Freude am 24x100 Feldstecher

  • Als ich aufwache ist es schon spät und wolkenlos klar. Das indische Essen hat voll reingehauen, und durch den Schlaf bin ich topfit! Ab zum Beobachten! Um 18:30 Uhr kann ich losfahren.


    Auf dem Bergweg kommt mir ein Auto entgegen. Man kann hier nicht ausweichen, es sind links und rechts Weidezäune. Als der Zaun aufhört, blinke ich rechts, das entgegenkommende Fahrzeug ist aber schon rechts ran gefahren. Als ich vorbeifahre, sehe ich am Kennzeichen, dass es ein Urlauber sein muss und bedanke mich mit kurzer Lichthupe.


    Nach dem Aussteigen ist der Himmel so schwarz wie früher am Sudelfeld! Na ja, nach der Adaption erkenne ich schon Dunst am Horizont. Jetzt ist es 20 Uhr, und ich baue den Feldstecher aufs Stativ und lege die Thermomatte auf die Aussichtsbank. Auch den 7x50 habe ich mit.


    Ob mein Astigmatismus mit den neuen Kontaktlinsen korrigiert ist oder ob der 24x100 wirklich so schlecht ist, wird sich jetzt zeigen. Als ich ohne Brille daheim auf dem Balkon Jupiter und Saturn angeschaut hatte, habe ich anhand der Lage der Verzeichnungen die Achsenlage meines linken und rechten Auges bestimmt und danach Tageslinsen bestellt. Jetzt sind die Augen auch voll auskorrigiert und die Sterne punktscharf. Jetzt noch den Feldstecher von bloßen Augen auf Kontaktlinsen scharf stellen. Es sind fast 6,5 Dioptrien. Dann noch das rechte Okular nachstellen. Es ist schon eine Fummelei. Hat sich aber gelohnt! Die Jupitermonde sind scharf und seine Scheibe zeigt einen braunen Strich! Und Saturn zeigt seinen Ring. Links und rechts kann ich schwarzen Himmel zwischen Ring und Planetenscheibe sehen!


    Bevor die Milchstraße ganz untergeht, genieße ich die Sternwolken und die Dunkelnebel in Scutum und Aquila. Es ist ein euphorisch wildes Hin- und Her zwischen 7x50 freihändig liegend, wo ich Cygnus und Cepheus beobachte, und dem 24x100, mit dem ich neben der Milchstraße auch Objekte beobachte. Es sieht fast so aus, als könne ich durch den Ringnebel hindurchschauen, sprich in der Mitte ist es winzig dunkel! Und M71 erstaunt mich, da er sich fast so groß wie der Hantelnebel präsentiert.


    Durch diese Hektik des Beobachtens drücke ich auf die Hosentasche, um zu spüren, ob der Autoschlüssel noch da ist, oder schon im Gras liegt? Plötzlich gehen beim Auto alle Lichter an: Fahrlicht, Rücklichter, Blinker, Rückfahrlicht. „It‘s not a bug, it‘s a feature!“ Die Adaption ist erst mal hin. Wenigstens sehe ich, dass die Birne des rechten Rückfahrlichts durchgebrannt ist. Inspektion beim Beobachten.


    Jetzt geht es weiter im Süden. Und immer wieder schaue ich mir meine Highlights mit dem 7x50 und dem 24x100 an: den Cirrusnebel, den Nordamerikanebel mit den Sternwolken und dem nördlichen Kohlensack, das Band der Milchstraße, das im Cepheus eine deutliche Kante im Osten hat, den Dunkelschlauch, der von M39 ausgeht und an dessen Ende der Coconnebel überaus deutlich zu erkennen ist! Und natürlich auch Carolines Rose. Auch unbekannte Gegenden der Milchstraße zeigen tolle Pracht!


    Jetzt weiß ich auch, wo der Ausdruck „arschkalt“ herkommt: Ich muss aus dem Auto meine dickere Jacke, einen Daunenparka holen, um mich draufzusetzen. Wieder eine Blendung! Aber nach einer Weile wird das Hinterteil wieder warm. Ich brauche auch Handschuhe, die ich auch gleich mit aus dem Auto geholt habe. Es gibt leichten erfrischenden Ostwind. Wenigstens können die Feldstecher so nicht beschlagen.


