Sharpless 2-132, SHO

  • Hallo zusammen!


    Und dann versuche ich mich zu entspannen und es gelingt mir fast, doch plötzlich bewegt sich der carpe noctem Wurm, zieht mich zum Nachthimmel und fordert mich heraus ... ja, Astrofotografie ist ein wunderbares Hobby, aber es ist auch verdammt anspruchsvoll. Und manchmal hat man alles und jede Mühe satt, die schlaflosen Nächte und die Erschöpfung an folgenden Tagen, eine Verarbeitung, die sich über eine lange Zeit erstreckt und technische Details, die fast endlos sind. So wäre mir manchmal hakuna matata viel lieber.

    Doch am Ende, nach 30 Stunden Photonen sammeln innerhalb von zwei Jahren, an verschiedenen Orten, nach mehreren erfolglosen Bearbeitungsversuchen in dieser Zeit, und beim letzten Versuch jedoch an drei Abenden und Nächten hintereinander – bekommt man das und dann erst weiß man, dass es sich gelohnt hat:



    Der Löwen-Nebel, Sharpless 2-132, in Schmalband SHO Palette

    Meade 80/480, 0.85 SW flattener

    ATIK383L, Ha, OIII, SII Filter, NEQ6

    Ha 8X30min, 18X20min; OIII 8X30min, 14X20min; SII 1X30 min, 6X20min

    PI, PS

    von 2019-2021


    Also hakuna matata hat mir diesen Einblick in die 12.000 Jahre alten Tiefen des Universums gebracht ... all das Feine des Weltraumstaubs, all das Flackern, das selbst die kleinsten Sterne in Stimmung bringen und leuchten lassen. Sharpless 2-132 ist ein schwacher Emissionsnebel - luxuriöser blauer Sauerstoff und rötlicher Schwefel auf einer Basis aus molekularem Wasserstoff. All dies im Sternbild Kepheus kurz vor der Eidechse, 1° südöstlich von Epsilon Cephei und hat eine Größe von etwa 40 Bogenminuten, beleuchtet von einem der hellsten bekannten Sterne - WR 153ab.


    Crop, Umgebung Wolf-Rayet-Stern WR153ab


    Wolf Rayet-Sterne sind meist extrem massereiche Sterne, die bereits Wasserstoff verbraucht haben und nun Helium mit noch größerer Energieverschwendung zu schwereren Elementen verschmelzen. Aufgrund der hohen Oberflächentemperaturen (etwa 20x wärmer als die Oberfläche unserer Sonne) wird nur ein kleiner Teil des Lichts im sichtbaren Bereich des Spektrums abgestrahlt, während sich das meiste in einem ultravioletten Bereich befindet.
    Gerade diese ultraviolette Strahlung ist dafür verantwortlich, Elektronen in die breitere Hülle der Atome zu heben, um sie dann wieder in der Nähe des Kerns zu senken, das Licht zu emittieren – blauen Sauerstoff, roten Schwefel und Wasserstoff. In diesem Fall wird dem Wasserstoff aufgrund der Aufnahmetechnik eine grüne Farbe zugewiesen. So beansprucht der grüne Wasserstoff das Foto für sich, also muss es aufgemotzt werden. Andernfalls würde der Löwe grün aussehen:


    Sharpless 2-132 Original Hubble Palette



    Aber leider hält der himmlische Mufasa für alle Liebhaber des Königs der Löwen auch nicht ewig. WR153 nähert sich nun dem Ende seines turbulenten Lebens. Nach Helium beginnt die Fusion von Kohlenstoff, Sauerstoff und so weiter bis Eisen. Und um Eisen zu fusionieren, braucht dieser Stern mehr Energie als aus der Fusion gewonnen wird. So verliert er plötzlich Energie, die den Stern vor dem Kollaps bewahren könnte.
    Sobald es einen Kollaps gibt, explodiert der Stern in eine SN, nach der ein Neutronenstern oder ein Schwarzes Loch übrig bleibt oder kollabiert sofort in ein Schwarzes Loch. Und auf Wiedersehen Mufasa ... An einer anderen Stelle wird ein anderer Stern ein Licht auf einige andere Wolken werfen und neue Charaktere in unserer Vorstellung zaubern.



