Mein aller erster Spiegel

  • Wir schreiben das Jahr Anno Domini 1990. Es gibt eine Spiegelschleif Materialzentrale in der Wilhelm Foerster Sternwarte im Berlin, die vom inzwischen längst verstorbenen Werner Nehls (Montierungen Witte und Nehls) betrieben wird. Man konnte dort die fetten alten Schott Duran Rohlinge kaufen und kriegte immer nur eine Körnung Schleifpulver pro Treffen mit, damit man auch jede Woche wiederkommt.


    Dieser Herr Nehls weigerte sich, mir einen 25 cm Rohling rauszurücken, das sei viel zu groß für einen Anfänger. So zog ich etwas enttäuscht mit zwei 15 cm Duraniern (einer als Spiegel, der zweite als Tool) und lediglich K80 wieder nach Hause, freundete mich mit dem Kleinen trotzdem zunächst an und fing an zu schleifen, damit ich nächste Woche die nächste Körnung ergattern konnte. Als ich das tat und mit der Trophäe - der K120 Tüte - wieder abziehen wollte, kam ein älterer drahtiger Herr mit markantem Gesicht und ruhiger Stimme in den Werkstattkeller und zog aus einem ledernen Schulranzen einen 25 cm Rohling heraus. Ich starrte abwechselnd auf diese große dicke Glasscheibe und auf dieses Gesicht, das mir irgendwie sagte, ich kann so was Großes und du kannst es auch. Wer war das? Wie kam er zu diesem Rohling? Die Faszination wich der Empörung: "Herr Nehls, ich will auch so was, Sie MÜSSEN mir einen 10- Zöller verkaufen". Ich muss ihn so eingeschüchtert haben, dass er alle Gegenwehr aufgab und mir zwei dieser dicken Duranscheiben übergab. Ich kann mich an diese Begegnung erinnern, als sei es gestern erst passiert. Ich radelte triumphfierend nach Hause, als hätte ich das Casino von Monte Carlo gesprengt und fing SOFORT an, diesen Glasklotz zu schleifen, der kleine 15 cm landete in der Ecke.


    archimedes_grobschliff.jpg


    Und dieser Typ mit der Schultasche? Das war kein geringerer als Klaus Jünemann, eine langjährige Freundschaft begann. Wir wurden gleichzeitig fertig, schlugen mit unseren 10 Zoll Dobsons auf dem ITV auf und schockten die Zeissianer und Parallaktiker mit hellen scharfen Bildern aus damals noch exotischen Holzkisten.


    Warum schreibe ich das gerade jetzt hier rein? Weil ich gestern diesen 257 mm f/5,4 Spiegel per Interferometer nachgemessen habe.

    Hier zunächst das finale original Messprotokoll von 1990 mit graphischer Auswertung nach Jean Texereau: Ca. 10% Unterkorrektur vor allem in der Mitte (Berg in der Bitte)


    archimedes_25cm_f5.4_protokoll.jpg


    In geradezu grenzenloser Naivität hatte ich aus einen Stück Gardinenstange + Fahrradglühbirne + Loch in Alufolie einen Foucaulttester gebastelt, das Messen erfolgte durch schieben der Messerschneide auf Millimeterpapier - nix Messschieber schon gar keine Messuhr. Zu dem primitiven Messmittel gesellte sich die mangende Ahnung, was mir diese Foucault Schatten zu sagen hatten.


    Füttert man Foucault XP mit diesen Originaldaten, sieht man wieder die leichte Unterkorrektur vor allem in der Mitte (Berg in der Mitte):


    archimedes_25cm_f.5.4_surface.gif


    Und hier die moderne DFT- Fringe Auswertung der Interferometer Messung. 12% Unterkorrektur (CC= -0,883). Verlauf, wie damals gemessen, insgesamt immer noch deutlich besser als beugungsbegrenzt:


    archimedes_25cm_f5.4_average.jpg


    Es war das erste Mal, dass ich überhaupt ein scharfes Bild durch ein Teleskop zu sehen bekam. Der "Archimedes" wurde eines der damals am meisten genutzten Teleskope im Berliner Umland. Ich entdeckte Pluto, sah die Jupitermonde als Scheiben, erwischte die Einschläge des Shoemaker Levy auf Jupiter 1994 noch vor der Tagesschau, unzählige Deep Sky Objekte, schloss lebenslange Freundschaften.


