Lange habe ich überlegt, welches Objekt für den Juni im Fokus stehen sollte. Hoch am Himmel fand ich passend, damit man auch bei nur kurzer Beobachtungsspanne (kurze Nächte… Juni eben) Ergebnisse erzielen kann. Ausgesucht habe ich schließlich ein obskures, aber insgesamt dennoch helles Objekt: NGC 6229 im Herkules. Dazu habe ich den Aufsuchstern für NGC 6229, namentlich 52 Herculis ausgesucht, um en passent eine harte Nuss für Sternenspalter aufzugeben, die vielleicht weniger an einem Kugelsternhaufen interessiert sind.
Doch erst zu NGC 6229. Lange Zeit dachte man, es sei ein Planetarischer Nebel. Es handelt sich aber um einen Kugelsternhaufen. Im Herkules? Sind da nicht M 13 und M 92 viel heller und schöner? Nun, mag sein. Aber gerade deshalb fiel meine Wahl auf NGC 6229, denn er steht viel zu sehr im Schatten dieser beiden Konstellationsgenossen. NGC 6229 ist ein Kugelsternhaufens des äußeren Halos und ist ca. 100.000 Lichtjahre von uns entfernt. Trotzdem ist er mit 9m4 ziemlich hell und leicht zu sehen. In der Nacht vom 28. Auf den 29. Mai 2023 habe ich ihn mit meinem 9 × 42mm-Fernglas aufspüren können.
Wie findet man NGC 6229? Das geht zum Glück sehr einfach. Man sucht den „Kasten“ des Herkules (wer will, kann ja bei M 13 vorbeischauen und sich erstmal warmsehen) und verlängert die Westkante (die mit M 13) nach Norden und findet dann 52 Herculis (4m8 hell, leicht mit bloßem Auge zu sehen). Etwas nordwestlich davon liegt 42 Herculis (4m9, auch leicht zu sehen):
Bildgrundlage: SDSS (aus Wikisky.org)
Hier gehen wir mehr ins Detail. Denkt man sich die Verbindungslinie zwischen 52 Her und 42 Her, so liegt etwas näher an 52 Her und etwas nordöstlich der Linie ein kleines Dreieck. Zwei Sterne 8er Größenklasse bilden die westliche Seite und NGC 6229 ist der östliche Punkt des Dreiecks. Die beiden Sterne helfen ungemein beim Aufsuchen mit einem Fernglas. Auf dem Foto sieht der Kugelsternhaufen heller aus als die beiden Sterne, er ist es aber natürlich nicht, sondern eine Größenklasse schwächer:
Bildgrundlage: SDSS (aus Wikisky.org)
Fragen, die beantwortet werden könnten:
- Ab welcher Öffnung kann das Objekt überhaupt erkannt werden? Im Moment sind meine 42 mm ein Startpunkt. Es gibt ja noch kleinere Ferngläser… Wo liegt die Untergrenze?
- Ab welcher Öffnung erkennt man, dass es kein gleichförmiger Nebelfleck ist, sondern hier ein helleres Zentrum vorhanden ist (was die Einstufung als PN schwer begründen ließe)?
- Ab welcher Öffnung können die Randsterne aufgelöst werden (hellste Sterne ab 15mag)?
- Wie sieht NGC 6229 in eurer Optik aus?
- Ab welcher Öffnung kann 52 Herculis getrennt werden? (siehe unten)
Und wer „einfach nur“ einen Nebelfleck sieht, kann ja beim Betrachten darüber nachdenken, dass es sich hier um ein Objekt des äußersten Halos der Milchstraße handelt und man es dennoch so hell sehen kann. Mit M 13 kann er also locker mithalten und wäre wohl mindestens so hell, stünde er uns so nahe.
Und nun zur harten Nuss für Sternspalter: 52 Herculis ist ein enger Doppelstern in 180 Lichtjahren Entfernung (bzw. ein Dreifachstern, aber B/C sind nicht trennbar): Komponente A mit 4m8 und Komponente B mit 8m5, Abstand 2 Bogensekunden, Positionswinkel 38°. Manchmal werden nur 1,8“ Abstand angegeben, der Cambridge Atlas schreibt 2“. Die Umlaufzeit beträgt 1977 Jahre, die Daten sind also recht lange aktuell. Der Helligkeitsunterschied bei dem geringen Abstand macht die Sache schwierig. Dafür steht er sehr hoch am Himmel. Wer nimmt die Challenge an? Welche Öffnung ist nötig, um ihn zu trennen?
Viel Freude und Erfolg mit dem OdM Juni. Alles ist willkommen, Beobachtungsnotizen, Berichte, Zeichnungen, Fotos…
Liebe Grüße,
Christoph