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    Das Very Large Telescope (VLT) der Europäischen Südsternwarte (ESO) hat einen Stern kurz nach seinem explosiven Tod beobachtet, gerade als die Druckwelle die Sternoberfläche durchbrach. Zum ersten Mal konnten Astronom*innen die Form der Explosion in ihrer frühestmöglichen, kurzlebigen Phase bestimmen. Dieser Vorgang wäre einen Tag später nicht mehr zu beobachten gewesen. Die Beobachtung hilft dabei, eine ganze Reihe von Fragen zur Umwandlung massereicher Sterne in Supernovae zu beantworten.


    Als die Supernova-Explosion SN 2024ggi in der Nacht des 10. April 2024 Ortszeit erstmals entdeckt wurde, war Yi Yang, Assistenzprofessor an der Tsinghua-Universität in Peking (China) und Hauptautor der neuen Studie, gerade nach einem Langstreckenflug in San Francisco gelandet. Ihm war klar, dass er schnell handeln musste. Zwölf Stunden später hatte er einen Beobachtungsantrag an die ESO geschickt. Nach einem sehr schnellen Genehmigungsprozess richtete das VLT-Teleskop in Chile am 11. April seinen Blick auf die Supernova – nur 26 Stunden nach ihrer ursprünglichen Entdeckung.


    SN 2024ggi befindet sich in der Galaxie NGC 3621 in Richtung des Sternbilds Wasserschlange (Hydra), „nur“ 22 Millionen Lichtjahre entfernt – astronomisch gesehen in unmittelbarer Nachbarschaft. Mit einem großen Teleskop und dem passenden Instrument erkannte das internationale Team die seltene Gelegenheit, kurz nach dem Ereignis die Form der Explosion zu entschlüsseln. „Die ersten VLT-Beobachtungen erfassten die Phase, in der Materie, die durch die Explosion nahe dem Zentrum des Sterns beschleunigt wurde, durch die Sternoberfläche brach. Für einige Stunden konnten die Geometrie des Sterns und seiner Explosion gleichzeitig beobachtet werden“, sagt Dietrich Baade, Astronom der ESO in Deutschland und Mitautor der heute in Science Advances veröffentlichten Studie.


    „Die Geometrie einer Supernova-Explosion liefert grundlegende Informationen über die Sternentwicklung und die physikalischen Prozesse, die zu diesen kosmischen Feuerwerken führen“, erklärt Yang. Die genauen Mechanismen hinter Supernova-Explosionen massereicher Sterne – solcher mit mehr als dem Achtfachen der Sonnenmasse – sind weiterhin Gegenstand wissenschaftlicher Debatten und gehören zu den zentralen offenen Fragen. Der Vorläufer von SN 2024ggi war ein Roter Überriese mit 12 bis 15 Sonnenmassen und einem Radius, der 500-mal größer war als der der Sonne. Damit ist SN 2024ggi ein klassisches Beispiel für die Explosion eines massereichen Sterns.


    Künstlerische Darstellung der anfänglichen Form einer Supernova-Explosion. Illustration: ESO/L. Calçada


    Es ist bekannt, dass ein typischer Stern während seines Lebens aufgrund eines sehr präzisen Gleichgewichts zwischen der ihn zusammenziehenden Gravitationskraft und dem nach außen gerichteten Druck seines nuklearen Motors eine kugelförmige Gestalt beibehält. Wenn die letzte Energiequelle erschöpft ist, beginnt dieser nukleare Motor zu stottern. Bei massereichen Sternen markiert dies den Beginn einer Supernova: Der Kern des sterbenden Sterns kollabiert, die umgebenden Masseschichten fallen auf ihn zurück und werden abgestoßen. Diese Rückprall-Schockwelle breitet sich nach außen aus und zerstört den Stern.


    Sobald der Schock die Oberfläche durchbricht, setzt er enorme Energiemengen frei – die Supernova wird dadurch drastisch heller und sichtbar. Während einer kurzlebigen Phase lässt sich die anfängliche Form dieses „Durchbruchs“ untersuchen, bevor die Explosion mit dem Material um den sterbenden Stern interagiert.


    Genau das haben Astronominnen und Astronomen nun erstmals mit dem VLT der ESO erreicht – mithilfe einer Technik namens „Spektropolarimetrie“. „Die Spektropolarimetrie liefert Informationen über die Geometrie der Explosion, die mit anderen Beobachtungsmethoden nicht zugänglich sind, weil die Winkelskalen viel zu klein sind“, sagt Lifan Wang, Mitautor und Professor an der Texas A&M University (USA), der zu Beginn seiner astronomischen Laufbahn als Student bei der ESO tätig war. Obwohl der explodierende Stern nur als einzelner Punkt erscheint, enthält die Polarisation seines Lichts verborgene Hinweise auf seine Geometrie, die das Team entschlüsseln konnte. [1]


    Die einzige Einrichtung auf der Südhalbkugel, die in der Lage ist, die Form einer Supernova auf diese Weise zu erfassen, ist das am VLT installierte FORS2-Instrument. Mit den FORS2-Daten fanden die Astronom*innen heraus, dass der anfängliche Materieauswurf die Form einer Olive hatte. Während sich die Explosion nach außen ausbreitete und mit dem Material um den Stern kollidierte, wurde die Form flacher, aber die Symmetrieachse des Auswurfs blieb unverändert. „Diese Ergebnisse deuten auf einen gemeinsamen physikalischen Mechanismus hin, der die Explosion vieler massereicher Sterne antreibt – er zeigt eine klar definierte axiale Symmetrie und wirkt auf großen Skalen“, so Yang.


    Mit diesem Wissen können Astronominnen und Astronomen bereits einige der bestehenden Supernova-Modelle ausschließen und andere verbessern, um neue Einblicke in die kraftvollen Todesfälle massereicher Sterne zu gewinnen. „Diese Entdeckung verändert nicht nur unser Verständnis stellarer Explosionen, sondern zeigt auch, was möglich ist, wenn Wissenschaft Grenzen überwindet“, sagt Mitautor und ESO-Astronom Ferdinando Patat. „Sie erinnert eindrücklich daran, dass Neugier, Zusammenarbeit und rasches Handeln tiefe Einblicke in die Physik liefern können, die unser Universum prägt.“


    Endnoten

    [1] Lichtteilchen (Photonen) haben eine Eigenschaft, die als Polarisation bezeichnet wird. In einer Kugel, der Form der meisten Sterne, heben sich die Polarisationen der einzelnen Photonen gegenseitig auf, sodass die Nettopolarisation des Objekts Null ist. Wenn Astronomen eine Nettopolarisation ungleich Null messen, können sie daraus auf die Form des Objekts – eines Sterns oder einer Supernova – schließen, das das beobachtete Licht aussendet.


    Weitere Infos, Bilder und Videos auf den Seiten der ESO unter https://www.eso.org/public/germany/news/eso2520/

    Vorige Woche wurden vier Laserstrahlen in den Himmel über dem Standort Paranal der Europäischen Südsternwarte (ESO) in Chile projiziert. Die Laser werden jeweils zur Erzeugung eines künstlichen Sterns verwendet, mit dessen Hilfe Astronominnen und Astronomen die durch die Erdatmosphäre verursachte Unschärfe messen und anschließend korrigieren können. Die beeindruckende Inbetriebnahme dieser Laser, jeweils einer an jedem der 8-Meter-Teleskope auf dem Paranal, ist ein wichtiger Meilenstein des GRAVITY+-Projekts. Dabei handelt es sich um eine umfangreiche und komplexe Aufrüstung des Very Large Telescope Interferometer (VLTI) der ESO. GRAVITY+ ermöglicht dem VLTI eine verbesserte Beobachtungskapazität und eine wesentlich größere Abdeckung des Himmels als bisher möglich.


    „Dies ist ein sehr wichtiger Meilenstein für eine weltweit einzigartige Einrichtung“, sagt Antoine Mérand, ESO-Astronom und VLTI-Programmwissenschaftler.


    Das VLTI kombiniert das Licht von mehreren Einzelteleskopen des VLT (entweder den vier Acht-Meter-Hauptteleskopen (UTs) oder den vier kleineren Hilfsteleskopen) mittels Interferometrie. GRAVITY+ ist ein Upgrade für das VLTI mit Schwerpunkt auf GRAVITY, einem sehr erfolgreichen VLTI-Instrument, das genutzt wurde, um Exoplaneten abzubilden, nahe und ferne Sterne zu beobachten und detaillierte Beobachtungen von lichtschwachen Objekten durchzuführen, die das supermassereiche Schwarze Loch der Milchstraße umkreisen.


    GRAVITY+ umfasst auch infrastrukturelle Änderungen an den Teleskopen und Modernisierungen der unterirdischen VLTI-Tunnel, in denen die Lichtstrahlen zusammengeführt werden. Die Installation eines Lasers an jedem der zuvor nicht damit ausgestatteten Hauptteleskope (UTs) ist eine zentrale Errungenschaft dieses Langzeitprojekts und macht das VLTI zum leistungsstärksten optischen Interferometer der Welt.


    „Das VLTI mit GRAVITY hat bereits so viele unvorhergesehene Entdeckungen ermöglicht; wir sind gespannt, wie GRAVITY+ die Grenzen noch weiter verschieben wird“, sagt der wissenschaftliche Leiter (Principal Investigator) von GRAVITY+, Frank Eisenhauer vom Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik (MPE) in Deutschland, das das Konsortium leitete, das das Upgrade durchführte.


    Jedes der vier Acht-Meter-Teleskope des VLT sendet einen Laserstrahl aus. Foto: A. Berdeu/ESO


    Die Reihe der Modernisierungen läuft bereits seit einigen Jahren und umfasst die technische Überarbeitung der adaptiven Optik – ein System zur Korrektur der durch die Erdatmosphäre verursachten Unschärfe – mit fortschrittlichen, hochmodernen Sensoren und deformierbaren Spiegeln. Bisher erfolgten die Korrekturen der adaptiven Optik beim VLTI durch die Ausrichtung auf helle Referenzsterne, die sich in der Nähe des Ziels befinden mussten, was die Anzahl der beobachtbaren Objekte einschränkte. Mit der Installation eines Lasers an jedem der Hauptteleskope (UTs) wird nun ein heller künstlicher Stern 90 km über der Erdoberfläche erzeugt, der die Korrektur der atmosphärischen Unschärfe überall am Himmel ermöglicht. Dies erschließt dem VLTI den gesamten Südhimmel und steigert seine Beobachtungsleistung dramatisch.


