Hallo zusammen,
nachdem immer wieder Fragen in Bezug auf die Konstruktionen von Dobson-Teleskopen zum Thema wurden, habe ich mich entschlossen, hierzu auch mal ein wenig beizutragen.
Bei der (Eigen)Konstruktion eines Dobson-Teleskops wäre es natürlich interessant, bestimmte Eigenschaften des realen Teleskops bereits vor der eigentlichen Herstellung zu kennen. Damit hätte man die Möglichkeit, Konzept und Details nah ans Optimum zu bringen, und den oftmals nachträglichen realen Optimierungsprozess abzukürzen.
Hierzu bietet sich die FEA (Finite Elemente Analyse) an, die auch hier im Forum an mancher Stelle zitiert bzw. auch eingesetzt wurde (gebogene Streben, Vorspannung etc.).
Damit das nun etwas mehr mit Leben gefüllt werden kann, habe ich mal ein Diskussionsbeispiel durchgerechnet:
<font color="red">ein Dobson-Teleskop, D=400mm f/5</font id="red">.
Die Gesamtmasse beträgt
<font color="red">incl. Spiegel und Nagler-Okular 32,6Kg</font id="red">.
Die Gestaltung habe ich so vorgenommen, das alle Abmaße, Massen und Randbedingungen usw. ein möglichst echtes Teleskop darstellen.
Leider kann das verwendete FE-Programm nur ´Statik´, es lassen sich für jeden Knotenpunkt des Modells die Materialspannung (Farbdiagramme) und die Durchbiegung als Wert und in der Geometrie ermitteln. Dynamische Untersuchungen sind hiermit leider nicht möglich, damit entfällt mit diesem Programm die Eigenwertanalyse – Also die Ermittlung derjenigen Schwingungsfrequenzen, die bei spontaner Erregung Vibrationen verursachen.
Das Programm ist mittlerweile ca. 12 Jahre alt (soviel ich weiß), ich musste mir extra einen DOS-Rechner konfigurieren, mit einer VM lief es leider nicht, da mir der Hardwareschutz am Parallelport Probleme machte... Naja, und die Grafiken und die Ergebnisdarstellung sehen auch etwas altbacken aus, das liegt ebenfalls am Programm - Sorry dafür, bekomme es leider nicht viel besser hin...
Vorgehensweise:
Die Belastung der Gesamtkonstruktion wird nur durch die eigene Geometrie und die Werkstoffe (-> Eigenlasten) hervorgerufen. Es wurden keine zusätzlichen freien Lastannahmen gemacht. Damit sind alle erzielten und weiter unten dargestellten Einzelergebnisse Teil der Gesamtlösung, und nicht eigenständige (ungenauere) Einzellösungen.
Und: Obwohl in einigen Darstellungen nur kleinere Ausschnitte oder Bauteile dargestellt sind, so sind die Ergebnisse immer aufs Gesamtmodell bzw. Gesamtergebnis bezogen.
Bild 1: Die Gesamtkonstruktion
Hier mal eine Gesamtansicht des Tubus. Die Einzelnen Geometrien werden weiter unten beschrieben. Für alle Elemente wurde Aluminium als Werkstoff gesetzt.
Die Berechung des Tubus erfolgt in extremer Position: in exakt horizontaler Ausrichtung der optischen Achse (hier: X-Achse). Dies liefert für die Deformationen die maximal ungünstigen Ergebnisse. Wir wollen ja nix schönrechnen... [;)]
Bild 2: Spiegelzelle
Der Tubus besteht aus einer Spiegelzelle mit den Profilachsmaßen (500x500x150)mm.
Die Kasten- und hinteren Diagonalstreben bestehen aus Quadratrohr QR25x2 (im Bild grün dargestellt), die seitlichen diagonalen Verstrebungen bestehen aus QR15x2 (im Bild blau dargestellt). Alle Eckverbindungen und Profilkreuzungspunkte sind als biegesteif definiert.
Die Gesamtmasse ohne Spiegel beträgt ca. 4,3Kg
Spiegelaufhängung:
Die Kreuzungspunkte der im Bild seitlichen QR15x2-Profile sind jeweils mit 75N belastet: dies entspricht einer Spiegellast von insgesamt 15Kg.
Lagerung des Teleskops:
Das Teleskop ist in den im Bild vorderen oberen und unteren Eckpunkten gelagert. Die Definition der Lagerung entspricht einer festen Montage in Höhenrädern.
Diese müssen durch ihre Geometrie und Anbringung und der Lagerung in der Rockerbox ein Momentengleichgewicht zwischen Hut und Spiegelzelle herstellen können. Da uns, bezogen auf die Optik, zunächst nur das Teleskop interessiert, bleiben Rockerbox und Höhenräder hier unbetrachtet.
Verbindung von Spiegelzelle und Hut:
Für die Verbindungsstreben zwischen Spiegelzelle und Hut wurde Rundrohr (RR) 25x2 eingesetzt. Der Abstand von Spiegelzelle und Hut wurde auf eine Teleskopbrennweite von 2000mm konstruiert. Die Verbindungspunkte von Streben und Hut wurden wieder als biegesteif definiert. Dadurch steigt die Steifigkeit etwas, allerdings werden bei Deformation nicht nur reine Normalspannungen (reine Druck- oder Zugspannungen) sondern zusätzlich ungünstigere Biegespannungen erzeugt. Die hätten wir nu´ auch gerne gekannt...
