Making of - Nordamerika Nebel

  • Hallo EAA Begeisterte und Interessierte!


    In letzter Zeit wurde ja einiges über EAA diskutiert.

    • Was ist EAA?
    • Ist EAA der kleine Bruder von Astrofotografie?
    • Ist EAA die bessere visuelle Astronomie?
    • Ist EAA anders?


    und, und, und ... da mag jeder seine eigene Meinung haben.


    Kürzlich hat mir jemand auf die Frage ...

    "Was kann ein SC? "

    ... geantwortet:

    "Ein Schmidt-Casseggrain kann alles! Aber nichts gescheit! "


    ... und so ein bisschen hatte ich den Eindruck mancher denkt über EAA ähnlich. EAA kann alles, aber nichts gescheit!


    Ich sehe es anders! Damit Ihr über die Möglichkeiten von EAA und die Unterschiede zu visueller Beobachtung bzw. Astrofotografie selber einen Eindruck bekommt, dachte ich, ich erzähle was für mich, besser für uns, also meine Frau und mich das besondere an EAA ist. Wir sind beide seit dem Sommer 2020 begeisterte astronomische Beobachter!


    Für uns ist nicht das finale, letzte Bild des Fotostacks von welchem DSO auch immer wichtig und auch gar nicht das Ziel. Für uns ist das wichtigste, wir können es gemeinsam, zu zweit machen und auch mit das wichtigste die Live-Beobachtung! Damit hat man die Möglichkeit jeder Zeit entsprechend einzugreifen um ein schöneres, vielleicht auch besseres Bild zu bekommen. Für uns sind veränderbare Einstellungen in Sharpcap während der Beobachtung in etwa so wie man bei visuellen Beobachtungen lernen kann durch indirektes Sehen, das Sehergebnis zu verbessern und damit das beobachtete Objekt schöner, besser, anders zu erkennen, als beim "nur-durch-Gucken"!


    Meine Frau und ich sitzen zusammen vor dem Bildschirm und beeinflussen laufend den Stacking Prozess um zu sehen wohin, zu welchem Ergebnis führt das. Wir nehmen uns dabei für ein einzelnes Objekt oft viel Zeit, durchaus in Spielfilmlänge, also neunzig Minuten und mehr. Natürlich speichern wir zwischendurch und auch das letzte Foto vom Stack ab. Alleine schon zu Dokumentation und um daraus lernen zu können was kann man beim nächsten Mal besser machen! Anderen Filter? Stärker schärfen? Statt 1:1, doch lieber die 1,5x Barlow? Ich habe selbst noch nie bei visuellen Beobachtungen gezeichnet, aber ich denke so wie mancher seine Beobachtung zeichnerisch festhält, so ist für uns auch das Bild vom Stack. Eine Zeichnung einer Beobachtung kann durchaus ästhetisch schön sein und ich bewundere Leute die so was können, aber sie wird nie den Anspruch haben in Konkurrenz zu Astrofotografie zu stehen. Der Zeichner will festhalten wie hat er z.B. die Galaxie gesehen, einfach als eingefrorene Erinnerung an die Beobachtung! Genau das ist EAA! Zumindest für uns zwei!


    Nordamerika-Nebel - NGC 7000

    ein 90 Minuten Krimi über unseren ersten Versuch den großen Nebel zu finden und zu beobachten.

    Hier quasi das Making-Of.


    Es war das erste Mal, dass wir ein so großes Nebel Objekt überhaupt aufgenommen haben und wir haben auch das erste mal mit dem UHC-Filter gearbeitet, der schon ein Jahr lang bis jetzt ungenutzt rum lag. Anfangs wollte uns gar nichts gelingen und wir haben mehrfach den Stack zurückgesetzt und neu begonnen. Dabei Gain und Belichtunsgzeit verändert. Man muss einfach etwas probieren, abwarten ändern, wieder abwarten aber dann hatten wir mit Gain=300 und Belichtungszeit von 8 Sekunden Werte gefunden die offensichtlich gut funktionierten.


    Hier ein Zwischenstand nach 52 Einzelaufnahmen, Gesamtzeit 416s, knapp 7 Minuten




    Während des laufenden Stacks verändert man laufend den Schwarzpunkt, den mittleren Tonwert und manchmal auch den Weißpunkt. Die drei Farbkurven ändern sich auch oft und machen eine Korrektur nötig. Mehr Rot, weniger Grün und so weiter.


    Nach 102 Aufnahmen, 816s also ca. 14 Minuten war dann Nordamerika schon richtig gut zu erkennen.


