Weitwinkel-Refraktor mit Objektiv-Revolver

  • Hallo zusammen,


    Die Schönheit des Sternenhimmels zeigt sich auf vielen Skalen, nicht nur bei hoher Vergrößerung in großen Teleskopen. Schon häufig, gerade bei Objekten in der Milchstraße habe ich dann zum Fernglas gegriffen um größere Strukturen zu betrachten. So reizvoll der weiträumige, binokulare Schwenk mit dem Fernglas über Sterngruppen ist, ich finde den Einblick für längere Beobachtungen anstrengend. Auch wünscht man sich oft eine andere Vergrößerung.


    Jetzt bin ich deshalb dabei einen kleinen Weitwinkel-Refraktor zu bauen, der direkt mit einem größeren Teleskop wie ein Sucher gekoppelt ist.


    Um einen sehr großen Winkelbereich zu überstreichen wird er über einen Objektiv-Revolver mit 3 Objektiven verfügen.


    Hier meine Wunschparameter:

    • Gesichtsfeld 20 Grad - 4 Grad
    • Komfortabler 90 Grad Einblick
    • Randscharfe Abbildung mit Superweitwinkelokularen, dann macht das Beobachten Spaß
    • Vergrößerung 3-20x bei große Austrittspupille ( 3-6 mm)


    Die Objektive können gewechselt werden, für den Weitwinkel-Bereich sind es Zeiss Tessare. Kurzbrennweitige Achromate kommen wegen der starken Bildfeldkrümmung nicht in Frage.



    Tessar-Objektive mit 75mm – 180 mm Brennweite. Statt eines 250iger Tessars werde ich das 60 mm Objektiv aus dem TS ED Sucher verwenden.


    Ich plane den bzw. besser die Refraktoren mit einfachen Mitteln bauen, also eher ein Prototyp Projekt. Neben Papier und Karton, bilden Carbon-Folie und -Schläuche die Basis, ergänzt durch Edelstahl und kommerzielle Fertigbauteile und Adapter meist aus Alu.


    Und leicht soll das Ganze werden, damit die Balance des Teleskops nicht gestört wird, 700g ist Ziel, Die Bauskizzen sind jetzt fertig, die Päckchen mit Härter, und Edelstahlblech auf dem Weg.


    Ich bin gespannt wie sich das Projekt entwickelt, hoffe die eventuelle Hürden lassen sich überwinden und und freue mich auf Feedback und Kommentare.


    Beste Grüße


    Thomas

  • Hallo Jörg, hallo Gerhard,


    ich bin auch gespannt wie es weiter geht ;)

    Mal sehen ob ich die Erwartungn die das Foto erweckt erfüllen kann.


    Ganz kurz zum Konzept, der feste Teil ist im Grund nur ein Amicprisma mit dem Okular, die drei Objektive sitzen auf einer drehbaren Scheibe.


    beste Grüße


    Thomas

  • So, jetzt habe ich mit dem Bau begonnen,


    hier ein erster Eindruck:




    Basis des Objektiv-Revolvers, Sandwich aus 2 Lagen Karton, auf jeder Seite 0, 25mm Carbon


    das 75 mm Tessar wird direkt in die Scheibe des Objektiv-Revolvers gesetzt, die anderen Objektive benötigen wegen der längereren Brennweite kleine Tuben. Sie können über M42 Gewinde fokussiert werden, unten sieht man die Aussengewinde, links ein Adapter mit M42 Innengewinde. Solche Adapter werden an die Enden der Tuben eingeklebt.

    beste Grüße


    Thomas

  • Hallo Gerd,


    ich bin auch gespannt und hoffe mal, dass alles wie geplant fertig wird.


