Entfernungsberechnung über Radialgeschwindigkeit/Rotverschiebung

  • Hallo Community,


    ich habe mich gerade mit Entfernungen bestimmter Objekte beschäftigt. Nicht bei allen ist eine Entfernung angegeben, aber bei Simbad steht ja oft die Radialgeschwindigkeit.

    Über das Hubble-Gesetz d=v/H0 kann man ja dir Distanz näherungsweise bestimmen.


    Das habe ich mal probiert und wollte das bei bekannten Objekten verifizieren.

    Für Galaxien scheint das ja ganz gut zu funktionieren, aber bei planetarischen Nebeln versagt das ganze total.


    Hier mal die Beispiele.


    Messier 49:

    Radialgeschwindigkeit in Simbad: ca. 950 km/s

    Hubble-Konstanten vom Hubble-Weltraumteleskop: 74,2km/(s*Mpc)


    Eingesetzt in die Formel und in Lichtjahre umgerechnet erhalte ich ein Ergebnis von 41 MioLj Entfernung. Das stimmt mit der Hubbledistanz bei Wikipedia total überein.


    Messier 27:

    Radialgeschwindigkeit in Simbad: ca. 42 km/s

    Hubble-Konstanten vom Hubble-Weltraumteleskop: 74,2km/(s*Mpc)


    Eingesetzt in die Formel erhalte ich 1,8 MioLj Entfernung. Ein Blick in Wikipedia sagt eine Entfernung von 3000 Lj. Das ist ein ganz schön riesiger Unterschied.


    Kann ich das bei so nahen Objekten nicht anwenden? Wo ist mein Denkfehler?


    Vielleicht könnt ihr mir hier weiterhelfen. Vielen Dank.


    Sebastian

    iOptron CEM70G Montierung

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  • Hallo Sebastian,


    soweit ich weiß gilt das Hubble-Gesetz nur auf kosmologischer Entfernung. Sprich wenn der Effekt der Expansion des Raumes gegenüber der Gravitation und Eigenbewegung überwiegt.

    So gilt es nicht innerhalb der Lokalen Gruppe und auch nicht bei den daran angrenzenden Galaxien. Ich weiß nicht, ab wann man es anwendet? Abe dem Virgohaufen vielleicht? dann würde es mit M49 ja hinkommen.

    Aber definitiv gilt das Hubble-Gesetz nicht innerhalb unserer Galaxie.


    Bis dann:

    Marcus

    16" f/4 Dobson, 6" f/5 Dobson, C8, 60/360 Apo, 70/700 PST-Mod "Sunlux"


    Zeige mir einen Dobson und ich zeige Dir eine Baustelle

  • Hallo Marcus


    vielen Dank für die Antwort. Dann werde ich dahingehend noch einmal recherchieren.


    Sebastian

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  • Servus Sebastian,


    warum das bei Planetarischen Nebeln nicht klappt, ist eigentlich ganz logisch: die befinden sich innerhalb unserer Milchstraße. Da die Galaxie aufgrund der Gravitation zusammengehalten wird und kosmologisch zudem sehr klein ist, dehnt sie sich aufgrund der Dehnung des Raums selber nicht oder wenn, dann kaum aus. Die Radialgeschwindigkeit des Planetarischen Nebels ist nur seine eigene Bahngeschwindigkeit auf seinem Umlauf um das Zentrum der Milchstraße.


    Marcus hat es auch bezüglich der Lokelen Gruppe schon erklärt. Nimm den Andromedanebel – der bewegt sich auf uns zu, und zwar nicht, weil sich hier lokal der Raum zusammenziehen würde, sondern weil er durch die Anziehung von Milchstraße und ihm selbst näher kommt (und wir ihm). Die Galaxien der lokalen Gruppe sind gravitativ gebunden und sich wiederum relativ nah.


    Bei größeren Entfernungen wirkt sich die Raumzeitdehnung auch stärker aus. Vergleich das mit einer langen Metallschiene, die sich bei Erwärmung dehen würde. Der Effekt wäre bei zwei sehr nah gelegenen Punkten der Schiene nicht oder kaum bemerkbar. Auf die ganze Länge bezogen sind es dann aber doch ein paar Milimeter oder Zentimeter.