    „Damit können wir nun Objekte im frühen, weit entfernten Universum beobachten. Dazu gehört auch der Quasar, den wir in der zweiten Nacht untersucht haben und bei dem wir das heiße, leuchtende Sauerstoffgas in unmittelbarer Nähe des Schwarzen Lochs nachweisen konnten“, sagt Taro Shimizu, Astronom am MPE und Mitglied des Instrumentenkonsortiums. Mit Lasern an den vom VLTI genutzten Teleskopen können Forschende ferne aktive Galaxien untersuchen und direkt die Masse der supermassereichen Schwarzen Löcher messen, die sie antreiben, sowie junge Sterne und die sie umgebenden planetenbildenden Scheiben beobachten.


    Die verbesserten Fähigkeiten des VLTI werden die Lichtmenge, die durch das System laufen kann, drastisch erhöhen, wodurch die Anlage bis zu 10-mal empfindlicher wird. „Ein wichtiges Ziel von GRAVITY+ ist es, tiefe Beobachtungen von lichtschwachen Zielen zu ermöglichen“, erklärt Julien Woillez, ESO-Astronom und GRAVITY+-Projektwissenschaftler. Somit werden Beobachtungen von isolierten stellaren Schwarzen Löchern, freischwebenden Planeten (die keinen Mutterstern umkreisen) und den Sternen ermöglicht, die dem supermassereichen Schwarzen Loch Sgr A* der Milchstraße am nächsten sind.


    Ein erstes Ziel für die Teams von GRAVITY+ und der ESO am Paranal, die Testbeobachtungen mit den neuen Lasern durchführten, war der Tarantelnebel, ein Sternentstehungsgebiet in unserer Nachbargalaxie, der Großen Magellanschen Wolke. Diese ersten Beobachtungen zeigten, dass ein helles Objekt im Nebel, das man für einen einzelnen Stern hielt, in Wirklichkeit ein Doppelsternsystem aus zwei eng beieinander liegenden Sternen ist. Dies stellt die beeindruckenden Fähigkeiten und das wissenschaftliche Potenzial des modernisierten VLTI unter Beweis.


    Diese Verbesserung ist mehr als nur eine Aktualisierung und wurde bereits vor Jahrzehnten ins Auge gefasst. Das Lasersystem wurde 1986 im Abschlussbericht des „Very Large Telescope Project“ vorgeschlagen, noch bevor das VLTI überhaupt existierte: „Wenn es in der Praxis funktioniert, wäre es ein Durchbruch“, hieß es im Bericht. Jetzt ist dieser Durchbruch Realität.


    Weitere Infos, Bilder und Videos auf den Seiten der ESO unter https://www.eso.org/public/germany/news/eso2519/ , beim MPE unter https://www.mpe.mpg.de/8111918/news20251028 und beim MPIA unter https://www.mpia.de/6292096/2025_11_Gravityplus_E?c=5313826

    Aufnahmen von Schwarzen Löchern sind mehr als nur faszinierende Bilder: Sie könnten künftig als „Testlabor“ für alternative Gravitationstheorien dienen. Ein internationales Team um Prof. Luciano Rezzolla hat eine neue Methode entwickelt, die prüft, ob Schwarze Löcher nach Einsteins Relativitätstheorie oder nach anderen, exotischen Theorien „funktionieren“. Dazu haben die Wissenschaftler hochkomplexe Simulationen durchgeführt und messbare Kriterien abgeleitet, die mit zukünftigen, noch schärferen Teleskopen getestet werden können. Die Methode könnte in den nächsten Jahren zeigen, ob Einstein auch in den extremsten Regionen des Universums Recht behält.

    Schwarze Löcher gelten als kosmische Gierschlünde, denen nicht einmal das Licht entkommen kann. Die vor wenigen Jahren von der Event Horizon Telescope (EHT) Kollaboration veröffentlichten Bilder der Schwarzen Löcher im Zentrum der Galaxie M87 und unserer Milchstraße waren daher bahnbrechend. „Was man dort sieht, ist allerdings nicht das Schwarze Loch selbst, sondern die heiße Materie in seiner direkten Umgebung“, erklärt Prof. Luciano Rezzolla, der mit seiner Gruppe an der Goethe-Universität Frankfurt maßgeblich an den Ergebnissen beteiligt war. „Solange die Materie noch außerhalb des Ereignishorizonts rotiert, bevor sie unweigerlich eingesogen wird, kann sie letzte Lichtsignale aussenden, die wir prinzipiell empfangen können.“


    Auf solchen Bildern sieht man sozusagen den Schatten des Schwarzen Lochs. Das eröffnet nun die Möglichkeit, die Theorien hinter diesen extremen kosmischen Objekten eingehend zu prüfen. Bislang gilt Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie als Goldstandard in der Physik, wenn es um die Beschreibung von Raum und Zeit geht. Sie sagt die Existenz Schwarzer Löcher voraus, mitsamt all ihren Eigenarten. Dazu gehört der Ereignishorizont, hinter dem alles – auch das Licht – verschwindet. „Doch es gibt auch andere, bislang noch hypothetische Theorien, die ebenfalls die Existenz Schwarzer Löcher vorhersagen. Einige dieser Ansätze erfordern die Anwesenheit von Materie mit ganz besonderen Eigenschaften oder die Verletzung der uns bekannten physikalischen Gesetze“, sagt Rezzolla.


    Gemeinsam mit Kollegen des Tsung-Dao Lee Instituts in Shanghai (China) hat der Frankfurter Physiker im Fachblatt „Nature Astronomy“ eine neue Möglichkeit vorgestellt, solche alternativen Theorien zu überprüfen. Denn bislang gab es keine handfesten Daten, die eine Widerlegung oder Bestätigung dieser Theorien ermöglichten. Mit den Schattenbildern der supermassereichen Schwarzen Löcher wollen die Forscher genau das künftig realisieren.


    „Dazu benötigt man zweierlei“, erläutert Rezzolla. „Einerseits hochaufgelöste Schattenbilder der Schwarzen Löcher, um daraus ihren Radius möglichst gut bestimmen zu können, und andererseits eine theoretische Beschreibung, wie stark die verschiedenen Ansätze von der Einstein’schen Relativitätstheorie abweichen.“ Die Wissenschaftler haben nun eine umfassende Beschreibung vorgelegt, wie sehr sich verschiedene Arten hypothetischer Schwarzer Löcher von der Relativitätstheorie unterscheiden und wie sich dies in den Schattenbildern niederschlägt. Um dies zu untersuchen, führte das Team hochkomplexe dreidimensionale Computersimulationen durch, die das Verhalten von Materie und Magnetfeldern in der gekrümmten Raumzeit in der Umgebung der Schwarzen Löcher nachbilden. Aus diesen Simulationen erzeugten die Forscher dann synthetische Bilder des leuchtenden Plasmas.


    Mit der gegenwärtigen Auflösung von Teleskopen sehen Schwarze Löcher verschiedener Gravitationstheorien noch sehr ähnlich aus. Künftige Teleskope werden die Unterschiede deutlicher sichtbar machen und ermöglichen, Einstein’sche Schwarze Löcher von anderen zu unterscheiden. Grafik: L. Rezzolla/Goethe-Universität


    „Die zentrale Frage war: Wie stark unterscheiden sich die Bilder von Schwarzen Löchern in verschiedenen Theorien voneinander?“, erklärt Erstautor Akhil Uniyal vom Tsung-Dao Lee Institut in Shanghai. Daraus konnten sie eindeutige Kriterien ableiten, anhand derer man mit künftigen, hochaufgelösten Messungen in vielen Fällen eine Entscheidung für eine bestimme Theorie treffen kann. Die Bildunterschiede sind zwar mit der gegenwärtigen Auflösung des EHT noch zu klein, wachsen aber systematisch mit verbesserter Auflösung. Hierzu haben die Physiker eine allgemeingültige Charakterisierung von Schwarzen Löchern entwickelt, die sehr unterschiedliche theoretische Ansätze zusammenfasst.


    „Einer der wichtigsten Beiträge, den die EHT-Kollaboration zur Astrophysik geleistet hat, ist die Verwandlung von Schwarzen Löchern in testbare Objekte“, betont Rezzolla. „Unsere Erwartung ist es, dass die Relativitätstheorie sich auch künftig bewährt, so wie sie es bislang immer wieder getan hat.“ Bislang passen die Ergebnisse zu Einsteins Theorie. Die Messunsicherheit ist jedoch noch so groß, dass nur einige, sehr exotische Möglichkeiten ausgeschlossen werden konnten. So dürfte es sich bei den beiden Schwarzen Löchern im Zentrum von M87 und unserer Milchstraße weder um sogenannte nackte Singularitäten (ohne Ereignishorizont) noch um Wurmlöcher handeln – um nur zwei der vielen anderen theoretischen Möglichkeiten zu nennen, die es zu überprüfen gilt. „Und auch die etablierte Theorie muss man immer wieder testen, gerade an extremen Objekten wie Schwarzen Löchern“, ergänzt der Physiker. Es wäre eine Sensation, falls sich Einsteins Theorie irgendwann als hinfällig erwiese.


    Für solche Messungen bietet das EHT hervorragende Möglichkeiten. Dieser Zusammenschluss mehrerer großer Radioteleskope quer über den Globus erreicht eine Auflösung wie ein Teleskop von der Größe der Erde – und hat so den scharfen Blick in die unmittelbare Umgebung der Schwarzen Löcher überhaupt erst möglich gemacht. In Zukunft sollen nicht nur weitere Teleskope auf der Erde zum EHT hinzugeschaltet werden. Die Wissenschaftler hoffen auch auf ein Radioteleskop im Weltall. Das würde die Gesamtauflösung noch einmal deutlich verbessern. Mit einem so hochauflösenden Blick könnte man die verschiedenen Theorien zu Schwarzen Löchern einem strengen Test unterziehen. Wie die nun vorgestellte Studie zeigt, benötigt man dazu Winkelauflösungen von unterhalb einer millionstel Bogensekunde – das entspricht etwa dem Blick auf eine Münze auf dem Mond von der Erde aus. Noch übersteigt das die heutigen Möglichkeiten, soll in einigen Jahren aber erreicht werden.


