Langzeitprojekt: Meine GRF-Transitbeobachtungen seit 1971

  • Hallo in die Runde,


    vor ein paar Tagen habe ich meine GRF-Transitbeobachtungen von 2021 bei WinJupos gemeldet. Hans-Jörg Mettig, der seit vielen Jahren die Positionsdatenbank pflegt, schickte mir als Antwort eine graphische Gegenüberstellung meiner visuellen Ergebnisse mit den durch Bildausmessung ermittelten. Ich zeige hier mal einen Ausschnitt der letzten beiden Jahre:



    Den GRF beobachte ich mittlerweile seit 1971, also seit einem halben Jahrhundert. Immer nach der gleichen visuellen Methode, die allerdings im Laufe der Jahre verfeinert wurde. Anfangs wurde nur die minutengenaue Zeit notiert, zu der der Fleck scheinbar exakt im Meridian stand. Später wurden auch die Zeiten des GRF-Anfangs und des GRF-Endes bestimmt und das auf Zehntelminuten. Um eventuelle Voreingenommenheit auszuschließen, nutze ich seit einigen Jahren eine spezielle Stoppuhr, die nacheinander 30 sekundengenaue Zeiten – nicht nur Zeitdifferenzen – registrieren kann. Ich sehe dann erst nach der Beobachtung, was ich gestoppt habe.


    Der Vorteil der visuellen Methode ist, dass sie auch dann noch funktioniert, wenn das Seeing für Videografie zu schlecht ist. Der Nachteil: Der Planet muss zum Zeitpunkt des Meridiandurchgangs sichtbar sein. Aus einem Bild lässt sich auch dann ein Positionswert gewinnen, wenn der GRF deutlich vor oder hinter dem Meridian steht.


    Beobachtet wurde mit sehr unterschiedlichen Instrumenten. Angefangen habe ich mit dem Zeiss E-Refraktor 50/540 bei 90x. Das ist kein Witz. 1971 war der GRF noch deutlich größer als heute und sehr kontraststark. Mittlerweile nutze ich um die 200x an meinen Refraktoren (130 und 180 mm).


    Insgesamt habe ich bisher mehr als 2400 visuelle Positionsmessungen gemacht, das sind knapp 1000 GRF-Meridiandurchgänge. Hier noch die Gesamtgrafik 2000 bis 2021:




    CS, Jörg

  • Hallo Seraphin,


    Danke für die Blumen. Na, Du bist ja auch drangeblieben und hast nach 12 Jahren einen fotografischen Bilderbuchstart hingelegt in den vergangenen vier Monaten. Ja, Begeisterung ist wirklich wichtig in diesem Hobby. Aber wenn es das richtige ist, dann lässt es einen nie wieder los. Es gibt höchstens mal Pausen. Auch bei meiner GRF-beobachtungsreihe fehlen ein paar Jahre. Als die Kinder klein waren zum Beispiel oder nach 1990, als wir uns hier im Osten neu sortieren mussten. Um so sicherer bin ich mir jetzt, dass ich das wirklich bis zur Kiste weitermachen will. Zumindest so lange wie die Augen mitspielen und man im Kopf noch kein Gemüse ist…


    CS, Jörg

  • Hallo Jörg,


    tolles Langzeitprojekt von Dir und sauber ausgeführt.


    Benutzt du ein Meßokular oder wie bestimmst du den genauen Meridiandurchgang des GRF?

    Oder schätzt Du die Position nur? Aber dann würde die sub-minutengenaue Messung der Durchgangszeit keinen Sinn machen.


    Welche Erkennnisse konnten bisher aus den Daten gewonnen werden?


    Gruß Robert

  • Gute Güte Jörg,


    Das nenne ich mal Konsequenz und Akribie. Zehntel Minute, mit ohne Voyager Kameras, oder wenigstens Hubble. Wie geht das denn!!!

    Mein Spontanreflex war: Anglerlatein 8o , geb ich zu.


    Ein schönes Lebenswerk hast Du da. Meinen Respekt!

    Ich selbst hätte wohl nie die Ausdauer für. allerdings reut es mich, nicht frühzeitig (in den 90ern) mit den Doppelstern Orbits angefangen zu haben.

    Danke für das Vorstellen! :thumbup: .


    CS,

    Walter

  • Hallo Christian, hallo Robert,


    Danke für euer Lob. Ich denke, der astronomische Stellenwert dieses Projekts ist realistisch gesehen nicht (mehr) allzu hoch. Als ich damit anfing, galt noch, dass ein Planetenfoto nie so viel Detail zeigt wie man visuell wahrnehmen kann. Dann kamen die ersten Raumsonden in Richtung Jupiter, später Hubble und im Amateursektor die Videografie mit Lucky Imaging. Das hat mich zeitweise ganz schön demotiviert.

