<b>Einleitung</b>
Jeder Telekopbesitzer kennt wohl den Sterntest am Himmel. Falls noch nicht dann folgendes: Man nehme das Teleskop bestückt mit einem Okular für hohe Vergrößerung und richte es auf einen Stern. Wenn dann das Seeing ausnahmsweise nicht stört und die Optik perfekt ist sieht man etwa folgende Bilder, wie hier mit dem Simulationsprogramm „Aberrator“ synthetisiert:
<b>Bild 1 </b>
Fokal heißt, das Okular ist in Kombination mit dem Auge des Beobachters genau auf den Brennpunkt (Fokus) des Objektivs eingestellt. Das ist die Einstellung bei der man üblicherweise beobachtet. Für Testzwecke nutzt man aber auch die intrafokale bzw. extrafokale Einstellung. Hierzu wird das Okular etwas in Richtung Objektiv oder Hauptspiegel verschoben bzw. in die entgegegesetzte Richtung.
So schön lehrbuchmäßig wie im obigem Bild geht das in der Praxis näherungsweise nur dann, wenn man mit monochromatischem Licht arbeitet, weil der Durchmesser der Ringe bzw. des zentralen Beugungsscheibchens mit der Lichtwellenlänge bei sonst unveränderten Bedingungen wächst. Das hat nichts mit dem möglichen Restfarbfehler von Refraktoren oder katadioptischen Teleskopen zu tun. In folgenden wird angenommen, dass der Farbfehler keine nennenswerte Rolle spielt. Das kann man zumindest bei Refraktoren der oberen Preisklasse darf.
Harald Suiter hat in seinen höcht empfehlenswerten Buch
„Star Testing Astronomical Telekopes“ fast ausschließlich synthetische Sterntestbilder zur Darstellung von typischen opt. Fehlern verwendet. Man kann das im gewisssen Maße mit dem bereits genannten Programm „Aberrator“ selber nachvollziehen. Es geht aber auch noch ganz anders und vor allem vielseitiger, wenn man moderne Auswerteprogramme wie z. B. „openFringe“ verwendet. Damit kann man u. a. fast beliebige synthetische Interferogramme mit und ohne opt. Fehler generieren und ebenso an hand von diesen sowie von echten Interferogrammen Sterntests simulieren.
<b>Strehlzahl und Sternabbildung</b>
Die Strehlzahl S ist definiert als das Verhältnis:
<i><b>tatsächliche Intensität / theoretisch mögliche Untensität im Zentrum des fokalen Beugungsscheibchens. </b></i>
Bei perfekter Optik ist die Strehlzahl = 1. Alle opt. Fehler mindern dieses Verhältnis.
Die Messung der Strehlzahl erfolgt i. a. nur indirekt, z. B. mittels Interferometer oder Foucault- Schnittweitenmessung. Dabei werden eben nicht alle opt. Fehler erfasst. Prinzipiell sind daher die so ermittelten Strehlzashlen höher als die definitionsgemäß wirksamen.
Die gebräuchlichen Auswerteprogramme basieren meist auf dem Rechensystem nach Zernike mit sog. Zernike Koeffizienten (ach Zrnike Terms oder "Zernikes" genannt ür typische Fehler. Das folgende Bild zeigt die in „openFringe“ installierten „Zernike Terms“
<b>Bild 2</b>
Damit kann man die in Interferogrammen erfassten opt. Fehler schon recht detailliert verarbeiten.
Aber selbst bei perferkter Messung der Strehlzahl hat man keine Information darüber, wie denn optischen Fehler die Lichtverteilung im Bereich der Beugungsringe beeinflussen. Genau das interessiert insbesondere bei der Beobachtung von Doppelsternen. Schon geringe Abweichungen von S = 1 führen zu deutlich sichtbaren oder gar störenden Veränderungen im Erscheinungasbild der Beugungringe. Außerdem, wenn schon ein teurer Refraktor dann soll er auch blitzsaubere Sternbilder zeigen. Mit dem echten Sterntest am Himmel findet man zwar derartige Fehler, aber das kannn insbesondere in unseren Breiten wegen der fast ständig wirksamen Seeing- Störungen dauern, i. A. länger als das Rückgaberecht für das Teleskop. Beigefügte oder sonstwie greifbare Labor- Sterntestbilder sind in den meistem Fällen eher von suboptimale Qualität. Darauf werde ich noch eingehen. Es bleibt also noch der synthetische Sterntest auf Basis vorhandener Interferogramme. Hierzu erst eine kleine was wäre wenn Aufwärmübung ohne echte Interferogramme.