    Und der Kleine? Den machte ich anschließend mit dem sehr guten historischen Foucault Tester, den Klaus damals nutzte, und verbaute ihn als 2 Stangen Reisedobson.

    Hier das original Protokoll mit 4 Zonen von 1991 - inzwischen hatte ich ja mehr Checkung im Spiegelschleifen:


    reisedobson_15%20cm_protokoll.jpg


    Und hier die moderne Nachmessung:


    reisedobson_15%20cm_average.jpg


    Ich glaube, das ist nach wie vor einer der genauesten Spiegel die ich je gemacht habe - ok... ist auch einer der kleinsten. Er reiste unzählige male auf dem Motorrad nach Griechenland, 1994 zur Sofi nach Bolivien, im Rucksack in die Berge...


    Ich hoffe, ich habe euch nicht zu sehr mit ollen Geschichten gelangweilt.

  • Hallo Stathis,


    Ja, ich hatte damals beim Nehls auch mit einem 15cm angefangen, und als nächsten dann 20cm. Ich hatte damals die Montierung vom Nehls und ein 20cm passte da prima drauf. Heute habe ich andere Telskope aber die Erfahrungen aus der Zeit sind Gold wert.


    Clear Skies,

    Gert

  • Wow, das weckt Erinnerungen! Meinen 155er-Schleifsatz kaufte ich ebenfalls in diesem Keller in der Wilhelm-Foerster-Sternwarte, als ich wegen der VdS-Tagung 1989 sowieso gerade da war. 80DM kostete der Spass, aber komplett. Fuer jede Koernung wieder durch die ganze BRD und DDR zu reisen, waere auch etwas ineffizient gewesen. An diese Tabellen mit den Fokaldifferenzen erinnere ich mich auch. Meiner wurde nach zwei Jahren fertig (155mm f/6) und obwohl er 18% abwich, war der Spiegel brauchbar. Und das naechste Projekt war ebenfalls ein Zehnzoeller!


    Gemessen habe ich, indem ich Bleistiftstriche an der Kante des Foucaultstaenders machte, der dazu auf einem Blatt Papier auflag. Dann wurde mit einem Lineal abgeschaetzt, wie gross die Differenz war. Beim Polieren war die Pechhaut weiss, weil ich viel zu viel Ceroxid draufkippte. Ich hatte Lichtquelle und Schneide auf einen Halter (Benutzung einer alten 35mm-Filmpatrone, da war der Schlitz fuer die Klinge schon drin), aber natuerlich habe ich nicht daran gedacht, dass sich die Fokaldifferenzen halbieren, wenn man Quelle und Klinge verfaehrt. Zum Glueck fiel mir das vor Fertigstellung auf, sonst haette ich einen Hubble-Skandal gehabt mit 100% Hyperbel oder so. Im Grunde genommen gar nicht so verkehrt, diese Anfaengerfehler erstmal an einem kleinen Spiegel zu machen - von daher kann ich Herrn Nehls verstehen. Wobei der Hans Rohr ("Ein Fernrohr fuer jedermann") ja noch davor warnte, einen Sechszoeller schneller als f/8 zu machen! Die Zeiten aendern sich.

  • Hallo Stathis


    Da kannst du mal sehen wie gut deine Millimeterpapiermessungen vom Interferometer bestätigt wurden.

    Ja, 6“ F8 war dort der Starter, mit irgendwas zwischen cC 0 und - 1 auch brauchbar,

    Erfolg fas garantiert.


    Gruß Frank

  • Hallo Stathis,


    Wow, 1990. Eine Ewigkeit.

