der schwierige rote Rechtecknebel

  • Hallo Freunde der selten gezeigten Objekte,

    warum wird dieser Nebel denn so selten gezeigt? Ganz einfach, das war das Objekt, das ich als das schwierigste bisher betrachte. Z.T. wegen der Beobachtungsbedingungen, z.T. aber auch, weil das Rechteck es einem wirklich nicht leicht macht.

    Die Idee es mit diesem protoplanetarischen Nebel zu versuchen stammte aus diesem Beitrag hier:

    Ein Wasserfall, ein rotes Rechteck und eine irreguläre Galaxie - Beobachterforum Deepsky interstellare Objekte - Astrotreff - Die Astronomie und Raumfahrt Community

    24 Zoll hin oder her, in leichter fotografischer Selbstüberschätzung war ich der Meinung: was man sehen kann, das kann man auch fotografieren. Schließlich sehe ich bei jedem Objekt die hellsten Bereiche schon nach einem 2 oder 4 sekündigen Testbild. Ich stellte dann fest, dass das Objekt schon mal auf meiner ToDo-Liste stand, aber dann wieder raus geflogen ist. warum? Es liegt im Einhorn. Dieses komische Sternbild erreiche ich bei mir nur nach der Kulmination, will heißen, 22° über dem Horizont, da ist nicht wirklich viel zu erwarten. Auf der anderen Seite gibt es kaum Amateurbilder von dem Objekt. Die Herausforderung war also da und weil ich am späteren Abend ein Standardobjekt belichtete war das ein schöner Gegensatz.

    Wie schön, dass ich GoTo habe, das hat mich noch nie im Stich gelassen. Ich fahre also die Koordinaten an und .... nichts. Nun, es gibt da ein kleines Problem, wenn meine Steuerung das Teleskop über den Meridian bewegt. Irgendwelche Zahnräder ändern ihre Aufgabe von ziehen in drücken oder umgekehrt, auf jeden Fall kann ich mich auf mein GoTo nicht 100%ig verlassen, wenn mein Objekt exakt im Süden seht. Ich war zwar eigentlich schon westlich des Meridians aber mein Chip ist ja auch sehr klein. Ich fahre also vor, zurück, hoch, runter um irgendetwas Flauschiges zu sehen. Ein etwas diffuser aussehendes Sternchen hätte es ja schon getan. Aber nein, da war nichts. Nun war ich schon weit im Westen, also habe ich ein neues Alignment gemacht. Neu angefahren und ... nichts. Mittlereile kannte ich aber die Region schon. Ich war an der gleichen Stelle wie zuvor. Der Fehler musste also woanders liegen. Mit Sternkarten auf dem Handy habe ich dann Starhopping betrieben. Der helle Doppelstern, das gleichseitige Dreieck, dann gerade aus und ... ich war wieder an der Stelle wie zuvor. Okeee dachte, dann musst du wohl etwas sehr kleines oder sehr schwaches suchen. Also habe ich die Belichtungszeit erhöht. 4 Sekunden, 8 Sekunden, nichts. Nur zum Vergleich, das Zentrum einer 17 mag Galaxie erkenne ich i.d.R. bei 2 Sekunden. Das einzige, was ich aber sah waren helle Sterne, die nun natürlich bei der längeren Belichtungszeit Spikes bekommen haben. Gab es irgendetwas diffuses in der Gegend? nein! Dann aber fiel mir auf, dass die Spikes komisch aussahen. Das Objekt, oder besser die Region, stand nun schon zwischen den Ästen eines Baumes, das macht schon mal komische Spikes. Aber so? Dann erkannte ich mein Objekt, denn ein heller Stern in der Nähe hatte immer noch rechtwinklige Spikes, der Stern im Bildzentrum aber verschobene Spikes, nicht mehr rechtwinklig. DAS war mein Objekt. Die "Spikes" waren Teil des Nebels ! Dann wurde das Bild immer dunkler, der Baum schob sich ins Bildfeld und ich hatte den ersten Tag (es waren nur 40 min.) verschenkt. Am nächsten Tag ging das Aufsuchen natürlich schneller. Es gab ja eine lange Schönwetterphase und der Boden war schon ordentlich warm. Jetzt, kurz nach der Abenddämmerung war die Luft natürlich noch unglaublich turbulent. Was macht man bei unruhiger Luft? Rotfilter! Ein roter Nebel, dann also gleich H-alpha. Gesagt, getan. Zwischen Dämmerung und Baum blieben wieder 40 min. Ein Teststack zeigte später aber ... nur Spikes, und die sogar recht schwach, sonst nichts, kein Nebel. Dumm gelaufen, denn fast alle roten Nebel leuchten im Wasserstoff, nur der hier nicht, der leuchtet in "aromatischen Kohlenwasserstoffen" . Wahrscheinlich stinkt es da oder es duftet, aber auch der 2. Abend war verschenkt.

