Hallo Leute,
wißt Ihr, was pervers ist?
Wenn sich Hobbyastronomen spät abends bei klarem Himmel in der Innenstadt von München treffen, um dann stundenlang über Optik zu diskutieren[:o)]!
Nun ja, ich war gestern auch dabei. Als kleine Entschuldigung mag gelten, daß erst gegen 2:00 Uhr MEZ Monduntergang war.
Es ist sehr spät geworden, und so bestaune ich gegen 01:35 Uhr kurz bevor ich zu Hause ankomme einen fantastischen Voralpenhimmel mit visueller Grenzgröße ca. 6,2m um Polaris - im Zenit noch mehr, am Horizont weniger wegen Dunst. Die Temperatur beträgt auf dem Hügel, auf dem ich stehe, ca. 10 °C. Etwas tiefer liegt kalte Luft mit nur 6-7°C. Es ist völlig windstill. Praktisch fehlendes Sternflimmern läßt auf gutes Seeing schließen.
Die Sommermilchstraße vom Schwan bis zum Skorpion steht schon in voller Pracht am Himmel, der Löwe ist noch nicht untergegangen und in Zenitnähe schimmern Herkules und der große Wagen.
Ich halte an einem Aussichtspunkt an, von dem aus man bei guter Sicht fast das gesamte Alpenvorland überblicken kann.
Viele kleine und mittlere Lichtglocken über Ortschaften stören durch die sehr transparente Luft nur wenig.
Erst einmal genieße ich den Anblick direkt mit eigenen Augen.
Mangels größerem Gerät im Auto kommt nun das neu gekaufte Bresser 10x50 Billig-Fernglas vom Lidl zum Einsatz. Der Himmel ist heute wie geschaffen für die Fernglasbeobachtung.
Nun denn, dann will ich mal sehen, was dieses Fernglas zu zeigen imstande ist - und welche Objekte ich aus dem Gedächtnis finde:
M81 ovaler Fleck ca. 1,5:1, leicht diffus auslaufend
M82 länglicher Fleck ca. 2,5:1 stärkerer abgegrenzt
M51 und NGC5195 längliche Aufhellung ca. 2:1, Kernbereiche heben sich nicht ab
M101 schwacher Fleck indirekt ständig zu halten, annähernd rund aber unregelmäßig erscheinender Randbereich
M13 schon ziemlich großer und heller Fleck, von Mitte zu Randbereich stetig abnehmende Helligkeit, auch ohne Fernglas bereits indirekt zu sehen
M92 deutlich kleiner als M13, ansonsten änliche Erscheinung
M57 Ringnebel in der Leier als schwacher, leicht diffus erscheinender Stern auszumachen, der sich bereits von "normalen" Sternen in der Umgebung unterscheidet
NGC7000/IC5067 Nordamerika-Nebel nach einigem Schauen "rastet" die Dunkelwolke dazwischen/um IC5067 im Auge ein, speziell der Bereich von "Mittelamerika" bis zur "Ostküste" ist deutlich auszumachen.
NGC6992/6960 Cirrus-Nebel leider nicht gesehen, vermutlich steht er noch zu tief im Dunst. Das wird bei besseren Bedingungen erneut versucht!
M27 deutlich als flächiger Nebel in der kompletten Ausdehnung zu sehen, die zentrale Spindel hebt sich bereits deutlich ab.
M4 sehr heller KS im Skorpion, kommt mir beinahe so prächtig vor wie M13. "Zentraler Balken" aber mangels Auflösung unsichtbar.
Und dann noch eine volle Dröhnung:
Sommermilchstraße im Sagittarius über die Alpengipfel hinweg!
Durch das große Gesichtsfeld sind immer mehrere Messier-Objekte gleichzeitig im Bild. Die Gaswolke um den Lagunennebel M8 erscheint sehr groß, eine Reihe hellerer Flecken ist die Nebelregion M20/M21, der Sternhaufen M24 bis hin zum Adler- und Omeganebel M17 und M16.
Mehrere andere Objekte, die ich nicht spontan benennen kann, liegen rechts und links dieser Kette aus helleren Objekten.
So habe ich das im Teleskop noch nie gesehen!
M66 Als einzige des Tripletts mit M65 und NGC3628 im Löwen ist M66 mit dem Fernglas als schwacher elliptischer Fleck zu sehen - der Karkoschka hatte recht!
M104 Nun werde ich richtig mutig. Nach ca. einem Wegdrittel zwischen oberem linkem Stern vom Raben und dem "Zentralstern" der Jungfrau
liegen zwei markante Dreier-Sterngruppen. Neben der schwächeren von beiden liegt M104. Ich sehe sie tatsächlich indirekt als schwachen Strich - auch hier bestätigt sich die Einschätzung im "Karkoschka"!
*Off-Topic ein*
Jupiter: Der Planet ist schon als kleines Scheibchen zu sehen, oberflächendetails noch nicht. Drei Monde sind sichtbar.
*Off-Topic aus*
Insgesamt bin ich verblüfft, was sich mit einem Fernglas für 18 Euro alles beobachten läßt!
Das Schöne ist, ich muß praktisch nichts suchen, sondern einfach aus dem Gedächtnis hinschauen!!
Die meisten Objekte habe ich übrigens mit den Ellenbogen auf mein Autodach aufgestützt beobachtet bzw. bei Zenitbeobachtung mich am Auto angelehnt. Das ruhigere Bild bringt ca. 0,5 mag mehr Grenzgröße.
Die ganze Aktion hat gerade mal eine halbe Stunde gedauert. Die Müdigkeit treibt mich nun doch nach Hause, morgen muß ich wieder früh aus den Federn. Aber was für ein Erlebnis!
Ich hoffe, dieser Bericht spornt euch an, nicht immer nur die großen Röhren mit 18" und mehr an den Start zu schleppen.
Derartige Beobachtungen sind in Deutschland nicht überall und nicht immer möglich. Aber auch mit weniger gutem Himmel kann es schon eine Menge Spaß machen!
Gruß und klaren Himmel,
Martin