    Ich war damals zwar auch schon ein paar Jahre infiziert (Dank Physiklehrer und Hans Rohrs Buch aus der Schulbibiliothek), musste diese Träume aber bis auf weiteres wegen Studium und Anderem vertagen ( das "weitere" wurden dann 30 Jahre...). Und der geschenkte Schiefspiegler verschwand auch im Keller :rolleyes: .


    Wenn man die Dicke der Gläser von damals mit heute vergleicht, die könnte man glatt spalten und zwei Rohlinge draus machen :P .


    Was mich aber besonders beeindruckt: Du hattest mit einfachsten Mitteln zwei ausgezeichnete Spiegel hergestellt, die ebensolche Bilder liefern. Natürlich zwickt es den Schleifer, noch 1/10 mehr Strehl rauszuhauen, aber wenn ich mir den Sombrero des 10ers anschaue und Deine Berichte lese, dann ist das ähnlich wie mit den Kratzern: das Bessere ist der Feind des guten Spiegels, aber auch eine gute Chance, sich mit dem "einer geht noch" Stunden Arbeit zu versauen. Und so betrachte ich den Potentialtopf meines Erstlings (ebeso gut durch den Fangspiegel kaschiert) locker als unwichtig.

    Natürlich liest man immer wieder, dass es keiner aufwändigen Technik bedarf, aber diese Bilder zeigen es auch.


    Auch deshalb finde ich diese olle Geschichte alles andere als langweilig. Es ist ein Mutmacher für Anfänger, sich nicht nur an den Cracks zu messen sondern einfach mal loszulegen.



    Herzliche Grüsse Robert

    Ich habe keine besondere Begabung, sondern bin nur leidenschaftlich neugierig. (Albert Einstein)

  • Klasse Stathis,


    eine hochinteressante Geschichte. Auch wenn ich selber nie einen Spiegel geschliffen habe, kann ich doch die Faszination dafür sehr gut verstehen. Wer schon ein paar Jahrzehnte im „Geschäft“ ist, hat seine ganz persönliche Geschichte aus Träumen, Sehnsüchten und all den Versuchen, sie zu erfüllen. Vieles hat sich mit den Jahren verändert, man ist gereift, hat dazu gelernt. Und wenn sich plötzlich herausstellt, dass man bereits in seinen Anfängen mit vergleichsweise primitiven Mitteln überraschend gut war, dann ist das ein großartiger Moment. Einer, der uns zeigt, was diese Mischung aus wahrer Begeisterung und unbedingtem Wollen bewirken kann. – Ich denke, sie ist überhaupt der stärkste Motor der Amateurastronomie.


    CS, Jörg

  • Hallo Stathis,


    danke für den interessanten Bericht von deinen Anfängen!


    Klein angefangen habe ich auch mal.

    Anfang der Siebziger Jahre fiel mir auch das Buch von Hans Rohr in die Hände.

    Es hieß "Das Fernrohr für Jedermann". Ich war sofort Feuer und Flamme!

    Damals bekam man die Rohlinge noch von der Schweizer Materialzentrale.

    So entstand mein erster 6 Zöller, mit dem ich sehr zufrieden war,

    Auch, wenn ich nach dem Verspiegeln bei Befort den Hinweis bekam, dass er am Rand nicht ganz auspoliert war... :(

    Das Buch halte ich immer noch in Ehren, auch mit Pechflecken drauf!



    Aber wir haben ja noch mächig aufgerüstet!



    cs

    Timm

  • Hallo Stathis.


    Was hat dich denn angetrieben, zur Materialzentrale zu pilgern und den armen Herrn Nehls in arge Gewissensnöte zu bringen? Waren es schlechte Erfahrungen mit anderen Teleskopen, oder hast du jemanden gekannt, der selbst schliff, oder ist dir zufällig das Buch von Rohr in die Hände geraten?



    Viele Grüße,


    Guntram

  • Hallo Stathis,


    Schön, dass Du dieses Thema hier postest und so der "Nachwelt" zugänglich machst!