Nehmen wir also den Fall an mehrere Edel- Refraktoren seien lt. ordentlich durchgeführter Interferometermessungen Strehl = 0,96 (oder so ungefähr zumindest) gut. Was wäre wenn der Restfehler jeweils ausschließlich auf sphärische Aberration oder Koma oder Astigmatismus oder Verspannung ect. zurückzuführen wäre?
<b>Sphärische Aberration, Terms „Spherical“ und „7th Spherical“</b>
Openfinge bietet „Spherical“ bis „7th Spherical“ an. Zur anschaulichen Unterscheidung der entsprechenden Wellenfrontbilder
<b>Bild 3</b>
Die Wellenfrontdeformationen scheinen dramatisch unterschiedlich zu sein, so lange man die zugehörigen Skalen nicht beachtet. 0,108 zusammen mit der Farbe purpur (linke Skala gilt für 1. Ordnung) bedeutet, dass die Wellenfront um 0,108 Wellenlängen von null = dunkelbau abweicht. Das wäre hier auch der PtV- Wert. Entsprechendes gilt für die sphärische Aberration 7. Ordnung mit 0,187 Wellenlängen. Das Programm macht per default eine automatische Skalierung. Demnach würde ein völlig bedeutungloser PtV Fehler von nur 1/1000 lambda genau so krass erscheinen wie in den obigen Plots.
Nach dem Einlesen von Interferogrammen werden automatisch alle „Zernikes“ in der obigen Liste berechnet. „Piston“, „Xtilt“ „Ytilt“ und „Defokus“ werden aber nicht aktiviert, weil für die übliche Auswertungsprozedur unnötig. So wie ich das bisher verstanden habe braucht man diese 4 Terme nur für die Darstellung von synthetischen Interferogrammen.
Die aus denselben Zernike Datensätzen berechneten Sterntestbilder und MTF- Kurven sehen so aus:
<b>Bild 4</b>
Bei den beiden fokalen Sternbilddern findet man keinen Unterschied. Sie sehen auch blitzsauber rund und rundherum gleich hell aus. Eine Beeiträchtigung der Doppelstern Auflösung durch geringe sphärische Aberration ist daher nicht zu erwarten. Für eine derartige Abschätzung braucht man nicht unbedingt eine Skala.
MTF steht für ModulationsTranferFunktion womit die Kontrastübertragung ( "Contrast %") des Teleskopobjektivs gemeint ist. „Resolution ArcSec“ (Auflösung Bogensekunden) damit ist der Winkelabstand der Streifen eines hypothetischen Testgitters gemeint. Er bezieht sich auf die hier gewählte Objektivöffnung von 110 mm. Nehmen wir z. B. den Wert 10 Bogesekunden an, dann würde ein ideales Objektiv ca. 85% des Gitterkontrastes in die Gitterabbildung übertragen. Bei dem hypothetischen Objektiv mit sphärischer Aberration 7. Ordnung wäre die Kontrastübertragung ca. 4% geringer. Nach Augenmaß ist diese relativ geringe Kontrastminderung schon die größmögliche Minderung als Folge von sphärischer Aberration 7. Ordnung mit PtV = 0,187 lambda, hier gleichbedeutend mit S = 0,96.
Die gleiche Strehlzahl, aber verursacht von sphärischer Aberration 1. Ordnung wirkt sich tendeziell etwas weniger kontrastminderd aus. Dass überhaupt sphärische Aberration präsent ist erkennt man an den jeweils unterschiedlichen intrafokalen/etrafokalen Sternbildern. Für beide Fälle kann man annehmen, dass das Objektiv nahezu höchstmögliche Kontrastübertragung erreicht, was für die Beobachtung von flächigen Objekten jeder Art sehr wichtig ist.
