Venus am 7.1.22 - Ein Bericht

  • Hallo Leute,


    Mittlerweile ist wettertechnisch klar, dass der 7.1. die für mich beste Gelegenheit war, die Venus bei dieser Runde nahe bei der Sonne zu beobachten. Hier ein kleiner Bericht.


    Letzten Freitag öffnete sich also das einzige Wetterfenster für die Venus kurz vor der Konjunktion für uns hier im Süden von NZ, wo Sommer bedeutet: Wolken, Wind, Regen, wilde Temperaturschwankungen, noch mehr Wolken, Staub, Pollen, schlechtes Seeing - kurz: Mist. Nicht so aber am 7. Januar, als die Venus nur ein halbes Grad von ihrem geringsten scheinbaren Abstand zur Sonne am 9. Januar entfernt war. Die Elongation lag an diesem Tag bei knapp 5,5 Grad, und eine Ladung Südwind hatte den Himmel für ein paar Stunden vor der nächsten Wolkenladung leergefegt. Das musste reichen.


    Ich dachte mir, dass Höhe in mehrfacher Hinsicht hilfreich sein würde, und entschied mich daher für eine Mittags- Beobachtungssession auf dem Berg. Ich fuhr also zum Remarkables-Skiresort östlich von Queenstown, auf eine Höhe von etwa 1.600 m. Kein Schnee weit und breit. Über den umliegenden Hängen stiegen Thermikblasen auf, und Windböen wirbelten etwas Staub auf, aber der Himmel selbst war dunkelblau und die Transparenz super.



    Ich baute den 8er Cassi auf und fand die Venus ziemlich schnell an der erwarteten Stelle. 61° Horizonthöhe, feine Sache. Bei 60-facher Vergrößerung war sofort ein unglaublich schöner, hauchdünner 270°-Bogen vor stahlblauem Hintergrund zu sehen, und das Gehirn ließ ihn wie einen Vollkreis aussehen. Das war für mich ziemlich sicher der Anblick des Jahres. Also dieses Jahres, das erst 10 Tage alt ist.



    Ich hatte ein paar Kameras mitgebracht: ASIs 174, 178 und 462. Die Filter waren der Astronomik 742nm Longpass, Baader U Venus 350nm CWL und ZWO L.


    Die beigefügten Bilder vermitteln vielleicht einen Eindruck von der visuellen Erscheinung sowie eine Vorstellung davon, was über das Visuelle hinaus möglich war.







    Einige Anmerkungen dazu:

    - Der dunkle Bereich zwischen dem westlichen Ende der sonnenzugewandten Hälfte der Sichel und ihrem dünneren Ende scheint echt zu sein (dies wurde auch von anderen um die Zeit dieser Konjunktion herum beobachtet bzw. fotografiert).


    - Die Sichel erstreckt sich im IR deutlich weiter Richtung Nachtseite als im UV (letzteres war durch das Seeing am Tag etwas beeinträchtigt und musste 2x2 mal aufgenommen werden, um die Belichtungszeiten zu verkürzen (siehe unten), aber das erklärt für mich vorerst noch nicht den ganzen Unterschied.


    - Die Sonnenschutzvorrichtung, die an den Tubus gefriemelt worden war, war zwar absolut notwendig, aber das Setup war dadurch eben auch ziemlich wackelig. Infolgedessen hatten die beiden Kameras mit Rolling Shutter (178 und 462) Schwierigkeiten, ein unverzerrtes Bild bei dem durchgehend leichten, aber nie wirklich fehlenden Wind zu erzeugen. Ich fand die Verarbeitung der resultierenden Daten mühsam und habe die Bilder der 462 im Grunde estmal an die Seite gelegt. Sie schienen auch nicht mehr zu zeigen als die der ASI174. Diese Kamera ging wegen des Global-Shutter Designs jedoch hervorragend.