    1990 in Berlin hast Du wahrscheinlich noch Leute persönlich getroffen, die ihren ersten Spiegel noch kurz nach dem 2. Weltkrieg aus Glasbruch vom Berliner Zoo-Aquarium geschliffen haben? Oder waren das 1990 nur noch Erinnerungen aus 2. Hand?


    Wer wie ich schon länger bei der Münchener Gruppe in der Volkssternwarte dabei ist, kennt die Geschichten natürlich bereits. Aber mit Bildern und aktuellen Messprotokollen mit heutiger Messtechnik ist das noch mal spannender! Schade, dass Du den Archimedes 2004 bereits verkauft hattest, aber die Beobachtungsnächte am 24" Kyklopas waren natürlich erst recht phänomenal!


    Ich denke, die aktuellen Interferometrie-Messprotokolle zeigen sehr gut, dass die alten dicken Scherben wirklich deutlich weniger zum Astigmatismus neigten als die heutigen dünnen Spiegel. Und dass es nicht wirklich nötig ist, einen klassischen 15cm f/6 mit Interferometrie zu vermessen, da genügt Focault noch vollkommen.

    Und ich finde es spannend, dass Du nicht wie viele andere Anfänger bei deinen ersten Spiegeln heftige abgesunkene Kanten produziert hast!


    Mein eigener Start war 14 Jahre später. Du warst mein Mentor und Lehrmeister. Ich hatte nicht das Problem, dass Du mir "meinen" 300mm Spiegel ausreden wolltest. Und so wurde mein erster selbst geschliffener Spiegel gleich ein 300mm f/5,3. Für den ersten Spiegelschliff hatte ich mir noch das Buch "Spiegelfernrohre - selbst gebaut" von Martin Trittelvitz gekauft (-> Mitglied "Marty" hier im Astrotreff), der ja auch in den 1990er Jahren in Berlin mit dabei war. Da stand noch drin, dass ein Anfänger besser erst mal einen 150mm Spiegel schleifen sollte.


    Allerdings gab es "zu meiner Zeit" schon das Internet, wodurch der Informationsaustausch besonders auf internationaler Ebene sehr viel einfacher und schneller funktionierte als zu deinen Anfängerzeiten. Trotzdem war für mich die "live" Begegnung mit anderen Enthusiasten extrem wichtig, und auf meinem ersten Teleskoptreffen (ITV 2004) gab es eine Menge davon. Ich kann mich sehr gut an einen Rundgang mit dir erinnern, auf dem ich extrem viel über Teleskopbau gelernt habe. Du hast mich auf jede kleine Schwachstelle, aber auch auf jede geniale Detaillösung bei anderen Selbstbauten hingewiesen.


    Seit meiner Anfängerzeit sind nun auch schon wieder über 15 Jahre vergangen. Als größte Weiterentwicklung sehe ich die verbesserten Messmöglichkeiten dank Bath-Interferometer und der von Dale Eason gepflegten DFTFringe Software.

    Meinen eigenen 18" habe ich 2007/2008 noch mit Focault parabolisiert. Bei unserem "Fünflinge-Projekt" in der VSWM 2015/2016 hatten wir sogar zwei Anfänger dabei, die gleich einen 18mm dünnen 240mm f/4,5 Spiegel geschliffen haben und beide wurden auch dank Interferometrie deutlich besser als beugungsbegrenzt! Fairerweise muss man hier erwähnen, dass sie sich nicht mit dem Messaufbau rumschlagen mussten, sondern alles schon fertig aufgebaut war und funktionierte.


    Gruß,

    Martin

  • Hallo Stathis,

    das ist schon kuriose Geschichte, dass man damals keinen 25cm Rohling rausrücken wollte! Und dann die "Rationierung" der Körnungen, das ist mindestens ebenso obskur. Sehr amüsante Sachen haben sich damals zugetragen. Wo eine Wille ist, ist aber auch eine Rohling.

    Grüße

    Ralph

  • Vielen Dank für die Kommentare.