    Wir probieren dann natürlich auch aus, bringt das Unsharp-Masking was? Oder doch besser die Deconvolution? Oder Rauschfilter? Es ist fast wie bei visueller Beobachtung, wenn das plötzlich bessere Seeing einen viel klaren Blick erlaubt und man mehr und bessere Details erhaschen kann. Das Seeing können wir natürlich nicht beeinflussen, aber eine kleine Verschiebung im Schwarzpunkt oder im Schärfefilter kann eine dramatische Veränderung im Bild bewirken und es bleibt dann auch gut, außer man macht danach was grob falsch.

    232 Einzelaufnahmen, zusammen also 1.856 s etwas über 30 Minuten


    Wie haben andere den Nordamerika Nebel gesehen? Es ist natürlich einfach parallel im Netz nach Bildern zu suchen um eine Idee zu bekommen, was könnte wie aussehen? Geht da noch etwas mehr Blau?


    411 Einzelaufnahmen mit einer Gesamtzeit von 3.288 s also gut 55 Minuten



    Manchmal wenn man gar nicht erkennen kann was sich wo entwickelt, nehme ich eine "Zwischen-JPG" und schicke sie durch astrometry.net um dann mit den dort angebotenen "Annotated-Bildern" einen Eindruck zu bekommen wo sind wir eigentlich genau? Das war diese mal nicht nötig.


    Nach 676 Einzelaufnahmen, 5.408 Sekunden - also gut 90 Minuten - kurz vor Mitternacht waren dann die Augen schwer und wir müssen am nächsten Tag wieder arbeiten. Deshalb haben wir dann aufgehört.



    Es hatte stark abgekühlt, 3,7° Außentemperatur. Nerina (kleine Schwarze) unsere Teleskope haben italienische Namen musste triefend, taunass auch erst noch reingeholt, die beiden Powerbanks zum laden für den nächsten Morgen bereit gelegt werden, die sollen erst warm sein, bevor sie wieder an den Strom kommen. Dann noch schnell die Daten vom Laptop an der Montierung auf den Server kopiert und im Bett dann noch einen letzten Blick auf den finalen Stack! Ist schön geworden und hat Spaß gemacht! Insgesamt mit den "Probestacks" zu Beginn waren wir sicherlich mehr als zwei Stunden über Nordamerika!


    Ich hoffe ich konnte vermitteln warum wir von EAA begeistert sind. Andere schauen sich auf Netflix einen Krimi an. Unser Krimi heißt Nordamerika-Nebel und dauert ohne Werbeunterbrechungen 90 Minuten!!!


    Ein Tipp noch, wenn Ihr auf eines der Bilder klickt und dann mit Play-Taste die automatische Wiedergabe startet, gibt es den Nordamerika Krimi im Zeitraffer!


    Klare Nächte wünscht! MünchenBeiNacht - Ewald

    (c) Copyright 2023 . Meine Texte entstehen nur und durch ausschließliche Nutzung des eigenen Denkapparats und ich widerspreche ausdrücklich der Nutzung, Verwendung, Kopie und Diebstahl durch KI-Programme!!

    Einmal editiert, zuletzt von MünchenBeiNacht ()

  • Hi Ewald


    Da ich selbst gar keine Erfahrungen mit EAA habe, finde ich deinen Bericht sehr interessant.

    Ich glaube man darf die unterschiedlichen Formen von Astronomie nicht zu sehr vergleichen. Niemand würde Astrofotografie mit Radioastronomie vergleichen, da Äpfel und Birnen. Ob nun Visuell, EAA oder Fotografisch spielt am Schluss keine Rolle, Hauptsache es macht Laune! Am Schluss ist es doch einfach ein neues Linse vs. Spiegel!


    Danke für deinen Bericht, Seraphin

  • Hallo Ewald ...

    erst mal guten Morgen nach so einer kalten und " langen " Nacht. Entsprechendes, auch die einsetzende Müdigkeit; kenne ich gut :) .


    Dein Bericht zeigt eigentlich gleich, ( wie meine eigenen beiden, Abhandlungen zum elektrischen Beobachten in diesem Forumsbereich ) aber doch auch wieder anders, wie unterschiedlich die Vorgehensweisen und Ausrüstungen und somit das Ergebnis sein kann.


    Ich glaube, nur mit intensiver Beschäftigung ( Hardware, Software, und astronomischem Hintergrundwissen ) werden " neue " User entsprechend zu solchen Ergebnissen kommen können ( glaube ich ).

    Entscheidend ist das wirkliche auseinandersetzen mit allen notwendigen Komponenten hierzu.


