Liebe Leser,
ich will am liebsten gar nicht grüßen und gar nicht schnacken, so DRINGEND will ich euch berichten, wie abgefahren genial das vergangene Wochenende für mich war!
Damit ich nicht maßlos ausufere, beschränke ich mich (und ja, das fällt mir schwer!) auf die allerallertollsten Erlebnisse. Die ganzen tollen und allertollsten müsst ihr euch jetzt eben euphorisch dazudenken.
Freitag
Das Auto wird gepackt, all meine Campingschätze, unser Hund UND mein Mann finden ihren tetriszugewiesenen Platz im Opa Golf. Jahaa, mein Mann kommt dieses Wochenende wieder mit Die Kinder werden von Oma und Opa abgeholt und wir fahren gleich in den sonnig- äh ... Moment. War das ein Donnergrollen? Liebe, gute Wetterapp: Stimmt das? Au backe, blau bis dunkellila über Stuttgart. Krach. Plitsch, schon kübelt es über uns. Na gut, ist ja in 20 Minuten wieder weg. Eine Stunde später: Dauerprasseln. Egal, bis 19 Uhr soll es durch sein, also auf zum Tanken und dann losfahren. 5 Minuten vor Ankunft in Römerstein (es ist inzwischen 16 Uhr) hört es endlich auf, zu regnen. Immerhin kann dann im Trockenen aufgebaut werden und offensichtlich hat es in Römerstein nicht so geprasselt wie bei uns, die Wiese ist halbwegs trocken.
Die Kern-Stammis trudeln auch ein, alle freuen sich irre auf das gemeinsame Wochenende, zusammen sitzen, kochen, essen, plaudern, basteln, begutachten und planen. Ich freue mich wie ein Kind über meine gebastelte Mondphasengirlande aus Holz, die den Zelteingang ziert. Die glitzert natürlich, schwarz wie der Nachthimmel. Auch dieses Mal wieder das Rätsel: Wer sieht Astrobegleithündin Feli? Sie hat das ganze Wochenende so unglaublich gut gemeistert und es extrem genossen, ununterbrochen bei ihrem Rudel liegen zu dürfen.
Es wird dunkel, der Wettbewerb "Wer sieht Arcturus oder Vega zuerst?" ist hiermit eröffnet. Ich bin ganz aufgeregt, was möchte ich heute Abend anschauen, trotz der Feuchtigkeit? In Windeseile sind derartig viele Sterne am Himmel, dass ich wieder einmal nicht weiß, wo ich eigentlich anfangen soll.
Ich gehe aufs Ganze: Seit 3 (drei!) Jahren sehne ich mich danach, den Nordamerikanebel zu sichten. Ich, mit meinem Teleskop. Mit dem damaligen 6''-Dob und auch meinem 4''-Borg sollte es bisher nie sein. Heute mit 10'' vielleicht? Inzwischen weiß ich ja, wo der kleine Orion (Leiter 9) wirklich ist und dass er eine perfekte Aufsuchhilfe für den Nordamerikanebel darstellt. Ruckzuck ist er im Okular (42x), der UHC-Filter ist auch eingeschraubt (ich habe inzwischen einen neuen, von Baader - kurz am Rande: Ich liebe ihn!), und DA! DA, DA, DA! Ich frage sicherheitshalber meine Mitbeobachter, ob es das ist, was ich glaube, dass es ist. JA! Da ist der kleine Orion mit anderen weißen Sternchen auf schwarzem Hintergrund. Und östllich davon ist ein ganz hellglitzriger Bereich. Direkt am Miniorion ist eine große Einbuchtung und südlich von ihm ragt ein breiter, hellgrauer Arm mitten ins Bild hinein. Ich fahre die Kante ab, bestimmt drei Gesichtsfeldlängen und um die Kurve. Ich bin SOOOO stolz und glücklich, das macht solchen Spaß! So, nun, auf der anderen Seite war ja aber auch was Helles, der Pelikannebel. Der ist mehr ein grauer Flatsch, nicht so glitzrig grau, etwas schwächer und matter, aber dennoch ist die Kante gut auszumachen, die ich ein kleineres Stück weit abfahren kann. Das ist ja SO cool!!!!!
