Hallo EAA Begeisterte!
Ich freue mich, dass es jetzt im Blauen Forum einen eigenen Bereich für EAA-Technik gibt. Ich will kurz als Anregung für Andere mein aus normalen Komponenten zusammen gestelltes Setup vorstellen. Im amerikanischen CloudyNights gab es letztes Jahr viele Beiträge die über die fertigen "Robo-Teleskope" aus der Box alla EV-Scope oder Stellina, inzwischen verstummt, Hohn und Spott ausschüttetet oder auch versuchten ein ähnliches Setup selbst zusammen zustellen. So hat es bei mir auch angefangen!
Aber am Anfang standen natürlich Bilder. Endlich keine matt-grauen, diffusen Matscheflecken auf hellgrauen Hintergrund, sondern binnen kurzer Zeit, Sekunden und Minuten M101 in Farbe. Für mich mit Suchtpotential auch mal zwanzig, vierzig oder mehr Minuten zuschauen wie sich M101 am Bildschirm von Aufnahme zu Aufnahme schöner zeigt.
804 Einzelaufnahmen, jede mit 4 Sekunden Belichtungszeit, zusammen 3.216 Sekunden.
Etwas mehr als 50 Minuten mit offenem Mund sich wundern was mein kleines Teleskop im Münchner Vorstadt Garten für Wunder aus dem Universum zeigen kann. 16 Millionen Lichtjahre entfernt | 170 Lichtjahre im Durchmesser - wie klein bin ich! Mehr, mehr, mehr - einzig das Wetter, die klare Nacht, die Zeit fehlt oft! Und schon mehr als ein Mal, habe ich mit immer kleiner werdenden Augen der Müdigkeit getrotzt bis die Morgensonne weitere Beobachtungen unmöglich gemach hat.
Und für mich das tollste ist, die Erfahrungen und Eindrücke teilen meine Frau Susanne und ich gleichzeitig. Im Wohnzimmer auf dem großen 16" Samsung Pad, im Schlafzimmer am 50" Sony Fernseher, oder im HomeCinema auf der 240 cm Leinwand per Beamer mit Freunden.
Was braucht es dazu? Keinen Uplink zum Hubble! Kein 50" Spiegel-Teleskop! Ich verwende den kleinsten f/5 Skywatcher Newton 130 PDS | 5" ~ 130 mm Durchmesser | 650 mm Brennweite.
Der Newton sitzt auf einer azimutalen Celestron Montierung Nexstar wie sie tausendfach mit SCs von Celestron auch verkauft wird. Die Montierung kann sich über ein Starsense Autoalignement Modul, bestehend aus einem neuen Handkontroller und einer kleinen Kamera zum Plate-Solving sich automatisch "einnorden" oder genauer ausgedrückt ein Rechenmodell aufbauen, ausrechnen damit es weiß wohin es schaut und dann die Nachführung des Teleskops ausführen kann.
Es reicht wirklich zu Beginn des Beobachtungsabends das Setup in den Garten zu stellen, einzuschalten und nach Eingabe von aktueller Uhrzeit, Datum, geographische Standort Koordinaten merkt sich der Handkontroller, ist man binnen von ca. zwei Minuten nach drei vielleicht vier automatisch ausgeführten Aufnahmen bereit. Dann kann man zum Beispiel im Stellarium in der Sternenkarte die Position des Teleskops nachschauen und es auch direkt zum ersten Ziel führen lassen.
Als erstes Ziel wähle ich immer einen hellen Stern um zusätzlich per ASI Fokus Motor den Fokus einstellen zu lassen. Dazu verwende ich die freie ASI-Software ASI-Live, die die Größe der Sterne misst und durch rein- und rausfahren des OAZs binnen zwei Minuten den perfekten Fokus findet.
Nach insgesamt ca. vier bis fünf Minuten ist mein EAA Setup einsatzbereit! Ohne dass ich einen Finger rühren muss.
Dreh- und Angelpunkt für alle EAA Aufgaben und sämtliche Software ist verantwortlich ein Lenovo Idea PAD Duet mit Windows 10 Pro. Das kleine PAD mit Touch-Screen wird per RDP - RemoteDesktop per Wlan auf ein anderes PAD / Computer / Android Device gespiegelt und von dort aus bedient.