    Und weiter geht es: Der Helixnebel ist toll zu sehen, auch mit dem 7x50. Der Meropenebel auch, nachdem die Plejaden höher gestiegen sind. Der Meropenebel ist ja eindeutig, da er von Merope aus dem Sternhaufen heraus geht. E. E. Barnard hatte ja mit dem 36“ Refraktor einen inneren Meropenebel gesehen, der auch im Leitrohr, einem 12“ Zoll Refraktor „bei Abdeckung von Merope mit einem Draht im Okular mit Schwierigkeiten sichtbar“ war. Ich hatte diesen inneren Nebel in meinem 17.5“ und auch im 28 cm Refraktor nie gesehen, nur mit einem 1 Meter Spiegel war er zu erkennen. Den Doppelsternhaufen im Perseus darf ich natürlich nicht vergessen, aber der prachtvollste Sternhaufen ist M37! Groß und blickweise aufgelöst – ein toller Anblick! Und M1, und, und, und. Andromedanebel formatfüllend: Sternwolken wie in unserer Milchstraße, hier alle in einem Gesichtsfeld. Ich glaube, bei M33 die Spiralstruktur zu erkennen. Jetzt zu M81/82, die ihren Tiefstand im Norden haben: Bei M82 ist die zerrissene Struktur deutlich zu sehen und bei M81 ist die Spiralstruktur zu erahnen. Im südlichen Cetus überrascht mich die Silberdollar-Galaxie (NGC 253)! Sie ist hell und knackig! Ob auch der Kugelhaufen zu sehen ist? Ist er! NGC 288 ist auch ein leichtes Objekt. Nur NGC 247 sehe ich nicht...vielleicht ist da doch ein längliches Nebelchen? Nein, nicht klar auszumachen.


    Jetzt werden auch die Füße kalt, ich habe nur meine Bergschuhe an, die Moonboots, die mir meine Frau gekauft hat und die angeblich bis -74°C gehen, wären jetzt angebracht.


    Es wird hell Richtung Norden. Und der Orionnebel geht zwischen Bäumen auf, was für ein stimmungsvolles Bild!


    Zum Teetrinken sind mir jetzt die Füße zu kalt. Ich freue mich auf mein warmes Auto. Als ich den Motor gestartet habe, sehe ich, dass es 9°C ist. Beim Herunterfahren geht die Temperatur schnell abwärts, bis unten auf 1°C. Inversion. Und die Heizung wird durch den Schiebebetrieb auch erst mal nicht warm. Der aufgegangene Mond steht neben mir und wird mich noch einige Zeit begleiten, bis ich kurz vor München in den Nebel eintauche. Gegen 1 Uhr bin ich daheim, wo noch Licht ist und mich mein treu sorgendes Weib erwartet – sie konnte wieder nicht einschlafen, solange ich beim Beobachten war.


    So, ich hoffe, dass euch dieser unwissenschaftliche Bericht zum Beobachten mitgenommen hat, es geht mir um die Stimmung und um die Bewusstwerdung und Erfahrung des Universums, in dem wir leben. Also wieder zurück vom Berg und in die Zivilisation zu den Menschen unten im Flachland eingetaucht.

  • Servus Helmut,


    eine nette Runde durch die Milchstraße mit dem Wachter, die Stimmung ist auf jeden Fall schön rüber gekommen. Und bei 9° schon kalte Füße, mei, wir werden halt alt. Ich habe mich nie bei tiefen Temperaturen beim Spechteln wohlgefühlt, trotz Daunenjacke und so. Und jetzt ist es bei mir noch schlimmer, als früher.

    Ich hab ja auch einen Wachter, aber den 14x100. Wegen eines kaputten Stativadapters benutze ich ihn zu wenig. Aber es ist gar nicht so lang her, da war ich damit auch mal wieder unterwegs, hab da auch M81, M82, NGC 253, die Sternhaufen im Schützen, M8, M20 usw. abgespechtelt. Ich sollte das mit dem Stativadapter endlich mal reparieren, so ein Feldstecher ist schon ein Gewinn.