    Erst die Überlegung, dass Raumsonden meist nur Momentaufnahmen liefern und Weltraumteleskope in ihrer Nutzung viel zu breit aufgestellt sind, um regelmäßig Jupiter abzulichten, gab mir wieder etwas Auftrieb. Natürlich hätte ich auf die Videografie umschwenken können. Die aber ist viel stärker vom Seeing abhängig als die visuelle Beobachtung. Außerdem sehr zeitaufwändig. Deshalb bin ich entgegen dem allgemeinen Trend bei der visuellen Transitmethode geblieben.


    Wie läuft diese nun ab? Fadenkreuze oder Messokulare scheiden aus. Die würden höchstens bei Nullseeing und einer extrem hohen Nachführgenauigkeit funktionieren. Zum Glück ist die menschliche Schätzometrie nicht zu unterschätzen. Mit etwas Übung geht das überraschend gut und genau. Wichtig ist, dass die Wolkenbänder horizontal verlaufen und die Rotationsrichtung (Bildorientierung) immer die gleiche ist. Pro Ereignis (GRF-Anfang, -Mitte und -Ende) werden jeweils drei sekundengenaue Zeiten bestimmt: wenn man das erste Mal den Eindruck hat, wenn es am wahrscheinlichsten ist und wenn es vorbei zu sein scheint. Daraus berechnet man den Mittelwert, wobei die zweite Zeit doppelt gewichtet wird. Die Sekunden werden am Ende auf Zehntelminuten gerundet.


    Bei dieser Methode spielen Intuition und Erfahrung eine wesentliche Rolle. Es ist ähnlich wie bei einem alten Handwerker, der ein Stück Stahl nur anguckt, sich sagt „Hmm, das werden knapp 18 mm sein“ und wenn er nachmisst, sind es 17,5 mm. Wie er das genau macht, kann er nicht sagen, aber es funktioniert.


    Zu konkreten wissenschaftlichen Erkenntnissen aus diesen Beobachtungen kann ich nicht allzu viel sagen. In Sachen Jupiteratmosphäre scheint die Forschung noch immer ziemlich am Anfang zu stehen. Die Sonde Juno hat uns zwar enorm weitergebracht, aber wohl mehr neue Fragen aufgeworfen als alte beantwortet. Der Vorzug der WinJupos-Daten ist, dass sie historisch sehr weit zurückreichen. Nach der von mir verwendeten Methode wurde bereits im 19. Jahrhundert beobachtet. Auch diese Ergebnisse sind bei WinJupos gelistet und für alle Interessenten über das Internet zugänglich.


    So weit erst mal. Bei weiteren Fragen gerne mehr Details.


    CS, Jörg

  • Hallo Walter,


    auch Dir vielen Dank für die freundlichen Worte. Wie das mit den Zehntelminuten geht, hab ich ja schon im vorigen Beitrag beschrieben. Apropos Anglerlatein: Das einzige, was mir selbst heute ein bisschen unwahrscheinlich vorkommt, ist die GRF-Positionsbestimmung mit dem Zeiss-Bastelfernrohr 50/540. Klar, der GRF war damals größer als heute, und meine Augen 50 Jahre jünger. Aber die Ergebnisse zeigen, es hat funktioniert. Videografisch ist der Fleck auch heute noch mit dem kleinen Ding zu holen:



    Aber seine Position würde ich damit nicht mehr bestimmen wollen.


    CS, Jörg

  • Hallo Jörg,


    danke für die ausführliche Erläuterung der wirklich interessanten Methode der Messung des Medidiandurchgangs des GRF.


    Offenbar hat es sehr gut funktioniert, wen mann deine Ergebnisse mit denen der elektronischen Auswertung vergleicht.


    Gruß Robert

  • Hallo Robert,


    was beim Vergleich auffällt: Visuell wird der GRF signifikant kleiner wahrgenommen, als er videografisch erscheint. Die Ursache dafür ist mir noch nicht ganz klar. Möglich, dass das Hirn, das ja auch eine Art Stacking veranstaltet, den Fleck durch Seeingeffekte etwas schrumpfen lässt. Andererseits könnte es aber auch sein, dass die Schärfroutinen bei der videografischen Summenbildbearbeitung ihn etwas aufblähen. Letzteres erscheint sogar wahrscheinlicher, zumal die visuellen Ergebnisse besser zu den von der NASA veröffentlichten Angaben für die Längenausdehnung (um die 10°) passen.


    CS, Jörg

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