    Gestern habe ich die ersten Teile geklebt ( das Foto oben war vor dem Verkleben). Obwohl ich den Ablauf vorher zweimal 'trocken' geübt hatte kam ich in Stress, denn 6 Teile (zwei Schichten Carbonfolie, zwei Lagen Karton und die beiden M42 Adapter) mussten möglichst präzise und dazu quasi gleichzeitig veklebt werden. Dann quoll plötzlich an einigen Stellen Uhu Plus raus und mir fehlte eine dritte Hand. Man sieht dass es Selbstbau ist. Die Scheibe ist inklusive der Adapter 40 g leicht, bei 2,5 mm Dicke platzsparend und sehr stabil.


    beste Grüße


    Thomas

  • Hallo Thomas,


    als jemand, der mit allen Optiken recht gern mit großer Austrittspupille (bei gleichem Öffnungsverhältnis, d.h. mit denselben Okularen) beobachtet, finde ich das Konzept eines Teleskoprevolvers sehr überzeugend! Bin gespannt auf Deine Ausführung und die Beobachtungen damit.

    Für größere Öffnungen und binokular wird es allerdings eher schwierig mit dem Konzept... evtl. wäre da eher ein Klappspiegel hilfreich so wie hier: Eight-inch and Four-inch Flip Telescope (robertmartinayers.org)


    Viele Grüße


    Holger

    :milky_way: 10" f/5 Newton-Bino :comet: 120mm f/5 Achromaten-Bino :hammer_and_wrench: 8" f/8 Jones-Schiefspiegler-Bino

  • Hallo Holger,


    ja, der hier gewählte Weg mit rotierenden Objektiven wird für größere Öffnungen schwierig, ich denke da ist bei 60 mm Öffnung Schluss. Im Prinzip ließe sich das wohl auch binokular bauen. Doch dann bei allen Brennweiten die Bilder gut zur Deckung zu bringen wird eine echte Herausforderung. Binokular geht wohl auch nur bis 55 mm.


    Vielen Dank für das Link mit dem Klappspiegel, eine interessante Lösung. Ich glaube die Firma Haidenhain hatte schon mal für die damals superteuren Newton-Teleskope auch einen Klappspiegel mit dem bei gleichen Okular zum Sucher gewechsel werden konnte. Auch der Wechsel zwischen mit drei oder mehr Objektiven scheint mir möglich, analog zu den Okular-Revolvern, dann mit drehbarem Spiegel. Vermutlich wird es dann aber schwierig sehr große Gesichtsfelder in Kombinaton mit 90 Grad Einblick zu bekommen, trotzdem interessant mal in diese Richtung zu denken.


    beste Grüße


    Thomas

  • Warum keine einfachen, zweilinsigen Achromate sondern Tessare, ab welcher Größe werden Tessare ungünstig?


    Bei großem Gesichtsfeld sind Astigmatismus, Koma und Bildfeldkrümmung ein ernstes Problem. Als rein geometrischer Bildfehler lässt Letzere sich leicht abschätzen:





    $\Delta \varphi =\arctan ((1-\cos 1.5\varphi )AV^{2}/3f)$



    Hier ist $\Delta \varphi $ der Winkel auf den ein Stern am Bildrand aufgebläht wird (Astigmatismus und Koma vernachlässigt), A die Austrittspupille, V die Vergrößerung, f die
    Brennweite, $\varphi $ der Bildwinkel. Für den Krümmungsradius wird wie häufig angenommen, dass er ein Drittel der Brennweite beträgt.


    Ein Beispiel, für f=135 mm, ergibt sich mit einem sehr langbrennweitigen Superweitwinkel-Okular wie Baader Morpheus 17,5 mm eine Vergrößerung V=8, bei 10 Grad Gesichtsfeld, ähnliche Werte wie bei den Nikon WX Superweitwinkel Ferngläsern. Bei einer Austrittspupille von 5 mm erhält man dann für $\Delta \varphi $ 1,3 Grad, also fast drei Monddurchmesser, helle Sterne werden zum Bildrand stark aufgebläht und verzerrt, schwache Sterne bleiben unsichtbar. Bei 'einfachen' Weitwinkelgläsern, wie z.B. dem Kowa 6,5x32 mit 10 Grad sieht man dies leider sehr deutlich. Am Bildfeldrand fehlen wenn man die Milchstraße betrachtet die Sterne, da sind Gläser mit Bildfeldebnung wie das Zeiss Victory SF 8x32 mit knapp 9 Grad Gesichtsfeld sehr viel besser.


