Unterschiedliche Tragkraftangaben der Händler

  • Hallo,


    beim Stöbern durch verschiedene Händleranzeigen fallen mir immer wieder gravierende Unterschiede in der Beschreibung ein und deselben Produktes auf!
    Für potenzielle Käufer kann das sehr verwirrend sein. Mir kommt´s oft vor als ob die Händler bei bestimmten Angaben oft nur eigene "Schätzungen" bewerben.


    Hier mal ein aktuelles Beispiel:
    http://forum.astronomie.de/php…tale_Schwenkmontierung_be
    Man beachte, Belastbar bis 10Kg!


    hier sind es nur maximal 6Kg:
    http://www.astrotreff.de/topic.asp?TOPIC_ID=97277


    Ja was nun?
    Wer hat recht?
    Auf welche Angaben kann man sich letztendlich nun verlassen?


    nachdenkliche Grüße,
    Michael



    <font color="limegreen"><font size="1">Berteff "Welcher Händler hat recht?" spezifiziert und in's passende Forum verschoben. Stathis</font id="size1"></font id="limegreen">

  • Moin Namensvetter!


    &gt; Auf welche Angaben kann man sich letztendlich nun verlassen?


    Wie immer: Es kommt drauf an...
    Die max. Traglast einer Montierung ist immer abhängig davon, was für ein Teleskop draufgeschraubt wird. Eine kurze Bauweise kann durchaus schwerer sein, ein langer Refraktor oder Newton "zerrt" an der Montierung durch die langen Hebel, die auf die Achsen wirken, Stichwort: Windanfälligkeit. Deshalb sollte so eine Optik wiederum leichter sein.
    Ich kenne diese Alt-Az-Monti selbst nicht (besitze aber die Vixen Porta), aber die max. Traglast ist auch sehr von persönlichen Erwartungen abhängig: Dem einen stört ein wenig Zittern beim Scharfstellen nicht, den anderen schon. Im allgemeinen sollte das Teleskop immer so leicht wie möglich sein, denn dann hat so eine Montierung auch die meisten Reserven. Was nützt der dickste Hammer, wenn der Stiel wackelt?!

  • Also Folks: Ein bekannter amerikanischer Hersteller des unteren Preissegments stellt, ohne mit der Wimper zu zucken, einen 10 Zoll Schmidt Newton auf eine weiß lackierte GP-kompatible GOTO-fähige Chinamontierung. Da gibt es offizielle Händler in Mitteleuropa, die sich prinzipiell weigern, sowas zu liefern. Ein anderer amerikanischer Hersteller des obersten Preissegments gibt Tragkraftangaben so an, dass man bei voller Beladung auch noch bei laufender Nachführung mit einem kleinen Hämmerchen an den Tubus klopfen kann, ohne dass die garantierten 5" per. Fehler irgendwie gefährdet wären.


    Alles klar?
    Hartwig

  • Hallo,


    es ist genauso, wie Winnie schreibt.
    Ich betreibe meinen Takahashi FS-102 z.B. auf einer manchmal ausgeliehenen MON-2 Montierung. Da würde ansich jeder schreien, aber visuell geht das noch, trotz Hebels. Natürlich wackelt das beim Einstellen, aber eine andere Monti ist hier gerade nicht greifbar, also MUSS es gehen. Kaufen würde ich dafür etwas stabileres.
    Ich denke schon, daß man eine Montierung überbelasten kann, da wird nichts abbrechen, aber schön ist anders. Für einen anderen bedeutet das eben, das Ding hält und ich warte halt 30" bis der Tubus wieder ruhig steht. Wird immer funktionieren, solange kein Wind geht.


    Bei der vorgestellten Montierung halte ich Wolfgangs Angaben realistischer, sollte es sich um einen Refraktor handeln. Aber all das ist rein persönliche Geschmachssache.


    CS
    Winfried

  • Moin zusammen!