    An den nächsten Abenden lief es besser, ein einfacher Rotfilter half beim Seeing und der atmosphärischen Refraktion. Ein Nebel zwischen den Spikes war ganz schwach zu erahnen. Dann gab es doch glatt noch 2 Abende mit vergleichsweise gutem Seeing und diese 2 mal 40 min. Belichtungszeit seht ihr hier. Die restlichen Bilder dienten zur Rauschunterdrückung dieser 80 min. An einem Abend bei schlechtem Seeing habe ich dann für 40 min. die Farbkamera angeklemmt.

    Die Bildbearbeitung war ähnlich schwierig wie die Aufnahme selber. Der "Zentralstern" überstrahlte einfach die zarten Bereiche und ich musste wirklich 2 mal die ganzen Teilbilder bearbeiten, weil ich die Gradationskurve dann noch aggressiver legen musste, damit der Stern unterdrückt wurde.

    Das Ergebnis ist das hier:



    Viele Grüße,

    ralf

  • Hallo Ralf,


    eine tolle Darstellung dieses unbekannten kleinen Nebels. Natürlich sieht man, dass du nicht ganz die Schärfe wie sonst erreichen konntest, aber bei 22° über dem Horizont kann man auch nicht mehr erwarten. Wobei "mehr erwarten" dein Ergebnis nicht minder machen soll, du weißt wie ich das meine.

    Die Strukturen, auch die Aufhellungen in den "Spikes" (des Nebels) kann man eindeutig erkennen. Was möchte man mehr, vor allem mit Amateurmitteln? Wobei man auch genauso mit Profi-Equipment schlechtere Bilder als mit Amateurmitteln machen kann, habe ich auch schon oft genug gesehen. Es kommt dann doch hauptsächlich darauf an, wie man mit seinem Equipment umgehen kann, und das kannst du ja auf jeden Fall sehr gut.


    Auch interessant deine Geschichte zu lesen, wie du ihn letztlich dann doch "gefunden" hast. Ich war ja auch mal daran gescheitert..


    Viele Grüße

    Mira

  • Hallo, Ralf,


    wahrscheinlich ein tolles Ergebnis für Fotografen. :thumbup: 8) Das kann ich gar nicht richtig beurteilen, da mir für dieses Objekt die Vergleichsmöglichkeiten fehlen. :)

    Wenn man dann bei 25" f/4 und gutem Himmel visuell bei hoher Vergrößerung (steigt damit die visuelle Tiefe?) man solche Details zeichnen kann... müsstest Du das dann nicht fotografisch nachahmen? Also mehr Brennweite (ohne Reducer; dann findest Du das Objekt nicht mehr, oder?, dann eine Kamera mit größerer Sensorfläche verwenden?), und bei noch vertretbarer großer Signalverstärkung (Gain, ISO) etwa solange einzelbelichten, wie Du es getan hast (belichtet das Gehirn mit Auge visuell ca. 1/3 sec -1 sec?). Und dann natürlich mögl. viele Aufnahmen...wäre das Ganze sinnvoll, was ich geschrieben habe oder ist das Unsinn?.

    Jetzt kommst Du sicher mit dem Seeing an... ^^, dessen Einfluss größer wird, aber der visuelle Kollege hat ja die gleichen Probleme bei seinen Vergrößerungen im Okular gehabt.

    Der Dobson mit dem Goto-System müssen da mitspielen.


    viele Grüße und häufig cs

    Andreas

  • Hallo,


    den habe ich vor ein paar Jahren auch mal fotogrfiert, mit einem C9.25. Mit dem Ha habe ich auch Lehrgeld bezahlen müssen, glücklicherweise nur eine halbe Stunde, bis ich es gemerkt habe. Immerhin war das Finden kein Problem, weil ich wusste wonach ich suchen muss. Das helle Ding in der Mitte ist nämlich gar nicht der Zentralstern, sondern ein kleiner heller Reflexionsnebel, der deutlich diffuser erscheint als die anderen Sterne.