Per RDP-Session wird also auf dem am Teleskop mit einer RAM-Mount Halterung festmontierten PAD, die dort benötige Software wie Stellarium, ASI-Live oder Sharpcap PRO aufgerufen, bedient und kontrolliert. Das geht so schnell und flüssig, als hätte man das eigentliche PAD selbst vor sich. Zugleich kann man zum Beispiel die Windows-Oberfläche auch noch per google Chromecast auf den Fernseher spiegeln oder über einen Beamer auf eine große Leinwand projizieren.
Die wichtigste Software ist Sharpcap PRO, eine Software aus UK, die im PRO Lizenz-Modell je Jahr übersichtliche € 15 kostet. Alle Software Komponenten arbeiten per ASCOM Treiber zusammen. Das bedeutet ich kann wahlweise in Stellarium oder auch Sharpcap die Montierung ansteuern, den Fokus verändern, und, und, und . Als Kamera verwende ich ein ZWO ASI 294 MC ohne Kühlung. Das laufend weiter entwickelte Sharpcap bietet eine Vielzahl von Funktionen und manipulieren der gestackten Fotos. Sogar eine Anbindung an externe Plate-Solving Software ist möglich. Das bedeutet, z.B. ist in Stellarium M101 ausgewählt und per Befehl in Stellarium angefahren worden, kann es sein, dass die Galaxie dann noch nicht perfekt in der Mitte des Kamera Sensors liegt. Umgeschaltet auf Sharpcap, kann man diese Software anweisen per Platesolving die Position von M101 genau auszumessen und dann die Galaxie genau mittig im Sensor zu platzieren. Funktioniert wie von Zauberhand binnen kurzer Zeit.
Und dann? Dann muss man nur noch zuschauen. Mit einigen Reglern kann / muss man noch Belichtungswerte, Gain und Zeit, die Level für Schwarzpunkt, Mittelton und Weißpunkt einstellen, eine Farbbalance durchführen und einfach zuschauen und beobachten. Das inzwischen gestackte Foto kann jeder Zeit als Datei abgespeichert werden.
M57 | 192 Einzelaufnahmen mit 8 Sekunden Belichtungszeit | zusammen also 1.536 Sekunden oder knapp 25 Minuten.
Inzwischen habe ich um von der Brennweite her noch etwas länger sein zu können, eine 1,5x Barlow mit Komakorrektor angeschafft und verschiedene Filter. Aber man kann natürlich auch immer mit Zoomen und Vergrössern Details herausvergrössern. Genügend Datenmenge ist vorhanden.
Das Setup braucht natürlich Strom. Dazu habe ich mir eine Art Kragen, Halterung einfallen lassen. Daran hängt noch ganz profan mit Kabelbinder zwei Powerbänke. Eine mit 12 V zur Versorgung der Montierung und eine mit 5V die per USB HighCurrent das PAD laufend nachlädt. Ich kann damit das ganze Setup gut zwei Nächte mit je 4 Stunden, zusammen also 8 Stunden versorgen. Die 12 V Powerbank ist übrigens ein Starthilfe-Gerät für den PKW, mit dem man auch mal ein Auto, sogar einen Diesel fremdstarten kann.
Dies Halterung hat den großen Vorteil, dass keinerlei Kabel vom Teleskop wegführt und die Montierung sich ohne Kabelwirrwarr beliebig oft um 360° drehen kann.
Das ganze wird wie geschildert Remote aus dem Haus heraus bedient. Pizza, Chips, Bier oder Wein inklusive. Keine Mücken im Sommer und im Winter ist es warm zuhause!
Was will man mehr?
Mit einem Altair Quad-Band Filter habe ich letztens den Nordamerika Nebel aufgenommen.
den Crescent-Nebel
astrotreff.de/index.php?attachment/14120/
oder auch den Blasennebel
Klar können meine Aufnahmen an die Qualität einer zig Stunden gestackten und tagelang nachbearbeiteten Astrofotografie nicht das Wasser reichen, aber ich habe während des Stacking Prozesses zugeschaut. Für mich ist das wie Kino, wie ein Spielfilm oder wie ein Krimi. 90 Minuten Nordamerkia-Nebel ist quasi mein Tatort gleich zusammen mit einem Making-Of !
