Universum und die liebe Geometrie - mal ne Frage

  • Hallo Sternfreunde und Kosmologen,


    ich grüble über eine prinzipielle Frage, ein wohl geometrisches Anschauungsproblem und bekomme das nicht überein. Da heißt es zum einen, dass das Universum früher winzig klein war und in einem Urknall entstanden ist. Dann heißt es zum anderen: Schaut man mit einem Teleskop ganz tief ins Universum hinaus, schaut man auch immer weit in die Vergangenheit zurück. Also im Kern in jene Zeit als das Universum winzig klein war.


    Schaut man durch das Teleskop (vielleicht gibt es auch mal Gravitationsteleskope o.ä) z.B. Hubble-Deep-Field und somit an den Rand, quasi in die Kinderstube des Universums, oder meinetwegen sogar bis fast zum Anfang zurück, habe ich nicht den Eindruck, dass das Universum früher klein war. Im Gegenteil, das Universum zeigt sich immer gewaltiger mit unzählbar vielen Galaxien, egal in welche Richtung man auch blickt. Ist die Abbildung im Teleskop verzerrt und die Größe des Universums, wenn man immer tiefer ins All Blick oder blicken könnte, irgendwann dann nur noch eine optische Illusion?


    Schöne Grüße

    Gerhard

  • Hallo Gerhard,


    dass das Universum früher winzig klein war und in einem Urknall entstanden ist.

    bis zum Urknall kann man nicht schauen.

    Das Universum wurde erst nach ca. 300.000 bis 400.000 Jahren "durchsichtig".

    Relativ kurz nach dem Urknall fand die so genannte Inflation statt.

    In dieser Zeit dehnte sich der Raum mit Über-c aus.

    Genaueres hier.


    vielleicht gibt es auch mal Gravitationsteleskope o.ä

    gibt es schon, z.b. LIGO.


    quasi in die Kinderstube des Universums, oder meinetwegen sogar bis fast zum Anfang zurück,

    wie schon gesagt, bis zum Anfang geht nicht.

    Gruß und CS

    Mathias

    :alien: .


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  • Servus Gerhard,

    Schaut man mit einem Teleskop ganz tief ins Universum hinaus, schaut man auch immer weit in die Vergangenheit zurück.

    Das ist schon so richtig. Je weiter ein Objekt von uns entfernt ist, desto länger benötigte das Licht, bis es uns erreicht hat. Dass wir dabei das winzige Universum unmittelbar nach dem Urknall und auch die damals folgende irrsinnig schnelle Expansion nicht sehen können, liegt daran, dass es zu dem Zeitpunkt noch keine beobachtbaren Objekte gab.


    Was wir heute sehen können, ist ja nur ein kleiner Ausschnitt aus dem gesamten Universum. Das Licht der am weitest entfernten Objekten entstand vor ca. 13,2 Milliarden Jahren, so lang benötigte es, bis es bei uns ankam. Als dieses Licht nur wenige hundert Millionen Jahre nach dem Urknall entstand, war der Abstand dieses Objekts zur Erde noch viel kleiner, nur ca. 3,2 Milliarden Lichtjahre entfernt. Durch die Ausdehnung des Raumes entfernte es sich von uns, der heutige Abstand ist tatschlich noch größer und liegt bei ca. 45 Milliarden Lichtjahre


    Gruß Stefan

  • Hallo Gerhard,


    ergänzend zu dem, was schon gesagt wurde:


    Das Universum war am Anfang mit 10-35 Metern auch winzig klein. Das zu sehen ist unmöglich. Während des kurzen Zeitabschnitts von 10 – 35 s bis 10 – 32 Sekunden kam es zu einem extremen Anwachsen des Volumens des Universums mit Überlichtgeschwindigkeit um das 1030 – 1050-fache. Das mag jetzt nach sehr viel klingen, aber man muss berücksichtigen, dass der Ausgangspunkt ja winzig klein war. Im Anschluss an die Inflations-Phase verlief die Expansion wieder normal. 300,000 – 380,000 Jahre nach dem Urknall entstehen erst die ersten Atome und das Universum wird transparent. Ca. 400 Millionen Jahre nach dem Urknall formen sich erste Galaxien, Sterne usw. Mit dem James Webb Teleskop hofft man ja, fast bis an den Anfang der Entstehung der ersten Galaxien zurückblicken zu können.


