Endlich mal wieder erkläglich viel neue Deepsky-„Weltwunder“ oder wie ein H-beta Filter am detektieren eines planetarischen Nebels helfen konnte

  • Hallo ihr Lieben,



    (Da wir hier kein Forum für Beobachtungsberichte generell haben, stelle ich heute hier ein, weil es mal überwiegend um Deepsky geht:)
    an diesem Spätsommer-WE schlug ich an meiner Astrobude in Medebach auf in der Erwartung, dass wieder eher nur Planeten gut gehen, so wie in den Wochen zuvor. Da ich aber telefonisch keine Reaktion meiner Astro-Intimi erhielt und auch keine Tages-Besucher zu erwarten waren, musste ich mich ja mal wider auf die Suche nach neuen Weltwundern begeben.


    Und das Wetter ließ sogar was zu.


    Am Freitagabend des 3.9.21 ging es zwar zuerst auf die großen Planeten los. Das Wetter erlaubte es, mit dem langen Lulatsch mit 307x und 460x auf die los zu gehen, sogar auf Jupiter, der meinem f:15,3 Semi-Apo dann doch noch etwas Rest-Chromasie zu entlocken vermag, aber die Möndchen-Scheiben waren herrlich scharf. Die Farbfülle war allerdings längst nicht so üppig, wie vor 3½ Wochen.


    Da das Wetter kein extrem dunklen Himmel zuließ, begann ich zunächst mit bislang links liegen gelassenen offenen Sternhaufen, die immer noch nicht als beobachtet abgehakt waren (also mit etwas für mich eher langweiligem).


    Gleich „rechts“ neben dem Cirrus-Nebel-Komplex ging es auf den von mir wohl meist-nicht-beobachteten, doch recht sternreichen NGC 6940 los, gefolgt von NGC 6802 im Füchschen zwischen helleren Sternen am Ostrand des Kleiderbügelhaufens. Die kleinen Stern-Scheißerchen des Letzteren, die ich zwischen den helleren Nachbarnsternen bislang immer überfahren hatte, erschienen etwas länglich in N-S-Richtung ausgerichtet. NGC6645 im Sagitarius steuerte ich aus Sehnsucht nach den bisher im Sommer vermissten Stern-Entstehungsgebieten nebenher auch noch an und er gab sich zumindest die Mühe, sich nahe seines Zentrums originellerweise mit einem sternlosen „Loch“ zu präsentieren. Dennoch ödeten mich „OS“ allmählich an. Nach einer Panne zwischen Schütze und Widder ging ich mit etwas mehr etwas Systematik im Adler den planetarischen Nebel NGC6790 und den Kugelsternhaufen NGC6760 an, welche allerdings keinen bleibenden Eindruck hinterließen.



    Am Samstagmittag konnte ich mich herrlich davon überzeugen, dass Sonne wieder richtig Spaß macht, denn …


    Im Weißlicht konnte ich im Lulatsch mit Herschelkeil 67 Sonnenflecken verteilt auf 6 Fleckengruppen zählen. In H-alpha mit 120mm kritzelte ich spontan mit stumpfem Bleistift die Skizzen hier unten (Besseres werden unsere Fotografen hier zum 4.9.2012 beisteuern):


    https://www.astrotreff.de/gallery/index.php?raw-image/1633-sonne/&size=large


    Um auch noch mein ebenfalls seit Wochen wegen Wolken am Tage immer nur spazieren gefahrenes 4“-Kalzium-Teleskop aufzustellen, war ich ehrlich bekannt zu faul und wollte stattdessen den 4“-TAL-Steinheil-Refraktor, der parallel an meinem stationären Newton montiert ist, mit dem Lunt-Einsatz beglücken. Der konnte sich aber wenig revanchieren, denn seine violette Vergütung verrät bereits, dass Kalzium-Licht ja nun mal nicht seine Stärke sein kann. Der sonst benutzte grün vergütete 4“-Bresser-Refri in Kombination mit einem ebenfalls grün vergütetem 25mm-Oku kann da doch entscheidend mehr leisten.



    Danach döste ich dem nächsten Beobachtungsabend entgegen, bis mich ein gewisser Jürgen B. aus Hessborn aus dem Dösen riss: Er sei seit der Sommer-Mofi 2018 zur friedliebenden Weltraumforschung gekommen, hätte von mir schon gelesen und meine Röhren eben bereits aus dem Auto entblößt auf der Weide gesehen, weshalb er anklopfe. Dem zeigte ich erstmal meine Astro-Bude und wir salbaderten erstmal 1,5 Std. rum. Er fotografiere sich so allmählich ein. Ich erzählte ihm von meinen nordhessischen und NRW-Astro-Intimi, die hier öfters mitspechteln und lud ihn für Allerdemnächst dazu ein. Nachdem die Telefonnummern ausgetauscht waren, empfahl ich ihm einen Account im Astrotreff an, wo ich der rein visuelle Anachronist mit der Allongeperücke im Avatar sei.