<b>Astigmatismus Terms „Astig“ und „3rd Astig“</b>
<b>Bild 5</b>
PtV= 0,157 lambda wave Astigmatismus 1. Ordnung (auch Zweischalen- Astigmatismus genannt) bewirkt Strehl = 0,96. Das gleiche tut auch Asti. 3. Ordnung aber bei PtV =0,242 lambda wave.
<b>Bild 6</b>
Man muss sich schon ganz genau das fokale Beugungsbild anschauen um den hier geringen Asti. 1. Ordnung zu erkennen. Der erste Beugunsring erscheint an seinem Innenrand eher quadratisch mit gerundeten Ecken. Die extra/intrafokale Darstellung erscheint dagegen noch als fehlerfrei. Die Minderung der Kontrastübertragung ist fast vernachlässigbar.
Asti 3. Ordnung erkennt man eher an der Licht- und Schärfeverteilung des äußeren Fresnel- Ringes in den extra/intrafokalen Bildern (so etwas und ebenso Asti 2. Ordnung gibt es auch in echt, z. B. bei Schiefspieglern mit torisch deformierten Spiegeln sowie bei größeren Parabolspiegeln). Die negative Wirkung auf die Kontrastübertragung ist deutlich höher als bei Asti 1. Ordnung aber geringer als bei sphärischer Aberration gemäß Bild 4.
<b>Koma, Terms "Coma" und "3rd Coma" </b>
<b>Bild 7</b>
Das Bild verdeutlicht den Unterschied in der Wellenfrontdeformation bessser als jeder Langtext.
<b>Bild 8</b>
Das fokale Bild unter 1. Ordnung zeigt unverkennbar einen nicht vollständig geschlossenen 1. Beugumgsring mit einseitiger Aufhellung. Dies wirkt sich nachteilig auf das Trennvermögen bei eng benachbarten Doppelsternen aus. Unter 3. Ordnung sind nicht rotastionsymmetrische Lichtverteilungen in allen 3 Bildern erkennbar. Die negativere Wirkung auf die MTF ist tendenziell etwas stärker als bei sphärischer Aberration gemäß Bild 4
<b>Dreiecksdeformation, Terms „Trefoil“</b>
Hier hab ich mich auf die Deformation 1. Ordnung beschränkt.
<b> Bild 9</b>
<b>Bild 10</b>
Die Auflösung des 1 und 2. Beugungsringes in jeweils 3 „Lichtbohnen ist unverkennbar. Ich kann mir gut vorstellen, dass so etwas bei der Doppelsternbeobactung stören kann.
<b>Praxisbeispiel 110 mm f/7 APO, (Dreilinser)</b>
Vor einigen Monaten bat mich ein Sterrfeund um Messhilfe zwecks Justierung seines APOs. Das Teleskop zeigte nach seiner Einschätzung Astigmatismus beim Sterntest am Himmel.
Es war kein Problem das Gerät in Autokollimatin vor mein Iinterferometer aufzubauen. Wir einigten uns darauf, dass er für die Justierschrauben am Teleskopobjektiv verantwortlich war und ich nur für die Stellschrauben am Interferometer. (Nach der Justieraktion an meinem ED 5“ f/9 Zweilinser komme ich nicht so schnell in Versuchung an einem Dreilinser herumzuschrauben).
Zur Sicherumg des Befundes wurde 4 Interferograme „openFringe“ verarbeitet.
Das nächste Bild zeigt ein representatives Interferogramm des Refraktors aufgenommen vor der Schraubaktion.
<b>Bild 11</b>
Aus den 4 Interferogrammen kann man z. B. die Wellenfrontdeformation ermitteln.
