Hallo zusammen,
während im Norden momentan die weißen Nächte dominieren sollte La Palma im Mai/Juni sehr gute Bedingungen bieten, um zu Beginn der Nacht die Galaxien des Frühlingshimmels, besonders in der Jungfrau, und später die südliche Milchstraße zu beobachten. Der erste Punkt, das nehme ich schon mal vorweg viel ins Wasser, das Wetter spielte nicht mit, dazu später etwas mehr. So habe ich mich dann fast vollständig auf die Milchstraße konzentriert. Die Ausrüstung war etwas angewachsen, neben einem 160 mm Doppelrefraktor mein kleines neues 60mm Bino, dazu eine große Auswahl von 8 Okularpaaren, teils zum Testen, aber wie sich herausstellte viel zu viele.
Abb. 1 Die beiden Binos mit dem 3x16 mm Sucher, meist habe ich im 60 mm Bino 13 mm Okulare verwendet, im 160iger 17 mm Okulare , jeweils 100 Grad (statt 85 Grad wie die 32 mm Masuyama- Okulare auf dem Foto). Damit ergeben sich bei 19x Vergrößerung 5.2 Grad bzw. bei 62x 1.6 Grad absolutes Gesichtsfeld
Wie schon bei zwei vorangegangen Reisen hatten wir die Casa Colmenero auf 1025 m Höhe, etwas östlich von Puntagorda gelegen für zweieinhalb Wochen als Quartier gewählt, sie gewährt praktisch freie Sicht in alle Richtungen. In Astrokreisen ist sie schon bekannt und jetzt durch einen Pool und ein Sonnendeck ergänzt. Neuerdings gehören ein 70 mm Celestron Refraktor und viel Literatur zur Ausstattung. Etwas irritierend, rund um die Casa sind jetzt Lampen mit Bewegungsmelder installiert, die musste ich erst mal lahm legen.
In der zweiten Nacht riss in den Morgenstunden der Himmel kurz auf, für ein paar Minuten habe ich dann frierend und im Bademantel die Milchstraße im südlichen Teil des Skorpions im kleinen Bino sehen dürfen und spürte sofort, dass sich der ganze Aufwand mit viel Gepäck gelohnt hat.
Nach einigen Überraschungen, auch dazu später etwas mehr, habe ich dann in der ersten klaren Nacht zum Aufwärmen Objekte aufgesucht, für die der südliche Standort essentiell ist. Erst die Balkenspirale M83, im 60iger Bino schon bei 19x Vergrößerung schon ganz schwach strukturiert, bei 105x im 160iger Bino waren dann die Spiralstruktur und der Balken sehr schön direkt zu sehen. Tiefer, nur knapp über den Pinien auf der zum Roques de los Muchachos aufsteigenden Bergkette stand kurz nach Ende der Dämmerung Omega Centauri, im 60iger Bino (19x) schon am Rand leicht krisselig, im 160iger dann bei 65x weitgehend aufgelöst und bei 105x fast formatfüllend. Besonders hat mir gefallen, wie der riesige Kugelsternhaufen , einwenig durch das Seeing wabernd, über den kohlpechrabenschwarzen Pinien stand. Der schon sehr dunkle Himmel wirkt gegen die Pinien schon recht hell.
Die Virgo-Galaxien, die Markarian-Kette und diverse Messier-Objekte habe ich nur kurz gestreift, mich über die Formenvielfalt und auch etwas Struktur gefreut, doch wollte ich mir eine genauere Beobachtung für später aufsparen, obwohl die Bedingungen mit sehr dunklem Himmel ( 21.7-21.8 mag/arcsec^2 mit SQM ohne Linse) und sehr guter Transparenz optimal waren.
Das Hauptprogramm für die erste und auch kommenden Nächte war dann die südliche Milchstraße.