    Zu den Planeten am Abend schreibe ich für den 4.9.21 nichts weiter. Statt dessen was zu meiner Panne zwischen Schütze und Widder von der Vornacht, denn als reiner Geisteswissenschaftler hatte ich mich verkopfrechnet und war von den westlichen Widdersternen aus 10min Rektazension zu weit nach Westen gefahren, um zu Barnards Zwerggalaxie NGC6822 zu gelangen, die ich in dieser Nacht zum optimalen Zeitpunkt der Kulmination in der Lücke zwischen den Lichtdomen von Medebach-Berge und -Dreislar als neues Weltwunder so eben noch erheischen konnte. Die Erstsichtung erinnerte mich an mein erstes Auffinden von M55 (meinem letzten fehlenden Messier-Objekt), denn bei langsamer Fahrt des Teleskops mit der Steuerung fielen mir die nun bewegten Objekte besser auf. Südlich davon ließ sich der PN NGC 6818 recht entspannt erheischen.


    Vom bekannten „Blauen Schneeball“ NGC7662 ausgehend steuerte ich den nahen PN, der mich zur Überschrift inspirierte (lest unten!), zwischen allerlei helleren Sternen den neuen OS NGC7662 sowie den für mich neuen Reflexionsnebel VdB156 an, der sich mir in einem dunklen Blau präsentierte, in welches der Maler offenbar ein paar Tropfen Rot hineingemischt hatte.


    Nun will ich euch mein 10tes Weltwunder auch nicht länger vorenthalten, denn dessen Sichtung verlangte mir einige „Sperenzchen“ ab: Es handelte sich um den planetarischen Nebel PK100-08.1 bzw. PN G100.0-08.7 in der Eidechse (Okey, der Exot lag gerade so auf dem Weg und ich wollte halt mindestens 10 neue Weltwunder erheischen.) Als ich sicher war, im richtigen Sternenfeld zu sein, vertraute ich der Methode, dass PN ohne flächige Ausdehnung sich verraten, in dem man aus dem Nebelfilterrad einen OIII einschwenkt und alles Gestirn sich Asche aufs Haupt streut und der PN erstrahlt. Da strahlte aber Nix. Ich ließ das Filterrad mehrfach kreisen, denn ich könnte ja immer noch das falsche Pünktchen fixiert haben.


    Schlussendlich kam doch Bewegung in die Suche, denn besagter PN erwies sich ohne Filter als geringfügig schwächer als zwei Nachbarsterne. Mit UHC oder OIII wurde er immerhin gleich hell, da die Fixsterne verfinstert wurden und letztlich versicherte mich die Sichtung jener Umstand, dass ein H-beta-Filter die Fixsterne noch so eben erscheinen, der PN allerdings völlig absaufen ließ. (Gut nur, dass sich dieser PN nicht so wie der „Blaue Schneeball“ verhielt, denn letzterer kann sich auch im H-beta-Filter stark präsentieren.)



    Hochzufrieden machte ich zwischen 00:30 und 01:00 Uhr schon meine Bude schon fest und begann beim Glas Weinchen bereits diesen Bericht zu tippseln.



    CS.



    Hubertus

  • Servus Hubertus,


    da kommen Erinnerungen; 2004 mit einem 10"-SC habe ich diesen PN beobachtet, allerdings auf 1500m Höhe aus Tirol; ein Auszug aus meinem damaligen Protokoll:


    Me2-2:

    Manchmal hilft nur der O-III Blink. Nun, nachdem ich die Stelle gefunden hatte, sah ich 2 mittelhelle Sterne, zwischen denen sich der PN befinden sollte. Allerdings offenbarte der O-III Blink eindeutig, wo der PN liegen muss. Alle Sterne wurden schwächer, außer der angesprochene, der richtiggehend aufleuchtete. Mit dem 9er Okular konnte dann zeitweise eine Andeutung von Flächigkeit gesehen werden, liegt aber an der Grenze des wahrnehmbaren und äußert sich nur dadurch, dass die Sterne ringsum ohne "Halo" waren und der PN immer wieder seeingbedingt ein solches zeigte. Ansonsten sehr leicht direkt zu sehen, sogar schon im 56mm Okular.


    lg und Gratulation zur Sichtung

    tom

  • Hallo Hubertus,


    huch, das war ja Einiges zum verarbeiten :-). Witzig das mit dem Filternlinken mal andersrum :-D!

    Und Danke für den Hinweis mit Blue Snowball, daß der mit H-beta auch was her gibt. Das muss ich mir mal ansehen ...


    CS,

    Walter

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