<b>Bild 12</b>
Wenn man wie hier die Qualität eines gebrauchsfähigen Teleskops ermitteln will ist es nicht zulässig für das Endprotokoll Terms zu „Disable“n (d. h. desaktivieren oder ausknipsen). Refraktorprüfprotokolle wo z. B. „Spherical oder „Coma“ desaktiviert sind darf man mit gutem Gewissen weniger ernst nehmen. Das gilt ebenso für katadioptische Systeme, Cassegrais und Schiefspiegler. Es ist etwas ganz anderes, wenn man einzelne Fehler separat quantifizieren oder darstellen will. Dazu muss man halt alle Terms bis auf die interessierenden desaktivieren. Z. B. wenn ich nur nach Koma frage bleiben nur die Terms „XComa“ und „YComa“ aktiviert. Man bekommt dann die farbige „Höhenkarte“ ähnlich wie oben mit der angepassten Farbskala. Ihr Maximalwert ist der PtV Wert für den ausgewählten Fehler Koma 1. Ordnung. Hier die wesentlichen Ergebnisse einer derartigen Analyse geordnet nach Größe des jeweils zugehörigen PtV in Wellenlängen bezogen auf 550 nm:
alle Fehler zusammen : 0,48
Asti. 1. Ordnung: 0,382
Koma 1. Ordnung: 0,214
nur sphärische Aberration: 0,084 (alle 7 Ordnungen zusammen)
Die weiteren Fehler sind wesentlich geringer, so dass ich auf die Auflistung verzichtet habe. Man darf sie aber nicht aus der Liste für die Endbeurteilung streichen, denn Kleinvieh macht bekanntich auch Mist.
Nun weiß ich immer noch nicht wie sich die erfassten Fehler insgesamt auf die allerwichtigste Kenngröße nämlich auf die Kontrastübertragung und für Refraktorioner kaum weniger interessant auf die fokale Sternabbildung auswirken.
<b>Bild 13</b>
Bereits aus der obigeb PtV liste wurde deutlich, dass Asti und Koma die dominierenden Fehler sind. Das wird auch an der Sternabbildung deutlich. Aber auch S = 0,73 und die stark durchhängende MTF- Kurve zeigen an, dass mit dem Objektiv etwas oberfaul war. Es lohnt nicht die MTF- Kurven für die Einzelfehler darzustellen. Praztisch nützlicher ist eher Minimierung der Hauptfehler.
Nach mehrstündiger Schraub- Messorgie kamen wir zu der Einsicht, dass man hier die Möglichkeit hat Koma echt wegzuschrauben, aber bei Asti war nicht viel zu bewegen. Dazu müsste man die Objektivfassung gegenüber dem Tubus justieren können. Das hatte ich schon vor Beginn der Aktion befürchtet aber es hätte vielleicht sein können, dass man mit den radialen Stellschrauben nicht nur Koma sondern auch auch Asti unter Kontrolle bekommt.
Bei diesen Arbeiten war es äußerst nützlich, dass man den Sterntest auf dem Prüfstand auch direkt visuell durchführen konnte. Um dabei die Details im fokalen Sternbild sehen zu können braucht man neben hoher Vergrößerung einen künstlichen Stern, den das Teleskop als Stern wahrnimmt. Dazu muss sein scheinbarer Durchmesser deutlich kleinert sein als das Beugungsscheibchen D der Abbildung. Beim Test in Autokollimatin gilt die Formel
D = 2,44 x Lichtwellenlänge x Teleskopbrennweite / Objektivdurchmesser.
Für 535 nm und obigem, 110 f/7 wird D= 0,0091mm.
Mit Pinhole 25my ( = 0,025 mm) oder ähnlich sieht man fokal nur ein Scheibchen ohne eine Spur von Beugungringen. Bei fotografischer Dokumentation sieht man damit nur einen praktisch informationlosen Lichtkleks als fokales Sternbild flankiert von extra- intrafokalen Bildern bei denen man alle Mühe hat die Artefakte von echter Information zu trennen.
Der Refraktor wurde also zur Nachbesserung eingeschickt. Vor wenigen Wochen erhielt ich ein Interferogramm auf dessen Basis die „nachher“ Stertestbilder sowie die grüne MTF- Kurve generiert wurden. Unter der Annahme, dass dieses Interferogramm representativ ist und auch wirklich zu dem Teleskop gehört kann man sagen, dass es jetzt fast perfekt ist. Sicher wird uns der Eigentümer nach ensprechenden Tests am Himmel davon berichten.
Weitere Praxisbeispiele mit „openFringe“ unter Nutzung des synthetischen Sterntests siehe unter: http://www.astrotreff.de/topic…42&SearchTerms=openfringe?)
http://www.astrotreff.de/topic…ID=63920&SearchTerms=ToKu
http://www.astrotreff.de/topic.asp?TOPIC_ID=78371
Gruß Kurt