    Weitere Infos auf den Seiten der Uni Frankfurt unter https://aktuelles.uni-frankfur…stein-auf-den-pruefstand/

    Forschende der RWTH Aachen haben zu einer bedeutenden internationalen Studie beigetragen, die neues Licht auf eines der hartnäckigsten Rätsel des Universums wirft: Warum dominiert Materie gegenüber Antimaterie? Die Ergebnisse stammen aus zwei der weltweit größten Neutrino-Experimente und liefern wichtige Erkenntnisse über die grundlegenden Mechanismen des Universums.


    Zwei langjährige, großangelegte Experimente – T2K in Japan und NOvA in den Vereinigten Staaten – haben nun präziser als je zuvor gemessen, wie geheimnisvolle subatomare Teilchen, sogenannte Neutrinos, oszillieren beziehungsweise ihre Identität verändern. Ihre gemeinsamen Ergebnisse deuten auf eine Lösung für das Problem der fehlenden Antimaterie im Universum hin und ebnen den Weg zu einem umfassenderen Verständnis der Entwicklung des Universums.


    Ein Forschungsteam unter der Leitung von Professor Stefan Roth vom III. Physikalischen Institut der RWTH Aachen war maßgeblich am japanisch geführten T2K-Experiment beteiligt. Um die schwer fassbaren Teilchen überhaupt nachweisen und untersuchen zu können, errichteten die Forschenden riesige Detektoren und nutzten Teilchenbeschleuniger, die hochfokussierte Neutrinostrahlen erzeugen.


    Im T2K-Experiment wird ein hochintensiver Neutrinostrahl im J-PARC-Beschleunigerkomplex an der Ostküste Japans erzeugt, indem ein Protonenstrahl auf ein Graphittarget gerichtet wird. Der Strahl wird zunächst an einem Nahdetektor 280 Meter hinter dem Graphittarget gemessen, bevor er 295 Kilometer durch die Erde zum Super-Kamiokande-Detektor zurücklegt – einem riesigen zylindrischen Tank (41,4 Meter hoch und 39,3 Meter im Durchmesser) mit 50.000 Tonnen hochreinen Wassers, der sich 1.000 Meter unter der Erde in einer Mine im Westen Japans befindet. Das Team der RWTH Aachen war maßgeblich am Bau des Nahdetektorkomplexes beteiligt, der es ermöglicht, die Neutrinos nahe ihrer Entstehung genau zu charakterisieren – ein wesentlicher Schritt für die Interpretation der Hunderte von Kilometern entfernt gemessenen Oszillationen.


    Als das Universum vor etwa 14 Milliarden Jahren mit dem Urknall entstand, sollten nach Ansicht der Physiker*innen Materie und Antimaterie – im Wesentlichen das Spiegelbild der Materie – in gleichen Mengen entstanden sein. Dennoch ist die Antimaterie im heutigen Universum nahezu vollständig verschwunden – ein Rätsel, das die Forschenden seit Jahrzehnten beschäftigt.


    Neutrinos, die häufigsten massiven Teilchen im Universum, könnten den Schlüssel zur Lösung liefern. Sie entstehen in riesigen Mengen in der Sonne oder in Kernreaktoren, interagieren jedoch kaum mit anderer Materie – Billionen von ihnen durchdringen jede Sekunde den menschlichen Körper, ohne Spuren zu hinterlassen.


    Bereits bekannt ist, dass Neutrinos zwischen drei verschiedenen Zuständen – so genannten „Flavours“ – oszillieren, die jeweils eine unterschiedliche Masse aufweisen – eine Entdeckung, die 2015 mit dem Nobelpreis für Physik ausgezeichnet wurde. Ziel der aktuellen Studie war es, diese Oszillationen deutlich präziser als bisher zu messen. Sie sind von besonderem Interesse, weil sie Aufschluss über die Symmetrie – und Asymmetrie – zwischen Neutrinos und ihren Antimaterie-Gegenstücken, den Antineutrinos, geben können. Jede beobachtete Asymmetrie könnte Hinweise auf die fehlende Antimaterie im Universum liefern.


    Weitere Infos auf den Seiten der RWTH Aachen unter https://www.rwth-aachen.de/go/id/bqlxfh#aaaaaaaaabqlxhz

    Pünktlich zu Halloween wurde über dem Paranal-Standort der Europäischen Südsternwarte (ESO) in Chile eine gespenstische Fledermaus gesichtet. Dank seines großen Gesichtsfeldes konnte das VLT Survey Telescope (VST) diese große Wolke aus kosmischem Gas und Staub aufnehmen, deren faszinierendes Aussehen an die Silhouette einer Fledermaus erinnert.


    Diese „kosmische Fledermaus“ befindet sich etwa 10.000 Lichtjahre entfernt und fliegt zwischen den südlichen Sternbildern Circinus und Norma. Sie erstreckt sich über einen Bereich des Himmels, der vier Vollmonden entspricht, und sieht aus, als würde sie versuchen, den leuchtenden Fleck über ihr als Beute zu jagen.


    Dieser Nebel ist eine Sternenkinderstube, eine riesige Gas- und Staubwolke, aus der Sterne entstehen. Die jungen Sterne in ihr geben genug Energie ab, um die Wasserstoffatome um sie herum anzuregen, sodass diese in dem intensiven Rotton leuchten, der auf diesem auffälligen Bild zu sehen ist. Die dunklen Filamente im Nebel sehen aus wie das Skelett unserer Weltraumfledermaus. Diese Strukturen sind im Vergleich zu ihrer Umgebung kältere und dichtere Gasansammlungen mit Staubkörnern, die das sichtbare Licht der dahinterliegenden Sterne blockieren.


    Benannt nach einem großen Katalog heller Sternentstehungsgebiete am südlichen Himmel, sind die markantesten Wolken hier RCW 94, die den rechten Flügel der Fledermaus darstellt, und RCW 95, die den Körper bildet. Die anderen Teile der Fledermaus haben keine offizielle Bezeichnung.


    Die Nebel RCW 94/95 im sichtbaren und Infrarotlicht. Bild: ESO/VPHAS+ team/VVV team


    Diese atemberaubende Sternentstehungsregion wurde mit dem VST aufgenommen, einem Teleskop, das dem italienischen Nationalinstitut für Astrophysik (INAF) gehört, von diesem betrieben wird und sich am Paranal-Observatorium der ESO in der chilenischen Atacama-Wüste befindet. Das VST verfügt über die perfekten Fähigkeiten, um diese großen, gespenstischen Kreaturen einzufangen. An Bord befindet sich OmegaCAM, eine hochmoderne 268-Megapixel-Kamera, mit der das VST große Bereiche des Himmels abbilden kann.


    Das Bild wurde aus Beobachtungen mit verschiedenen Filtern zusammengesetzt, die für unterschiedliche Farben oder Wellenlängen des Lichts durchlässig sind. Der größte Teil der Fledermausform, einschließlich des roten Leuchtens, wurde im sichtbaren Licht als Teil des VST Photometric Hα Survey of the Southern Galactic Plane and Bulge (VPHAS+) aufgenommen. Zusätzliche Infrarotdaten verleihen den dichtesten Teilen des Nebels einen Hauch von Farbe und wurden mit dem Visible and Infrared Survey Telescope for Astronomy (VISTA) der ESO im Rahmen der VISTA Variables in the Vía Láctea (VVV)-Studie gewonnen. Beide Studien stehen allen offen, die tief in diesen unendlichen Pool kosmischer Fotografien eintauchen möchten. Wagen Sie einen genaueren Blick und lassen Sie sich von den Wundern, die in der Dunkelheit auf Sie warten, in Ihren Bann ziehen. Happy Halloween!


    Weitere Infos, Bilder und Videos auf den Seiten der ESO unter https://www.eso.org/public/germany/news/eso2518/

    Wie ist das Universum entstanden? Dazu gibt es eine Vielzahl von Theorien. In einer aktuellen Arbeit formulieren drei Wissenschaftler*innen ein neues Modell: Die Inflation, die erste, sehr schnelle Ausdehnung des Universums, ist demnach in einer warmen Umgebung aus bekannten Elementarteilchen abgelaufen. Außerdem spielt die starke Kraft, eine der fundamentalen Wechselwirkungen im Standardmodell der Teilchenphysik, eine zentrale Rolle. Damit besteht die Möglichkeit, die ersten Sekundenbruchteile des Universums auf der Erde zu messen.


    Das von den Forschenden entworfene Modell basiert auf folgendem Szenario: Noch vor dem Urknall durchlief das Universum eine sehr kurze Phase der kosmischen Inflation. Gängige Hypothesen gehen davon aus, dass dieses frühe Universum kalt und leer war. Dies erfordert einen bislang unbekannten Prozess, der das später beobachtete heiße Plasma zündet – im Moment des eigentlichen Urknalls. Daneben gibt es auch Modelle für warme Inflation. Für diese Art der Inflation stellen die Autor:innen jetzt einen neuen Ansatz vor.


    „Mit unserer Studie zeigen wir einen völlig neuen Weg für warme Inflation“, sagt Sebastian Zell, Wissenschaftler in der Abteilung „Kosmologie und Teilchenphysik“ am Max-Planck-Institut für Physik. „Schon während sich das frühe Universum ausgedehnt hat, könnte es in ein Wärmebad aus bekannten Elementarteilchen getaucht gewesen sein.“ Dieses Inflationsmodell hat gegenüber den bisher bekannten einen Vorteil: Es lässt sich weitgehend mit „Bordmitteln“, also gut untersuchten Teilchen und Kräften im Standardmodell erklären. Damit sind die ersten Momente des Universums für Messungen auf der Erde zugänglich.


    Allerdings kommt auch der jetzt vorgestellte Ansatz nicht ohne Erweiterung des Standardmodells aus: Gluonen, welche die starke Kraft in Atomkernen vermitteln, binden an ein Feld hypothetischer, Axion-ähnlicher Teilchen. „Die Kopplung dieser Teilchen an die starke Kraft liefert die Energie, um das expandierende Universum aufzuheizen“, erläutert Sebastian Zell. „Damit kann warme Inflation stattfinden.“


    Die Existenz kosmischer Axionen oder verwandter Teilchen könnten mehrere offene Fragen der Teilchenphysik lösen. Ein Beispiel ist die Natur der Dunklen Materie. Daher arbeiten viele Experimente daran, diese Teilchen nachzuweisen. Eines davon ist MADMAX, an dem das MPP federführend mitwirkt. „Angesichts dieser Bemühungen sehen wir eine realistische Chance, die warme Inflation in Zukunft experimentell zu überprüfen“, so Sebastian Zell abschließend.