    Als Ergänzung ein Beispiel: Vixen gibt bei der Porta(-2) eine Tragkraft von "ca. 5 kg" an. So nun hatte ich spaßeshalber letztes Jahr meinen FH 102M (4" f/10) draufgeschnallt, der mit Rohrschellen und Prismenschiene ziemlich genau dieser Maximallast entsprach. Schon der Test im Zimmer war unbefriedigend: Die ganze Konstruktion zitterte sehr stark nach und ich hatte auch das Gefühl, daß die Gleitlager schon deutlich an ihrer Grenze waren. Ähnliches zeigte sich vor ein paar Wochen, als ich einen gleichschweren Meade 6" f/5-Newton daran befestigte. 5 Kilo sind hier zu viel (beim Newton zusätzlich auch der Tubusdurchmesser). Üblicherweise ist auf meiner Porta ein ca. 3 Kilo leichter FH 90/900 montiert, womit diese Montierung auch noch genug Reserve hat.
    Ich denke, ähnlich wird es sich mit der GSO-Montierung verhalten - vielleicht wird sie noch ein Kilo mehr abkönnen, aber das dürfte es dann vermutlich auch sein.
    Diese ALt-Az-Montierungskonstruktionen schwingen übrigens am meisten, je näher der Tubus zum Horizont zeigt. Das liegt einfach daran, daß die langen Teleskop-Hebel doch auf eine insgesamt zu kleine Achse treffen.

  • Das Problem mit Tragkraftangaben ist doch, dass eine Montierung kein Kran ist. Beim Kran kann man sagen, der hebt drei Tonnen - und wenn man mehr dranhaengt, muss man damit rechnen, dass er umfaellt. Die Form der Last spielt keine Rolle.


    Anders bei Montierungen - eigentlich waere die Laenge eines Instruments aussagekraeftiger als das Gewicht, da ja hier der Hebel zaehlt.


    Dann kommt es noch drauf an, was man damit machen will. Neben dem massiven Unterschied Fotografie/visuelle Beobachtung (trifft ja auf das Beispiel einer Azimutalmontierung nicht zu) kommt es auf die Objektwahl und die Leidensfaehigkeit des Beobachters an. Weitfeldbeobachtungen oder Planeten ?


    Mein Extremfall war ein leicht bauender 153/1300mm Dynascope-Newton, der auf einer "Kaufhausmontierung" (heute oft EQ2 benamst) montiert war. Es ging fuer Deepsky und bei Windstille auch mal am Planeten - empfehlen wuerde ichs natuerlich nie. [:I]

  • Hallo zusammen,


    wir könnten doch eine Art BMI (Body-Mass-Index) für Teleskope einführen.


    Beispielsweise:
    Gewicht/Tubuslänge
    oder besser -ähnlich wie beim BMI-
    Gewicht/Tubuslänge^2.
    Letzere Formel berücksichtigt m.E. stärker den "gefühlten" Effekt eines längeren Hebelarms auf die Stabilität der Montierung.


    Diese Größe nennen wir dann TMI (Tubus-Masse-Index) bzw. (Teleskop-Masse-Index).


    Mit dem TMI dürften dann vergleichbare Angaben über die Traggkraft von Montierungen möglich sein.


    War nur so eine dumme Idee[:D]


    Gruß
    Robert

  • Hi,


    <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote"><i>Original erstellt von: roblindau</i>
    wir könnten doch eine Art BMI (Body-Mass-Index) für Teleskope einführen.
    ...
    Diese Größe nennen wir dann TMI (Tubus-Masse-Index) bzw. (Teleskop-Masse-Index).
    <hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">


    Nein, für diese Grösse brauchen wir keinen neuen Namen erfinden. In der Physik nennt man das (Massen-)Trägheitsmoment.


    Gruss
    Michael

  • Moin Jürgen!


    &gt; Das Problem mit Tragkraftangaben ist doch, dass eine Montierung kein Kran ist. Beim Kran kann man sagen, der hebt drei Tonnen


    Na, das stimmt nicht so ganz: Auch beim Kran ist die Größe der Anhängelast abhängig davon, wie weit der Ausleger ausgefahren ist. Auch hier greift natürlich das Hebelgesetz.

