Verstärkte Luftunruhe durch Waldbrände?

  • Hallo liebe Planetenbeobachter,


    heute morgen 4:50 Uhr MESZ hatte ich die erste Chance der diesjährigen Jupitersaison, einen GRF-Transit vom Balkon aus zu beobachten. Das hatte den Vorteil, dass ich das Instrument schon am Abend aufbauen konnte und nach dem Weckerklingeln nur noch hinters Okular tappen musste. Die Meteoblue-Seeingprognose versprach nur Gutes, doch die Realität war mal wieder total ernüchternd. An sich ist das nichts Neues. Die Schweizer liegen öfter mal daneben, das wäre keinen extra Thread wert. Aber irgendwie war das heute noch anders. Das Feindetail war derart weichgezeichnet und diffus verwaschen, dass ich zunächst auf lokales Seeing tippte. Aber die Leute unter mir hatten zu dieser Stunde ihre Balkontür zu und die Hausfassade hatte die ganze Nacht über Zeit gehabt, die gespeicherte Sonnenwärme loszuwerden. Ich fokussierte dann von Unendlich ausgehend immer weiter nach außen. Dabei findet man normalerweise eine begrenzte Unruheschicht, die die Detailerkennbarkeit des Bildes beeinträchtigt. Das gibt es sowohl als gerichtet-ziehende, als auch als ungerichtet-wallende Unruhe. Doch heute hörte das Gewalle von Unendlich bis in den Nahbereich einfach nicht auf. Und das bei Windstille und einem nicht allzu transparenten Himmel. Wirklich ungewöhnlich!


    Bis ich dann an die Waldbrände in der Sächsischen Schweiz dachte. Die sind Luftlinie 50 bis 60 km von mir entfernt. Der Azimut stimmt zwar nicht ganz mit dem von Jupiter überein, aber 20° Abweichung scheinen den Gedanken nicht völlig abwegig zu machen.


    Was haltet Ihr davon? Hat jemand von Euch ähnliches beobachtet? Oder hat jemand schon mal aus der Nähe von Waldbränden beobachtet?


    CS, Jörg

  • astrometer

    Hat den Titel des Themas von „Verstärkte Luftunruhe durch Waldbrände“ zu „Verstärkte Luftunruhe durch Waldbrände?“ geändert.
  • Ein Effekt ist hier (Zürich) gut nachvollziehbar. Höhe hier 450m.ü.M, eine Ebene mehr oder weniger, ein einzeln stehender Bergrücken gerade mal 15km entfernt (Lägern) mit 850m, wo es grundsätzlich weniger warm wird tagsüber. Beide haben Messstationen.


    Unten sind die Grafiken übereinandergelegt, die fette Linie hier 450m, die bleiche 850m. Bei Tagen mit guter Sicht und entspr. guter Abstrahlung (unten blau eingerahmt), anschliessend an Vortagen mit Bewölkung mit schlechter Abstrahlung, wo eher ein Ausgleich an warmen und kälteren Luftschichten stattfindet.


    Die Abkühlung unten ist wesentlich grösser als in der Höhe, gut erkennbar an den kreuzenden Linien, bei gerade mal 400m Unterschied findet der Abzug der Wärme höher gelegen viel schleppender statt in der Zeit von ca. 00:00 bis 07:00. Würde mal vermuten, bei der Kombination ist dies auch ein Grund für eine erhöhte Turbulenz in den etwas höher liegenden Luftschichten durch besagten Temperaturunterschied. Die Wärme aus Bränden kann das allenfalls wohl noch akzentuieren, aber als dessen alleinige Ursache würde ich es nicht einschätzen.


    Gruss


    Der auf Anderer Zehen tanzt

    Möge das Wetter mit dir sein

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    Omegon Pro APO 110/660 Carbon Doublet, Baader BBHS Amici 2", Televue Delos 3.5, 6, 10mm, Nagler 22mm, Panoptic 35mm, Rigel Quikfinder, Tecnosky 8x50 finder, on aokswiss AYO II and Manfrotto 028, binoculars Leitz Trinovid 7x42

    3 Mal editiert, zuletzt von CHnuschti ()

  • Hallo,


    danke, das sind sehr interessante Daten. Die Topografie ist hier zwar anders (kein naher Einzelberg, sondern ein langgestrecker Höhenzug – Erzgebirge, eine nach Süden stark abfallende sogenannte Pultscholle). Aber thermisch läuft das ganz ähnlich, wobei ich auf der Nordseite des Mittelgebirges in mindestens 30 km Entfernung vom Kamm eigentlich recht gute Bedingungen habe.


