Vermutlich sollte ich das ehrlicherweise im "ausgepackt"-Thread posten, da ich die knapp 1300 Seiten natürlich noch nicht gelesen habe; das Buch kam ja erst heute an, es passt aber ja trotzdem besser hierher:
Raoul Schrott: "Atlas der Sternenhimmel und Schöpfungsmythen der Menschheit"
Schrott ist ein Dichter, Autor und Literaturwissenschafter, der in der Vergangenheit neben seiner Lyrik vor allem durch seine Beschäftigung mit (und Übersetzung von) antiken Texten und Epen bekannt geworden ist. In den vergangenen Jahren hat er sich intensiv mit der Wahrnehmung des Sternenhimmels durch andere Völker beschäftigt, also damit, wie diese Sternbilder benannt haben (abweichend von unseren westlichen, mesopotamisch-griechisch geprägten Bezeichnungen) und wie sich diese Bezeichnungen aus der dortigen Kultur und den dortigen Schöpfungsmythen ergeben.
Vor ca. sechs oder sieben Jahren stand ich, damals noch astronomisch völlig unbedarft, vor einem dekorativen Poster mit einer Sternenkarte und habe mich gefragt, warum so viele Sternbilder Bezeichnungen aus der griechischen Mythologie tragen und ob sich die antiken Sagen in der Konstellation der Sternbilder abbilden (- bspw. wenn Perseus, Andromeda, Pegasus und Kassopeia so nah aneinander stehen, womit sich die fast die gesamte Andromedasage erzählen lässt). Das war die Initialzündung für meine Beschäftigung mit Astronomie, die dann zum Interesse für Astrophysik und Kosmologie und schließlich zur eigenen Beobachtung geführt hat. Und in den Astrotreff.
Der Zusammenhang zwischen Mythologie und Astronomie hat mich seitdem nicht mehr losgelassen, so dass ich Schrotts Projekt sehr interessiert verfolgt habe und die Veröffentlichung dieses völlig neuen und umfassenden Blicks auf andere Kulturvölker kaum abwarten konnte.
Das Warten hat sich auf jeden Fall gelohnt. Zwar hat das Buch einen sehr stolzen Preis (aktuell noch bis zum 31.1.25 für €148 im Subskriptionspreis; danach €178), aber es ist wunderschön aufgemacht, also auch etwas für Bibliophile. Nach einem ausführlichen Vorwort, das kursorisch einen Überblick über kognitive Wahrnehmungsprozesse und ihre Auswirkungen darauf, wie wir den Nachthimmel sehen, und über die kulturelle Bedeutung des Sternenhimmels ganz allgemein gibt, betrachtet Schrott ausführlich den Sternenhimmel, wie er von 17 verschiedenen Kulturen wahrgenommen wurde, bswp, von den Maori, den Innuit, den Tuareg, den Maya etc. Er beschreibt die Sternbilder, die diese Kulturen für sich definiert haben, erzählt die Mythen und Geschichten, die sich dahinter verbergen und erläutert die kulturellen Besonderheiten, die sich aus der Lebensweise der einzelnen Kulturen für die Wahrnehmung des Nachthimmels ergeben. Der Text selbst ist mit Ausschnitten aus Sternenkarten illustriert, die die einzelnen Sternbilder der Kulturen zeigen, wobei die Bezeichnung der einzelnen Sterne noch den Bezeichnungen der IAU folgt, so dass man sie als moderner westlicher Leser "unserem" Sternhimmel zuordnen kann. Im Text werden zum Teil kontrastiv auch "unsere" Sternbilder zum Vergleich herangezogen, so dass man stets die Orientierung behält.
In einer Tasche im hinteren Buchdeckel befinden sich große Poster, die für jede einzelne beschrieben Kultur die Milchstraße mit den kulturell individuellen Sternbildern zeigt, was auch bei der Orientierung hilft.
Ich bin sehr begeistert; ich denke, dieses Buch wird mich lange beschäftigen. Allein schon meine Freude darüber, aber auch der dadurch entstehende "Langzeitwert", rechtfertigt für mich den hohen Preis, zumal ich das Glück hatte, ein nagelneues, noch in Folie eingeschweißtes Exemplar für €120 bei Kleinanzeigen zu finden. Das ideale Weihnachtsgeschenkt für mich selbst
(Ich bitte die schlechte Qualität der Handyfotos zu entschuldigen, sie werden der Qualität der echten Abbildung in keinster Weise gerecht.)
Eine Leseprobe findet sich übrigens hier:
Viele Grüße und frohe Weihnachten,
Christian