    Weitere Infos auf den Seiten des MPP unter https://www.mpp.mpg.de/aktuell…ngen/kosmische-ausdehnung

    Der Countdown läuft - am kommenden Wochenende findet die diesjährige VdS-Tagung und Mitgliederversammlung statt - hybrid in Hofheim am Taunus und online. Das Tagungswochenende beginnt mit einem gemütlichen Beisammensein am Freitag Abend. Der Samstag ist dann für die Tagung und die Mitgliederversammlung reserviert, am Abend wird dann gemeinsam gegessen. Am Sonntag besteht die Möglichkeit, die Sternwarte Hofheim und den nahegelegenen Bahai-Tempel zu besuchen. Ein Ausflug nach Trebur wird ebenfalls angeboten. Das detaillierte Programm findet ihr hier: https://sternfreunde.de/programm-der-37-vds-tagung/


    VdS-Mitglieder melden sich bitte vorab an, die Tagung (nicht aber die Mitgliederversammlung) steht aber natürlich allen Interessierten offen.


    Alle Infos: https://sternfreunde.de/37-vds…nd-mitgliederversammlung/

    Warum dehnt sich das Universum immer schneller aus? Dies ist eine der spannendsten, jedoch ungelösten Fragen der modernen Physik. Weil sie sich mit unserem gängigen physikalischen Weltbild, bestehend aus Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie und dem Standardmodel der Teilchenphysik, nicht vollends beantworten lässt, nehmen Forschende die Existenz einer geheimnisvollen „dunklen Energie“ an, welche die beschleunigte Expansion des Universums erzeugt. Woher diese kommt oder wie sie entsteht, ist jedoch bis heute unklar. Ein internationales Team mit Beteiligung des Zentrums für angewandte Raumfahrttechnologie und Mikrogravitation (ZARM) der Universität Bremen und der Transsilvanischen Universität Brașov in Rumänien schlägt nun einen neuen Blick auf das Expansions-Phänomen vor und kommt zu dem Ergebnis: Die Ausdehnung des Universums lässt sich – zumindest in Teilen – auch ohne dunkle Energie erklären.


    In der Physik wird die Entwicklung des Universums bisher mit der Allgemeinen Relativitätstheorie und durch die sogenannten Friedmann-Gleichungen beschrieben. Um auf dieser Grundlage die beobachtete Expansion des Universums zu erklären, muss man allerdings per Hand einen zusätzlichen „Dunkle-Energie-Term“ in die Gleichungen einfügen.


    Diese nicht zufriedenstellende Lösung ließ die ZARM-Forschenden und ihre Kolleg*innen aus Rumänien einen anderen Weg gehen. Ihre Erkenntnisse beruhen auf einer Erweiterung der Allgemeinen Relativitätstheorie (ART) durch das später entwickelte Modell der Finsler-Gravitation. Anders als der ursprüngliche Erklärungsansatz der ART erlaubt das Finslersche Modell eine exaktere Modellierung der Gravitationskraft von Gasen, da eine allgemeinere Raumzeitgeometrie als in ART zugrunde gelegt wird.


    Ausdehnung des Universums. Illustration: ZARM, Universität Bremen (KI-generiertes Bild)


    Als das Forschungsteam die Finslersche Erweiterung der Friedmann-Gleichungen berechnete, machten sie eine spannende Entdeckung: Die Finsler-Friedmann-Gleichungen sagen bereits im Vakuum eine beschleunigte Ausdehnung des Universums voraus – ohne dass zusätzliche Annahmen oder „Dunkle-Energie“-Terme eingeführt werden müssen.


    „Das ist ein spannender Hinweis darauf, dass wir zumindest teilweise die beschleunigte Expansion des Universums vielleicht auch ohne Dunkle Energie auf Basis einer verallgemeinerten Raumzeitgeometrie erklären können“, freut sich Christian Pfeifer, ZARM-Physiker und Mitglied des Forschungsteams. „Mit dieser neuen geometrischen Sichtweise auf das Dunkle-Energie-Problem eröffnen sich ganz neue Möglichkeiten, die Naturgesetze des Kosmos besser zu verstehen.“


    Weitere Infos auf den Seiten des ZARM unter https://www.zarm.uni-bremen.de…expansion-of-the-universe

    Seit jeher beschäftigen sich die Menschen mit der Frage, wie die Welt entstanden ist. Da sich das frühe Universum nicht direkt beobachten lässt, gibt es bisher lediglich Theorien und Spekulationen über die ersten Momente des Urknalls und die weitere Entwicklung des Universums. Leo Stodolsky vom Max-Planck-Institut für Physik (MPP) und Joseph Silk vom Institut d’Astrophysique de Paris schlagen jetzt neue Möglichkeiten vor, wie Wissenschaftler*innen die Anfänge des Kosmos künftig erforschen könnten: Mit Signalen, die uns von gewaltigen Explosionen im sehr frühen Universum bis in die heutige Zeit erreichen.


    Was geschah in den ersten Augenblicken nach dem Urknall? Wann entstanden die ersten Materieteilchen, wann die fundamentalen Kräfte? Dies sind Fragen, zu denen es viele Überlegungen gibt, aber keine direkten Beobachtungen.


    Der Grund: Die ersten 380.000 Jahre des 13,8 Milliarden alten Universums liegen hinter einem undurchdringlichen Vorhang aus Strahlung und Materie, der uns den Blick in diese Vergangenheit verwehrt. Die ersten direkt beobachtbaren Signale stammen aus der kosmischen Mikrowellenhintergrundstrahlung (CMB), die 1964 entdeckt wurde. Signale aus früheren Zeiten, wie sichtbares Licht, Mikro- oder Radiowellen, werden blockiert.


    Die Autoren vermuten jedoch, dass es einen Weg gibt, hinter diesen Vorhang zu blicken. In Analogie zu den vielen Supernovae, die heute beobachtet werden, muss es auch in den Anfängen des Kosmos heftige Energieausbrüche gegeben haben: Sei es durch die Entstehung sogenannter „Babyuniversen“ oder durch andere explosionsartige Ereignisse ähnlich dem Urknall, wie zum Beispiel die Entstehung supermassiver primordialer Schwarzer Löcher. Diese Explosionen könnten hochgradig durchdringende Teilchen aussenden und diese wiederum beobachtbare Signale.


    Sie schlagen drei mögliche Signalwege vor. Neutrinos spielen in zwei davon eine Schlüsselrolle. Diese Teilchen werden bei allen astrophysikalischen Ereignissen freigesetzt, die bei sehr hohen Energien stattfinden. Darüber hinaus durchdringen sie Raum und Materie – und könnten bis zu uns gelangen.


    Da energiereiche Neutrinos bei allen explosiven astrophysikalischen Szenarien eine Rolle spielen, ist es plausibel, dass sie auch bei Ausbrüchen im frühen Universum entstehen. Wegen ihrer Eigenschaften könnten sie durch den kosmischen Vorhang schlüpfen, würden aber auf ihrem Weg zur Erde einen Großteil ihrer Energie verlieren. Während dieses Prozesses könnten Positronen, also Antimaterie, entstehen.


    Das Positron ist das Antiteilchen des Elektrons. Wenn beide aufeinandertreffen, vernichten sie sich gegenseitig und es wird Energie in Form von Photonen freigesetzt. Dies könnte als schwache Röntgenstrahlung nachgewiesen werden. Sie ist rotverschoben, das heißt sie entfernt sich von uns, verliert an Energie und kommt als weiche extragalaktische Röntgenstrahlung an. Daraus entsteht ein potenziell nachweisbares Signal mit einem charakteristischen Peak bei einer definierten niedrigen Energie. Möglicherweise wurde dieser bisher bei Beobachtungen im Röntgenbereich übersehen, da das sehr schwache Signal im Rauschen untergeht. Um es zu erkennen, bräuchten Wissenschaftler*innen sehr lange Beobachtungszeiten, die große Datenmengen erzeugen.


    Die Autoren gehen noch einer zweiten kosmischen Neutrinos-Signatur nach: Ein unerwartet hoher niedrigenergetischer Neutrino-Hintergrund im heutigen Universum. Im Falle der frühen Ausbrüche könnte man auch mit der direkten Erzeugung stark rotverschobener Neutrinos mit niedriger Energie rechnen. Ihr Ursprung würde sich mit nahezu Lichtgeschwindigkeit entfernen. Das bedeutet, daß die Neutrinos nicht mit ihrer Umgebung interagieren und einfach mit sehr geringer Energie in der Gegenwart ankommen. Im Gegensatz zur weichen Röntgenstrahlung ist die Technologie für ihren Nachweis Detektion noch eine offene Frage.


    Der kosmische Mikrowellenhintergrund ist eine Momentaufnahme des ältesten Lichts im Kosmos. Es zeichnete sich am Himmel ab, als das Universum gerade einmal 380.000 Jahre alt war. Das Bild basiert auf Daten der Planck-Mission. In den Daten könnten sich Informationen verbergen, die auf Energieausbrüche kurz nach dem Urknall hindeuten. Bild: ESA/Planck-Kollaboration


    Eine dritte Nachweismöglichkeit wäre die Existenz von sehr energiereichen „hot spots“ im kosmischen Mikrowellenhintergrund (CMB), insbesondere kleine Regionen mit einem Spektrum außerhalb des Gleichgewichts. Der CMB wird seit Jahrzehnten intensiv beforscht, unter anderem mit der europäischen „Planck“-Mission, an der das MPI für Astrophysik maßgeblich beteiligt war. Die große Herausforderung dabei ist, diese sehr kleinen Stellen zu identifizieren und ihr Spektrum zu bestimmen. Hier sind eine exzellente Winkelauflösung und fortgeschrittene statistische Methoden gefragt.


    Die beiden Autoren hoffen, mit ihren theoretischen Arbeiten Entwicklungen anstoßen, die diese Signale in Zukunft beobachtbar machen – als Boten direkt aus dem frühen Universum. Ihr Nachweis würde den Weg ebnen, um in den Urknall hineinzublicken. Es würde Licht auf den Beginn des Universums werfen und neue Wege in der beobachtenden Kosmologie eröffnen.