    - Wie bei jeder unteren Venuskonjunktion hatte ich mich gefragt, wie vollständig der Kreis visuell oder anderweitig zu erkennen sein würde. Diesmal war es ja ein großer Winkelabstand mit mehr als dem 10-fachen Abstand des Fast-Transits von 2020. Nun - eine sorgfältige Verarbeitung und ein beherztes Stretching der Daten scheint etwas zu zeigen, was ich als einen vollständigen Ring um den Rand der Venus zu interpretieren geneigt wäre. Dies ist das Ergebnis vieler Anläufe, bei denen ich schon früh feststellen musste, dass das Setzen von Alignment Points in AS3 an Stellen, an denen man etwas zu sehen erwartet, diesen Bereich mit Artefakten übersät, die dann durch die Histogrammstreckung sichtbar werden. Was dann noch echt ist und was nicht, ist dann kaum noch zu erkennen. Deshalb habe ich darauf geachtet, alle Ausrichtungspunkte auf die sonnenzugewandte Hälfte der Venussichel zu beschränken. Das Ergebnis ist nun ein ziemlich glatter Bereich, in dem ein schwacher Lichtbogen zu sehen ist. Man beachte, wie viel schwächer dieser Bogen ist, selbst im Vergleich zu den direkt angrenzenden "Hörnern" der Sichel.


    Diese Astro-Aktion war trotz gelegentlicher kleinerer Pannen ein Riesenspaß. Mit sowas rechne ich mitten im Sommer normalerweise nicht.


    CS&GS


    Mirko

    CS & GS


    Mirko


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    Hauptstandorte: 51°N, 46°S

    Teleskop-Optiken: 40-300mm, f/2-f/13

    4 Mal editiert, zuletzt von N1 ()

  • Hallo Mirko,


    das sind wirklich eindrucksvolle Bilder, die Du uns hier zeigst. Danke. Gut möglich, dass Du bei besserem Seeing, der gehabten Transparenz und dieser Höhe über dem Horizont dem vollen Kreis erwischt hättest. Vorhanden ist er bestimmt, wenn auch als so zarter Saum, dass er von der Luftunruhe sehr schnell unsichtbar gemacht wird.


    Mit dem Seeing hatte ich auch vor zehn Jahren zu tun, als ich das Video für das nachfolgende Bild aufnahm. Durch ein geschicktes Stacking und sorgfältige Nachbearbeitung gelang es zwar, Doppelkonturen und Artefakte zu vermeiden, aber dabei blieben wohl auch die ganz schmalen Abschnitte der Sichel auf der Strecke, so dass das Ergebnis weniger als ein 180°-Bogen ist:



    Außerdem ist der Helligkeitsunterschied zwischen dem breitesten Abschnitt der Sichel und den zarten Sichelspitzen derart groß, dass der Dynamikumfang der Kamera nicht ausreicht. Das bedeutet, das die Venussichel in der Mitte bereits stark überbelichtet ist und viel breiter erscheint, wenn die Spitzen gerade erst abgebildet werden. Wenn einem das bewusst ist, findet man dieses Dilemma auf so gut wie allen Bildern der schmalen Venus, z. B hier: https://spaceweathergallery.com/index.php?title=venus


    CS, Jörg

  • Hallo Mirko,


    für mich ist es eine Freude, solche schönen Berichte zu lesen und ich habe meine Frau dazugehohlt,

    und ihr gezeigt, wie im Sommer in NZ Hobbyastronomen ihrer Leidenschaft nachgehen.. Die Zeilen

    mußten sein, ein Smiley war mir zu wenig.


    Viele Grüße

    Marwin

  • Hallo Mirko,

    tolle Aufnahmen. Du hast gar nicht so falsch gesehen, bei der Verstärkung ist bereits ein Ring zu erkennen.

    Der Sonnenschutz ist auf jeden Fall wichtig, auch wenn die Sonne noch nicht im Okular ist. Die Sonneneinstrahlung kann auch ausserhalb das Bildfeldes schädlich sein, weil dann der Tubus durch Sonnenprojektion an die Rohrwand aufgeheizt wird und so lokale Luftunruhe erzeugt. Generell sind bei solchen Aufnahmen Sonnenschutz als Streulichtunterdrücker und Höhenlage zur weiteren Streulichtreduzierung nötig, besonders wenn man die Venusatmossphäre auf der Nachtseite erwischen will. Das ist wohl die größte Herausforderung und gerade auch der Reiz zu solchen Beobachtungen.