    Mensch Gert, wir hatten uns doch auch damals in Berlin kennengelernt. Hattest du nicht einige Zeit danach einen fotografischen 12 Zoll f/4 geschliffen auf Liebscher Montierung und wir waren damit in Italien? Du hattest mir für den 17,5 Zöller die Alu Stangenklötze ausgedreht.


    Jürgen: Die Auswärtigen kriegten natürlich das komplette Set auf einmal, aber die Berliner mussten immer wieder für "den Stoff" andackeln und unterschreiben, dass sie auch da waren, damit man zeigen konnte, wie gut die Materialzentrale besucht ist.

    Ja, diese Tabellen mit den Fokaldifferenzen war eigentlich alles was man brauchte. Klaus Jünemann hat nur danach korrigiert ganz ohne Lambdas, Strehls und Korrekturkurven und seine Spiegel waren ebenfalls richtig gut.


    Timm: Das Hans Rohr Buch kannte ich auch aus den 1970-er Jahren, aber ich war Teenager - Energie ohne Ende, aber noch nicht die Möglichkeiten, die Materialien zu beschaffen. Ehrlich gesagt hat mich das Hans Rohr Buch eher etwas abgeschreckt. Tja, wenn ich so jemanden wie dich damals schon gekannt hätte... Hast du deinen ersten Spiegel noch?


    Guntram: Es lag einfach in der Luft. Ich hatte einen 140 mm Comet Catcher, der ab 80- fach flaue Bilder lieferte. Ich dachte bis dahin, das sei normal und dass man für richtig scharfe Sterne einen langen stationären Refraktor brauche, wie ich sie von Volkssternwarten kannte. Daher wollte ich wenigstens 10 Zoll, damit er wenigstens hellere Bilder für Deep Sky hergibt. Beim Firstlight mit mit dem 10 Zöller bin ich dann total ausgeflippt, als er mir plötzlich helle UND scharfe Bilder lieferte - mein Koordinatensystem musste in der Galaxis neu ausgerichtet werden.


    Martin: Ich kannte einen Volker, der aus der Nachkriegszeit aus Scherben des Berliner Aquariums einen Spiegel geschliffen hatte. Ich weiß davon jedoch keine weiteren Details. Er ist sicher längst verstorben. Weiß sonst jemand mehr darüber?

    Zum Asti: Ich wusste ja vom Sterntest, dass da kein nennenswerter Asti drin sein kann, aber dass er so gering ausfällt, hat mich doch überrascht. Der Asti macht weniger als 1% Strehlverlust aus.

    Die "Archimedes" Mechanik hatte ich mit einem neueren, besseren f/6,25 Spiegel verkauft. Diesen ursprünglichen Spiegel habe ich immer noch, er ist im 10" Reisedobson verbaut, sogar die original Verspiegelung von Berliner Glas ist immer noch drauf. Der ist schon viel gereist, u.a. hatte Frank ihn bereits zwei mal zu Fuß auf den Gamsberg/ Namibia geschleppt.

  • Hallo Stathis,


    danke- dann oute ich mich auch als einer, dem das Buch von Rohr mehr Angst einjagte, als es echte Hilfe war. Ich las es während der Schleifpausen im Schleifkeller der Astronomischen Gesellschaft Rheintal in Rebstein, Schweiz. Ich fuhr damals, als 13-jähriger, immer am Mittwoch und Samstag nachmittag hin, und arbeitete an meinem Erstling. Übrigens: Mir wurden ganze 120mm als Anfängergröße empfohlen, worauf ich energisch protestierte. Schließlich zog jemand, ich weiß nicht mehr wer, den 160er Rohling aus einer Schachtel und meinte, dann soll ich es halt damit probieren...


    Das Kapitel über das Parabolisieren jagte mir derartigen Respekt ein, dass ich schon ganz beklommen dem Abschluss des Polierens entgegenzitterte. Schließlich klingelte am Weihnachtstag das Telefon- mein Betreuer rief an, und sagte mir, dass der Spiegel fertig sei, er habe ihn als Weihnachtsgeschenk parabolisiert.

    Ich kann mich heute noch daran erinnern, wie erfreut und vor allem erleichtert ich war.