    Man kann auch nicht sagen, dass man in eine bestimmte Richtung zurück in die Vergangenheit schaut. Gemäß dem kosmologischen Prinzip ist das Universum homogen und isotrop.


    Da das Universum seit dem Urknall expandiert, ist es in seiner Ausdehnung inzwischen natürlich weiter angewachsen. In einem expandierenden Universum bewegt sich ein bestimmtes Objekt von uns weg, während sich sein Licht auf uns zubewegt. Zu dem Zeitpunkt, an dem wir das Objekt entdecken, befindet es sich logischerweise in einer größeren Entfernung als zu dem Zeitpunkt als sein Licht ausgestrahlt wurde. Berechnungen ergeben, dass die sogenannte Horizontentfernung 45 Milliarden Lichtjahre beträgt (siehe oben Stefan).


    LG Christiaj

  • Guten Abend zusammen,


    In einem expandierenden Universum bewegt sich ein bestimmtes Objekt von uns weg

    so wie ich es verstanden habe, bewegen sich nicht die Objekte, z.B. Galaxien, von uns weg, sondern der Raum dehnt/expandiert sich aus. Insgesamt und zwischen den Objekten. Dieser etwas "unglückliche" Rosinenkuchen Vergleich.

    Dazu kommt dann noch das sich einige Objekte, z.B. Andromeda, auf uns zu bewegen.

    Macht das ganze leider nicht einfacher.

    Gruß und CS

    Mathias

    :alien: .


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  • Hallo Gerhard,

    das geometrisches Anschauungsproblem ist wohl ein euklidisches, und euklidische Geometrie läßt sich nicht anwenden, wenn man das Universum betrachtet.

    Wo man sich auch befindet, ist man immer im Mittelpunkt des Universums.


    Euklidisch könnte man sich vorstellen, daß man sich am "Rande" des Universums befindet und in Richtung zum "Mittelpunkt" schaut. Das funktioniert aber nicht, denn wenn ich in die andere Richtung schaue, wird mir kein "Rand" erscheinen, sondern ich werde wieder auf den "Mittelpunkt" schauen. Dieser "Mittelpunkt" in alle Richtungen ist dann nichts anderes als das wunderschöne Bild der Hintergrundstrahlung, die älteste Strahlung überhaupt, die frei wurde, als das Universum durchsichtig wurde.


    Wenn ich eine Galaxie von vor, sagen wir mal, 12 Milliarden Jahren sehe, dann handelt es sich dabei nicht um eine Entfernung, sondern um die Zeit, die das Licht gebraucht hat, um hier heute anzukommen. Niemand im Universum wird diese Galaxie heute "jünger oder älter" sehen und sie wird auf Grund der Expansion des Universums einmal für jeden Beobachter im Universum ganz verschwinden. Sie ist dann, wo ich auch bin im Universum, zu weit weg.

  • Das funktioniert aber nicht, denn wenn ich in die andere Richtung schaue, wird mir kein "Rand" erscheinen, sondern ich werde wieder auf den "Mittelpunkt" schauen.

    Es ist vielleicht dieses Gedankenspiel, wenn man in die andere Richtung schaut, dass man das gleiche Objekt einfach "von hinten" dann sieht. Sowas veranlasste Kolumbus nach Westen zu segeln, um Indien von der anderen Seite an zu segeln.