Abb. 2 Milchstraße mit Schütze und Skorpion mit 60iger Bino (solo) im Vordergrund. Das Foto ist nur geschärft, keine Anpassung von Kontrast etc, und gibt vielleicht bis auf die Bildhelligkeit einen Eindruck von den guten Bedinungungen. Am linken Bildrand zeigt sich eine Wolke als dunkler Schatten.
Neben der Sichtung diversen Einzelobjekten habe ich drei ausgiebige 'Wanderungen‘ durch die Milchstraße unternommen, eine nur mit dem 60iger Bino, vom südlichen Skorpion, der Region um den offenen Haufen NGC 6231 bis hin zum offenen Sternhaufen M11 im Adler und wieder zurück. Dann zwei 'Wanderungen‘ parallel mit beiden Binos, die erste wieder vom südlichen Teil ab NGC 6231 bis zum Lagunennebel M8, die zweite dann von M8 bis in den Adler und M11. Insgesamt war ich dafür etwa jeweils knapp zwei Stunden unterwegs. Die Okulare habe ich nicht gewechselt, jeweils 100 Grad mit 19x und 62x Vergrößerung im 60iger und 160iger Bino. Daraus ergeben sich 3.2 mm bzw. 2.6 mm Austrittspupille, der 20 Grad Sucher bietet sogar 5.8 mm Austrittspupille. Selbst bei dem dunklen Himmel empfand ich die kleine 2,6 mm Austrittspupille vom 160iger Bino am ästethischen.
Alles was ich hier beschreibe basiert auf Notizen, die ich mir morgens nach der Beobachtung gemacht habe. Selbst am nächsten Morgen fiel es mir schwer mich an all die Einzelheiten die ich sehen konnte zu erinnern, zu überwältigend war die Fülle an Strukturen und Details. Vor mir haben andere, auch viel erfahrenere Beobachter die vielen interessanten Objekte in dierser Region detailliert und kenntnisreich beschrieben. Ich möchte daher hier vor allem persönliche Eindrücke und Vorlieben schildern. Besonders hat mir das Zusammenspiel von Übersicht und Detailansicht gefallen. Die südliche Milchstraße bietet eine riesige Zahl an Objekten, im Gesichtsfeld des kleinen Binos befinden sich oft mehrere und man kann dann wählen, von welchem man sich die Details im größeren Bino anschaut. Besonders schätze ich das extreme Geschichtsfeld, bei 100 Grad verschwindet fast der Gesichtsfeldrand, es fühlt sich an wie direkt in den Himmel zu schauen. Der Unterschied zu etwa 80 Grad-Okularen wie bei Nagler oder Morpheus ist enorm.
Vier Regionen gefielen mir besonders:
Ganz im Süden des Skorpions, von Mitteleuropa aus nicht sichtbar, ein Trio aus drei Sternen mit dem Doppelstern Zeta, darüber der offene Haufen NGC 6231, an den nach Norden eine Sternenkette anschließt und ihn mit dem großen, sehr lockeren Haufen Tr 24 verbindet. Um diese Region herum finden sich weitere bei 19x diffus wirkende Objekte, die sich im 160iger Bino dann meist als offene Sternhaufen entpuppen. Spektakulär finde ich den Anblick von NGC 6231, sehr kompakt, hell weiß bis bläulich im Kontrast mit dem hellen Sterntrio etwas südlich, der hellste leuchtend orange.
Abb. 3 Region um NGC 6231 ('Babyskorpion'), Ausschnitt (5,2 Grad, dies enstpricht dem Gesichtsfeld des 60iger Binos bei 19x) aus der Übersichtsaufnahme Abb.2
Auch die Region mit den offenen Sternhaufen M6 und M7 ist sehr lohnend, bei den guten Bedingungen schon mit bloßem Auge auffällig. M7 liegt mitten in einer hellen Sternwolke, M6 dicht dabei vor einem dunklen Hintergrund, im 60iger beide gleichzeitig im Bild, etwa wie in Abb. 4. Im 160iger zeigt sich dann der recht unterschiedliche Charakter, am Rand von M7 wird auch der Kugelsternhaufen NGC 6453 sichtbar. Zwischen M6 und M7 sieht man im 60iger Bino helle und eine komplexe Struktur dunkler ‚Wolken‘, im 160iger schälen sich aus den hellen Bereichen eine Vielzahl schwacher Sterne heraus.