    Und: Wow, dein 150er ist ja ein Meisterstück! Unglaublich! Und das mit Foucault, und einfacher Reduktion!



    Viele Grüße,

    Guntram

  • Interessant, dass das "Fernrohr fuer jedermann"-Buch von Rohr fuer manche von Euch abschreckend war. Mich hat das Buch begeistert. Ein Freund kaufte es zunaechst, und er wollte einen Spiegel schleifen. Ich wussste von dem Set fuer 80DM von der Materialzentrale. Ich borgte mir sein Buch aus, und wurde so stark motiviert, dass ich rein aus Spass versuchte, die Boeden zweier Trinkglaeser gegeneinander zu bearbeiten - mit Saftpulver als Schleifmittel! Das Experiment ging in die Hose, und das Glas zu Bruch. Schliesslich beschlossen wir, zwei richtige Schleifsaetze mit richtigen Rohlingen zu ordern. Elterliches Placet bekommen, fuhr ich mit der Bestellung zur Post. Auf dem Fahrrad fiel mir dann siedendheiss ein, dass wir ja noch Geld fuer die Verspiegelung brauchten! Also zurueck zum Freund und nach ein paar Recherchen - Mist, das kostet ja nochmal so viel! So gingen unsere Spiegelschleifambitionen am Finanzmangel zu Grunde.

    Inzwischen erforschte ich eine alternative Methode, um an einen Teleskopspiegel zu kommen - Membranspiegel. Jahrelange Tueftelei und Teilnahme an "Jugend forscht" und "Jutec", dann die Quintessenz: Das funktioniert nicht! 1989 dann zur VdS-Tagung entschloss ich mich, jetzt mal endlich einen richtigen Spiegel anzufangen. Ich brauchte 2 Jahre fuer den Sechszoeller (nicht nur schleifend verbracht - auch Abi gemacht, immer noch "Membranspiegelforschung", und nach diversen Rueckschlaegen Null-Bocque-Phasen). Es musste f/6 sein, denn ich hatte da schon ein 150/1300er Dynascope und ich wollte fotografieren. Das Teleskop, das ich drumherumbaute, hiess LIN (LIttle Newtonian), und ein paar Jahre spaeter als Student kam dann LAN (LArge Newtonian) als Nachfolger: 257/1140mm. Spaeter machte ich noch drei andere, der groesste ein 450mm f/4.1 fuer einen Freund.

    Gerade heute faellt es schwer, die Faszination fuer das Spiegelschleifen an junge Leute weiterzugeben. Einerseits sind die Materialien und auch das Verspiegeln deutlich teurer geworden, andererseits gibt es aus dem Reich der Mitte fuer wenig Geld bereits komplette Teleskope. Da ist die Motivation sicher geringer, so etwas selbst zu machen. Und doch, man lernt so viel! Wer also interessiert ist, etwas ueber Optik zu lernen und gleichzeitig die Geduld zu schulen, sollte sich an die Spiegelschleiferei heranwagen.

    Alles Gute aus Nordostengland wünscht



    Jürgen

    Einmal editiert, zuletzt von JSchmoll () aus folgendem Grund: Der obligatorische Rechtschreibfehler, der sich immer erst im veroeffentlichten Beitrag findet.

  • Liebe Spiegelschleifer,


    der Thread ist sehr interessant zu lesen und weckt in mir viele Erinnerungen. :) Nun muss ich mich auch noch outen. Ich fand das Buch von Hans Rohr sehr inspirierend und habe selbst 1983 mit dem Schleifen eines 150mm Spiegels begonnen. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass er nie fertig geworden ist.


    Hier ein Foto meiner Hans Rohr-Ausgabe (1972), sowie 1 Seite aus meinem Dokumentationsheft:


       


    Das Set (Duran Glasplatten + Schleifpulver) habe ich so wie Jürgen von der Materialzentrale für 600 Schilling bestellt. :)


    Im Buch von H. Rohr haben mich vor allem auch die technischen Zeichnungen (z. B. Fangspiegelhalterung, Nachführung) begeistert. Ich hatte damals in der Schule (HTL) sogar einen Okularauszug für meinen künftigen Newton gedreht ... Das Buch blättere ich heute noch gerne durch.



