sternen pressen die starken Gravitationskräfte die Wasserstoffkerne jedoch so sehr zusammen, dass hier deutlich höhere Temperaturen herrschen. Dadurch können die Wasserstoffkerne zusätzlich mit Kohlenstoffkernen reagieren. Obwohl diese keine zwei Prozent der interstellaren Materie ausmachen, aus der Sterne entstehen, reicht diese Konzentration aus, um den CNO-Zyklus in Gang zu bringen und am Laufen zu halten. Sie wirken dabei als Katalysator: Sie beschleunigen die Reaktion, ohne jedoch selbst dabei verbraucht zu werden. Die Netto-Reaktion ist am Ende die gleiche wie beim Proton-Proton-Zyklus: die Fusion von Wasserstoff zu Helium. Doch in Sternen mit CNO-Zyklus läuft diese Reaktion wesentlich schneller ab.


    „Als Targets verwenden wir Scheiben aus Tantal, auf die Kohlenstoff aufgedampft ist. Darauf schießen wir Protonen, die aus unserem 5-MV-Pelletron-Beschleuniger stammen und einen relativ weiten Energiebereich überstreichen. Die bei der Reaktion entstehenden Gammaquanten können wir mit 20 empfindlichen Reinstgermanium-Detektoren nachweisen“, schildert Bemmerer das experimentelle Vorgehen. Das gemeinsam vom HZDR und der TU Dresden betriebene Untertagelabor Felsenkeller im Plauenschen Grund ist für solche Messungen optimal. Eine 45 Meter dicke Felsschicht im Stollen des ehemaligen Eislagers der Dresdner Felsenkeller-Brauerei schützt die Detektoren vor kosmischer Strahlung, deren Hintergrundsignale die Ergebnisse verfälschen können. Die aktuelle Arbeit ist darüber hinaus ein gutes Beispiel für die innereuropäische Zusammenarbeit in der Astrophysik-Community: Ein Doktorand der Universität Padua forschte während des Experiments für sechs Monate am Felsenkeller. Die Teilnahme weiterer Messgäste aus Italien, Ungarn und Schottland wurde von der EU im Rahmen des Projekts „ChETEC-INFRA“ finanziell unterstützt.


    Weitere Infos auf den Seiten des HZDR unter https://www.hzdr.de/db/Cms?pOid=70512&pNid=99