  • Hi Winnie,


    hast natuerlich Recht - ein Kran mit Ausleger (also nicht z.B. ein Portalkran) wird ueber das Lastmoment spezifiziert, das sich aus dem Produkt von Ausladung und Tragkraft ermittelt. Oft findet diese Zahl auch Eingang in die Typenbezeichnung des Kranes.


    Aber immerhin ist die Tragkraft beim Kran, wenn auch von der Ausladung abhaengig, eine strukturelle Groesse deren Nichtbeachtung zur Zerstoerung fuehrt. Ganz anders als bei Montierungen - von einem Achsbruch wegen zu schweren Teleskops habe ich jedenfalls noch nie gehoert.

  • <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote"><i>Original erstellt von: JSchmoll</i>
    von einem Achsbruch wegen zu schweren Teleskops habe ich jedenfalls noch nie gehoert.



    <hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">


    naja, wenn du 100kg an eine EQ1 hängst, dann wird das auch passieren.
    Genauso wie beim Kran.


    Beim Kran ist nur der Unterschied, das die Last an einem Seil hängt und sich seinen Schwerpunkt selber sucht. Oben an Kranausleger ist es egal welche Form die Last hat.
    Bei der Montierung ist die Last fest angebracht und ein langer hebelarm wirkt sich direkt auf die Tragfähigkeit der Montierung aus.


    Gruß Jogi

  • Hi Jogi,


    eine EQ1 kann auch 100kg tragen. Im Maschinenbau wird die Zugbelastbarkeit einer M8-Stahlschraube mit einer Tonne angesetzt.


    Astronomischer Instrumentenbau ist so gesehen hoffnungslos ueberdimensioniert. Weils eben darauf ankommt, wie die Last getragen werden muss.


    Ich denke, eine Tragfaehigkeitsanalyse einer Montierung muesste folgenden Input haben:


    (i) Anforderungsprofil


    Welche Positioiergenauigkeit ist gewuenscht und welche Nachfuehrgenauigkeit. Wie gross darf die Vibrationsamplitude sein, und wie lang die Ausschwingzeit ?


    (ii) Lastprofil


    Welches Teleskop soll montiert werden ? Welches Gewicht, wie lang ist es ?


    Aus (i) und (ii) erfolgt dann eine Mindestanforderung, die eine gegebenen Montierung erfuellen muss.


    Und genau hier beginnen die Probleme. Was dem einen Beobachter zu sehr stoert, kann fuer den anderen in Ordnung gehen. Das Anforderungsprofil ist also sehr dehnbar. Ausserdem kann man Kombinationen nicht immer ausprobieren bzw. keine numerische Analyse zu Durchbiegungen und Schwingverhalten anstellen.


    Deswegen die hohe Streuung bei der Frage, wie "tragfaehig" eine Montierung ist. Den Tragkraft-Grenzfall a la Baukran (Verlust struktureller Integritaet wie Riss des Seiles oder Umsturz) erreichen wir beim Fernrohr in der Regel nicht. Auch wenn manche hoffnungslos untermontierte Billigfernrohre aussehen, als koennten sie jeden Moment in sich zusammenfallen ...

  • Hallo,
    zum Thema Tragfähigkeitsangaben gibt es meines Wissens überhaupt keine verbindliche Norm oder Messvorschrift. Die Hersteller der Montierungen geben irgenteine, schön geschätze Tragkraft an.
    Bei den kleinen Montierungen wie z.B. EQ3 und EQ5 , mit denen ich mich
    schon ausführlicher beschäftigt habe, würde ich überhaupt keine Tragkraft angeben, die halten überhaupt nichts.
    Eine Gewichtsangabe für ein Teleskop ist alleine kaum brauchbar, es kommt noch auf die wirksame Hebellänge an, mit der das Teleskop zur Drehache der Deklination verbunden ist. Schließlich kann der Teleskoptubus, also das Rohr selbst noch durchhängen. Wichtig ist auch noch die Vergrößerung, die man betreiben möchte. Ein Teleskop mit
    langer Brennweite und starker Vergrößerung reagiert viel unangenehmer auf eine biegsame Montierung als ein Teleskop gleichen Gewichtes, aber mit nur kurzer Brennweite und schwächerer Vergößerung.