    Welche Hardware da bei eingesetzt wird ist " erst mal " zweitrangig. natürlich muss sie funktionell dafür geeignet sein. Keine Frage.


    Aus Deinem Beitrag, wie auch dem robotischen Beitrag von JogiNet ist zu erkennen, nur mit Spass an der Sache wird es funktionieren.

    Wie andere darüber " elektrisches Beobachten ", ich mag schon die Abfolge EAA nicht ;) , denken oder darunter verstehen sollte wenig interessieren :)


    Zumindest halte ich es für mich so ...

    Viele Grüße in den wohl wolkenfreien Süden , aus dem nebligen Weltkulturerbe Mittelrheintal

    sendet

    Marco

  • Hallo Ewald,


    anschaulich dargestellt, was man in den wenigen Beobachtungsstunden machen kann. Es macht Spaß und man kann sehen was alles möglich ist. Weiter so :thumbup:

    Viele Grüße Harald

    --------------------------------

    MAK 127/1500, APO TS76EDPH auf EQ5 GoTo, ASI183MC, ASI 224MC, ASI294MC, Leitrohr TSOptics 50/185, ASI120MM Mini, ASIAIR Pro, EAF

  • Hallo Ewald,


    ein schöner Bericht über euer EAA-Erlebnis. Aber jetzt vielleicht sogar etwas ketzerisch gefragt. Wenn ihr einmal eure Einstellungen gefunden habt, dann könntet ihr die eingehenden Einzelframes doch einfach abspeichern lassen, das Ganze stundenlang laufen lassen und mit der Folderkamera von Sharpcap am nächsten Tag bei Sonnenschein und Kaffee und Kuchen das Livestacking zeitversetzt "erleben". Ich z.B. würde die Bilder stacken lassen und ein Astrofoto daraus machen. Ist EAA wirklich so verschieden von Astrofotografie? Was ist der Unterschied, außer daß man nicht das volle Potential der Aufnahmen ausschöpft?


    Gruß


    Heiko

  • Hallo Heiko,


    ... Wenn ihr einmal eure Einstellungen gefunden habt, dann könntet ihr die eingehenden Einzelframes doch einfach abspeichern lassen, das Ganze stundenlang laufen lassen und mit der Folderkamera von Sharpcap am nächsten Tag ...

    im Prinzip ja. Sharpcap speichert die einzelnen Frames als Fits Dateien ab. Um diese dann "live" bei Kaffee und Kuchen farbig abspielen zu lassen muss man die erst z.B. mit PIP wieder in "farbige" JPGs wandeln damit Sharpcap die danach wieder farbig zusammenstackt. Vielleicht geht es auch einfacher und ich war nur zu doof ... Ich habe das Prozeedere ein Mal gemacht, weil ich häsliche Satelliten Streifen nicht im Bild haben wollte. Natürlich wenn man es das erste Mal macht, heißte es Software suchen, EInstellungen finden, alles ein ziemlicher Aufstand. Dann noch die Einzelaufnahmen mit den Satelitten Trails zu Fuß suchen .... ich habe jetzt einfach einfach über München eine Flugverbotszone für Satelliten einrichten lassen. War viel weniger Aufwand. ;)


    Du hast natürlich schon recht, man könnte es schon so machen wenn das Ziel, der Zweck des ganzen Manövers das gute, perfekte Astrofoto ist. Nur für uns sind astronomische Beobachtungen Ausgleich zum Arbeits-Alltag. Einfach am Abend kein bestimmtes Ziel/ Ergebnis zu haben oder vermeintlich erreichen zu müssen. Einfach keinen Erfolgszwang zu haben, kein nur noch schnell Das machen zu müssen.


    Ich war begeisterter Taucher, natürlich mit Kameraausrüstung unter Wasser unterwegs. Irgendwann ist mir aufgefallen, dass jeder Tauchurlaub nur ein weiterer (vergeblicher) Versuch ist möglichst perfekte Fotos zu errarbeiten. Anstatt sich drei-dimensional schwebend im Wasser treiben zu lassen und die überbordenen Eindrücke unter Wasser zu genießen, war es Arbeit. Irgendwann habe ich keine Kamera mehr mitgenommen und nur noch mit dem Kopf fotografiert und einfach die phantastische Unterwasserwelt auf mich wirken lassen. Mit Astronomie ist es für mich ganz ähnlich. Das beobachtet "Bild" lässt meine Gedanken und Phantasie kreisen und am Ende ist die Erinnerung an den schönen Abend wichtig und das JPG quasi nur das Souvenir des Abends. Mehr braucht es nicht!


