Servus beinand,
ich war leider gesundheitlich bedingt lange nicht in der Lage, dem Hobby der praktischen Astronomie zu fröhnen. Nach meiner Knie-OP lag ich erst bei bestem Sternenhimmel im Garmischer Krankenhaus und konnte nur vom Balkon meines Zimmers ein Bisserl mit bloßem Auge gegen die Laternen der Umgebung den Himmel ansehen. In der Reha in Oberammergau war die Klinik auch beleuchtet und nur mit bloßem Auge ist das halt nicht so prickelnd. Doch jetzt bin ich wieder beweglich, kann Autofahren, muss nur mit dem Schleppen größerer Gewichte aufpassen (und darf noch nicht stolpern oder mich hinknien). Da mein Equipment aber gut transportabel ist, konnte ich in der Nacht vom 4.9. auf den 5.9.2022 endlich wieder raus. *Freu*
Der Himmel war sternenklar, nur der Mond störte noch ein Bisserl, wobei der aber bald unterging. Noch bei Mondlicht habe ich zum Aufwärmen mit M 29 angefangen (fehlt noch in meiner Sammlung der Teleskopbilder), um nach Monduntergang NGC 7814 aufs Korn zu nehmen. Da war noch eine Rechnung offen. Wegen ständig durchziehender Wolken konnte ich, als die Supernova letztes Jahr erschien, nur 30 Minuten belichten. Für die Supernova reichte das natürlich, aber die Galaxie war schon sehr dürftig. Also wollte ich diesmal deutlich länger belichten.
Die Umstände waren aber nicht optimal. Die Luftfeuchtigkeit war enorm hoch. Auf meinem Beobachtungshügel waren erste Nebelfetzen präsent, weiter unten war alles schon dicht. Also einen Alternativülatz gesucht. Ich habe eine Stelle an einem Waldrand (nördlicherseits, Polarstern noch drüber zu sehen), wo sich – warum auch immer – wenig Nebel bildet, auch wenn's ringsum schon suppig ist. Dank der Fangspiegelheizung bremst mich Beschlagen nicht mehr aus. Also ran an den Speck...
Der Himmel war im Zenit noch erstaunlich transparent, am Horizont aber ging wenig. Im Dreieck, das ich heute als Grenzsternregion verwendet habe, war epsilon Tri (5m5) sehr einfach zu sehen, auch direkt. HD 11007 mit 5m8 war auch kein Problem und HD 10348 mit 6m0 ging auch ohne Mühe. Bei HD 10588 mit 6m34 scheiterte ich aber. M 33 ging diese Nacht auch nicht mit bloßem Auge. Also noch in den Kleinen Bären gesehen und dort auf epsilon UMa gesehen (6m4). Zweimal blitzte er auf, war aber nicht zu halten. Noch schnell in den Herkules, M 13... ging, aber nicht ganz so mühelos wie sonst. Ich hätte mir vorher noch einen 6m2-Stern raussuchen sollen, aber ich dachte bei der Vorbereitung, dass eh bei 6m0 schluss sein müsste. Die Milchstraße im Schwan war extrem gut strukturiert... seltsam. So ne Mischung aus halbwegs guter Transparenz und absaufen im Dunst, wenn es vom Zenit weg geht. Die Bedingungen waren aber ganz o.k.
Und natürlich musste ich einem Anfängerfehler aufsitzen. Ich hatte kurz vor der OP noch fotografiert und hätte schwören können, dass meine Kameraakkus geladen wären... waren sie auch, aber nicht voll. Daher ging meiner NGC 7814-Session dann der Saft aus. Ich habe deshalb nur 105 Minuten belichten können. Und während der Belichtung hat sich auf dem Chip der Kamera ein Kondensationstropfen gebildet. Bei der Aufnahme von M 29 war er noch nicht da, aber er hat sich während (!) der Fotos von NGC 7814 gebildet. Und noch dazu in der Mitte des Chips (jedenfalls fast). Der schwarze Fleck hat fast die Galaxie berührt. Den wegzubekommen, war ein bisserl aufwändig. Falls jemand auf der Westseite der Galaxie (nördliche Hälfte) ein oder zwei Sterne vermisst (lichtschache...): das liegt an dem Tautropfen.
Hier nun aber erstmal das Foto:
In der Galerie ist es in voller Auflösung: NGC 7814, die kleine Sombrerogalaxie und weitere Hintergrundgalaxien
(dort sind auch alle Daten zum Foto zu finden)
Ich denke, 3 Stunden oder mehr täten der Galaxie ganz gut. Vielleicht bietet sich beim nächsten Neumond wieder eine Gelegenheit?! Oder 2023... man hat ja Geduld! Man kann aber auch mit den mageren 105 Minuten den Staubstreifen gut erkennen. Die Galaxie steht edge on, ist mit 10m8 ziemlich hell, hat aber an den Enden eine sehr geringe Flächenhelligkeit. Mit 53 Millionen Lichtjahren Entfernung ist sie quasi in der Nachbarschaft. Der Streifen und die Kantenlage bedingen den Namen "Kleine Sombrerogalaxie" in Anlehnung an die größere Schwester in der Jungfrau.
Im Hintergund sind natürlich viele Galaxien zu finden. Die hellste davon ist IC 5381 mit 14m8.
PGC 4126929 ist mit einer Entfernung von 4,38 Milliarden Lichtjahren die am weitest entfernte Welteninsel auf dem Foto, die ich identifizieren konnte. Mit 19m1 ist sie dementsprechend nicht die scheinbar hellste Kerze des Fotos. Die schwächsten Galaxien, die ich identifizieren konnte, sind mit 19m7 noch einen Tick lichtschwächer. Ein paar Galaxien habe ich keinem Namen zuordnen können.
Hier die Beschriftung in vier Ausschnitten, da das Überischtsfoto zu sehr kompimiert wird:
Einige der Hintergrundgalaxien sind um 1,7-1,8 Milliarden Lichtjahre entfernt, gehören daher vermutlich zu einem größeren Haufen, drei sind 1,41-1,42 Milliarden Lichtjahre entfernt und im Foto in räumlicher Nähe, gehören daher vermutlich auch irgendwie zusammen (ich muss mal über den Winkelabstand und die Entfernung von uns die reale Distanz zwischen den Galaxien berechnen... Es sollte aber kein Zufall sein, dass man die Hintergrundgalaxien in ein paar diskrete Entfernungskategorien einteilen kann. Ein paar "offizielle" Abell-Galaxienhaufen sind auch in der Nähe, so z. B. Abell 2703.
IC 5381 hat aber nichts mit NGC 7814 zu tun, da sie mit etwas mehr als 500 Millionen Lichtjahren knapp 10mal so weit entfernt ist als NGC 7814.
Unabhängig von dem Hintergrundgewusel finde ich NGC 7814 einfach nur hübsch.
Hier nochmal mit Supernova (hatte ich letztes Jahr schonmal gezeigt):
Mit 30 Minuten Belichtungszeit war damals nicht mehr zu holen (14.8.2021)
Liebe Grüße und euch allen hoffentlich bald wieder klaren Himmel,
Christoph