    Der einzige Weg, herauszufinden was eine Montierung wirklich trägt, wäre im Forum herumzufragen wer welche Erfahrungen mit bestimmten Montierungen hat und welches Teleskop er damit verwendet.

  • Hallo,


    ich denke, neben der "normalen" Traglastangabe spielt auch die Beschaffenheit der Montierung selbst eine Rolle. Eine Vixen GP wird z.B. mehr und besser tragen als ein (schlampig) nachgebauter Clone.
    Und die oben vorgestellte portable Montierung besitzt die Schwalbenschwanzaufnahme seitlich und nicht, wie bei den meisten Montierungen üblich, oben. Schon dadurch kann sie aufgrund des Hebels viel weniger tragen, da das Gewicht seitlich abgetragen wird und nicht direkt auf die Montierung "drückt".


    CS
    Winfried

  • Das Thema hatten wir vor längerer Zeit schon mal. Die einzige Möglichkeit, vernünftige Angaben zu bekommen, ist zu messen.


    Dazu lege man einen Wert für Auslenkung fest, der nicht überschritten werden soll. Zum Beispiel 10" für visuelle Beobachtung, 3" für fotografische. (nur Hausnnummern, man kann das auch anpassen, je nach Brennweite und Objekt)


    Dann nehme man eine Kombination von Teleskop und Montierung und übe eine definierte Kraft auf das Teil aus, das den längsten Hebelarm hat. Nun kann man eindeutig entscheiden: Diese Kombination ist gut oder nicht ausreichend. Alternativ nennt man nur die Werte der tatsächlichen Auslenkung.


    Für Messfanatiker ist das ausbaufähig: man misst in drei Achsen und bestimmt auch Amplitude und Frequenz bei einer stoßförmigen Anregung, wiederum in 3 Achsen. Es klingt jetzt etwas geschraubt, aber nur so kann man dem Problem beikommen und hat vergleichbare Werte.

  • <blockquote id="quote"><font size="1" face="Verdana, Arial, Helvetica" id="quote">Zitat:<hr height="1" noshade id="quote"><i>Original erstellt von: Astrohardy</i>
    <br />Ein bekannter amerikanischer Hersteller des unteren Preissegments stellt, ohne mit der Wimper zu zucken, einen 10 Zoll Schmidt Newton auf eine weiß lackierte GP-kompatible GOTO-fähige Chinamontierung.<hr height="1" noshade id="quote"></blockquote id="quote"></font id="quote">
    Wozu in die Ferne schweifen? Mitten in Deutschland bietet ein Händler 12" f/5 Volltubus-Newtons auf EQ6 an.


    Grüße,
    Michael

  • Hi Jürgen,


    ob die EQ1 die 100kg aushält [:D]


    Eine Stahlschraube M8 hält über eine Tonne- wenn diese Schraube den Anforderungen der DIN entsprechend gefertigt wurde.


    Zum einen bezweifel ich das für chinesische Schrauben (aus Erfahrungen die unsere Fertigung in China mit Lieferanten vor Ort gemacht hat) und zum anderen wird es der sehr einfache Aluguß der Montierung nicht aushalten. Was nutzt es wenn die Schraube halten würde, aber das Gewinde im Alu ausreißt oder sich die Achse verbiegt.


    Zum Problem allgemein- bei Vixen findet man z.B. Lastangaben die sich auf einen definierten Abstand der Last von der Aufnahmeplatte oder der Achse beziehen. Damit also eine Angabe abhängig von Typ oder Art des Teleskops.


    Gruß
    Stefan

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