    Den inneren Meropenebel habe ich ebenfalls schon mal gesehen. Die Gelegenheit bot sich vor bald 10 Jahren, als wir den Uwe mit seinem 27Zöller am Glockner getroffen haben, da hat er das Futzelchen eingestellt. War ein rechtes Augentratzerl, aber eindeutig zu identifizieren.


    Gruß und CDS,


    Haley

  • Hallo Helmut,


    Ein schöner, kurzweiliger Bericht.

    Hast du das 24x100 freihändig gehalten?


    Haley, mir ging’s immer wie Dir. Bei kalten Temperaturen habe ich nie lange ausgehalten. Ich denke, es liegt in erster Linie an den Füßen. Wenn die kalt werden, ist’s aus. Was habe ich nicht alles für Schuhe probiert. Die moonboots habe ich ignoriert, weil die zu klobig sind und albern aussehen. Irgendwann hab ich mich in meiner Verzweiflung dann doch durchgerungen. Jetzt liebe ich die Dinger und ziehe die auch schon bei Plusgraden an.


    Beste Grüße


    Rene

  • es liegt in erster Linie an den Füßen …


    Rene

    So isses, Rene. Aber dagegen kann man was machen. Moonboots sind die eine Option, aber längst nicht die beste. Ich bin eher durch Zufall mal bei Globetrotter an ein Paar Arktisstiefel von Northern Outfiters gekommen. Die hatten eine wirklich unsinnige Größenangabe, weshalb sie wahrscheinlich keiner anprobiert hat. Ich dagegen war bereit, mich notfalls hineinzuquälen. Und siehe da, sie passten wie angegossen. Als Ladenhüter waren sie auch noch mehrfach preisgesenkt, so dass ich sie für gerade mal 50 € mitnehmen konnte. Da noch dicke Wollsocken rein, dicke Daunenhose und -jacke über Fliesanzug und lange Funktionsunterwäche und man kann bei -10 Grad die ganze Nacht über draußen bleiben. Auch als alter Sack, der straff auf die 70 zugeht.


    CS, Jörg

  • Hallo Rene,


    ich nehme immer ein Stativ ab 10x, sonst nutzt man die Schärfe der Optik nicht aus. Das 24x100 geht nicht ohne Stativ. Ich habe da eines, bei dem die Beine frei beweglich sind, das hat den Vorteil bei hohen Elevationen, dass ich den Feldstecher näher über meinen Kopf bekomme. D.h. das Bein, das am Objektiv ist, ist länger als die Beine links und rechts von mir. Dazu stelle ich das linke und das rechte Bein kürzer ein.

    Ralph hat ein Zweibein entwickelt, das sich beim Liegen links und rechts abstützt und dadurch das Gewicht des Feldstechers aufnimmt. Ich denke, er wird das das hier bald vorstellen.

    Es ist auch ein Gewinn, wenn ich das 7x50 auf dem Stativ benutze. Beim Liegen zur Zenitbeobachtung nehme ich es in die Hände. Mit einem kleinen Tischstativ, das ich mit zusammengeklappten Beinen in den Händen halte, ist es etwas komfortabler, da ich die Hände am Körper abstützen kann.


    Herzliche Grüße

    der Helmut

  • Ja, Haley, vielleicht ist das 14x100 noch besser wegen der für die Milchstraße geeigneteren Vergrößerung? Und dann die 100mm Öffnung, die 7mm AP ergibt. Die Frage ist, ob unsere Pupillen noch so weit aufgehen.

    Unbedingt wieder benutzen!

  • Danke, Helmut.


    Und keine Sorge wegen der Pupillenöffnung im Alter. Die Regel, wonach sie altersbedingt unaufhaltsam kleiner wird, ist längst überholt. Es hat Untersuchungen bei Teleskoptreffen an Sternfreunden jedes Alters gegeben. Ergebnis: Bei aktiven Beobachtern ist der Rückgang nur minimal. Hab jetzt keine genaue Quelle zu dieser Info, aber vielleicht müsste man nur mal gründlich recherchieren. Möglich, dass Ronald Stoyan dazu mal was in Interstellarum geschrieben hat.

    Die 7 mm Austrittspupille sind eher wegen des fast überall zu hellen Himmels ein Problem. Deshalb dürfte der 24x100 dem 14x100 klar überlegen sein.