    Meine Versuche den Reflexionsnebel mit Ha zu unterdrücken waren allerdings wie schon bemerkt zum Scheitern veruteilt... Ich habe mich dann darauf beschränkt ein normales RGB zu machen mit extra Rot als Luminanz.


    Aber für 16" ist Dein Ergebnis top!


    Viele Grüße,

    Carsten

  • Hallo Mira, Andreas und Carsten,

    vielen Dank für eure Kommentare.

    Mira, grundsätzlich sind deine 8" in der Lage den Nebel genau so gut zu zeigen. Du müsstest mehr nur Gesammtzeit investieren.

    Andreas, auch visuell schüttelt man den Nebel nicht so aus dem Ärmel. da muss auch alles passen, auch das Seeing. Weiter südlich steht der Nebel auch noch mal ein paar Grad höher und ich arbeite hier bei Bortle 6. Es gibt aber einen entscheidenden Vorteil bei visueller Beobachtung und das ist der Kontrastumfang, den das menschliche Auge bewältigen kann. Und: auf einem Foto wird ein Stern "dicker" wenn er länger belichtet wird, das ist ein Artefakt und in diesem Fall sehr hinderlich. Mehr Brennweite bringt hier gar nichts, schon jetzt wird ein Stern durch 16 bis 25 Pixel dargestellt, das wäre nur leere Vergrößerung.

    Carsten, natürlich kenne ich dein Bild, so viele gibt es ja nicht. Was heißt hier "für 16" ein gutes Ergebnis? Du hast ihn mind. gleichgut bei 9,25 ", und das dürfte das kleinste Amateurteleskop sein, das ihm Details entlocken konnte.

    Also natürlich nur bis Mira sind den Nebel vornimmt ;)


    Viele Grüße,

    ralf

  • Also ein bischen mehr ist bei Dir schon drauf. 8) Zu irgendwas müssen 16" ja gut sein!

    Die nächstbesseren Aufnahmen im Netz sind dann mit 24" aufwärts von Standorten weiter südlich mit Hochgebirgshimmel. Da können wir aus der norddeutschen Tiefebene einfach nicht mithalten.

    Ich hätte ja zu gerne das Teil mal mit dem 16" RC in Leerhafe gemacht, aber da müsste man erst mal das Dach vom Nachbarn weg machen. Der kommt hier im Norden einfach nicht hoch genug.


    Wenn Du auf den Protoplanetariergeschmack gekommen bist kannst Du ja mal den Frosty Leo machen.


    Viele Grüße,

    Carsten

  • Hallo, Ralf und Kollegen,


    ich habe hier noch weitere Infos zu dem Objekt gefunden.

    wie man an dem Bild unten auf der Seite sieht, kann man das Objekt auch mit hoher Brennweite ( 3650mm), "langen" Einzelbelichtungszeiten von 30 sec (bei vielen schwachen Objekten aber auch bis zu 10 min) sowie einer Kamera mit großen Pixeln (ohne "Kurzzeitbelichtung") bei f/10 fotografieren. ^^ Rick meint, er hat einen typischen 2,5"-Himmel.

    Das wäre eine ganz andere Aufnahmetechnik als die, die Ralf gewöhnlich anwendet. Die Aufnahme ist bei sehr dunklem Himmel (Wälder und See in der Nähe), aber im Flachland in Montana, USA entstanden. Es wurde eine Paramount ME-Montierung verwendet.

    Bei diesem Objekt hier sieht man zwar nicht mehr Details, aber das Objekt ist klar sichtbar. Also, ich persönlich glaube nicht kritiklos der Theorie, dass hohe Brennweiten keinen weiteren Fortschritt bezügl. Auflösung bei längeren Einzelbelichtungszeiten bringen. :)...auch, weil ich immer wieder Gegenbeispiele in den Foren sehe (z.B. Edmund (auf 1200m ü. N.N.) und Dietmar (extrem genaue Montierung) in Astronomie Forum). Ein wichtiger Faktor könnte die Meereshöhe sein (transparenterer Himmel) oder auch die zufällige aktuelle Witterung, die bewirkt, dass man auch mit höheren Brennweiten detailreichere Ergebnisse zustande bringt. Alles bei "langen" Bel.Zeiten. Auch die Genauigkeit des Laufes der Montierung scheint eine wichtige Rolle zu spielen (GA-HAMAL bei CN oder auch Dietmar bei Astronomie Forum). Also keine Massenware wie EQ, etc.