    Weitere Infos auf den Seiten des MPP unter https://www.mpp.mpg.de/aktuell…ick-zurueck-an-den-anfang

    Eine neue Studie zeigt, daß die Dunkle Materie in unserer Galaxie anders verteilt ist, als bisher angenommen. Dies stärkt die These, daß Dunkle Materie eine mögliche Ursache für den beobachteten Gammastrahlenüberschuß im Zentrum der Milchstraße ist. Hochauflösende Simulationen zeigen, daß die Dunkle Materie im Inneren der Galaxie nicht sphärisch verteilt ist, sondern abgeflacht und asymmetrisch. Die Ergebnisse bestätigen die Theorie, dass der Gammastrahlenüberschuß auf die Vernichtung von Dunkler Materie zurückzuführen ist.


    Wissenschaftler*innen vermuten schon seit langem, dass die Annihilation, bei der sich Teilchen Dunkler Materie gegenseitig auslöschen, eine mögliche Quelle der beobachteten Gammastrahlung sein könnte. Allerdings stimmte die räumliche Verteilung dieser Strahlung bisher nicht mit der von Modellen vorhergesagten Anordnung der Dunklen Materie überein. Eine alternative Erklärung besagt, dass alte Millisekundenpulsare die Strahlen erzeugen könnten.


    In der neuen Studie modellierten die Forschenden die Entstehung von Milchstraßen ähnlichen Galaxien unter Bedingungen, wie sie auch in der kosmischen Nachbarschaft herrschen. Dabei gelang es ihnen, simulierte Galaxien zu erzeugen, die unserem Milchstraßen-System sehr ähnlich sind. Ihre Ergebnisse zeigen, dass die Dunkle Materie nicht gleichmäßig vom galaktischen Zentrum nach außen abstrahlt, sondern in einer Struktur angeordnet ist, die der Verteilung der Sterne sehr ähnelt. Das wiederum deutet darauf hin, dass Dunkle Materie durchaus für den Überschuss an Gammastrahlen verantwortlich sein könnte.


    Simulierte Milchstraßen-Galaxie. Bild: AIP/ A. Khalatyan


    “Als das Weltraumteleskop FERMI auf das Zentrum der Galaxie gerichtet wurde, waren die Ergebnisse verblüffend. Das Teleskop maß übermäßig viele Gammastrahlen, die energiereichste Art von Licht im Universum. Astronomen auf der ganzen Welt waren erstaunt, und es wurden zahlreiche miteinander konkurrierende Theorien aufgestellt, um den sogenannten „Gammastrahlenüberschuss” zu erklären, erklärt Noam Libeskind vom Leibniz-Institut für Astrophysik Potsdam (AIP). Nach langen Debatten kristallisierten sich zwei Ideen heraus: Entweder waren diese Gammastrahlen das Ergebnis von Millisekundenpulsaren (ultradichte Neutronensterne, die sich tausende Male pro Sekunde drehen) oder von Teilchen Dunkler Materie, die miteinander kollidierten und sich gegenseitig vernichteten. Beide Theorien haben ihre Schwächen. Neue Forschungsergebnisse des Leibniz-Instituts für Astrophysik Potsdam (AIP), in Zusammenarbeit mit der Hebräischen Universität Jerusalem und der Johns Hopkins University in den USA, werfen nun jedoch ein neues Licht auf dieses Rätsel. Die Studie bestätigt die Theorie, dass der Überschuss an Gammastrahlen tatsächlich auf die Vernichtung von Dunkler Materie zurückzuführen ist.


    Es ist seit langem bekannt, dass die Milchstraße in einem sogenannten Halo aus Dunkler Materie lebt, einem kugelförmigen Bereich, der mit Dunkler Materie gefüllt ist. Inwieweit dieser Halo jedoch asphärisch oder ellipsoid ist, war bislang nicht klar. Moorits Muru, Hauptautor der Studie, erklärt: „Wir haben Simulationen der Milchstraße und ihres Halos aus Dunkler Materie analysiert und festgestellt, dass die Abflachung dieses Bereichs ausreicht, um den Überschuss an Gammastrahlen als Folge der Selbstvernichtung von Teilchen aus Dunkler Materie zu erklären. Diese Berechnungen zeigen, dass die Suche nach Dunklen Materie Teilchen (die sich selbst vernichten können) vorangetrieben werden sollte, um uns das Verständnis der mysteriösen Natur dieser Teilchen einen Schritt näher zu bringen.“


    Weitere Infos auf den Seiten des AIP unter https://www.aip.de/de/news/mil…-darkmatter-annihilation/

    Schon 100 Jahre bevor die Event Horizon Telescope Collaboration 2019 das erste Bild eines Schwarzen Lochs – im Herzen der Galaxie M87 – veröffentlichte, hatte der Astronom Heber Curtis einen seltsamen Strahl entdeckt, der aus dem Zentrum der Galaxie herauszeigt. Heute ist bekannt, dass es sich um den Jet des Schwarzen Lochs M87* handelt. Solche Jets werden auch von anderen Schwarzen Löchern ausgeschickt. Theoretische Astrophysiker der Goethe-Universität haben jetzt einen numerischen Code entwickelt, mit dem sie mathematisch hoch präzise beschreiben können, wie Schwarze Löcher die Energie aus ihrer Rotation in einen solchen ultraschnellen Jet umsetzen.


    Knapp zwei Jahrhunderte lang war nicht klar, dass es sich bei dem hellen Fleck im Sternbild der Jungfrau, den Charles Messier 1781 als „87: Nebel ohne Sterne“ beschrieb, um eine sehr große Galaxie handelt. Daher fand sich zunächst auch keine Erklärung für den 1918 entdeckten seltsamen Strahl, der aus dem Zentrum des „Nebels“ entspringt.


    Dort, im Herzen der Riesengalaxie M87, befindet sich das Schwarze Loch M87*, das stolze sechseinhalb Milliarden Sonnenmassen vereint und sich mit großer Geschwindigkeit um sich selbst dreht. Mit der Energie aus dieser Rotation treibt M87* einen Teilchenstrahl an, einen Jet, der mit nahezu Lichtgeschwindigkeit ausgestoßen wird und sich über gewaltige 5000 Lichtjahre erstreckt. Solche Jets entstehen auch durch andere rotierende Schwarze Löcher. Sie tragen dazu bei, Energie und Materie im Universum zu verteilen, und sie können die Entwicklung ganzer Galaxien beeinflussen.


    Das Team von Astrophysikern an der Goethe-Universität Frankfurt unter der Leitung von Prof. Luciano Rezzolla hat einen numerischen Code entwickelt, den „Frankfurt particle-in-cell code for black hole spacetimes (FPIC)“, der mit hoher Genauigkeit die Prozesse beschreibt, die zur Umwandlung von Rotationsenergie in einen Teilchenstrahl führen. Das Ergebnis: Die Wissenschaftler fanden heraus, dass neben dem sogenannten Blandford-Znaiek-Mechanismus, demzufolge starke Magnetfelder für die Umwandlung der Rotationsenergie verantwortlich sind, ist ein weiterer Prozess an der Energieentnahme beteiligt ist: die magnetische Rekonnexion. Hierbei brechen Magnetfeldlinien auf und sich verbinden sich neu, wodurch magnetische Energie in Wärme, Strahlung und Plasmaeruptionen umgewandelt wird.


    Der FPIC-Code simulierte die Entwicklung einer riesigen Anzahl geladener Teilchen und extremer elektromagnetischer Felder unter dem Einfluss der starken Gravitation des Schwarzen Lochs. Dr. Claudio Meringolo, Hauptentwickler des Codes, erklärt: Die Simulation solcher Prozesse ist entscheidend für das Verständnis der komplexen Dynamik relativistischer Plasmen in gekrümmten Raumzeiten in der Nähe kompakter Objekte, die durch das Zusammenspiel extremer Gravitations- und Magnetfelder bestimmt werden.


    Auf der Äquatorialebene entlang der Stromschicht, wo die Teilchendichte (linker Teil) höher ist, entsteht eine Kette von Plasmoiden. Hier findet eine magnetische Rekonnexion statt, die Teilchen auf sehr hohe Energien beschleunigt (rechts). Die Teilchen erreichen auch relativistische Geschwindigkeiten entlang der Drehachse und bilden schließlich den Jet, der durch den Blandford-Znajek-Mechanismus angetrieben wird. Grau: Magnetfeldlinien. Bild: Meringolo, Camilloni, Rezzolla (2025)


    Für die Untersuchungen waren höchst aufwendige Supercomputer-Simulationen erforderlich, die Millionen von CPU-Stunden auf dem Frankfurter Supercomputer „Goethe“ sowie auf dem Stuttgarter Supercomputer „Hawk“ beanspruchten. Die enorme Rechenleistung war notwendig, um Maxwells Gleichungen und die Gleichungen für die Bewegung von Elektronen und Positronen gemäß Albert Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie zu lösen.


    In der Äquatorebene des Schwarzen Lochs zeigten die Berechnungen der Wissenschaftler intensive Rekonnexionsaktivität, die zur Bildung einer Kette von Plasmoiden führt – kondensiertem Plasma in Energie-„Blasen“ – die sich mit Geschwindigkeiten nahe der Lichtgeschwindigkeit bewegen. Den Wissenschaftlern zufolge geht dieser Prozess geht mit der Erzeugung von Teilchen mit negativer Energie einher, die extreme astrophysikalische Erscheinungen wie Jets und Plasmaeruptionen antreibt.


    „Unsere Ergebnisse eröffnen die faszinierende Möglichkeit, dass der Blandford-Znajek-Mechanismus nicht der einzige astrophysikalische Prozess ist, der Rotationsenergie aus einem Schwarzen Loch extrahieren kann“, sagt Dr. Filippo Camilloni, ebenfalls am FPIC arbeitete, „sondern dass auch die magnetische Rekonnexion dazu beiträgt.“


    „Wir können mit unserer Arbeit zeigen, wie Energie effizient aus rotierenden Schwarzen Löchern extrahiert und in Jets kanalisiert wird“, sagt Rezzolla. „So können wir dazu beitragen, die extremen Leuchtkräfte aktiver Galaxienkerne sowie die Beschleunigung von Teilchen bis fast auf Lichtgeschwindigkeit erklären“. Es sei unglaublich spannend und faszinierend, über ausgefeilte numerische Codes besser verstehen zu können, was in der Nähe eines Schwarzen Lochs geschehe. „Gleichzeitig ist es noch lohnender, die Ergebnisse dieser komplexen Simulationen mit einer strengen mathematischen Behandlung erklären zu können – so wie wir es in unserer Arbeit getan haben.“


    Weitere Infos auf den Seiten der Goethe-Uni Frankfurt unter https://aktuelles.uni-frankfur…ivistische-jets-erzeugen/

    Es ist ein äußerst seltenes Phänomen im Weltall: Ein System aus gleich sieben jungen Sternen. Einem internationalem Forschungsteam unter Mitwirkung von Prof. Dr. Rolf Kuiper von der Universität Duisburg-Essen gelang diese Entdeckung. Die Ergebnisse liefern eine Erklärung, warum die Instabilität der Gasscheiben für die Entstehung dieser Mehrfachsysteme entscheidend sind.