    Nein, ich denke, das beobachtete Phänomen ist mit der topografischen Situation allein nicht zu erklären. Diese extrem tief gestaffelte, turbulente Unruhe schien einfach nicht zu den übrigen Wetterumständen zu passen. Wenn es windig gewesen wäre und die Luft transparenter, dann hätte ich das noch verstanden. Ich beobachte ja schon seit 1965 von diesem Balkon aus. Da ist einiges an Erfahrung zusammengekommen. Aber man wird eben auch immer wieder überrascht. Dass es mit den Waldbränden zusammenhängt, ist nur eine Vermutung, für oder gegen die ich auf der Suche nach Argumenten bin.


    CS, Jörg

  • Hallo Jörg,

    waren die Details bei Jupiter "nur" weichgezeichnet, oder war hat es auf Jupiter selber vom Bild her "gebrodelt", war das Bild sehr unruhig oder gab es wie ein Flirren im Bild?

    Es gibt manchmal ein hochfrequentes Seeing, dass alle Planetendetails etwas verschwiert, ohne dass das Bild ansonst unruhig ausschaut. Kommt das hin?

    Meist wirkt der Planetenrand dann auch weicher oder "unscharf".

    Welche Details konntest Du auf Jupiter sehen? Wie waren die Monde zu sehen?

    Hattest Du Ostwind? Die Brände sind ja von Dir aus im Osten und wenn Jupiter nicht direkt über dem Brandgebiet gestanden ist, dann könnte ein Ostwind Einfluss nehmen.

    Wenn es weitgehend windstill war und eher Westwind war, dann würde ich eher eine andere Ursache als wie das Feuer vermuten.

    Servus,

    Roland

  • Hallo Roland,


    es gibt hohe, relativ dünne Unruheschichten (bei meteoblue bad layers genannt), welche so nahe am Unendlichen sind, dass die Details wallen, aber noch gut zu erkennen sind. Bei meiner jüngsten Beobachtung reichten die bad layers allerdings ohne ruhige Zwischenschicht von Unendlich bis ganz weit herunter. Dadurch war die Detailerkennbarkeit stark eingeschränkt, ohne dass sich das Bild nennenswert bewegte.


    Der Wind war in dieser Nacht zumindest in Bodennähe gleich Null. In der Höhe war über der sächsischen Schweiz eine umlaufende Richtung angegeben. Ich könnte mir vorstellen, dass unter diesen Bedingungen die Abwärme und der Rauch des Feuers für eine turbulente Durchmischung der unteren Atmosphärenschichten gesorgt haben. Aber das ist nur eine Vermutung.


    Viel an Detail war nicht zu erkennen. Aber wenigstens konnte ich den GRF so stabil wahrnehmen, dass eine Zeitnahme möglich war. Irritierend war allerdings der aktuell sehr dunkle, bogenförmige Übergang von der Aureole des GRF zum SEB-Südrand auf der prograden GRF-Seite. Mitunter verschwamm diese Wolke mit dem GRF zu einem einzigen diffusen dunklen Fleck. Die Monde waren nie scharf definiert, sondern nur vom Seeing aufgeblähte Bubbel.


    CS, Jörg

  • Hallo Jörg,

    ja, das Feuer könnte schon Einfluss nehmen und möglicherweise die Ursache für Deine aktuellen Seeingprobleme sein.

    Das sind solche Ereignisse, die man normalerweise Gott sei Dank selten hat. (Ich hatte es Gott sei Dank bisher noch nie).

    Ähnliches Situationen können aber auch bei lokalem Seeing passieren, oder?

    Wenn bei mir der Nachbar unter mir ein Fenster oder eine Türe öffnet, dann können gerade im Winter lokale Seeingeffekte passieren oder wenn ich selbst zu lange die Balkontür offen habe. Das schließe ich aber bei Dir aber aus.

    Was ich mir aber vorstellen könnte, dass der Balkonboden immer noch etwas Restwärme gespeichert hat und diese in geringem Maß ständig abgibt?

    Komisch ist nur, dass das früher nie auftreten ist...

    Schade, dass das Seeing relativ schlecht war. Hoffentlich wird es bei den nächsten Beobachtungen wieder besser.

    Apropos, machst Du auch Planetenzeichnungen?

    Servus,

    Roland

  • Ähnliches Situationen können aber auch bei lokalem Seeing passieren, oder?

