Hallo liebe Astrotreff-Foristen,
ich möchte Euch heute mein Selbstbau-Bino Projekt vorstellen.
(clickt auf die Bilder für Vergrößerung und größeren Bildausschnitt)
Eckdaten:
+ Hauptspiegel Durchmesser jeweils 500mm
+ Öffnungsverhältnis jeweils f/4,0
+ Gewicht 95 Kg (schwerstes Einzelteil Hauptspiegeldoppelzelle mit 22,8 Kg ohne die Hauptspiegel)
+ Bauzeit: ca. 4 Jahre, mit Phasen höchst unterschiedlicher Intensität
+ Zerlegbar zum Transport im Auto. Aufbau und Abbau mit einer Person möglich, aber zu zweit deutlich schneller und einfacher
+ Selbstbau-Okularauszüge mit integrierten justierbaren Tertiärspiegeln und der Möglichkeit, 2“ Okulare nutzen zu können ohne Vignettierung
+ Interpupillare Distanz (IPD) einstellbar mittels gegenläufig drehbarer Hüte. Als Minimaleinstellung sind 60mm möglich. Allerdings bleibt dann kein Puffer mehr zum Fokussieren. In der Praxis also ca. 61mm Minimum.
+ Co-Kollimation durch von oben während der Beobachtung verstellbare Hauptspiegel unter in-Kaufnahme einer vernachlässigbar kleinen Miskollimation einer der beiden Strahlengänge.
Diese Miskollimation kann durch laterale Verschiebung des betroffenen Hauptspiegels dank justierbarer Lateralwippen auf nahe Null reduziert werden.
Mein Spiegelschleifer-Ego ist etwas angekratzt, da ich nur einen der beiden HS bis zur finalen Parabel komplett selbst geschliffen habe.
Die Parabolisierung des zweiten Spiegels erfolgte dankenswerterweise durch Christian Busch, sonst wäre ich wohl nie fertig geworden.
Die beiden Sekundärspiegel sowie die beiden Tertiärspiegel sind anderweitig zugekauft.
Um die Brennweiten der beiden Hauptspiegel möglichst gleich lang hinzubekommen, habe ich während Grob- und Feinschliff das gleiche Granittool immer im Wechsel benutzt. Das Tool hatte zum Ende des Feinschliffs nur noch eine Randdicke von 17mm (Anfangs waren es 30mm). Nach dem Freihand-Flexen im Wasserkübel reichten 5 Hauptspiegel-Wechsel in der Grobschliffphase, und später 3 Wechsel je Körnung bzw. sogar nur 1 Wechsel bei den feineren Körnungen aus, um die Brennweitendifferenz der beiden HS locker unter 1% zu halten.
Zufrieden bin ich mit der etwas ungewöhnlichen Justier-Aufhängung der beiden Hauptspiegel, an der ich lange getüftelt hatte:
Statt der üblichen 3 Schrauben sorgen an spielfreien Scharnieren aufgehängte verschachtelte Alurahmen dafür, dass ich in zwei um 90 Grad zueinander versetzten Achsen (statt üblichen ~120 Grad) justieren kann. Eine der gedachten Justierachsen geht dabei exakt mittig durch den Spiegel-Schwerpunkt, so dass die Justage leichtgängig ist. Das Prinzip ist so ähnlich wie bei diesem bekannten Geschicklichkeits-Murmelspiel:
Man erkennt 3 Rahmen: Außenrahmen starr, Zwischenrahmen in nur einer Achse beweglich, Innenrahmen in zwei Achsen.
Die Höhenräder sind in Sandwich-Bauweise (mit Schaumstoffkern) erstellt um Gewicht zu sparen. Die Laufflächen sind mit 2mm starkem und 40mm breitem Aluminium beplankt und laufen auf Edelstahl-Kugellagern. Seitliche Teflon-Führungsklötzchen an der Rockerbox können mit Schrauben justiert werden und so als einstellbare Bremse für die Höhenräder wirken. Funktioniert prima.
Wichtig war mir, dass der ganze Strahlengang-Anteil vom Sekundärspiegel via Tertiärspiegel bis zum Okular so kurz wie möglich gehalten wird, um Sekundärspiegel und somit die Obstruktion möglichst klein halten zu können. Gerade bei den relativ kurzen f/4 müssen die Sekundärspiegel sonst schnell sehr groß (und somit auch teuer) werden. Deswegen wollte ich keine 4-Fokussierer-Lösung für die IPD-Einstellung.