    Stellare Mehrfachsysteme sind in der Astronomie von großer Bedeutung: Sie können zum einen zu astronomischen Phänomenen führen – etwa Röntgendoppelsternen, Gammastrahlenausbrüche, Supernovae und Sternverschmelzungen, die wichtige Quellen für Gravitationswellen sind. Zum anderen beeinflussen sie die Dynamik von Sternhaufen.


    „Das sind große Gruppen von Sternen, die aus derselben Gas- und Staubwolke entstanden sind und durch die Gravitation aneinander gebunden bleiben. Dabei sind alle Sterne in einem Haufen etwa gleich alt und haben eine ähnliche chemische Zusammensetzung“, erklärt Prof. Dr. Rolf Kuiper, Leiter der Arbeitsgruppe für numerische Astrophysik an der Universität Duisburg-Essen (UDE). Das neu entdeckte System, dessen Sterne sich derzeit noch bilden, befindet sich in der Sternentstehungsregion NGC 6334I(N) – einem besonders aktiven Teil des sogenannten „Katzenpfotennebels“, in dem gerade viele massereiche Sterne „geboren“ werden.


    In der rotierenden Gasscheibe haben sich sieben junge Sterne gebildet. Das außergewöhnliche System liefert neue Einblicke in die Entstehung hochkomplexer Sternsysteme. Grafik: Openverse


    Doch wie Systeme mit vielen Sternen überhaupt entstehen, war bisher kaum verstanden. Die Stabilitätsanalyse der Forschenden zeigt nun: Die Gasscheibe, die das Siebenfach-System enthält, ist dynamisch instabil. Das bedeutet, die Schwerkraft innerhalb der Scheibe wirkt stärker als die Kräfte, die sie eigentlich stabil halten könnten (z. B. Rotation oder Druck). Dadurch „bricht“ die Scheibe auseinander in einzelne Fragmente, die sich jeweils zu Sternen verdichten können. „Unsere Beobachtungen zeigen erstmals eindeutig, dass eine zerbrechende, instabile Gasscheibe tatsächlich mehrere Sterne gleichzeitig hervorbringen kann. Nun können wir einen Mechanismus bestätigen, der zuvor nur in Theorien vermutet wurde und wir können unsere Arbeit nun gezielter vertiefen“, erklärt der Astrophysiker.


    Weitere Infos auf den Seiten der Uni Duisburg-Essen unter https://www.uni-due.de/2025-10…fach-sternsystem-entdeckt

    Ein Himmelskörper aus dem Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter ist am 24. Oktober 2024 in die Erdatmosphäre eingetreten und nahe der Stadt Haag in Österreich niedergegangen, wo Bruchstücke geborgen werden konnten. Solche Ereignisse sind äußerst selten - weltweit werden pro Jahr nur etwa zehn Meteoritenfälle registriert. Ein Forschungsteam der Institute für Planetologie und Mineralogie der Universität Münster hat den Meteoriten „Haag“ mit internationalen Kolleg*innen wissenschaftlich untersucht. Mit dem Ergebnis, dass der Meteorit zur Gruppe der sogenannten LL-Chondrite gehört, einer seltenen Gesteinsart, die weniger als zehn Prozent aller bekannten Meteoritenfälle ausmacht. 


    „Meteoriten wie ‚Haag‘ sind Archive der Frühzeit unseres Sonnensystems”, betont Prof. Dr. Addi Bischoff. „Sie enthalten Informationen über Prozesse, die vor viereinhalb Milliarden Jahren stattfanden, und helfen uns zu verstehen, wie die Erde und andere Planeten entstanden sind.”


    LL-Chondrite bestehen hauptsächlich aus kleinen, kugeligen Mineralansammlungen und gelten als ursprüngliche Bausteine der Planeten. Zudem zeichnen sie sich durch einen vergleichsweise geringen Metallanteil aus. Besonders auffällig ist die innere Struktur von „Haag“. Mithilfe eines Rasterelektronenmikroskops führte das Forschungsteam aus Münster Dünnschliffanalysen durch. Diese zeigen, dass der Meteorit ein zertrümmertes Gefüge besitzt, das Fachleute als Brekzie bezeichnen.


    Dieses Gefüge ist durch zahlreiche Einschläge auf dem ursprünglichen Mutterkörper im Asteroidengürtel entstanden. Dabei wurde Material aus tieferen Schichten herausgeschleudert und mit Oberflächenmaterial vermischt. „Solche Prozesse weisen auf eine lange und bewegte Geschichte hin“, erklärt Dr. Markus Patzek. „Die wiederholten Einschläge haben zu einer mächtigen Schicht aus Trümmern geführt, die sich immer wieder neu verfestigten.“


    Eine mikroskopische Aufnahme des Haag-Meteoriten: Zu erkennen sind millimetergroße Kügelchen, die sogenannten Chondren, die namensgebend für die Gruppe der Chondrite sind. Bild: Addi Bischoff


    Auch die Analyse von Edelgasen an der ETH Zürich ergab weitere Erkenntnisse. Der Meteorit lag während seiner Zeit im All nicht direkt an der Oberfläche des Mutterkörpers, sondern war von Material bedeckt. Nach seiner Abspaltung reiste er 21 bis 24 Millionen Jahre lang als eigenständiger Kleinkörper durch das Sonnensystem. Messungen von Radionukliden deuten darauf hin, dass er einen Durchmesser von etwa einem Meter hatte, bevor er auf die Erde traf.


    Die chemischen, isotopischen und physikalischen Daten belegen, dass „Haag” aus dem Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter stammt. In dieser Region umkreisen Millionen von Gesteinskörpern die Sonne. Sie repräsentieren die ältesten Bausteine des Sonnensystems und liefern entscheidende Hinweise darauf, wie sich die Erde und andere Planeten gebildet haben. Überraschend ist auch, dass nur acht Jahre zuvor, am 6. März 2016, bei Stubenberg in Bayern ein Meteorit niederging, der ebenfalls zu den LL-Chondriten gehört. Die beiden Fundorte liegen nur rund 110 Kilometer auseinander. „Dass in so kurzer Zeit und in so geringer geografischer Entfernung zwei Meteorite desselben Typs gefunden werden, ist eine wissenschaftliche Sensation“, sagt Addi Bischoff. „Es ist durchaus denkbar, dass beide Bruchstücke von ein und demselben Mutterkörper stammen.”


    Weitere Infos und Bilder auf den Seiten der Uni Münster unter https://www.uni-muenster.de/news/view.php?cmdid=15019

    Auf dem Mars erreichen Staubteufel und Winde Geschwindigkeiten von bis zu 160 km/h und sind damit schneller als bisher angenommen: Dies zeigt eine Untersuchung eines internationalen Forschungsteams unter der Leitung der Universität Bern. Die Forschenden analysierten Bilder der Berner Mars-Kamera CaSSIS sowie der Stereokamera HRSC mit Hilfe maschinellen Lernens. Die Studie liefert damit wertvolle Datengrundlagen für ein detaillierteres Verständnis der atmosphärischen Dynamik, was für bessere Klimamodelle und zukünftige Marsmissionen von Bedeutung ist.


    Trotz der sehr dünnen Marsatmosphäre gibt es auch auf dem Mars Winde, die zentral für das Klima und für die Verteilung von Staub sind. Durch die Windbewegungen und das Aufwirbeln von Staub entstehen auch sogenannte Staubteufel, rotierende Säulen aus aufgewirbeltem Staub und Luft, die sich über die Oberfläche bewegen. Auf Bildern vom Mars ist der Wind selbst unsichtbar, Staubteufel hingegen sind gut zu erkennen. Sie sind durch ihre Vorwärtsbewegung wertvolle Indikatoren für Forschende, um die sonst unsichtbaren Winde bestimmen zu können.


    Eine neue Studie unter der Leitung von Dr. Valentin Bickel vom Center for Space and Habitability der Universität Bern zeigt, dass sich die Staubteufel und die Winde, die sie umgeben, deutlich höhere Geschwindigkeiten erreichen als bisher angenommen. Die stärkeren Winde könnten für einen großen Teil des Staubauftriebs auf dem Mars verantwortlich sein, was wiederum einen großen Einfluss auf das Wetter und Klima des Mars hat.


    «Mit Hilfe eines hochmodernen Deep Learning-Ansatzes konnten wir in über 50'000 Satellitenbildern Staubteufel identifizieren», erklärt Erstautor Valentin Bickel. Das Team verwendete Bilder von der Berner Mars-Kamera CaSSIS (Colour and Stereo Surface Imaging System) und der Stereokamera HRSC (High Resolution Stereo Camera). CaSSIS befindet sich an Bord der Sonde ExoMars Trace Gas Orbiter der Europäischen Weltraumorganisation ESA, während sich die Kamera HRSC an Bord des ESA-Orbiters Mars Express befindet. «Unsere Studie basiert demnach ausschliesslich auf Daten der europäischen Marserkundung», so Bickel weiter.


    In einem nächsten Schritt untersuchte das Forschungsteam für etwa 300 der identifizierten Staubteufel Stereobilder, um deren Bewegungsrichtungen und Geschwindigkeiten zu messen. Co-Autor Nicolas Thomas, unter dessen Leitung das Kamerasystem CaSSIS an der Universität Bern entwickelt und gebaut wurde und das von der Abteilung Raumfahrt des SBFI durch das PRODEX-Programm der ESA (siehe Infobox) finanziert ist, erklärt: «Stereobilder sind Bilder derselben Stelle auf der Oberfläche des Mars, die aber im Abstand von einigen Sekunden aufgenommen wurden. Diese Bilder können daher zur Messung der Bewegung von Staubteufeln verwendet werden.» Bickel betont: «Wenn man die Stereobilder in einer Sequenz aneinanderfügt, kann man beobachten, wie dynamisch sich die Staubteufel über die Oberfläche bewegen.»


