Liebe Gemeinde,
Hier mein Einsteigerbericht:
Ich heiße Christian und lebe in Ostwestfalen.
Vor ca. einem Jahr habe ich mich im zarten Alter von 42 Jahren dazu entschlossen ein Teleskop anzuschaffen. Die Begeisterung für Astronomie trage ich eigentlich seit meiner Kindheit mit mir herum. Ich habe schon früh regelmäßig Beobachtungen mit einem Fernglas durchgeführt und war immer wieder überwältigt von der Fülle an gewonnenen Eindrücken. Die wichtigsten Sterne und Sternbilder kannte ich auch bereits zuvor (drehbare Sternenkarte besitze ich seit ich 12 bin). Dazu habe ich unzählige Astro-Dokus im TV gesehen und alle möglichen Events der letzten Jahre (Sonnenfinsternis, Cassini, New Horizons, Rosetta usw.) interessiert mitverfolgt.
Normalerweise bin ich viele Wochen pro Jahr weltweit beruflich unterwegs (ich bin Vertriebsingenieur), doch 2020 sollte mir Corona einen Strich durch die Rechnung machen.
Also auf einmal - Home Office: viel Zeit und das Verlangen nach einem neuen, abendfüllenden Hobby.
Nachdem der Entschluss feststand ein Teleskop zu erwerben habe ich mich erstmal über Wochen ausführlich im Internet (Astrotreff und andere Foren, Wikipedia, Vereinigung der Sternfreunde, Händlerseiten etc.) eingelesen und mir ein Lasten-/Pflichtenheft erstellt.
- Was will ich eigentlich beobachten?
- Was stelle ich für Anforderungen an Abbildungsqualität?
- Was für eine maximale Größe ist akzeptabel?
- Wie setze ich mein Budget optimal ein („Value for Money“)?
Mir war irgendwann klar, dass es kein Allround-Gerät gibt und man irgendwo immer Abstriche machen muss.
Zusammengefasst habe ich mir folgendes notiert um anschließend darauf basierend eine Kaufentscheidung zu fällen:
- Mond, Planeten, Sonne = Priorität 1
- Deep Sky = Priorität 2
- Astrofotografie = Nein. Soviel Zeit habe ich dann doch nicht…
- Das Teleskop sollte gut transportabel sein
- Stabile Montierung
- Ein Navi mit Nachführung (GoTo) wäre hilfreich
- Der Wartungsaufwand (Justage) soll möglichst gering sein
Dadurch, dass meine Frau Fotografin ist, weiß ich was man für gute optische Instrumente ausgeben kann/muss und dass die Teleskope die es bei Karstadt in der Kinderabteilung gibt totaler Schrott sind. Zudem sind höherwertige Geräte scheinbar wertstabiler und gebraucht meistens auch nicht billig.
Letztendlich habe ich entschieden, dass als Einstieg ein 8“ Schmidt-Cassegrain oder ein 8“ Maksutov-Cassegrain für mich das richtige wäre.
Leider musste ich feststellen, dass bei den bekannten Händlern nichts sofort verfügbar war (werden wegen Corona mehr Teleskope verkauft oder kommen die Container aus China nicht pünktlich an oder ist das immer so??) und die Lieferzeiten brutal lang waren (3-6 Monate).
Dementsprechend musste ich Abstriche machen und etwas „ab Lager“ nehmen, da ich nicht solange warten wollte und habe dann ein 6“ Maksutov-Cassegrain Meade LX65 ACF (f/12) mit GoTo-Montierung gekauft, das dann auch eine Woche später geliefert wurde.
Ich habe es bis heute nicht bereut und habe das gute Stück seit der Anschaffung (Ende April 2020) an mehr als 80 Abenden benutzt, vorwiegend bei mir im Garten (Stadtrand), ein paar Mal im Teutoburger Wald und einmal im Sauerland. Zudem kostet das Teleskop heute ca. 300 Euro mehr als vor einem Jahr – alles richtig gemacht!
