Kein Silvesterscherz: Verkleinerndes Teleskop

  • Was passiert eigentlich, wenn die Brennweite des Objektivs kleiner ist als die des Okulars? Bildet ein solches „Fernrohr“ überhaupt etwas ab?


    Ja, sogar erstaunlich gut. Nur eben nicht vergrößert, sondern verkleinert. Wie zu erwarten war, behält die Formel Objektivbrennweite durch Okularbrennweite gleich Vergrößerung ihre Gültigkeit. Abgesehen davon, dass wir ja eigentlich Teleskope benutzen, um ferne Objekte scheinbar näher heranzuholen, können wir diese mit einer Kombination von kurzbrennweitigem Objektiv und längerbrennweitigem Okular auch „schrumpfen“.


    Ein möglicher Versuchsaufbau ist dieser hier:



    Da steckt ein 41mm Panoptic-Okular in einem 28mm Zeiss Apo Distagon. Die Vergrößerung ist 0,7x, das Sehfeld etwa 90°. Das Panoptic hat einen Bildkreis von 46mm, beim Objektiv sind es nur 43mm. Das führt dazu, das man beim Durchschauen die Feldblende des Okulars nicht mehr sieht, weil man den geringfügig kleineren Bildkreis des Objektivs betrachtet. Dieser Effekt ist beim langbrennweitigeren Bruder Apo Sonnar 100mm weniger ausgeprägt. (siehe hier: Zeiss Apo Refraktor mit bis zu 28° Sehfeld) Bemerkenswert ist, dass auch dieses verkleinerte, kopfstehende Bild wirklich bis zum Rand scharf ist.


    Wenn man darüber nachdenkt, ist ein verkleinerndes Teleskop eigentlich gar nichts Besonderes. Das Prinzip funktioniert in jeder Spiegelreflexkamera, an die ein Weitwinkelobjektiv angeschlossen ist.


    In diesem Sinne: Bleibt alle schön neugierig und probiert auch mal Neues aus.

    Ein gutes und CS-reiches Jahr 2022 wünscht Euch

    Jörg

  • Hallo Jörg,


    Die Frage ist, was man mit einem verkleinernden Teleskop anfängt. Die Grenzgröße wird ja entsprechend kleiner, so dass man nicht mehr so schrecklich viel sieht. 90° FOV überblickt man auch noch freiäugig.


    Ich hatte mal über sowas zur Sternschnuppenbeobachtung nachgedacht unter dem Motto "den ganzen Himmel auf einen Blick" - dazu bräuchte man aber Fisheye-Objektive. Fisheye-Konverter für Smartphones gibt es leider nicht mit 6mm AP, sonst wäre das eine sehr einfache und elegante Lösung.


    Viele Grüße, Holger

    :milky_way: 10" f/5 Newton-Bino :comet: 120mm f/5 Achromaten-Bino :hammer_and_wrench: 8" f/8 Jones-Schiefspiegler-Bino

  • Das Prinzip funktioniert in jeder Spiegelreflexkamera, an die ein Weitwinkelobjektiv angeschlossen ist.


    Hallo Jörg,


    danke.


    Ich nutze glaube ich das selbe Prinzip auch, indem ich mein Standard-Canon Objektiv mit Hilfe eines Adapters an der EOS einfach umdrehe. So spar ich mir ein teures Makro-Objektiv.


    So kann man dann richtig vergrößern. Hier mal ein paar Beispiele von meinen Lieblingen, den Springspinnen:






    Oder auch mal das Futter der Spinnen :)



    VG und Guten Rutsch, Micha

  • Hallo Holger,


    Du hast völlig recht. Ein für Astro relevanter Nutzen ist nicht gegeben. Mich hat nur vom Prinzip her interessiert, was bei diesem Verhältnis der Brennweiten herauskommt und ob ein als Retro gerechnetes Weitwinkelobjektiv als Teleskop funktioniert.


    Klar, für die Meteorbeobachtung wäre ein visueller Fisheye-Konverter vorteilhaft, aber es müssten dann wirklich zwei sein, und die Grenzgröße sollten sie auch nicht verringern.