    Viele Grüße MünchenBeiNacht - Ewald

    (c) Copyright 2023 . Meine Texte entstehen nur und durch ausschließliche Nutzung des eigenen Denkapparats und ich widerspreche ausdrücklich der Nutzung, Verwendung, Kopie und Diebstahl durch KI-Programme!!

  • ...ich denke, dazu kommt noch, dass man sich mit EAA in einer Nacht ein ganze Anzahl an Objekten anschauen kann.

    Bei mir zumindest sind es bei der Astro-Fotografie 1 bis max. 2 Objekte pro Nacht.


    Grüße

    Hartmut

    EQ6R-PRO | OMEGON PUSH+ | SW Allview | Unistellar eQuinox | Seestar S50 |  ASKAR FMA 135

    SW 200PDS/1000 | SVBONY 503 80/560 (448) | SkyMax 102/1300 MAK | TS 61EDPH II

    ASI 120MC-S & MM-Mini | veTEC533c / 571c | N.I.N.A.

    METEORCAM (RPi4) (https://globalmeteornetwork.org/weblog/DE/index.html) DE000Q

  • Hallo Hartmut,


    es ging mir eigentlich um das Anschauen der Objekte am nächsten Tag. Es hindert einen ja auch niemand daran n-Objekte pro Nacht skriptgesteuert anzufahren und die Frames davon sich dann am nächsten Tag per offline-Livestacking anzuschauen, so wie man es in der Nacht machen würde. Was ich damit bewußt machen will ist, daß das EAA-Erlebnis eigentlich nicht unmittelbar ist, sondern über den Umweg Computerspeicher erfolgt. Ob das nächste abgespeicherte Bild 12ms nach der Aufnahme zum "Livestack" dazuaddiert wird oder 12 Std. danach aus aus dem Speicher ist ja egal. Die Unmittelbarkeit, wie man sie beim visuellen Beobachten hätte, ist eine Illusion, der man sich hingibt. Warum auch nicht? Wäre aber nicht nötig. Vielleicht sollte ich wirklich mal am nächsten Tag bei Kaffee und Kuchen EAA machen ... Wäre mal was Neues. :)

    Aber im Prinzip ist das ja auch alles wurscht solange es Spaß macht.


    Gruß


    Heiko

  • Hallo Heiko,


    ok, das wäre ein weiterer Fall, wobei meines Erachtens nach in diesem Fall mir das Endergebnis reichen würde. Auf das langsame Entstehen eines Bildes offline (ist ja dann fast wie Polaroid in super-slomo ;) ) würde ich verzichte nwollen, aber vielleicht gibts da auch Freunde für...


    Ich selbst gönne mir ja nachts während der klassischen Astro-Fotografie gewissermassen den umgekehrten Fall. Ich mache meine Fotos klassisch mit Langzeitbelichtung (60-180sek), stacke aber im Hintergrund diese Bilder noch in Echtzeit. Ich weiss, Du gehst während des fotografierens irgendwann in die Heia, wenns läuft. Bin nicht so cool. :rolleyes: , weil, irgendwie passiert immer mal was. Ich bleib also nachts auf, bis ich alles im Kasten habe und mit dem Live-Stacking vertreibe ich mir so parallel noch die Zeit. Manchmal kann man auch noch mit anderen hier chatten und schon mal was sich entwickelndes zeigen... 8)


    Grüße

    Hartmut

    EQ6R-PRO | OMEGON PUSH+ | SW Allview | Unistellar eQuinox | Seestar S50 |  ASKAR FMA 135

    SW 200PDS/1000 | SVBONY 503 80/560 (448) | SkyMax 102/1300 MAK | TS 61EDPH II

    ASI 120MC-S & MM-Mini | veTEC533c / 571c | N.I.N.A.

    METEORCAM (RPi4) (https://globalmeteornetwork.org/weblog/DE/index.html) DE000Q

  • Hallo


    Ist wirklich ein gut gelungenes Beispiel😁 sieht man auch gleich den taktischen Fehler😀

    Die Einstellungen für den Live stack muss man natürlich wissen,

    Aber eigentlich hättest du mit mehr gain und gar mit 4xbin erst mal zentrieren müssen, der beste Teil vom Nebel ist ja nicht drauf, das sieht man wenn man einfach loslegt relativ spät.

    Plate Solve geht freilich auch.

    Unterm Strich braucht es akribis he Planung um die Zeit gut zu nutzen.

    Aber technisch hat es gut funktioniert und ein gutes Ergebnis erbracht.


    Gruß Frank

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!