Alles anzeigenHallo Andreas,
mit dieser Frage begeben wir uns auf gefährliches Terrain.
Fakt 1: Jeder neigt erst einmal dazu, sein persönliches Instrument gut zu finden und zu loben. Denn Zweifel führen in der Regel dazu, dass ein Veränderungswunsch entsteht, und der ist für die meisten mit Unruhe verbunden. Schließlich bedeutet ein besseres Instrument fast ausnahmslos, dass mehr Geld in die Hand genommen werden muss. Und die wenigsten von uns haben davon so viel, dass sie dann nicht woanders sparen müssten. Die finanzielle Schmerzgrenze ist nicht für jeden gleich. Und sie ist auch nicht ausschließlich abhängig von der Höhe des monatlichen Einkommens oder dem Guthaben auf dem Konto. Ich beobachte immer wieder, dass Leute, die die Teleskoppreise unverschämt hoch finden, sich nur wenig dafür interessieren, wieviel Knowhow, Fertigungsaufwand und Zeit in einem guten Instrument stecken. Sie vergleichen es oft mit der Arbeit, die sie selbst leisten, und wenn dort die Produkte größer und komplexer sind und auch in viel größeren Stückzahlen gefertigt werden, ist das Urteil über ein Rohr mir vorn und hinten je einem Stück Glas schnell gefällt.
Fakt 2: Die Qualität eines Teleskops wirklich einschätzen zu können, setzt neben Erfahrung auch Geduld, ein gutes Auge sowie einen Hang zu Objektivität und Akribie voraus. Wer zum ersten Mal durch ein Teleskop schaut, wird den Unterschied zwischen Gurke und Premiumoptik noch nicht bemerken. Es fehlt einfach am Vergleich zu bisherigen Erlebnissen mit anderen Instrumenten. Wenn die Beobachtungsbedingungen immer identisch wären, würden wir unsere Referenzbeobachtungen viel schneller sammeln können. In der Realität kann es aber sein, dass wir von einem Highend-Apo total enttäuscht sind, weil wir das eine Mal, als wir durchschauen konnten, total schlechtes Seeing, Wolkenschleier oder sonst was hatten. Und ein paar Wochen später gucken wir durch irgendeinen Billigheimer, aber die Luft steht, die Transparenz ist hervorragend und wir sind hin und weg.
Fakt 3: Ein Premiuminstrument ist kein Garant für erfolgreiche Beobachtungen. Es gibt uns aber die Gewissheit, dass wir zu keiner Zeit unter dem realen Himmel mehr sehen könnten – außer vielleicht. mit einem größeren Teleskop gleicher Bauart und Güte. Und es befreit uns von der Unsicherheit, dass es vielleicht doch noch was Besseres gibt. Aber da begeben wir uns bereits auf dünnes Eis. Manche würden sich diese Frage gar nicht stellen. Andere schielen jedoch nach einem besseren Exemplar ihres Highend-Rohres, weil gerade irgendwer eines mit 0,5% höherem Strehlwert verkauft…
Fakt 4: Und jetzt komme ich zu den ölgefügten Fluoritobjektiven. Jenseits aller Subjektivität („mein geliebtes Teleskop …“) und aller Objektivität (Messprotokolle und Zahlen) ist es die Gesamtheit und das Zusammenspiel der Eigenschaften, die langjährige Beobachter diese Instrumente besonders schätzen lässt. Und für alle, die es nicht sofort sehen, gibt‘s noch ein schönes Experiment: Man leuchtet mit einem Grünlaser vorn ins Teleskop. Im ED-Refraktor mit Luftspalt sieht man genau, wo die Linsen sind, denn es entsteht Streulicht. Durch das ölgefügte Fluorit jedoch geht der Strahl einfach durch, als ob da nichts wäre.
CS, Jörg
Ahoi zusammen,
dieser Text gehört ganz oben bei jedem Astronomie-Geräte-Forum angehängt. Hier spricht Erfahrung, Wissen, und Selbsterkenntnis. Den dritten Punkt halte ich für den wichtigsten. Und nein, wir begeben uns nicht auf gefährliches Gebiet, sondern auf tiefe Gründe. Man kann das Thema aufteilen in die Punkte
a) Technik, und
b) Psychologie.
Bei a) werden sich wohl alle recht schnell einig: Besser ist besser, und besser ist meistens teurer. Dumm - oder geschickt - ist, daß es damit niemals sein Bewenden hat. Es sind die selbsteingeredeten oder von extern induzierten Fragen und Zweifel, mit denen man seine Existenz vermiesen oder zur Hölle machen kann. Ich kenne das aus der Zeit, als ich noch fotografiert habe (mittlerweile schaue ich mir die Dinge lieber gleich vor Ort an). Zufrieden war ich nie, bis ich mir eine (gebrauchte) M 6 leisteten konnte. Der Treppenwitz: Meine Bilder wurden tatsächlich besser, aber nur deshalb, weil der Apparat immer dabei war und ich keine Gelegenheiten mehr versäumte. Technisch wäre das auch mit einer Agfa-Box gegangen. Aber die Selbstzweifel waren tatsächlich weg.
In der Astronomie habe ich kurzfristig auch die Höher-Weiter-Schöner-Rampe betreten, bin dann glücklicherweise qua Gravitation ganz schnell wieder bergab Richtung Fußboden gerutscht. Bei mir waren es nicht pecuniäre Umstände, sondern diejenigen der Lebensumstände, alternde Augen (ich knipse nix am Himmel, was das Hubble-Teleskop schon besser konnte), steigende Bequemlichkeit. Gewicht und Bequemlichkeit lauten die Stichwörter. Das mittlerweile meistgenutzte Teleskop ist ein Fernglas.
Und das ist übrig von allen Kaufräuschen dieser Welt: Hier stehen Teleskope herum, die mir zu groß und zu schwer sind. Ein kleines Vixen auf AYO steht noch bereit, der Rest ist Nostalgie und staubt vor sich hin. Eine Fotoapparatesammlung, inclusive achtmal Leica wartet auf einen Erben, der das dann zu Geld machen darf.
Mich interessiert das alles nicht mehr. Leute, auch wenn Ihr 40 Jahre und Millionäre seit: Ihr seid schneller alt und noch schneller tot als Ihr es Euch vorstellen könnt. Das ist ein gutgemeinter Rat von (noch) diesseits des Grabes. Anstatt zu knipsen male ich lieber, und auch da gibt es Versuchungen: Der dickste Aquarallpinsel von da Vinci, dem Mercedes der Pinsel, kostet 2200 €.
Zurück zum Thema: Jetzt, nach langen Jahren der Konsumsucht, des Immer-das-Beste-Haben-Wollen (und Können), ist mein Fazit: Schaut der Natur beim Wachsen zu. Da "battled" nix (wenn der Fadenersteller denn mit seinem Denglish irgendetwas ausdrücken wollte, was sich meinen Kenntnissen entzieht). Was die eigentliche Ursprungsfrage nach dem besten aller besten Teleskope betrifft: Ein solches gibt es nicht. Eine alte Seglerweisheit sagt: Egal, wie groß Deine Yacht ist, im nächsten Hafen liegt immer noch eine größere. Anstelle des nächstgrößeren Teleskopes empfehle ich deshalb etwas Literatur: Joseph Conrad, Die Schattenlinie.
Schönen Gruß
Hans