    Die vierlinisgen Tessare sind für Bildwinkel von etwa 50 Grad korrigiert, sehr viel mehr als man selbst für einen Weitwinkelrefkator benötigt. Bei f/4.5 sind sie in der Bildmitte nicht beugunsbegrenzt, mit zunehmender Brennweite wird die selbst bei großer Austrittspupille störend. Obendrein sind sie viel schwerer als ein zweilinsiger Achromat, grob 4 mal so schwer wie ein entsprechender Achromat. Der Faktor 2 wird von der doppelten Zahl der Linsen herrühren, der Rest ist durch die aufwändige Fassung. Das 4,5/250 mm Tessar bringt 500 g auf die Waage im Vergleich zu 120 g des 60 mm f=250 mm Objektiv im TS ED Sucher. Ich habe mich daher für dieses Objektiv statt des Tessars entschieden. Bei 180 mm ist
    bei dieser Anwendung vermutlich die Grenze des Tessars erreicht, mal sehen wie sich das 180iger in der Praxis macht.


    Leider kann selbst bei 250 mm Brennweite die Bildfeldkrümmung stören, nimmt man wieder ein 17.5 mm Morpheus Okular ergibt 5.4 Grad Gesichtsfeld bei 14facher
    Vergrößerung. Am Bildrand werden die Sterne immer noch auf 0, 65 Grad aufgebläht. Wenn dies stark nervt, kann ich versuchen das zweilinsige Objektiv durch eine Bildebnungslinse zu ergänzen.


    Durch die Beschäftigung mit Bildebnungslinsen habe ich gelernt, dass auch mit zweilinisgen Achromaten die Bildfeldkrümmung beseitigt werden dann, indem mit speziellen Glassorten z.B. LLF1 Und LAK33 die Petzval Bedingung für ein ebenes Feld erfüllt wird. Dann muss das Verhältnis der Abbezahlen gleich dem Verhältnis der Brechungsindices sein, bei realen Gläsern wird dann die Differenz der Abbezahlen klein, die Brechkraft der positiven und der negativen Linse ähnlich. Um ein großes Öffnungsverhältnis zu erzielen müssen die Linsen dann stark gekrümmt sein, mit vermutlich stärkeren Bildfehlern auch in der Mitte. Ob dies dennoch eine gute Lösung für so ein Nischenprodukt wäre lässt sich nicht so einfach prüfen, denn meines Wissens stellt niemand solche Achromate her.


    Soweit erst mal, beste Grüße


    Thomas


    (Sorry, ich hoffe die Gleichung/Zahlen stimmen, hier musste ich beim Editieren mehrfach nachbesern)

  • Ein kleines Update, es geht voran. Ein Eindruck vom aktuellen Stand:




    Am Sonntag geht aus der Stadt heraus für ein paar Tage nach Usedom, ich hoffe bis dahin bekomme ich das kleine Teleskop weitgehend fertig und kann es dort unter viel dunklerem Himmel testen.


    beste Grüße


    Thomas

  • Hallo zusammen,


    jetzt noch ein paar Details und Fotos zum Bau.



    Amiciprisma mit Okularschaft.


    Um auch mit dem 75 mm Tessar in den Focus zu kommen musste ich beide erheblich kürzen.



    Rückansicht. Die beiden Justierschrauben ermöglichen eine sehr einfache Ausrichtung in horizontaler und vertikaler Richtung.


    Die kleinere Scheibe dient zur Abschirmung der beiden Objektive die gerade nicht benutzt werden.



    Gesamtansicht, provisorisch montiert auf einen APM 70 mm Bino. Die weißen Streifen sind Markierung für die korrekte Position der Objektive


    Dies Teleskop ist in erster Linie als Ergänzung für ein Leistungfähigeres gedacht, deshalb war ein Ziel das Gewicht zu minimieren sodass die Balance erhalten bleibt. Mit f/ 4,5 Tessaren mit 75mm und 135 mm und dem 60 iger f=250 mm ED Objektv wiegt es nur 660 g, dazu kommt dann noch das Okulargewicht. Dies gelang in dem die meisten Teile aus Carbon und Carbon/Karton Sandwich gebaut sind. In der gezeigten Kombination ergeben sich mit dem 17,5 mm Morpheus folgende Werte für Vergrößeung und Gesichsfeld bei ca. 4 mm Austrittspuppille:


    V= 4.3, Gesichtsfeld 17,5 Grad

    V= 7,7, Gesichtsfeld 9,9 Grad

    V= 14.3, Gesichtsfeld 5,5 Grad


    Mit einem Bresser 26 mm Okular ergibt sich bis 20 Grad Gesichtsfeld, mit dem 12,5 mm Mopheus am anderen Ende ein 20x60 Refraktor mit 3,7 Grad.