So kann ich folgendes Fazit ziehen:
Pro:
- Die Abbildungsqualität ist absolut überragend! Bei Mond, Planeten und helleren DS Objekten (Sternhaufen etc.) scharf bis zum Rand.
- Die Baugröße ist superkompakt, der Tubus ist nur 450 mm lang. Bei Nichtbenutzung steht das Teleskop komplett aufgebaut im Wintergarten und stört nicht wirklich
- Das Teleskop ist nach 5 Minuten aufgestellt und ausgerichtet
- Das Stativ ist aus Edelstahlrohren und macht einen wertigen Eindruck
- Die Plastikverkleidung wirkt solide und dickwandiger als nötig
- Das GoTo Auto-Alignment klappt tadellos
- Die automatische Nachführung funktioniert sehr gut, die anvisierten Objekte bleiben teils über Stunden zentriert
- Die Einarm-Montierung hat eine zweite Aufnahmeschiene, sodass man ein zweites Fernrohr (bis 3 kg) installieren kann
- Man kommt ohne externe Stromversorgung aus. Ich nutze 8x 5000 mAh Akkus (1,2 V), die Kapazität ist also 40000 mAh und hält locker mehr als einen Beobachtungsabend
Contra:
- Aufgrund der Brennweite (f/12) für Deep Sky eher suboptimal bei großflächigen Objekten (wusste ich aber vorher)
- Lange Anpassungszeit an Umgebungstemperatur
- Sehr anfällig gegen Beschlagen, ohne Tauschutz geht oft gar nichts
- Die Stellmotore des GoTo sind (bei höchster Geschwindigkeit, z.B. beim Alignment) sehr laut, klingt wie eine elektrische Kaffeemühle, eine Frage der Zeit bis sich die Nachbarn beschweren. Bei der Nachführung ist hingegen nur ein ganz leises Klicken zu hören.
- Das Batteriefach ist relativ schlecht konstruiert und fummelig zu bedienen
- Durch die Meade ACF-Technologie kann man quasi keine Reducer verwenden
- Das mitgelieferte Zubehör ist natürlich nicht so toll. Ein 26 mm Super-Plössl Okular, ein Kompass mit Wasserwaage und ein Leuchtpunktsucher. Bis auf den Kompass nutze ich nichts davon.
Bis heute habe ich noch folgendes Zubehör (überwiegend gebraucht) angeschafft:
- Okulare 10, 15, 30 mm (Explore Scientific)
- Barlow-Linsen 2x und 3x (Explore Scientific)
- Sonnenfilter (Glas, von Meade)
- UHC und O-III Filter
- Einen ganzen Regenbogen an Farbfiltern
- Winkelsucher (Orion 9x50) (an der zweiten Schiene montiert)
- Leuchtpunktsucher
- Tauschutzkappe
- Heizbänder
- 12 V – Powerbank (für die Heizbänder und für das GoTo falls ich vergessen habe die Akkus zu laden)
- Himmelsatlas von Karkoschka
Tja, und wie das so kommen musste bin ich nun auch noch zufällig stolzer Besitzer eines 10“ Volltubus-Dobson.
Das hatte ich neulich mal bei ebay-Kleinanzeigen entdeckt: Anbieter im Nachbarort, 50% vom Neupreis – also angerufen, am Geldautomaten vorbei und 30 Minuten später das Teil auf der Rückbank. Top Zustand! Leider konnte ich das Teil wetterbedingt noch nicht ausgiebig testen, erste Versuche machen aber Lust auf mehr.
Also, ich bin angefixt!
Mein Tipp an andere Anfänger: bevor man irgendwas anschafft: lesen, lesen, lesen. Ich denke, so kann man Enttäuschungen vermeiden.
Ich hoffe mein Bericht war nicht zu langatmig!
Clear Skies und bleibt alle gesund!
Gruß,
Christian