    CS, Jörg

  • Hallo Micha,


    Deine Makroaufnahmen gefallen mir. Bei solchen Abbildungsmaßstäben ist die Tiefenschärfe wirklich extrem gering. Dabei auf die Augen eines 5mm-Kerlchens zu fokussieren, stelle ich mir sehr anstrengend vor. Eine noch größere Herausforderung wäre es, denen ein Bino zu bauen … ;)


    Aber Spaß beiseite, das optische Prinzip beim Umkehren eines Objektivs ist noch ein anderes. Im Gegensatz zum hier gezeigten verkleinernden Teleskop wird nämlich kein zusätzliches optisches Element (Okular) verwendet. Man nutzt stattdessen die Tatsache, dass Objektive für einen sehr großen Dingraum (Abstand zum Aufnahmeobjekt, in der Astronomie Unendlich) und einen kleinen Bildraum (Abstand zum Bldsensor, das Anlagemaß der Kamera) gerechnet sind. Dreht man das Objektiv herum, wird der Dingraum zum Bildraum, und man bekommt einen für die Makrofotografie günstigen Abbildungsmaßstab.


    Dessen ungeachtet: Danke für die interessanten Bilder und guten Rutsch.


    CS, Jörg

  • Hallo Jörg,


    danke für die Erläuterung. Das stimmt natürlich, kein Okular. Vom Prinzip hatte ich gedacht, dass der ASP-C-Sensor die Rolle des Okulars übernimmt, aber natürlich hat der gar keine Brennweite, insofern unsinnig. Vom optischer Theorie habe ich wenig Ahnung, ich bin froh wenn alles funktioniert ohne dass ich die mathematischen Formeln dahinter aufsagen kann. :)


    Die Tiefenschärfe ist bei den Bildern das größte Problem, das hast du Recht. Das funktioniert nur mit einem hohen Öffnungsverhältnis, also mit voreingestellter Blende ab etwa f/10. Meine Makros mach ich meistens mit f/13. Man muss also erst die Blende einstellen und kann danach erst das Objektiv umdrehen.


    Durch die kleine Blende wird das alles ziemlich dunkel und man muss wirklich auch noch richtig nah ran an die nur Millimeter großen Objekte. Darum mach ich solche Bilder nur mit der direkten Sonne auf die Spinnen und achte drauf dass die Kamera oder auch ich selbst keinen Schatten in der Richtung der Tiere erzeugen. Manche nutzen auch künstliche Lampen direkt an der Kamera, aber damit verlieren sich die schönen Farben, finde ich.


    Was ich an Makrofotografie mag: man braucht nicht unbedingt klaren Himmel und kann diese fantastische Welt schon in einem Blumentopf auffinden. Spinne Nr. 3 ist tatsächlich in einem Blumentopf fotografiert. :)


    Also überall und immer vorhanden, man muss nur genau hinschauen und üben...


    VG, Micha

  • … ohne dass ich die mathematischen Formeln dahinter aufsagen kann. :)


    Was ich an Makrofotografie mag: man braucht nicht unbedingt klaren Himmel und kann diese fantastische Welt schon in einem Blumentopf auffinden.

    Hallo Micha,


    die Formeln kann ich auch nicht aus dem Kopf, und ich bin ehrlich gesagt froh, dass ich mich damit nicht mehr rumschlagen muss.


    Und ich gebe Dir recht, man braucht ein Hobby neben der Astronomie, sonst droht einem die chronische Depression in Zeiten wie diesem Winter. Bei mir ist es die Fotografie. Schon seit der Kindheit, also seit etwa 60 Jahren. Ich hab da fast alles mitgemacht, von der improvisierten Dunkelkammer im Bad über einige Jahre Dokumentationsfotografie in einem Forschungsinstitut und schließlich zwei Jahrzehnte als Fotojournalist. Mein chemischer Bildbestand ist so umfangreich, dass ich geschätzt 300 Jahre alt werden müsste, um alles zu digitalisieren und zu bearbeiten. Du siehst, längere Schlechtwetterperioden kann ich gut verkraften. Und dann bringen sie mich natürlich auch auf Ideen, was man noch alles bauen oder miteinander kombinieren könnte.


    CS, Jörg

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