Spoiler für Samstag: Ich habe diesen Eindruck zu Papier gebracht und zeige es euch gleich hier. Schade an der Zeichnung ist, dass sie den visuellen Eindruck von Samstagnacht zeigt, in der beide Nebel etwas weniger prächtig zu sehen waren als Freitagnacht. Ich wollte aber auch nichts frei nach Gusto dazudichten.
Wir geben unser Bestes, den tiefstehenden Saturn und den noch tiefer stehenden Jupiter zu beobachten und stellen fest, dass wir noch wesentlich länger wach bleiben müssten, um ein schöneres Bild zu bekommen. Aber hey: Planeten! Endlich mal wieder zu vernünftigen Zeiten! Bänder, Farbe und Ringe sehen wir trotzdem
Da es echt feucht ist und die Okulare dauernd beschlagen, fahre ich noch ein paar bekannte Objekte ab, wir vergleichen zum Beispiel M13 in 10'' und 16'', hier puderglitzert es wieder, was die Sterne hergeben, eieiei. Immer und immer wieder schöööön.
Samstag
Ein trockener, luftiger und abwechselnd schattiger und sonniger Tag, voller Frieden und Ruhe. Astrobegleithündin Feli und wir genießen ausgiebige Spazier(renn)gänge über Wiesen und Felder. Immer wieder spitzeln wir auch in die magische, goldene Röhre, die einen gefährlich rot glühenden Feuerball zeigt: Der Coronado Solarmax (90mm - nicht meiner :D) sorgt jedes Mal für Staunen und Faszinieren. Auch mein Mann war von den Protuberanzen, Sonnenflecken und der Granulation sehr angetan. SEHR!
Viel zu schnell zieht dieser wundervolle Tag vorüber, die meisten von uns verkrümeln sich früher oder später zu einer Runde "Vorschlafen", um nachts fit zu sein. Überpünktlich zur Dämmerung stehen wieder alle Geräte und Beobachter bereit - gespannt, was die kommende Nacht uns offenbaren wird. Zur Auswahl stehen: ein echt toller ED-Apo (120/900), mein 10''-Dob, ein 16''-Dob und ein 20''-Dob. Zwanziiiiiiig, Leute!!! Wartet nur ab, was diese Nacht noch passieren wird!
Die Reise beginnt im Pegasus: Ich schaue mal nach Stephans Quintett, das habe ich bisher noch nie visuell beobachtet. Aufsuchen geht schonmal recht einfach, und da ist auch eine große und helle Galaxie schon bei 42x. Ich bin schon skeptisch und sage zweifelnd in die Runde: "Ich glaube, ich habe Stephans Monotett, aber mehr nicht." Mein Atlas hat eine Detailkarte zu diesem Fleckchen Weltall und ich sehe schnell, dass ich kein Monotett im Okular habe, sondern NGC 7331 aus der Deer Lick Group. Die hat einen hellen Kern und eine deutliche Elongation, und noch bevor ich den Gedanken ausgedacht habe, klemmt das Rotlichtband um den Kopf herum und Stift und Papier liegen auf meinem Schoß:
Nun stürze ich mich wieder auf den Cirrusnebel. Ich muss ja sagen, nachdem ich im August 2021 bei Christopher in Darmstadt einen gesamten Beobachtungsabend mit einem 100/550-Bino und diversen OIII-Filtern beim Cirrus verbracht habe, kenne ich den Sturmvogel und die Knochenhand so gut, dass ich sie selbst mit dem 16''-Dob mühelos ins Okular holen kann und weiß, wo ich was erwarten kann. Das macht irre Spaß! So, jetzt möchte ich hier Ordnung reinbringen und sortiere die vielen Beobachtungen nach Teleskop:
Mein 10''-Dobson, mit UHC und ich auf einem gemopsten Astrostuhl
-> Sturmvogel (NGC 6960): eine filigrane, geschwungene und elegante Sturmvogelschwinge, die sich klar und deutlich einmal quer durchs Okular windet; nördlich von 52 Cyg ist auch mit gutem Willen kein Fortsatz zu sehen.
