In unserer kleinen Familie hat sich in den letzten Jahren der Brauch etabliert, nach einem ausgedehnten Spaziergang an Silvester früh schlafen zu gehen. Das war auch dieses Jahr der Plan, nur hatte ich noch etwas vor, auf das ich mittlerweile mich schon recht lange gefreut habe. Gibt es einen besseren Jahresabschluss als die Einsamkeit unter Sternen?
Also ca. 18 Uhr alles samt Kinderpunsch zur Feier des Abends in die Kiste gepackt und ab mit dem Auto zu einer Anhöhe, ca. 20 km gen Münchner Süden.
Mit dabei waren mein Selbstbau 4,5“ f/4,2, Leica UV 8x20 und mein neuer Liebling, das Svbony SV202 10x42 (bei Bedarf würde ich dazu extra noch ein paar Worte verlieren).
Am Ziel angekommen erstmal der Schock über die gleißend helle Weihnachtsbeleuchtung, mit der ein einsamer Hof weiter unten am Hügel wohl die gesamte Natur im Umkreis in Festtagsstimmung bringen wollte. Da hätte ich eigentlich gleich wieder einpacken sollen aber etwas weiter auf der Wiese konnte ich wenigstens der direkten Bestrahlung etwas entkommen.
Das Teleskop war schnell aufgestellt aber ich hatte Isomatten, Fernglashalterung und Kissen für die Fernglasbeobachtung vergessen. Mit einem Handtuch auf dem trockenen Boden und der Transportkiste als Kopfunterlage konnte ich es mir dennoch ausreichend gemütlich machen. Letztendlich gab es sogar wieder nur wenige Blicke durchs Teleskop und ich konnte mein neues 10x42 mal ordentlich im Nachthimmel ausführen.
Erstmal wurden die Klassiker besucht, es ist einfach schon zu viel Zeit seit meinen letzten Beobachtungen vergangen. Ich hatte auch keine Ahnung was ich sonst noch sehen wollte und hab entweder mit dem Fernglas am Himmel oder auf SkySafari nach lohnenswerten Objekten gesucht.
M42 vor allem nach langer Pause wieder ein toller Anblick, das Trapez ließ sich in 2 Komponenten trennen.
M36, M37 und M38 zeigten sich alle wunderschön strukturiert im 10x42.
M35 ebenfalls, mit NGC2158 als kleinem Fleck
Das Perseus Doublecluster war wieder mein Liebling, da musste ich öfter vorbeischauen. Schön entspannt auf dem Rücken in den Zenith gehalten war der bildfüllende Anblick immer wieder ein Genuss.
M31 hätte ich fast vergessen in der Nacht, gab aber beeindruckende „Rapture of the Depths“: mit guten 3 Grad stand unser majestätischer Nachbar im Gesichtsfeld. M110 ging einfach, bei M32 war ich mir nicht sicher.
Für Staubbänder waren Münchner Lichtglocke und Santas Aussenposten noch zu präsent.
Genau so für den Kometen 67P. Lange gesucht, mir auch bei etlichen schwachen Sternen einen Schweif eingebildet aber keine Chance. Hätte ich zu späterer Stunde nochmal probieren müssen. Schade eigentlich, die Bilder der Rosetta Mission sind für mich unter den schönsten der Raumfahrtgeschichte.
Mein OIII Experiment mit dem Leica 8x20 war etwas ernüchternd, da wurde es natürlich schon recht dunkel. NGC2174 zeigte durch den Filter aber tatsächlich eine etwas größere Ausdehnung als der Sternhaufen ohne Filter.
Im 10x42 sah das schon anders aus, da musste ich den Filter zwar zwischen Auge und Okular einklemmen und hatte dadurch mit Streulicht aus dem Weihnachtsinferno zu kämpfen aber damit konnte ich bei NGC 2174 und IC 1590 (Pacman) eine deutlichere Ausdehnung erkennen. Für mehr Details war die Freihandbeobachtung nicht ausreichend.
Wieder ohne Filter zeigten sich bei NGC 457 schön die beiden „Augen“ der Eule oder Libelle (Für mich klar eine Eule!).
M76 war im 10x42 recht schnell gefunden und dadurch auch überraschenderweise im 8x20 kein Problem mehr.
Langsam machte mir der Wind wirklich zu schaffen. Ich warte noch auf den Tag, an dem ich wirklich mal zu warm angezogen bin. Auch die immer wieder kehrenden Zirren ließen langsam Aufbruchstimmung aufkommen.
Was mich dann aber doch noch eine Weile beschäftigte war die Gegend um den Möwennebel, die eigentlich noch zu tief am Himmel stand. Nachdem ich M50 identifiziert hatte konnte ich in einer SSW-Linie noch zwei weitere Flecken entdecken.
Der erste war wohl der Kopf der Möwe, RCW2 und zeigte knapp unter einem Stern einen kleinen horizontalen Balken, der nach unten etwas diffuser auslief.
Nochmal im gleichen Abstand war ein weiterer, noch etwas kleinerer Bausch auszumachen. Auf Skysafari konnte ich in der Gegend nur einen weiteren Teil des Komplexes, „Gum 3“ dort finden aber ich weiß nicht ob das so stimmt.
Den Flügeln der Möwe konnte ich keine Nebulosität attestieren.
Kennt sich da in der Gegend noch jemand aus, ist das realistisch?
Ich wunderte mich über mein Desinteresse an den Raketen, die vereinzelt in der Ferne zu vernehmen waren. Das ist eigentlich immer ein netter Anblick aber das himmlische Feuerwerk ließ in diesen Momenten alles menschengemachte verblassen.
Inzwischen waren sogar alle Wolken verschwunden, lange hatte ich aber nicht mehr vor zu bleiben.
Ein letztes Highlight waren noch das Duo M78 und NGC2071. Der Mini Orion war als Dreieck mit Aufhellung an der NE Spitze zu sehen und bei NGC2071 ließen sich zwei helle Komponenten in vertikaler Ausrichtung deutlich beobachten. Das musste ich noch kurz am Teleskop bestätigen, hatte die beiden vor knapp einem Jahr zum ersten mal beobachtet.
Als ich dann gegen 23 Uhr nur noch am zittern und der Kinderpunsch ausgetrunken war beschloss ich, den Jahreswechsel doch zuhause im warmen zu verbringen. Da meine Ankunft wohl unseren kleinen Sohn geweckt hatte konnten wir sogar noch alle zusammen in’s neue Jahr rutschen.
Hiermit allen ein frohes neues Jahr mit vielen klaren Nächten und der Ruhe, sie zu genießen.
Alex