    Wenn bei mir der Nachbar unter mir ein Fenster oder eine Türe öffnet, dann können gerade im Winter lokale Seeingeffekte passieren oder wenn ich selbst zu lange die Balkontür offen habe.


    Apropos, machst Du auch Planetenzeichnungen?

    Hallo Roland,


    „Mein“ lokales Seeing kenne ich ziemlich genau. Zum Beispiel, wenn der erwachsene Sohn meiner Unternachbarin nachts kocht (was er regelmäßig tut) und in Ermangelung einer Abzugshaube die Balkontür aufreißt. Oder wenn den ganzen Nachmittag die nach WSW ausgerichtete Fassade aufgeheizt wurde und die Wärme in der Nacht abgibt. Das ist aber selbst im Sommer bis 5 Uhr morgens weitgehend abgeklungen. Und der kochende Knabe schläft dann auch endlich.


    Viel schlimmer war eine rund 200 m entfernte Keramikfabrik, die aber glücklicherweise eingegangen ist. Wenn deren mehrtägiger Fliesenbrennzyklus zu Ende war, brauchte ich nicht mal ein Fernglas, um die Luftunruhe über der Anlage zu sehen. Und zu allem Übel war das auch noch genau im Süden.


    Jupiterzeichnungen mache ich keine mehr. Die GRF-Messungen sind Aufgabe genug. Außerdem zeigt der TEC so viel Detail, dass man selbst bei mittlerem Seeing zeichnerisch überfordert ist. Zu Ostzeiten mit AS 100/1000 war das was anderes, da hab ich noch hemmungslos drauflos gezeichnet. Was ich da alles zu sehen glaubte… Mit der Erfahrung und den größeren Instrumenten wurde ich dann etwas zurückhaltender. Auch, weil es immer mehr und immer detailliertere Fotos gab.


    CS, Jörg

  • Nein, ich denke, das beobachtete Phänomen ist mit der topografischen Situation allein nicht zu erklären.


    Hallo. Nun, meine Botschaft in #2 war eine etwas andere.


    Der genannte Bergrücken steht +/- alleine in der Ebene da, Faktoren wie Kesselwirkung, spezielle Windverhältnisse und dergleichen gibt es eben nicht m.E.. Darum meine ich, dass er exemplarisch dasteht (wg. der Messstation) als Anhaltspunkt bzw. "repräsentativ" für die blossen Temperaturunterschiede rein aufgrund der Höhe der Luftschichten. Von unten warm nach oben kalt ist der Normalfall. In besagten speziellen Konstellationen, wo eine gute Abstrahlung (gleichbedeutend mit guter Sicht meist) stattfindet, nach Tagen mit Bewölkung, tritt eben der umgekehrte Fall ein, wo das Temperaturgefälle richtiggehend umgekehrt wird. Und dem ich dadurch erhöhte Turbulenzen AKA schlechtes Seeing unterstelle.


    Scheint mir denkbar, dass das Wetter in Sachsen oben am geschilderten Tag sich ähnlich abgespielt hat. Gute Sicht bei unerwartetem schlechten Seeing.


    Gruss

    Der auf Anderer Zehen tanzt

    Möge das Wetter mit dir sein

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  • Hallo Jörg,

    das mit dem nachts kochenden Knaben hört sich lustig an ^^ wobei so etwas für uns Hobbyastronomen leider nicht so lustig ist. Wenn er wenigstens etwas zum Essen ein Stockwerk nach oben bringen würde ...

    Das mit der Keramikfabrik hört sich übel an. Da war dann vom Balkon aus vermutlich nicht viel möglich. Gott sei Dank ist der Blick nach Süden jetzt besser.

    Die Beschreibung vom TEC und den vielen Details hört sich toll an. :) Da bekomme ich schon Lust selber mich wieder auf die Lauer zu legen.

    Eigentlich nehme ich immer einen 4" APO und den 6" f/8 Newton mit. Letzterer muss aber noch hergerichtet werden. Schauen wir einmal.

    Klaren Himmel, gutes Seeing und eine schöne Beobachtung.

    Roland

  • Danke, Roland.


    Laut Zeitung sind die Waldbrände langsam unter Kontrolle. Wie es momentan in der Sächsischen Schweiz aussieht, daran mag ich gar nicht denken. Ich kenne das Gebiet um den Großen Winterberg vom Wandern und fand es dort immer wunderschön. Dadurch, dass es Nationalpark ist, ist es nachts auch ordentlich dunkel. Aber ich habe es noch nie geschafft dort zu beobachten.


    CS, Jörg

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