    Es gibt noch viele interessante Objekte zu sehen, um nur einige zu nennen: Offener Galaktischer Haufen Teutsch 127, Teutsch 126, Berkeley 94, LDN 1154 und LDN 1150 und das vielleicht interessanteste ist der winzige Planetarische Nebel G101.5-00.6. Er ist der Rest eines Sterns wie unsere Sonne. In seinem letzten Atemzug blies er seine äußeren aufgeblasenen Schichten weg und fand in einem heißen Weißen Zwerg Platz, der weggeworfenes Gas und Staub beleuchtet.


    Crop, PN G101.5-00.6.


    Ein sehr ungewöhnlicher Planetarischer Nebel Abell 79 hat es leider nicht geschafft auf meine Aufnahme zu kommen, dieser wäre im großen Bild links unten gewesen. Das nächste mal achte ich darauf.



    Anmerkung: Unter Teutsch 127 befinden sich SBB1 und SBB2 - T.A. Saurin, E. Bica und C. Bonatto (aus Brasilien) untersuchen diese eingebetteten Sternhaufen, die in Molekülwolken gebildet werden. Viele der sehr jungen Sterne sterben schnell und einige wenige, die übrig bleiben entwickeln sich dann zu offenen Sternhaufen. Diese Evolution findet gerade statt und somit sind wir Zeugen in dieser Übergangszeit.




    Hakuna matata, carpe noctem und vor allem carpe diem ... Reni



    Edit: Flüchtigkeitsfehler beseitigt :)

  • Hallo Reni!


    Gefällt mir gut, dein Löwennebel!

    Super präsentiert und recherchiert. So viele Infos- man weiß gar nicht mehr wo man auf deinem Bild zuerst stöbern soll.

    Klasse Arbeit, hat sich gelohnt :OK_hand_light_skin_tone:


    LG und CS

    Niko

  • Moin Reni,


    ein klasse Ergebnis, die Mühe kann man in den Bildern wiedererkennen! :thumbup: :thumbup: :thumbup:


    Danke für's Zeigen und für den Bericht!


    CS, Jochen

  • Serrvus Reni,


    vielen Dank für diesen tollen Beitrag. 30 Stunden inerhalb von zwei Jahren, was für eine Mühe! Und was dabei rumgekommen ist, ist traumhaft schön. Die Details der Staubfilamente ist einfach irre.


    Die Hintergrundinfos zu den Objekten runden das noch ab - ja, Wolf-Rayet-Sterne sind der blanke Wahnsinn, was die für Temperaturen haben und wie stark deren Sternenwind ist... Und dann sind sie solche Energieverschwender, dass sie in kosmischger Skala nur sehr kurz existieren, dann Explodieren und uns dann mit ihren Überresten optisch erfreuen. Und sie sind natürlich die ideale UV-Lampe zum Anregen von Gas.


    Was mir natürlich ganz besonders gefällt: Cool, dass du nicht nur das Foto an sich vorgestellt hast, sondern auch das, was an kleinen Schätzen darin verborgen ist. SBB 1 und SBB 2 – ist es nicht toll, dass wir die technische Möglichkeit haben, in die Geburtsstätten dieser Sternansammlungen zu sehen? Im Infrarot kann man natürlich noch mehr sehen, aber hier erleben wir quasi den Moment, an dem sich die umgebende Wolke lichtet, sodass die Sterne der kleinen Häuflein jetzt auch optisch sichtbar sind.


    Die Teutsch-Haufen sind ja eh spannend – manche sind wohl nur Asterismen, andere aber auch physisch reale Haufen. Und hier gleich drei direkt beinander, SBB 1, SBB 2 und Teutsch 127, dann noch der nette Wolf-Rayet-Stern dazu – das muss ich unbedingt selber anschauen bzw. fotografieren. Kommt sofort auf meine Bucket-Liste.


