Hallo zusammen,
als ebenfalls Besitzer eines 3D Druckers bin ich natürlich mit meiner Antwort total neutral und unabhängig . Das also als Vorwarnung.
Ich bin immer wieder erstaunt, mit welch spannenden Argumenten Leute ihre Ablehnung zu einer neuen Erfindung oder Technologie zu begründen versuchen. Es ist ja eine Sache, etwas nicht zu wollen (und dann auch mit dem Fehlen desselben zu leben), aber absurde Argumente bringen genau gar nichts.
3D Druck hat sich in den letzten Jahren (oder sind es schon bald Jahrzehnte?) von einer verrückten Idee aus der Makerszene zur State-of-the-Art Technologie entwickelt und sich in diversen Bereichen fest etabliert. Wo man bei PLA-Druck bei gewissen Dingen noch müde lächeln kann (so einem unbedingt drum ist) wären diverse Technologiegebiete nicht dort, wo sie heute sind. Ein paar Beispiele:
- Luft/Raumfahrt. Von Turbinenschaufeln bis zu fast kompletten Triebwerken: hier hat 3D-Druck Dinge ermöglicht, die mit klassischen Herstellungsmethoden undenkbar sind
- Medizinaltechnik: Prothesen, Orthesen und komplette oder (als abbaubare)Strützstrukturen für Knochenaufbau) geeignete Materialien und "Bauteile" werden heute in der plastischen, rekonstruktiven Chirurgie routinemössig eingesetzt
- Prototyping, Kleinserien: Für Prototypen lohnt sich kein Spritzgusswerkzeug und subtraktive Verarbeitungsmethoden (Fräsen, etc) hat a: Grenzen bei der Machbarkeit und b: unglaublich viel "Abfall"
Es gibt sicher noch einiges mehr, das soll aber für den Moment reichen.
Umgekehrt hat sich im Privatbereich der 3D-Druck für viele Bereiche durchgesetzt und, meiner Meinung nach, einiges dazu beigetragen, dass defekte Teile eher mal nachgebaut und damit das betroffene Gerät nochmals ein weiteres Leben erhalten.
Nun aber noch zu einigen Argumenten insbesondere von Thomas:
1. Zeitaufwand Konstruktion:
Wirklich? Zählt das bei einem Hobby? Für nicht (Hobby)Astronomen stehen wir uns sinnlos nächtelang die Beine in den Bauch um Dinge zu beobachten, die andere schon hundert mal untersucht haben.
Wieder andere sammeln Briefmarken oder züchten Vogelspinnen. Das ist also ein Nicht-Argument.
Und noch was: ich habe in Unternehmen gearbeitet, in der 3D-Druck für Funktionsmuster und Prototypen eine Selbstverständlichkeit war. Also selbst im kommerziellen Bereich ist 3D Druck alles andere als Zeit- und Geldverschwendung. Konstruktion mit CAD ist selbst im Hobbybereich weder sinnlos noch Zeitverschwendung.
2. Energieaufwand: Gewiss, die Box, die Stefan gedruckt hat, könnte man auch aus Sperrholz bauen.
Dann vergleichen wir mal:
- für die Herstellung von 1m^3 Sperrholz werden 5440MJ benötigt (Quelle: https://nachhaltiges-bauen.de/baustoffe/Sperrholz). 1m^3 entspricht etwa 700kg. Auf 1kg bezogen sind das also etwa 7.77MJ.
- für die Herstellung von 1kg PLA werden etwa 54MJ benötigt (Quelle: https://www.ict.fraunhofer.de/de/presse_mediathek/pressemitteilungen/2020/2020-06-22.html). PLA benötigt also etwa 7x mehr Energie als Sperrholz
Aha. Punkt für Sperrholz. Ausser man stört sich am Rest der ganzen Holzwirtschaft, die sich nachhaltiger gibt, als sie ist. Die für Sperrholz (insbesondere höherer Qualität) verwendeten Holzarten sind *nicht* nachhaltig, egal wie man es dreht oder wendet.
Beide Produktionsmethoden haben ihren Platz, beide brauchen Energie und Resourcen, beide sollten mit Bedacht eingesetzt werden.
3. Plaste und Elaste:
Aehm: Sperrholz besteht aus 10% Phenolharz. Nur durch industrielle Verbrennung fachgerecht entsorgbar. PLA besteht aus Maisstärke und lässt sich (industriell) kompostieren resp. zersetzen. Nicht alles, was aus Kunststoff ist, ist flop, nicht alles, was aus "nachhaltigem" Rohstoff ist, ist top.
Energieverschwendung:
Üblicher 3D-Drucker für den Heimbereich: 80-150W/h. Bei 21h also 1.68-3.15kWh. So in etwa ein bis zwei mal Kochen.
Man wird, wenn man genügend lange sucht, in jeder Suppe ein Haar finden. Ich bin der letzte, der die sinnlose Verschwendung von Resourcen propagieren würde. Allerdings sollte man dann schon so konsequent sein und den gleichen Massstab an alle eingesetzten Materialien legen. Sicher, Omas Nähkästchen, so verfügbar, ist eine Möglichkeit. Bei Fehlen der und/oder desselben und Neubau aber wenig zielführend.
Was hier noch überhaupt nicht zur Sprache gekommen ist und was ich allen 3D-Druckern ans Herz legen möchte: Nanopartikel in der Luft. 3D-Druck produziert eine Unmenge davon und so ist es sehr wichtig, dass für ausreichend Lüftung (oder noch besser eine möglichst geschlossene Kapelle um den Drucker und entsprechende Lüftung nach draussen) gesorgt wird. Das ist ein Thema, das bei industrieller Produktion (schon aufgrund von gesetzlichen Vorgaben) gelöst ist. Kunststoff-Nanopartikel sind, fast egal woraus sie bestehen, schlecht für die Lunge oder Lebewesen generell.
So, soweit mein 3D-Senf zu diesem Thema. Ah, nein nochwas: Das Gehäuse, das Stefan da hergestellt hat, sieht super aus
herzliche Grüsse Robert