    Zur Klarstellung: Selbst wenn wir bis zum Urknall selbst zurück schauen könnten. Das schaffen wir dann doch nicht. Aber die Überlegung gab es tatsächlich. Es müsste dann allerdings Anomalien in der kosmischen Hintergrundstrahlung geben, wenn bestimmte Bereiche des Universums langsamer expandieren oder dort strahlungstechnisch der Urknall doppelt durchwandert (und damit die Strahlung dort doppelt so warm wird).

  • Dann heißt es zum anderen: Schaut man mit einem Teleskop ganz tief ins Universum hinaus, schaut man auch immer weit in die Vergangenheit zurück. Also im Kern in jene Zeit als das Universum winzig klein war.


    Schaut man durch das Teleskop (vielleicht gibt es auch mal Gravitationsteleskope o.ä) z.B. Hubble-Deep-Field und somit an den Rand, quasi in die Kinderstube des Universums, oder meinetwegen sogar bis fast zum Anfang zurück, habe ich nicht den Eindruck, dass das Universum früher klein war.

    Hallo Gerhard,


    die erste Aussage ist richtig. Wie schon erwähnt schauen wir zurück in die Vergangenheit bis zur Entstehung des Mikrowellenhintergrunds, also bis etwa 380000 Jahre nach dem Urknall. Seither hat sich das Universum auf die 1100 fache Größe ausgedehnt.


    Leider werden


    https://www.nationalgeographic…n%20der%20Erde%20entfernt.

    Am 7. April 2022 berichtet die Zeitschrift Astrophysical Journal von einer neuen Höchstleistung: Ein internationales Team von Astronomen ist auf ein noch älteres astronomisches Objekt gestoßen. Es ist 13,5 Milliarden Lichtjahre von der Erde entfernt.


    wie dieses Beispiel zeigt, werden in der populärwissenschaftlichen Literatur häufig Entfernungen von Galaxien in Lichtjahren angegeben. Das ist falsch, gemeint sind Lichtlaufzeiten. Den Unterschied zeigt das Raumzeit-Diagram Proper Distance (negiere bitte diese blöden smileys). Den erläuternden Text dazu findest du in https://www.mso.anu.edu.au/~ch…ers/DavisLineweaver04.pdf Seite 2 Figure 1.


    Die gepunkteten Linien sind die Weltlinien von Galaxien. Wir befinden uns am oberen Punkt des Lichtkegels, innerhalb dessen uns das Licht aus der Vergangenheit erreicht. Sehen wie etwa eine Galaxie mit z=1 rotverschoben, so schneidet deren Weltlinie unseren Vergangenheitslichtkegel 5 Milliarden Jahre nach dem Urknall. D.h. wir sehen sie da, wo sie 5 Mrd Jahre nach dem Urknall war.


    Und nun kommen wir zu den Entfernungen. Eine Angabe der Entfernung macht im expandierenden Universum nur Sinn, wenn sie sich auf denselben Zeitpunkt von Emission und Absorption eines Lichtsignals bezieht. Somit können wir zu unserer z=1 Galaxie 2 Entfernungen angeben. Sie betrug damals, als sie das Licht, das wir heute sehen aussandte, zu unserer Weltlinie (die gepunktete vertikale Linie bei 0) 5 Mrd Lichtjahre und sie beträgt heute (da wo ihre Weltlinie die horizontale Linie "now" schneidet) 10 Mrd Lichtjahre. Dort, wo sie heute ist, können wir sie erst in ferner Zukunft sehen. Die Lichtlaufzeit dieser Galaxie bis heute ergibt sich aus dem vertikalen Abstand des Schnittpunkts Weltlinie z=1 mit Lichtkegel und "now", also etwas mehr als halbe Alter der Universums.


    Wenn du nicht den Eindruck hast "dass das Universum früher klein war" beruht das wohl darauf, dass wir unabhängig von der Richtung scheinbar endlos viele Galaxien sehen. Aber eben mit zunehmender Rotverschiebung dort, wo sie in der Vergangenheit mal waren.


    Grüße

    Günter




    zAtf4.png


    https://i.stack.imgur.com/zAtf4.png

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