    Innerhalb eines Galaxienhaufens ist die gravitative Kopplung sicher größer. Bei einem Superhaufen (die Lokale Gruppe kreist ja um den gemeinsamen Schwerpunkt mit dem Virgo-Haufen und weiteren Asuläufern) sind die Entfernungen wiederum so groß, dass die Kopplung weit entfernter Objekte sehr schwach ist und sich wegen der großen Strecken die Raumzeitdehnung deutlicher bemerkbar macht.


    Je größer die Entfernung, umso besser geht es. Mit der Rotverschiebung klappt es daher sehr gut bei wirklich großen Distanzen, zum Beispiel mehr als einer Milliarde Lichtjahre Abstand. Wo die Untergrenze liegt (in Bezug auf den Virgo-Haufen) weiß ich nicht. Ich schätze mal, so ab 100 Millionen Lichtjahren müsste die Rotverschiebung als Maßstab funktionieren. Supernovae als Standardkerze sind da aber sicher genauer, weil sie nicht auf lokale Besonderheiten (große Eigengeschwindigkeiten) reagieren.


    Liebe Grüße,

    Christoph

    Mein Verein: Astronomische Gesellschaft Buchloe e.V.

    Meine Ausrüstung:

    Teleskope: 22" (560 mm)  f/3.5 Dobson (Martini / Oldham Optical)  –  Omegon Ritchey-Chretien Pro RC 203/1624; Montierung: iOptron CEM40G  –  Ferngläser (8 x 42, 20 x 60)

    Kamera: Canon EOS 6D Mark II (Vollformat, unmodifiziert); Kameraobjektiv: meist Canon EF-200 mm f/2.8 Teleobjektiv

  • Hallo Sebastian,


    daß du das Hubble-Lemaitre-Gesetz nur auf Galaxien außerhalb der Lokalen Gruppe anwenden kannst, ist eine Sache, aber eine Obergrenze gibt es auch, und die liegt bei einer Rotverschiebung von ca. 0.1. Darüber hinaus macht sich bemerkbar, daß die Exapnsionsrate des Universums mit der Zeit zugenommen hat - eine Geradengleichung paßt dann nicht mehr.


    In der Kosmologie ist die Entfernung ansich nur noch Nebensache und wird gar nicht mehr betrachtet. Die eigentliche Meßgröße ist die Rotverschiebung selber - deren Wert kann man (im Rahmen der Fehlergrenzen) zweifelsfrei angeben, und dabei beläßt man es.


    Viele Grüße

    Caro

  • Vielen Dank für Eure umfangreichen Erklärungen.

    Das habe ich so weit verstanden. Mit der Obergrenze hatte ich auch mal gelesen.


    Das heißt aber alles auch, dass ich bei Emissionsnebeln und planetarischen Nebeln dann selber keine Entfernung bestimmen kann, wenn in der Literatur

    nur die Rotverschiebung angegeben ist? Ich weiß ja nicht immer, ob dass Objekt schon so weit entfernt ist, dass ich das Distanzgesetz anwenden kann.


    Als Beispiel wäre hier zum Beispiel IC 351. Das ist ein planetarischer Nebel, bei dem ich nur die Rotverschiebung kenne.

    Ohne weitere Angaben wüssten ich dann nicht wie weit er von uns entfernt ist?


    Viele Grüße


    Sebastian

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  • Nein, weißt Du nicht ...


    Rotverschiebung als Entfernungsangabe ist erst außerhalb der Lokalen Gruppe anwendbar. Innerhalb kennzeichnet sie nur einen Vektor der Eigenbewegung. Die verschobenen Linien einer entfernten Galaxis sind durch die Eigenbewegungen der Sterne in der Galaxis nur minimal verbreitert. Dh. kosmologische Rotverschiebung hat eine ganz andere Größenordnung als Rotverschiebung durch Eigenbewegung.


    Gruß

    Stephan

  • Sebastian,

    Du verwechselst hier etwas. Planetarische Nebel und Emissionsnebel sind Objekte innerhalb der Milchstraße. Wenn man da eine Rotverschiebung misst, dann aufgrund des pieps-normalen Dopplereffekts, also der Geschwindigkeitsdifferenz solcher Gaswolken zu uns. Das hält sich in Grenzen, denn in der Milchstraße kreist man mehr oder weniger gleichmäßig mit herum.


    Und dann gibt es die vielen Galaxien. Die Milchstraße selbst ist auch eine. Bei den Galaxien in unmittelbare Nähe zur Milchstraße (der sog. lokalen Gruppe) gibt es messbare Eigenbewegungen zu uns (in unserer Milchstraße) und untereinander wirkt auch die gegenseitige Gravitatation, so dass diese sog. lokale Gruppe davon zusammen gehalten wird.