Alle Aufnahmen hier sind übrigens ohne Nachbearbeitung. Also nur am Ende "as-it-is" aus Sharpcap heraus abgespeichert.
Und vermutlich wäre ich nicht hier im Forum, wenn es nicht laufend etwas zu verbessern und nach zurüsten gäbe.Manchmal geht nach einigen Minuten der Stacking Prozess nicht weiter und man tut gut daran konventionell mal mit den Augen den Himmel zu kontrollieren!
Mond?
Nachbars Bäume?
NEIN! Wolken!
Oder man leistet sich noch eine kleine zusätzliche Kamera z.B. eine ASI 120MC Mini mit einem kleinen Objektiv und kann mal schnell die Kamera wechseln und so bequem vom Indoor Kontroll-Zentrum aus nachschauen was sich im Himmel tut.
Dann weiß man sicher, dass die lang angesagte Bewölkung über München jetzt leider endlich angekommen ist.
Ich habe mir für die kleine Kamera im 3D-Druck einen passenden Halter drucken lassen. Es gibt also immer was zu tun und das Schrauben und Tüfteln gehört für mich dazu, wenn mal wieder über Wochen nur grau Sauce über einem hängt.
Übrigens das fette Teil oben im Bild ist die Starsense Kamera für's Autoalignement (abgedeckt) die man leider außer für's Allignement für nichst anderes verwenden kann. Das wäre von Celestron genial, wenn diese Kamera über den USB Port ebenfalls ansprechbar wäre.
Unten ist die ASI 120MC Mini, hier im Bild noch mit einem zoom Objektiv, das ich jetzt auf eien Festbrennweite mit 6 mm f/1.2 getauscht habe.
Wer noch mehr EAA Bilder die ich in 2021 mit diesem Setup gemacht habe sehen will, kann in meine Galerie bei CloudyNights schauen. Viel Spaß!
Ich hoffe ich kann mit diesem Bericht den Einen / die Eine oder den Anderen / die Andere für diese moderne Art der Computer unterstützen Astronomie interessieren. Wenn jemand Fragen hat, Hilfe braucht wenn er selbst so ein EAA-Setup realisieren möchte, ich und sicher alle anderen EAA-ler helfen gerne.
Viele Grüße und klare Nächte wünscht - MünchenBeiNacht - Ewald
Verwendet Komponenten / Teile in meinem EAA Setup
- Montierung: Celestron Nexstar, Nutzlast bis 6 kg
- Teleskop: Skywatcher Newton f/5, Brennweite 650mm, 5" | 130 mm Spiegel
- Focuser: ZWO ASI EAF
- Alignement: Auto Alignement with Celestron Starsense Modul
- Kamera: ZWO ASI 294MC ungekühlt | ZWO ASI183 MC ungekühlt | ASI 120MC Mini mit 6mm Festbrennweite Objektiv für Umgebung
- EAA Computer: LENOVO Idea PAD 3, 8 GB RAM, 128 GB SSD, 512 GB micro SD in SD slot, Windows 10 PRO, builtin WLAN
- EAA Software: Sharpcap 3.2 / 4.0 PRO, ASI Live für Fokuser, Stellarium, ASCOM Treiber, ASI Treiber, Celestron Montierungs Treiber
- Netzwerk: Windows Remotedesktop or Android Remote Desktop App
- USB Hub: Amazon Active USB HUB, 6x USB 3, benötigt 12 V Versorgungsspannung
- Stromversorgung 5V: Powerbank 20.000 mAh, USB 3 PD mit 45W - zum laden vom Windows Pad, und Stromversorgung über USB der ZWO Kamera und ZWO EAF
- Stromversorgung 12V: Powerbank 18.000 mAh, 12 V | 10A - Stromversorgung für die Montierung und den USB HUB
Optional, je nach Zielobjekt:
- Barlow: APM 1,5x Barlow, 2" mit Komakorrektor
- Komakorrektor: (wenn keine Barlow verwendet wird): Baader Koma Korrektor Mark-III
- Filter: Altair Quad Band Filter