Bild 3: Der Hut
Daten:
Achsinnendurchmesser des Alu-Blechs: 209mm
Außendurchmesser der 12mm-Aluringe: 250mm.
Gesamtmasse des Huts: 7,3Kg
Masse des OAZ ohne Okular: 1,05Kg
Der Hut besteht aus einem zylindrischen Grundkörper aus 2mm starkem und einer oberen und unteren Ringkonstruktion aus 12mm starkem Aluminiumblech. Die drei Elemente sind als fest miteinander verbunden definiert. Zur weiteren Verstärkung sind im jeweils seitlichen Bereich der Strebenaufnahmen zwei Rundrohre RR15x2, die den oberen und unteren Aluminiumring verbinden, angeordnet (im Bild dunkelbraun dargestellt). Wir werden ggf. sehen, wie sinnvoll diese sind.
Die Spinne besteht aus 0,8mm starkem Alu-Blech, Strebenhöhe ca. 80mm.
Der Fangspiegel mit Halterung ist als Belastungselement natürlich ebenfalls mitsimuliert.
Damit eine realitätsnahe Gesamtbelastung berücksichtigt werden kann, ist zusätzlich ein Okularauszug mit einer Masse von ca. 1Kg und zusätzlich einem Okular von 1Kg (z.B. Nagler 31mm o.ä.) seitlich angeordnet. Dieser ist auf zwei Streben RR15x2 montiert.
Die Geometrie des Huts im Bereich des OAZ berücksichtigt die reale Lage (Fokus) des erwähnten Nagler-Okulars.
Die Ergebnisse:
Bild 4: Der Hut
Dargestellt sind die Spannungen der Schalen- und Volumenelemente für jeden Knotenpunkt des Netzes, dazwischen wurde interpoliert. Bitte Beachten: Die im Bild gelb dargestellten Streben sind Balkenelemente, deren Spannung hier nicht referiert ist! Sie sind in diesem Bild reine Geometrie.
Bild 5: Die Spiegelzelle, Balkenspannungen und Deformationen
Dargestellt sind die Balkenspannungen in den einzelnen Knoten der Streben, zu erkennen ist zusätzlich der Biegespannungsverlauf in den einzelnen Stäben.
Die Biegespannungen werden infolge der Deformation durch die biegesteifen Strebenverbindungen erzeugt.
Bild 6: Das Strebensystem
Dargestellt sind die Balkenspannungen und Deformationen der Streben zwischen Hut und Spiegelzelle, es gilt die zu Bild 5 analoge Bemerkung.
Bild 7: Die Deformation in maßloser Übertreibung
Hier: Der Versatz und Biegelinien (rot) und die Modellstruktur (schwarz)
Die Auswertung:
Über die Auswertung der Ergebnisse kann man wahrscheinlich lange schreiben, und für weitere Optimierungsschritte könnte dasselbe noch mal gelten...
Trotzdem einige unvollständige Anmerkungen:
Man sieht, dass die ermittelten Spannungen für alle Bereiche der Konstruktion weit unterhalb der maximal zulässigen liegen. Dies zu zeigen war natürlich nicht Ziel der Übung, und jemand nannte diese Bauweise eines Dobson im Forum mal ´hoffnungslos überdimensioniert´ - hier nun auch in der Theorie nochmal klar und unzweifelhaft festgestellt. [;)]
Uns interessiert eher die Versetzung bestimmter Punkte unter der Fragestellung: ´In welchen Bereichen ergeben sich die größten Deformationsdifferenzen bzw. Sprünge, und wie können diese behoben werden?´.
Hier mal nur zwei Ergebnisse für den totalen Versatz (d.h. die dx-,dy- und dz-Angaben sind bezogen auf das Gesamtkordinatensystem, relative Beziehungen zueinander können durch die jeweiligen Differenzen errechnet werden) für die Bereiche:
Fangspiegel
dx=-3,647*10^-6mm
dy=-0,00052mm
dz=-0,14366mm
OAZ/Okular
dx=-0,00025mm
dy=-0,01182mm
dz=-0,19694mm
Möglichkeiten solcher Modelle:
Die Berechung von Varianten, die z.B. abweichende Profildimensionen verwenden, ist natürlich möglich. Die Fragestellungen
- welches Streben-Profil bringt in Bezug von Abmessung und Eigenlast das optimale Ergebnis
- welche Konstruktion der Spiegelzelle bringt die höchste Steifigkeit
- in welchen Bereichen bringt höhere Steifigkeit das beste Ergebnis für die Erhaltung der Lage der optischen Achse ->
- mit welchen Konstruktionen oder Maßnahmen bekommt man es hin, dass der Spiegel sich um das gleiche Maß absenkt, wie der Hut, damit die Kollimation erhalten bleibt
...
Mir fallen so viele Szenarien allein für die Statik ein, dass eine Prüfung den Rahmen hier wohl sprengen würde. Und wenn man das Dynamik-Modul einsetzen könne, dann wäre noch viel mehr drin...
In Erste Linie wollte ich aber nur mal ein konkretes Beispiel rechnen. Interessant wäre es aber unbedingt, zu erfahren, ob die hier ermittelten Deformationen im Bereich der Realität liegen?
Wenn die Ergebnisse im gleichen Bereich liegen, könnte man die Realitätsnähe untermauern.
Damit wäre der reale Nutzen von (auch nachträglich) errechneten Optimierungen besser einschätzbar!
Das kann man ja mal zur Diskussion stellen... [;)]
Gruß
Heiko