    Und dann gibt es die weiter entfernten Galaxien, wo Hubble (und andere Schlaue)tatsächlich dann die Ursache für die Rotverschiebung nicht mehr in der Geschwindigkeit der Bewegung selbst sondern der Raumexpansion des Universums fanden. Der Zusammenhang ist folgender: Je weiter etwas von uns entfernt ist, desto länger braucht das Licht von dort zu uns. Je länger aber das Licht braucht, desto länger ist es bei seiner Wanderschaft der Raumexpansion ausgesetzt. Diese zieht die Wellenlänge des Lichts dabei in die Länge (macht es aber nicht schneller).

    Um das Ganze noch zu verkomplizieren. Die Raumausdehnung ist seit dem Urknall nicht immer gleichstark gewesen.

    Um das bildhaft zu umschreiben: Du sitzt in der Lobby eines Hotels an einem Regentag und siehst jemand klatschnass zur Hoteltür reinkommen. Anhand des Nässegrades schätzt du auf seine Wanderzeit im Regen und damit wie weit er gelaufen ist. Und der Regen war nicht immer gleichmäßig. So kann man sich an einem Regentag in einer Hotellobby die Zeit totschlagen. :) :) :)

  • Hallo Sebastian,


    was Caro über die großen kosmologischen Distanzen schreibt, kann man man mit diesem Tool berechnen:

    Ned Wright's Javascript Cosmology Calculator


    Siehe auch das Kosmologie Tutorial von Ned Wright zum Thema "Many Distances"


    p.s.: Zur allgemeinen Verwirrung hier noch ein alter Beitrag zu kosmologischen Entfernungen


    Rotverschiebung ... kennzeichnet ... nur einen Vektor der Eigenbewegung.

    Hallo Stephan,


    kann es sein, dass du die Begriffe aus dem Alltag und der Astronomie durcheinander bringst?

    In der Astronomie ist der Begriff Eigenbewegung definiert als der tangentiale Teil der Bewegung im Raum, also ausschließlich der Teil quer zur Blickrichtung. Dieser bewirkt mit der Zeit eine Positionsänderung des Gestirns, er bewirkt keinen Dopplereffekt. Hingegen bewirkt der radiale Teil der Bewegung (und nur dieser) einen Dopplereffekt, jedoch keine Eigenbewegung.


    Was du mit "Eigenbewegung" meinst, ist nach astronomischer Definition die resultierende Raumbewegung = Vektorsumme aus Eigenbewegung + Radialbewegung.


    Details siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Eigenbewegung_(Astronomie)

  • Ok, dann sie als die Rotverschiebungsangaben in Simbad zu einem Planetarischen Nebel durch seine Eigenbewgung auf uns zu oder auf uns weg entstanden und die Rotverschiebungen für Galaxien sind durch den Dopplereffekt erklärbar. Und nur bei diesen kann ich auch das Gesetz d=c*z/H0 bzw d= v/H0 anwenden.

    Und bei den palanetarischen Nebeln muss man für die Entfernung abwarten bis es eine Veröffentlichung, wo diese dann genau untersucht wurde.


    Viele Grüße


    Sebastian

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  • Hallo Sebastian,


    SIMBAD gibt dir *entweder* Radialgeschwindigkeiten oder die Rotverschiebung an. Radialgeschwindigkeit und Rotverschiebung sind zwei unterschiedliche Dinge, ersteres eine Geschwindigkeit, zweites eine einheitslose Größe. (Und wie nun exzessiv erläutert kannst du die Rotverschiebung nicht auf Objekte innerhalb der Lokalen Gruppe oder gar in der Milchstraße anwenden)


    Viele Grüße

    Caro

  • Hallo Caro,


    ja, das habe ich inzwischen verstanden. Und das Radialgeschwindigkeit und Rotverschiebung unterschiedliche Dinge sind, ist klar. ;)


    Bei Simbad stehen doch aber (wenn vorhanden) immer beide Angaben.

    Hier mal das Beispiel IC 351:


    Radial velocity / Redshift / cz : V(km/s) -10.3 [2] / z(~) -0.000034 [0.000007] / cz -10.30 [2.00]


    Nur das hier V(km/s) -10.3 [2] fett ist und z grau. Das bedeuten dann, dass die grauen Zahlen nur berechnet wurden?

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