    Liebe Grüße und vielen Dank nochmal,

    Christoph

    Mein Verein: Astronomische Gesellschaft Buchloe e.V.

    Meine Ausrüstung:

    Teleskope: 22" (560 mm)  f/3.5 Dobson (Martini / Oldham Optical)  –  Omegon Ritchey-Chretien Pro RC 203/1624; Montierung: iOptron CEM40G  –  Ferngläser (8 x 42, 20 x 60)

    Kamera: Canon EOS 6D Mark II (Vollformat, unmodifiziert); Kameraobjektiv: meist Canon EF-200 mm f/2.8 Teleobjektiv

  • Hallo Niko,


    hab Dank, das freut mich sehr.


    Viele Grüße, Reni



    ******************************************



    Hallo Jochen,


    Danke für's Lesen :)


    Viele Grüße, Reni



    *******************************************


    Hallo Peter,


    ja, wir recht Du hast ;) ... schön, dass Du hier warst, Danke Dir.


    Liebe Grüße, Reni



    ********************************************


    Hallo Reinhard,


    das tut gut zu lesen. Danke für Deine Ehrlichkeit.


    Clear Sky, Reni



    *********************************************


    Servus Christoph,


    Danke für Dein Lob :)


    Und wenn Dich mein Beitrag dazu inspiriert hat, diese "Schätze" auch aufzusuchen,

    dann hat sich das für mich auf jeden Fall gelohnt.


    Hab einen schönen Tag und


    liebe Grüße, Reni

  • Servus Reni,


    ich vermute, du kennst den Artikel ohnehin und hast daher die Informationen zu SBB 1 & 2: https://arxiv.org/pdf/1006.0246.pdf


    Das ist die Arbeit von Saurin, Bica & Bornatto (2009), in der weitere Sternhaufen der Region, so natürlich auch SBB 3 und 4 sowie Berkeley 94. Demnach ist SBB 1 nur im Infrarot als Haufen zu erkennen, die anderen drei SBB-Haufen aber auch visuell - und Teutsch 127 und Berkeley 94 sowieso.


    Liebe Grüße,

    Christoph

    Mein Verein: Astronomische Gesellschaft Buchloe e.V.

    Meine Ausrüstung:

    Teleskope: 22" (560 mm)  f/3.5 Dobson (Martini / Oldham Optical)  –  Omegon Ritchey-Chretien Pro RC 203/1624; Montierung: iOptron CEM40G  –  Ferngläser (8 x 42, 20 x 60)

    Kamera: Canon EOS 6D Mark II (Vollformat, unmodifiziert); Kameraobjektiv: meist Canon EF-200 mm f/2.8 Teleobjektiv

  • Guten Morgen Christoph,


    meine Befürchtung war, dass der Bericht zu lang werden könnte, somit hab ich einiges weggelassen. Ja, hab diese pdf Datei auch gelesen.

    Meine nächste visuelle Beobachtung wird diese Region sein, sobald sich der hohe Nordwind gelegt hat. Er tobt und stürmt und das Seeing ist sehr schlecht.


    Da kommen mir die Zeilen von Erich Kästner in den Sinn ... lol


    "Nordwind bläst. Und Südwind weht.
    Und es schneit. Und taut. Und schneit.
    Und indes die Zeit vergeht
    bleibt ja doch nur eins: die Zeit"




    Hier noch die Ergänzung zum Löwen-Nebel:


    Berkeley 94, ein junger Sternhaufen; der helle Stern drüber ist ein roter Hyperriese und veränderlicher Stern V* RW Cephei; SBB 4 mit dem hellen Stern HD 239944



    und ...


    SBB 3 mit dem hellen Stern WR 152 (HD 211564)



    Danke, dass Du nochmal hier warst,


    liebe Grüße, Reni

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