Blieben also drehbare Hüte. Die haben ohnehin den Vorteil. dass nach dem Verstellen der IPD nicht neu fokussiert werden muss. Damit beim Beobachten von horizontnahen Objekten durch das Gewicht der Tertiäreinheit samt Okularen nicht die Hüte frei drehen und die IPD auseinander driftet, braucht es Gegengewichte, die den Okularen gegenüber liegen. Durch lange Hebel können die Gewichte sehr gering ausfallen. Und schließlich habe ich 2 Fliegen mit einer Klappe geschlagen: die „Gegengewichte“ sind 2 Telrads, die hoch oben schön weit abstehen und so einen angenehmen Einblick bieten. Inzwischen habe ich zusätzlich ein selbsthemmendes Schneckengetriebe zur Einstellung der IPD angebaut, welches das Auseinanderdriften der IPD auch verhindert. Aber durch die Telrad-Gewichte ist die IPD Einstellung in beide Drehrichtungen nun schön gleichmäßig leichtgängig.
Momentan sind die Hauptspiegel noch beim Beschichten. Bis zu den ersten richtigen Beobachtungsberichten wird es noch 1 bis 2 Monate dauern.
Ich kann aber aus ersten Tests an Mond und Planeten mit noch unbelegten Hauptspiegeln schon sagen: das Beobachtungserlebnis mit einem Bino ist wirklich sehr angenehm. Man möchte seinen Kopf am liebsten gar nicht mehr von den Okularen wegbewegen. Das wird bei größeren Beobachtungsgruppen noch zum Problem werden...
Die Co-Kollimation funktioniert butterweich und trotz etwas verbleibendem Gewindespiel genügend präzise auch bei höheren Vergrößerungen, das macht richtig Spaß.
Nach größeren Höhenlager-Schwenks muss ich allerdings ein klein wenig nachjustieren (die Übeltäter-Durchbiegestelle ist schon identifiziert ).
Die drehbaren Hüte sind durch diverse Edelstahl-Kugellager wiederum so präzise geführt, dass sowohl die Fokuslage als auch Bildfeldüberlappung perfekt erhalten bleiben wenn die IPD verstellt wird.
Am Mond sieht man sehr deutliche 3D Effekte obwohl die Parallaxe für „echtes“ 3D ja nicht ausreichend ist.
Der Grund warum ich dieses Teleskop gebaut habe ist aber eigentlich ein anderer:
ich gehöre zu denen, die beim Blick durch Ferngläser häufig Probleme haben, beide Bildfelder zur Deckung zu bringen. Dann sehe ich Doppelbilder.
Mit diesem Bino möchte ich für mich herausfinden, woran es liegt, dass es manchmal besser klappt und manchmal weniger gut.
Ob es „nur“ an der Justage der Optik liegt? Oder an Gründen, die in der Person des Beobachters liegen (z.B. individuelle Neigung zum Schielen, unterschiedlich gute Augen, zu wenig Geduld beim Beobachten oder zu wenig Konzentration), oder an noch ganz anderen Einflussfaktoren? z.B. scheinbares Gesichtsfeld, Kissen- oder Trapezverzerrung der Okulare, ...
Nun ja, erste Sterntests mit unbelegten Spiegeln deuten sehr klar darauf hin, dass man Doppelbilder durch Justieren an der Bildfelddeckung wunderbar wegbekommen kann.
Um solche Fragestellungen zu untersuchen hätte sicherlich auch ein kleineres Bino ausgereicht. Aber wenn man schon so viel aufwendige Mechanik baut: warum dann nicht das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden und gleich dem nächsten absehbaren Schub an Bino-Öffnungsfieber zuvorkommen?
Zum Schluss ein großes Dankeschön an alle, deren Bino-Projekte im Internet so klasse dokumentiert sind, wie z.B. Joerg Peters, Arie Otte, Dave Trott, Eric Royer, Jerry Oltion und viele viele mehr. Eure Pionierarbeit ist der Wahnsinn. Das war für mich eine große Hilfe und Inspiration.
Viele Grüße,
Stefan
PS: sorry für die obligatorischen 20 Tage schlechtes Wetter, die normalerweise jetzt bald folgen. Ich hoffe es werden nicht sogar 2x20=40 Tage