    Die Ergebnisse zeigen, dass die Staubteufel und die sie umgebenden Winde auf dem Mars mit Geschwindigkeiten von bis zu 44 m/s, also rund 160 km/h, auf dem ganzen Planeten weitaus schneller werden können als bisher angenommen (vorherige Messungen auf der Oberfläche hatten ergeben, dass Winde größtenteils unter 50 km/h bleiben und – in seltenen Fällen – maximal 100 km/h erreichen können).


    Die hohe Windgeschwindigkeit beeinflusst wiederum den Staubkreislauf auf dem Roten Planeten: «Die starken, geradlinigen Winde bringen mit großer Wahrscheinlichkeit eine beträchtliche Menge an Staub in die Marsatmosphäre ein – und zwar wesentlich mehr als bisher vermutet», so Bickel. Er fährt fort: «Unsere Daten zeigen, wo und wann die Winde auf dem Mars stark genug zu sein scheinen, um Staub von der Oberfläche zu heben. Dies ist das erste Mal, dass solche Erkenntnisse auf globaler Ebene für einen Zeitraum von etwa zwei Jahrzehnten verfügbar sind.»


    Aufnahme eines Staubteufels, also eines Wirbelsturms aus Staub, der über die Marsoberfläche fegt. Bild: ESA/TGO/CaSSIS for CaSSIS (CC BY SA 3.0 IGO)


    Die gewonnenen Resultate sind insbesondere auch für zukünftige Marsmissionen von Bedeutung. «Ein besseres Verständnis der Windverhältnisse auf dem Mars ist entscheidend für die Planung und Durchführung von zukünftigen Landemissionen», erklärt Daniela Tirsch vom Institut für Weltraumforschung des Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und Mitautorin der Studie. «Mithilfe der neuen Erkenntnisse zur Winddynamik können wir die Marsatmosphäre und die damit verbundenen Oberflächenprozesse präziser modellieren», so Tirsch weiter. Diese Modelle sind essenziell, um Risiken für zukünftige Missionen besser einschätzen und technische Systeme entsprechend anpassen zu können. Die neue Studie liefert damit wichtige Erkenntnisse für eine Reihe von Forschungsbereichen zum Mars, beispielsweise die Erforschung der Bildung von Dünen und Hangstreifen, aber auch die Erstellung von Wetter- und Klimamodellen vom Mars.


    Die Forschenden planen, die Beobachtungen von Staubteufeln weiter zu intensivieren und die gewonnenen Daten mit gezielten und koordinierten Beobachtungen von Staubteufeln mit CaSSIS und HRSC zu ergänzen. «Unsere Forschung soll damit langfristig dazu beitragen, die Planung von Marsmissionen effizienter zu gestalten», sagt Bickel abschließend.


    Weitere Infos und Bilder auf den Seiten der Uni Bern unter https://mediarelations.unibe.c…f_dem_mars/index_ger.html

    Ein Forschungsteam des Leibniz-Instituts für Astrophysik Potsdam (AIP) hat den magnetischen Herzschlag eines fernen Sterns entdeckt, der unserer Sonne bemerkenswert ähnlich ist – allerdings viel jünger und aktiver. Diese wegweisende Studie ist Teil der Kampagne „Far Beyond the Sun” und basiert auf fast drei Jahren hochpräziser Beobachtungen. Sie liefert neue Erkenntnisse darüber, wie Sterne ihre Magnetfelder erzeugen und wie sich diese Felder im Laufe der Zeit entwickeln.


    Im Mittelpunkt dieses Forschungsprojekts steht der Stern iota Horologii (ι Hor, im Sternbild Pendeluhr am Südsternhimmel), der etwa 56 Lichtjahre von der Erde entfernt ist. Mit einem Alter von etwa 600 Millionen Jahren – weit jünger als unsere 4,6 Milliarden Jahre alte Sonne, rotiert ι Hor schneller und weist eine weitaus stärkere magnetische Aktivität als die Sonne auf. Mithilfe des HARPS-Polarimeters am 3,6-Meter-Teleskop der Europäischen Südsternwarte im La Silla-Observatorium in Chile, wurde dieser Stern über sechs Beobachtungsperioden hinweg 199 Nächte lang mit spektropolarimetrischen Daten erfasst.


    Mithilfe einer hochentwickelten Technik bekannt als Zeeman-Doppler-Imaging (ZDI) wandelte das Team diese Messungen in 18 verschiedene „Karten” des großräumigen Magnetfelds von ι Hor um, die sich über einen Zeitraum von etwa 140 vollständige Umdrehungen des Sterns erstrecken. Diese Karten zeigen, wie magnetische Strukturen entstehen, verschwinden und sogar ihre Polarität umkehren – Phänomene, die auf die tiefsitzenden Dynamoprozesse im turbulenten Inneren des Sterns zurückzuführen sind.


    Eine der bemerkenswertesten Erkenntnisse ist, dass ι Hor einen vollständigen Magnetzyklus, vergleichbar mit dem 22-jährigen Zyklus der Sonne, in etwas mehr als zwei Jahren (etwa 773 Tagen) durchläuft. Während dieses Zeitraums kehren sich die magnetischen Nord- und Südpole des Sterns um, um dann wieder zurück zu wechseln, wodurch ein rhythmischer magnetischer Herzschlag entsteht, der weit schneller ist als der unserer Sonne.


    Das sich verändernde Magnetfeld des Sterns iota Horologii zeigt eine doppelte Umkehr der Polarität. Dargestellt ist die radiale Komponente des Magnetfelds zu drei verschiedenen Zeitpunkten; die Farben geben die Stärke und Polarität des Feldes an (rot=positiv, „Nordpol“, blau=negativ, „Südpol“). Im Durchschnitt dauert der magnetische Zyklus des Sterns 2,1 Jahre. Bild: AIP/J. Alvarado-Gómez, Hintergrund: DSS colored - Digitized Sky Survey - STScI/NASA, Colored & Healpixed by CDS, extrahiert mit Aladin Lite.


    Vielleicht noch spannender ist die Erstellung der ersten „magnetischen Schmetterlingsdiagramme” für einen Stern außerhalb unseres Sonnensystems. Auf der Sonne verfolgen diese Diagramme die Breitenwanderung von Sonnenflecken und Magnetfeld im Verlauf des Zyklus: Flecken entstehen in mittleren Breiten und wandern stetig in Richtung Äquator. Durch Mittelung der kartierten Magnetfeldstärke in verschiedenen Breiten für jede Epoche erstellten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des AIP analoge Diagramme für ι Hor und zeigten damit, wie seine magnetischen Regionen im Laufe jedes Zyklus in Richtung Pol und Äquator wandern.


    Aus diesen stellaren Schmetterlingsdiagrammen gewann das Team direkte Schätzungen der großräumigen Strömungen auf der Oberfläche von ι Hor. Sie stellten fest, dass radiale Feldbereiche mit Geschwindigkeiten von 15–78 m/s (vergleichbar mit einem Hochgeschwindigkeitszug) in Richtung der Polarregionen wanderten, während die toroidale Strömung (parallel zur Oberfläche) in Richtung Äquator mit 9–19 m/s (durchschnittliche Autogeschwindigkeit) voranschreitet, beides wesentlich schneller als die entsprechenden Sonnenströmungen. Dies ist die erste Messung solcher meridianer, also polwärts gerichteter, und äquatorwärts gerichteter Strömungen auf einem anderen Stern als der Sonne.


    „Diese Ergebnisse sind ein wichtiger Meilenstein für das Verständnis magnetischer Dynamos – jener Motoren, die die Stern- und Sonnenaktivität antreiben“, sagt Dr. Julian Alvarado Gómez, Leiter der Studie und Forscher am AIP. „Durch den Vergleich des schnellen Magnetzyklus und der starken Aktivität von ι Hor mit dem gemächlicheren 22-Jahres-Rhythmus der Sonne gewinnen wir tiefere Einblicke in die Frage, wie solche Faktoren wie Rotationsgeschwindigkeit und Alter die magnetische Entwicklung eines Sterns beeinflussen.“ Darüber hinaus steuert die magnetische Aktivität Sternwinde, Flares und hochenergetische Strahlung – und prägt damit die Umgebung umlaufender Planeten. Die Erkenntnisse über ι Hor, der mindestens einen bekannten Exoplaneten beherbergt, geben Astronominnen und Astronomen Hinweise darauf, wie junge sonnenähnliche Sterne die Bewohnbarkeit von Welten in ihrem Umfeld beeinflussen könnten.


    Weitere Infos auf den Seiten des AIP unter https://www.aip.de/de/news/heartbeat-of-a-star/

    Nix automatisch - ich bin eine von denen, die da jeden Tag (manchmal auch vorab, denn die Texte und Bilder stehen üblicherweise vorab fest) fleißig übersetzen. Wie gesagt, es gibt die fehlenden APODs eigentlich, das Team in den USA sucht die Bilder nach wie vor aus und schreibt die Texte. Sie erscheinen dort nur nicht auf der Webseite

    Das James Webb Space Telescope untersucht die Entstehung von Monden um einen massereichen Planeten. Ein UZH-Team nutzt die Daten, um die chemische Zusammensetzung einer Scheibe zu untersuchen, die den Planeten umgibt. Sie gilt als Grundlage für die Entstehung neuer Monde.


    Das James Webb Space Telescope hat die ersten direkten Messungen der chemischen und physikalischen Eigenschaften einer möglicherweise mondbildenden Scheibe geliefert, die einen großen Exoplaneten umgibt. Die kohlenstoffreiche Scheibe, die den 625 Lichtjahre von der Erde entfernten Planeten «CT Cha b» umgibt, ist möglicherweise eine Baulager für Monde, obwohl in den Webb-Daten keine Monde entdeckt wurden.


    Der junge Stern, den der Planet umkreist, ist nur zwei Millionen Jahre alt und sammelt noch immer Material an, das den Stern umgibt. Die von Webb entdeckte zirkumplanetare Scheibe ist jedoch nicht Teil der größeren Materiescheibe um den Zentralstern. Die beiden Objekte sind 46 Milliarden Meilen voneinander entfernt.


    Die Beobachtung, wie Planeten und Monde entstehen, ist von grundlegender Bedeutung für das Verständnis, wie sich Planetensysteme in unserer Galaxie entwickeln. Monde sind wahrscheinlich zahlreicher als Planeten, und einige könnten Lebensräume für biologisches Leben sein. Aber die Wissenschaft tritt erst jetzt in eine Ära ein, in der sie deren Entstehung beobachten kann.