    CS, Jörg

  • Lieber Jörg,


    beim Teleskoptreffen am Vogelsberg wurde einmal bei den Beobachtern die AP gemessen (frage mich nicht, wie), und es wurde da festgestellt, dass das Alter nicht immer eine geringere AP bedeutet. Ein Freund von mir hat allerdings "nur noch" eine AP von 5mm. Er hat das gemessen durch Spiralbohrer für Bohrmaschinen, die er sich vor das Auge beim Beobachten eines Sterns gehalten hat. Das Kriterium war: "Welcher Bohrerdurchmesser deckt gerade den Stern so ab, dass kein Licht mehr ins Auge gelangt?" Der Bohrerdurchmesser ist dann gleich der AP des Auges.

    Bei mir bin ich beim Messen unter Rotlicht auf ca. 5mm AP gekommen. Ob's stimmt?


    Und an meinem Beobachtungsplatz wird der Himmelshintergrund mit dem 7x50 nicht hell. Vielleicht deswegen, weil meine Augen nicht bis 7mm aufmachen?


    Die Bilder von deiner Balkonsternwarte habe ich natürlich angeschaut. Es ist schon eine beeindruckende "Maschinerie".


    Mit herzlichen Grüßen von Helmut

  • Hallo Helmut,


    ich denke eher, dass Dein Beobachtungsplatz so gut ist. Ihr Bayern seid da an vielen Stellen klar im Vorteil. Martin beispielsweise hat im Garten hinterm Haus bessere SQM-Werte als ich im Wald im Erzgebirge.

    Vielleicht solltest Du den 7x50 mal mit einem 10x50 vergleichen. Aber selbst dann ist nicht gesagt, dass es an einer zu kleinen Pupillenöffnung liegt, wenn der 7er weniger zeigt als der 10er. Da spielen sehr viel mehr Faktoren eine Rolle. Und letztlich ist es ja auch egal. Wir müssen mit dem Status quo unserer Augen klar kommen. Irgendwann sind vielleicht auch mal neue Linsen nötig. Ich denke, eine Linsentrübung ist ein viel größeres Problem als eine nicht mehr auf 7 mm öffnende Pupille.


    CS, Jörg

  • Im Vergleich mit meinem 10x50 zeigt der 7x50 einen knackigeren, sprich besseren Kontrast. Beide sind Zeiss Jena, Qualitätsstufe 1.


    Aber vielleicht ist der von mir subjektiv wahrgenommene höhere Kontrast vom Bau der Optik bei 7x und 10x bedingt? Und beide haben dem Anschein nach die selbe Beschichtung, wenn ich auf die Objektive schaue. Sieht sehr dunkel aus, wenn ich durch die Objektive in die Tuben schaue. Ist eine dunkelrote Beschichtung. (Beim Wachter Gigant ist es in den Tuben hell, hellblaue Beschichtung.)

  • Hallo Helmut,


    Danke für Deinen erfrischenden Beobachtungsericht aus dem realen Leben!

    In der Hosentasche auf den Knopf vom Autoschlüssel gedrückt, die Karre blinkt und die Adaption ist hinüber :D

    Die Frau ist immer noch wach als ich nach dem Sternegucken nach Hause gekommen bin.

    Kommt mir bekannt vor.....


    LG vom Gerd, der schon 1987 gerne Deine BB, s gelesen hat.

  • Hallo Gerd,


    interessant, wie sich ab einem gewissen Alter die Erfahrungen gleichen (Frau kann nicht einschlafen, moderne Fahrzeugelektronik hält einem zum Narren)!

    Bei meinem Auto kann ich den Zündschlüssel nicht stecken lassen, da die vielen Steuergeräte eingeschaltet bleiben, weil sie den eingesteckten Schlüssel so interpretieren, dass gleich eine Fahrt beginnen wird. Den Schlüssel ins Auto legen, geht nicht - wer weis, wenn die Zentralverriegelung einen Impuls bekommt?


    Mein erster großer Bericht war in SuW 11/83, wo ich meinen 17.5" vorgestellt hatte. Und in 2/84 folgte eine Erlebnisbeschreibung vom Sudelfeld.


    Weiterhin viele Erlebnisse in der Astronomie!


    Mit herzlichem Gruß von Helmut

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