  • Hallo Jörg, Marwin, André, Walter und Johann, vielen Dank für Eure Antworten und Anmerkungen. Der Standort war nicht der schlechteste, in der Tat.


    Als ich am 7.6.2012 - dem Tag nach dem letzten Venustransit - den Ring im Okular erblickte, traute ich meinen Augen nicht und hatte doch gleichzeitig noch keine Ahnung was für ein seltenes Schauspiel das eigentlich ist, visuell beobachtet zumindest. Von der Absurdität und Ästhetik des Anblickes bin ich bis heute schwer begeistert. Hatte damals noch keine Astrocams, und alles wurde einfach manuell durchs Okular geknipst, aber ich füge das Foto hier trotzdem mal interessehalber mit bei. Zum Vergleich daneben, die untere Konjunktion von 2014, die der soeben passierten sehr ähnlich war (der 8-Jahreszyklus lässt grüßen) und mit exakt demselben Equipment beobachtet wurde:


  • Hallo Mirko,


    Der Ring Schnappschuss ist klasse, so als Andenken. So sieht das also (visuell) aus?

    Ich gratuliere herzlich - komisch ich habe gerade am Sonntag (nach gefühlt 3 Jahren) mal wieder Dias geschaut (von Neuseeland, 1993 :smiling_face_with_tear: - meine einzige Reise in diese Gefilde). Und danach hab ich in der vergessenen Papp-Restekiste geschaut was sonst da ist an unbemerkten Dias und die zwei Fotos, auch Schnappschüsse von dem Venus Durchgang wiederentdeckt :grinning_face_with_big_eyes: . Aber ich habe damals leider nicht dran gedacht, eine Tagesbeobachtung zu machen. Oder ich war noch nicht so weit gedanklich bei Tages-Venusbeobachtung.


    Naja - jammern auf hohem Niveau, ich kann froh sein CS gehabt zu haben an diesem denkwürdigen Tag/Morgen.


    Jedenfalls, seit ich die Venus auch tagsüber beim Transit zu beobachten versuche, vielleicht ab 2014..., es war immer eine Sichel, nicht annähernd deutlich übergreifend über 51% (dieses mal war es eh wolkig bei uns). Unter 5 Grad Nähe bekomme ich auch die reflexe nicht mehr in den Griff mit dem Refraktor (plus Taukappenverlängerung, aber nur etwa +40cm).


    Also noch mal Glückwunsch nachträglich auch dazu, 2012.


    CS,

    Walter

  • Hallo Mirko,


    wirklich Klasse, Dein Venusring.


    Ich habe damals einen Tag zuvor – global gesehen „bei Dir gleich um die Ecke“ – fotografiert:



    Allerdings ist dies das einzige Bild, auf dem ich den Lomonossov-Ring, wie das Phänomen auch genannt wird, per Bildbearbeitung herauskitzeln konnte. Beim Austritt der Venus ging seeingbedingt trotz größerer Höhe noch weniger. Wir hatten zwar wolkenlosen Himmel, aber Buschbrände in der Nähe, so dass ich schon fürchtete, vorzeitig abbrechen zu müssen. – Da scheinst Du einen Tag später deutlich mehr Glück mit dem Seeing gehabt zu haben.


    CS, Jörg

  • Hallo Mirco

    Anhand Deines ersten Fotos kann man sich wirklich gut vorstellen, was das für eine action war, diese Venusfotos zu machen.

    Erinnert mich an einen Bericht über das Fotografieren der dünnsten zunehmenden Mondsichel.

    Jörg

    Den Lomonossov Ring hab ich, soweit ich mich erinnern kann, bisher auf keinem Foto gesehen. :thumbup:

    Gruß Johann

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