-> Pickering's Triangle (NGC 6979): Versuche ich gar nicht erst, beim Rüberschwenken zur Knochenhand ist es da immer schwarz.
-> Knochenhand (NGC 6992 und NGC 6995): myyyyystisch, ein deutlicher, langer und krummer Bogen, der in drei Franselfingern endet.
Der 16''-Dobson, mit UHC und ich auf einem Höckerchen
-> Sturmvogel: Die elegante Schwinge tritt deutlicher hervor und ist noch heller zu sehen, das ganze Bild wirkt etwas größer. Und der Fortsatz nördlich von 52 Cyg? Nicht so richtig zu fassen.
-> Pickering's Triangle: Beim Schwenk zur Knochenhand ist es auch hier schwarz, ich habe aber auch nicht bewusst nach dem Dreieck gesucht.
-> Knochenhand: Uuuuuuh, wow! Der krumme Bogen ist auch hier heller und größer und franst schon mehr durchs Bild, und dann die Finger!!! WOW! Es sind einige Filamente zu erkennen, die mystisch durch das schwarze Weltall glimmen.
Der 20''-Dobson, ohne Filter mit OIII und ich auf einem hohen Hocker
-> Sturmvogel: BOAH! BOOOOAAAH! Da ist eine gigantisch lange Schwinge, da ist 52 Cyg und nördlich davon geht der Nebel einfach megamäßig hell und aufgefächert weiter, da ist SO viel Struktur zu sehen, ich bin platt! Wow. Ohne weitere Worte!
-> Pickering's Triangle: Na, mal sehen, jetzt schaue ich beim Rüberschwenken etwas genauer hin. Whoooooaa, DAS lohnt sich! Da ist ein überaus großes und überaus helles Dreieck und nach Süden hin streckt sich ein ganz dünner und echt heller Streifen bis über das Gesichtsfeldende heraus. DAS ist mal ein Erlebnis!!!
-> Knochenhand: Mit Absatz, weil sie mit Abstand das allerallerallergenialste Highlight des ganzen Wochenendes war: Die unglaubliche Wucht an Struktur, Filamenten und Schattierungen, die an der Hand und den Fingern auf einen Blick direkt zu sehen sind, vermag ich kaum mit Worten zu beschreiben. Ich sehe gruselige Franselfilamente, die nach irgendetwas Unbekanntem im Weltall greifen und bekomme Gänsehaut. Das ist das Tollste, was ich je beobachtet habe.
Damit beende ich die Beobachtungsnacht und krieche mit ein paar mehr Klamotten und Decken zu Mann und Hund ins Schlafzelt und schlummere äußerst zufrieden und schnell ein.
Sonntag
Halbwegs erholt wache ich auf, Astrohündin Feli sieht gar nicht ein, die Rückenlage zu verlassen und in die Welt der wachen und aktiven Vierbeiner zurückzukehren. Doch die innere Aufbruchstimmung ist schon zu spüren, die Kinder wollen bald in der schönen Pfalz abgeholt werden. Zuvor muss mein Tetriswerk noch einmal ins Auto hinein und zu Hause wieder heraus, ansonsten passen da keine zwei Kinder auf die Rückbank
Ein wenig betrübt, dass sich unsere Wege wieder trennen, verabschieden wir uns. Gleichzeitig freue besonders ich mich, dass wir uns in wenigen Tagen gleich wieder zum Stammtisch treffen und ich nicht die einzige aus unserer Runde bin, die Ende September nach Herzberg zum HTT reist Und warum nicht auch gleich Pläne für eine gemeinsame Reise zur Sonnenfinsternis 2026 in Spanien schmieden? Davon leben wir Astroverliebten doch, nicht wahr?
Macht's gut, ihr Nachteulen, bis zum nächsten Mal
Eure Sarah