    Gemäß den Forschenden verbessert diese Entdeckung das Verständnis für die Entstehung von Planeten und Monden. Die Daten von Webb sind von unschätzbarem Wert, um Vergleiche mit der Entstehung unseres Sonnensystems vor über 4 Milliarden Jahren anzustellen.


    «Wir können Hinweise auf die Scheibe um den Begleiter sehen und zum ersten Mal deren Chemie untersuchen. Wir sind nicht nur Zeugen der Mondentstehung, sondern auch der Entstehung dieses Planeten», sagt Ko-Autorin Sierra Grant von der Carnegie Institution for Science in Washington. «Wir sehen, welches Material sich ansammelt, um den Planeten und die Monde zu bilden», ergänzt Hauptautor Gabriele Cugno von der Universität Zürich (UZH) und Mitglied des Nationalen Forschungsschwerpunkts PlanetS des Schweizerischen Nationalfonds.


    Künstlerische Darstellung einer Staub- und Gasscheibe, die den jungen Exoplaneten «CT Cha b» umgibt, 625 Lichtjahre von der Erde entfernt. Der Planet ist unten rechts zu sehen, während sein Mutterstern und die ihn umgebende zirkumstellare Scheibe im Hintergrund sichtbar sind. (Illustration: NASA; ESA; CSA; STScI; Gabriele Cugno, University of Zurich, NCCR PlanetS; Sierra Grant, Carnegie Institution for Science; Joseph Olmsted, STScI; Leah Hustak, STScI)


    Die Infrarotbeobachtungen des Planeten «CT Cha b» wurden mit Hilfe eines Spektrografen mit mittlerer Auflösung (MIRI, Mid-Infrared Instrument) durchgeführt. Ein erster Blick in die Archivdaten von Webb zeigte Hinweise auf Moleküle innerhalb der zirkumplanetaren Scheibe, was zu einer eingehenderen Untersuchung der Daten führte. Da das Signal des Planeten sehr schwach ist und in der starken Strahlung des Muttersterns verborgen liegt, mussten die Forscher das Licht des Sterns mit Hilfe spezieller Hochkontrastverfahren vom Licht des Planeten trennen.


    «Wir sahen Moleküle an der Position des Planeten und wussten daher, dass es dort etwas gab, das es wert war, weiter zu erforschen, und verbrachten ein Jahr damit, die Moleküle aus den Daten herauszufiltern», sagt Sierra Grant.


    Das Team entdeckte sieben kohlenstoffhaltige Moleküle innerhalb der Scheibe des Planeten, darunter Acetylen (C2H2) und Benzol (C6H6). Diese kohlenstoffreiche Zusammensetzung steht in starkem Kontrast zu der Chemie in der Scheibe um den Mutterstern, wo die Forschenden Wasser, aber keinen Kohlenstoff fanden. Der Unterschied zwischen den beiden Scheiben liefert Hinweise auf ihre schnelle chemische Entwicklung innerhalb von nur zwei Millionen Jahren.


    Seit langem wird vermutet, daß die vier großen Monde des Jupiters aus einer zirkumplanetaren Scheibe entstanden sind, die einst den Planeten umgab. Diese Galileischen Monde müssen sich vor Milliarden von Jahren aus einer solchen abgeflachten Scheibe herausgebildet haben, wie ihre auf der gleichen Ebene liegenden Umlaufbahnen um den Jupiter zeigen. Die beiden äußeren Galileischen Monde, Ganymed und Callisto, bestehen zu 50 Prozent aus Wassereis. Aber sie haben vermutlich einen felsigen Kern – möglicherweise aus Kohlenstoff oder Silizium.


    «Wir wollen mehr darüber erfahren, wie in unserem Sonnensystem Monde entstanden sind. Das heißt, wir müssen uns andere Systeme ansehen, die sich noch im Aufbau befinden. Wir versuchen zu verstehen, wie das alles funktioniert», sagt UZH-Forscher Gabriele Cugno. «Wie entstehen diese Monde? Was ist ihre Zusammensetzung? Welche physikalischen Prozesse spielen dabei eine Rolle und in welchen Zeitskalen? Das Webb-Teleskop ermöglicht es uns, das Drama der Mondentstehung mitzuerleben und diese Fragen erstmals durch Beobachtungen zu untersuchen», so Cugno.


    Im kommenden Jahr wird das Team mit James Webb Süace Telescope eine umfassende Untersuchung ähnlicher Objekte durchführen, um die Vielfalt der physikalischen und chemischen Eigenschaften in den Scheiben um junge Planeten besser zu verstehen.


    Weitere Infos auf den Seiten der Uni Zürich unter https://www.news.uzh.ch/de/art…2025/mond-entstehung.html

    Astronom*innen haben einen gewaltigen Wachstumsschub bei einem sogenannten Einzelgänger-Planeten entdeckt. Im Gegensatz zu den Planeten in unserem Sonnensystem umkreisen solche Objekte keine Sterne, sondern treiben frei im All. Neue Beobachtungen mit dem Very Large Telescope (VLT) der Europäischen Südsternwarte (ESO) zeigen, dass dieser frei schwebende Planet Gas und Staub aus seiner Umgebung mit einer Rate von sechs Milliarden Tonnen pro Sekunde verschlingt. Dies ist die bislang stärkste Wachstumsrate, die je bei einem Einzelgänger-Planeten – oder überhaupt bei einem Planeten – gemessen wurde, und liefert wertvolle Einblicke in ihre Entstehung und Entwicklung.


    „Viele Menschen stellen sich Planeten als ruhige und stabile Welten vor. Doch mit dieser Entdeckung sehen wir, dass frei im All schwebende Himmelskörper planetarer Masse durchaus aufregende Orte sein können“, sagt Víctor Almendros-Abad, Astronom am Astronomischen Observatorium von Palermo des italienischen Nationalen Instituts für Astrophysik (INAF) und Erstautor der neuen Studie.


    Das neu untersuchte Objekt, dessen Masse fünf- bis zehnmal so groß ist wie die des Jupiters, befindet sich rund 620 Lichtjahre entfernt im Sternbild Chamäleon. Offiziell trägt es die Bezeichnung Cha 1107-7626. Dieser Einzelgänger-Planet befindet sich noch in der Entstehungsphase und wird von einer ihn umgebenden Scheibe aus Gas und Staub gespeist. Dieses Material fällt fortlaufend auf den frei schwebenden Planeten – ein Prozess, der als Akkretion bezeichnet wird. Das Team um Almendros-Abad konnte nun jedoch nachweisen, dass die Akkretionsrate des jungen Planeten nicht gleichmäßig verläuft.


    Im August 2025 verschlang der Planet etwa achtmal schneller Materie als noch wenige Monate zuvor – und zwar mit einer Rate von sechs Milliarden Tonnen pro Sekunde! Das entspricht in etwa der Masse des Kometen 67P/Churyumov-Gerassimenko oder des Doppelten des gesamten Starnberger Sees. „Dies ist das stärkste Akkretionsereignis, das jemals für ein Objekt planetarer Masse gemessen wurde“, so Almendros-Abad. Die Entdeckung, die heute in den Astrophysical Journal Letters veröffentlicht wurde, gelang mit dem Spektrografen X-shooter am Very Large Telescope (VLT) der ESO in der chilenischen Atacama-Wüste. Zusätzlich nutzte das Team Daten des James Webb Space Telescopes, betrieben von der NASA, der ESA und der kanadischen CSA, sowie Archivdaten des Spektrografen SINFONI am VLT.


    Künstlerische Darstellung des Einzelgänger-Planeten Cha 1107-7626. Illustration: ESO/L. Calçada/M. Kornmesser


    „Die Herkunft von Einzelgänger-Planeten ist noch immer ungeklärt: Handelt es sich um massearme Objekte, die sich wie Sterne bilden, oder um Riesenplaneten, die aus ihren Ursprungssystemen herausgeschleudert wurden?“, fragt Ko-Autor Aleks Scholz, Astronom an der Universität St. Andrews in Großbritannien. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass zumindest einige dieser Objekte einem ähnlichen Entstehungsweg wie Sterne folgen könnten, da vergleichbare Akkretionsausbrüche bereits bei jungen Sternen beobachtet wurden. Ko-Autorin Belinda Damian, ebenfalls Astronomin an der Universität St. Andrews, ergänzt: „Diese Entdeckung verwischt die Grenze zwischen Sternen und Planeten und erlaubt uns einen Blick in die frühesten Entwicklungsphasen von Einzelgänger-Planeten.“


    Durch den Vergleich des Lichts vor und während des Ausbruchs sammelten die Forschenden Hinweise auf die Eigenschaften des Akkretionsprozesses. Auffällig ist, dass offenbar magnetische Aktivität eine Rolle beim massiven Einfall der Materie spielte – ein Phänomen, das bislang nur bei Sternen beobachtet wurde. Dies legt nahe, dass selbst massearme Objekte über starke Magnetfelder verfügen können, die solche Akkretionsereignisse antreiben. Zudem stellten die Forschenden fest, dass sich während des Ausbruchs auch die chemische Zusammensetzung der Scheibe um den Planeten veränderte: Während des Ereignisses konnte Wasserdampf nachgewiesen werden, zuvor jedoch nicht. Dieses Phänomen war bislang nur bei Sternen, nicht aber bei Planeten jeglicher Art bekannt.


    Frei schwebende Planeten sind schwer aufzuspüren, da sie sehr lichtschwach sind. Doch das im Bau befindliche Extremely Large Telescope (ELT) der ESO, das unter dem weltweit dunkelsten Himmel für astronomische Beobachtungen betrieben wird, könnte das ändern. Seine leistungsstarken Instrumente und der riesige Hauptspiegel werden es ermöglichen, weitere dieser einsamen Planeten aufzuspüren und zu untersuchen – und so besser zu verstehen, inwiefern sie sternähnlich sind. Wie die Ko-Autorin und ESO-Astronomin Amelia Bayo es formuliert: „Die Vorstellung, dass ein Objekt planetarer Masse sich wie ein Stern verhalten kann, ist schlicht überwältigend – und lädt uns dazu ein, uns zu fragen, wie fremde Welten in ihren frühesten Entwicklungsphasen aussehen könnten.“


    Weitere Infos, Bilder und Videos auf den Seiten der ESO unter https://www.eso.org/public/germany/news/eso2516/