    Die genannten Objektive kann ich gegen ein 105er und ein 180iger Tessar austauschen, da muss ich noch die Tuben bauen. Die Fokussierung geschieht geweils über das Objektiv mit M42 Aussen/ Innengewinde Adapter Kombination, beim Wechsel bleibt die Schärfe de facto erhalten. Die Gewinde haben recht viel Spiel das ich durch eine Lage Teflon reduziert habe. Momentan neheme ich noch ein paar Verbesserungen vor.


    Zur Bildqualität, die Brillianz der Tessare reicht nicht an die eines Top-Fernglases wie des recht neue Zeiss Victory SF 8x32 heran, auch ist der Bildton etwas wärmer. Die Bildschärfe ist aber bis zum Rand sehr gut, im Mittelbereich eher etwas besser als beim Zeiss Fernglas und das Gesichtsfeld noch etwas größer. Der 90 Grad Einblick, ohne Zittern sehr komfortabel, dafür allerdings nur monokular.


    Erste Eindrücke finden sich hier:


    TGM


    Den Bau empfand ich als ziemlich anstrengend, da ich oft nicht sicher war wie und ob ich so ein Projekt mit einfachen Mitteln, also nur Bohrmaschine, Säge, Schere und Klebstoff hinbekomme. Da waren beim ersten Test die Erwartungen und Hoffnungen auf ein völlig neues Seherlebnis wohl zu hoch, vor allem auch, da als Maßstab ein APM 70 mm Bino und das Zeiss SF 8x32, beide mit Top Optik dabei waren.


    Jetzt sehe ich das Projekt realistischer, durch das geringe Gewicht, deutlich winiger als der TS 60 mm Sucher aus dem das ED Objektiv stammt, ist dies eher ein Luxus Sucher oder Mini-Refraktor.


    So viel erst mal.


    beste Grüße


    Thomas


    p.s. das Link zu dem Bericht ist etwas verunglückt, wie macht man dies besser?

  • Hallo Thomas,


    vielen Dank für die weiteren Einblicke in dieses UNIKAT..

    Auch wenn Deine Erwartungen nicht ganz erfüllt wurden, kanns sich die Konstruktion sehen lassen.

    Ich bin schon sehr gespannt, hoffentlich nächstes Jahr im Herbst in Jessnigk einen Blick durch den Luxussucher werfen zu dürfen.


    Und ich finde den Link gelungen und würde eher fragen, wie du das gemacht hast.


    Was ist das für ein Teil mit den Justierschrauben? So etwas bräuchte ich im Zweifelsfall auch für meinen LPS am FG-Stativ.


    Viele Grüße


    Rene

  • Hallo Rene,


    ja mal sehen wie sich das Projekt noch weiterentwickelt, mir ist dabei auch aufgefallen, dass ich gerne etwas ausprobiere, bis Jessnigk ist noch viel Zeit für Veränderungen.


    Zum Link, da habe ich wenn ich reicht erinnere einfach die Adresse reinkopiert, doch es gibt eine extra Link Funktion hier, das hat bei mir auch schon mal geklappt, doch dies mal eben nicht.


    Zu den Justierschrauben, hier ein Foto



    es ist ein Justiereinheit für ein Zielfernrohr. Ich habe sie letztes Jahr in England gekauft, in Brexit Übergangszeit, ich wollte kürzlich noch eine Zweite bestellen, doch es gab es sie nur noch in den USA, sie nennt sich Windage Elevation Adjustable 1” / 30mm Rifle Scope Mount Picatinny Weaver Rail. Die Richtungseinstellung ist super einfach und komfortabel, eignet sich allerdings nur für recht geringe Last.


    beste Grüße


    Thomas


    p.s. den oberen Teil mit der Klemme kann man entfernen, ich habe nur den unteren verwendet


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