Abb. 4 M6 und M7, 5,2 Grad Auschnitt aus Abb. 2
Der Lagunennebel M8 und der Trifidnebel M20 sind auch aus unseren Breiten sichtbar, doch unter La Palmas Himmel wird M8 spektakulär. Im 60iger Bino ist die Einbettung in helle und dunkle Wolken besonders reizvoll. Mit 160 mm zeigt sich filigrane Struktur ringsherum, auch nach Norden, weit über den eingebetteten Sternhaufen NGC 6530 hinaus. Auch hier sind binokular wieder die dunklen, fast schlauchartigen Bereiche besonders schön, an die zarte, helle Regionen anschließen. Unter den exzellenten Bedingungen scheint mir M8 in einer Liga mit dem Orionnebel. Der Trifidnebel ist etwas kleiner, und obwohl sich schon die dreifache Teilung deutlich zeigt nicht ganz so eindrucksvoll. Ein schöner hell/dunkel Farbkontrast findet sich im 160iger mit dem kleinen Dunkelnebel B86 (‚Tintenklecks‘, fast ein schwarzes Loch im Himmel) und mit dem kleinen offenen Sternhaufen NGC 6520 am unteren sowie einem hellen orangenen Stern am nördlichen Ende.
Abb. 5 Lagunennebel M8 und Trifidnelbel (M20), 5,2 Grad Auschnitt aus Abb. 2
Große Öffnung bringt nicht immer mehr, das Zentrum der Milchstraße schaut im 60iger Bino interessanter aus, da die Strukturen doch recht großflächig sind. Besonders schön, wenn einzelne helle Sterne vor einer Dunkelwolke stehen. Durch leichtes Schwenken nach Nord/Süd oder Ost/West kommen immer wieder neue Objekte ins Gesichtsfeld, einen Sucher habe ich hier gar nicht benötigt und auch auf die Sternkarte nachts komplett verzichtet. Am nächsten Morgen gelang es dann aus der Erinnerung viele Sternhaufen zu identifizieren, doch am liebsten hätte ich die Region gleich noch mal angeschaut.
Abb. 6 Zentrum der Milchstraße 5,2 Grad Auschnitt aus Abb. 2
Über die kleine Sagittarius Wolke (M24) führte die Wanderung dann zum Adler mit dem offenen Haufen M11 und der Schildwolke. Auch hier gefällt das große Gesichtsfeld, M11 und M26 im 60iger Bino gemeinsam im Bild, eine Sternkette am Rande einer Dunkelwolke mit einigen einzelnen hellen, isolierten Sternen führt von M11 zu M26. Mit 160 mm wird M11 dann in hunderte Einzelsterne aufgelöste, im Zentrum ein heller Oranger.
Die vier kleinen Abbildungen zeigen zwar grob die Himmelsausschnitte, doch im Okular ist der Eindruck völlig anders. Einerseits viel zarter, dann sieht man live leichtes Zittern durch das Seeing, an hellen Sternen klare Farbvariationen. Den großen Unterschied macht sicherlich die Dynamik, im großen Bino beträgt sie wenn sich ein Stern 6. Größenklasse oder heller im Gesichtsfeld befindet grob geschätzt mehr als 5 Dekaden, im Druck völlig undenkbar aber auch am Bildschirm nicht möglich, Stäbchen und Zäpfchen sind nur beim dunkel adaptierten Auge beide aktiviert.
Soweit erstmal, damit der Bericht nicht ausufert mache ich an dieser Stelle einen Schnitt und wünsche viel Spaß beim Lesen.
Beste Grüße
Thomas