    Mantrapskies.com Astronomical Image Catalog: RED


    Der leider schon verstorbene Kollege Rick Johnson hat zum sampling dann noch folgendes geschrieben:

    "Sampling theory for high contrast features says you need to sample as twice the rate of what you are sampling. That would mean for those best nights you’d want to sample at 1” per pixel for on a 2” night. WRONG! That doesn’t apply here as the Airy disk is round but the camera’s pixels are square! A bit of drawing on graph paper will show you that this sampling rate is too low. It needs to be 3 to 3.5 times that of what you are sampling, so for a 2” night you would want to sample at 0.67” to 0.57” per pixel."

    Das würde ich dann so interpretieren: bei einer 3"-4" Nacht müsste ich bei ca. 1"/Pixel fotografieren. Ist das richtig?


    viele Grüße und ein schönes Wochenende

    Andreas

  • Hallo Ralf,


    Deine Aufnahme ist sehr schön geworden, und so viele detaillierte Aufnahmen des roten Rechtecks findet man im Netz gar nicht.


    Der Vergleich zwischen visueller Beobachtung und Fotografie ist sehr interessant, aber auch nicht so einfach. Ich selbst habe zunächt visuell beobachtet (18"), hatte dann ein CCD Zwischenspiel am 18" Dobson, und arbeite seit einigen Jahren wieder nur visuell (25"). Ich meine, daß das menschliche Sehvermögen mit einem Fotoapparat kaum vergleichbar ist. Z.B. ist der Dynamikumfang des Auges viel größer, und obwohl die "Integrationszeit" nur im Millisekundenbereich liegt, sieht das Auge Dinge, für die man einen CCD Chip mehrere Minuten belichten muß. Hinzu kommt jenes Phänomen, über das ich mich am Anfang meiner Beobachterkarriere sehr gewundert habe: Visuell sieht man die Dinge nicht einfach oder man sieht sie nicht, wie auf einem Foto, sondern man kann und muß lernen Dinge zu sehen. Außerdem ist Sehen eben immer auch interpretieren.


    Visuelle Beobachtung von Objektdetails hat auch etwas gemeinsam mit Lucky Imaging. Man merkt sich ja die visuellen Eindrücken aus den manchmal nur wenigen Momenten des besten Seeings, nicht aus den verwaschenen Phasen des schlechten Seeings. Beim Zeichnen bringt man nur die besten Eindrücke aufs Papier und nicht etwa einen Durchschnitt von allem.


    Viele Grüße

    Johannes

  • Hallo Andreas, Tommy, Johannes und Markus,


    Andreas, ich habe ein Sampling von 0,35" pro Pixel, das sollte reichen, und ich bezweifle nicht, dass man mit langen Belichtungszeiten auch scharfe Bilder machen kann. Wie gesagt, was soll da noch raus kommen, wenn ein Stern durch 36 statt 25 Pixel dargestellt wird. Selbst gestandene Astrofotografen reden manchmal davon bei kleinen Objekten mehr Brennweite zu nehmen, das ist ...


    Hallo Tommy, genau das sehe ich ähnlich. EIN DOBSON , da sagt man, der ist ja nur für visuell usw. In welchem Astrofoto-Buch steht das schon, dass das geht? Die Einzelbelichtungszeit könnte z.T. fast "klassisch" ausfallen, also 1 min. z.B. Man kann den Dobs sogar guiden habe ich gehört.


    Hallo Johannes,

    dein Beitrag freut mich besonders, denn das Lob für das "exotische" Objekt gehört eigentlich dir, und das gebe ich hiermit gerne weiter.

    Was du über das menschliche Auge schreibst kann ich nur unterstreichen und die unterschiedlichen Fähigkeiten habe ich bisher auch unterschätzt, denn meine astronomische Sozialisation war im Wesentlichen eine fotografische Sozialisation. Gerade an dem Objekt zeigt es sich aber, wo die Fotografie ihre Schwächen hat.


    Hallo Markus,

    ersetze doch ´neidvoll´ durch ´inspirierte´ und du hast mir (und dir) eine große Freude gemacht..


    Viele Grüße,

    ralf

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