    Sollte wer an den Detailzeichnungen interessiert sein, einfach melden.


    Wenn ich so eure Berichte lese, bekomme ich richtig wieder Lust darauf, einen eigenen Spiegel zu schleifen und dem Schmirgelgeräusch zu lauschen. :)


    Liebe Grüße,


    Christian

  • Hallo Christian,

    gleich mit einem 150cm Spiegel anzufangen ist ne Ansage.


    Kenne das Buch auch und habe es öfters gelesen. Es hat aber dazu geführt, dass ich in den folgenden 25 Jahren mich nicht mehr dem Spiegelschleifen zugewendtet habe, aus Angst vor dem Parabolisieren.


    Mein erstes Spiegelteleskop, bestand daher aus einem Rasierspiegel in einem.KG Rohr....Es wurde nicht sehr häufig benutzt... ;)


    Schöne Grüsse

    Gerhard

  • Ich fand das mit dem Staender immer sehr kompliziert gedacht und schwierig durchzufuehren. Ein grosses Fass hat man ja nicht in jedem Haushalt, und der Staender mit Bodenplatte erschien mir immer kippelig. Auch aus Angst davor, dass mir der Spiegel mal runterploesslt, habe ich meine Spiegelschliffe stets am Tisch ausgefuehrt. Statt um diesen herumzugehen, habe ich die Strichrichtung stets geaendert und zur Kompensation unterschiedlicher Kraefte die Schale aller paar Minuten gedreht. Das ging auch erstaunlich gut.


    Erst spaeter las ich in einem anderen Buch, dass diese Methode auch als "Clockstroke Method" bezeichnet wurde. Also in etwa als "Zifferblattmethode" uebersetzbar, weil man jeden Strich ueber etwas andere Zeiten auf einem gedachten Zifferblatt ausfuehrt: Erster Strich 12/6, zweiter 12.30/6.30, dritter 1/7 und so weiter.

  • Hallo Jürgen,


    ja, der Ständer war sicher nicht optimal. Der Reifen war mit Sand gefüllt und dadurch doch einigermaßen stabil. Aufgebaut hatte ich das ganze Zeugs mangels Platz in meinem Kinderzimmer. :) Beim Schleifen bin ich dann rund um den Ständer herumgewandert. Das ähnelte wohl deinem Clockstroke.


    Das Pech zum Ankitten der unteren Glasplatte auf das Unterlagsholz bzw. des Holzgriffes für die obere Glasplatte wärmte ich immer im Backrohr auf. Meine Mutter war dann stets "erfreut", wenn unser Essen einen leichten Pechgeschmack hatte. :)


    LG Christian

  • Hallo Jürgen

    Zitat

    Ich fand das mit dem Staender immer sehr kompliziert gedacht und schwierig durchzufuehren.

    das muss man aus der Zeit heraus verstehen: In den Schleifclubs wollten bis zu 20 Personen sofort einen Spiegel machen. Da reichten die Tische mit Kontaminationsgefahr nicht. Also entstanden diese Opferstöcke .


    Gleiches gilt für das Rillenholz, man konnte damit Pechhäute erstellen ab Stange.

    Gruss Emil

  • Das mit dem Pechgeschmack ist lustig ... was man nicht alles macht, um an einen Teleskopspiegel zu kommen. Ich habe mit dem Holzbrett, auf dem die Schale mit drei Holzkloetzchen befestigt war, unsere Badewanne verkratzt. Das kam auch nicht gut. Aber Opfer muessen gebracht werden.

  • Ah Emil,

    unsere Antworten haben sich ueberschnitten. Ja, anscheinend schon damals "social distancing", auch wenn die Kontamination eher von Karbokoernchen als von Viren ausging. Die alten Bilder von den Schleifclubs, alles Maenner und in Schlips und Kragen, sind recht unterhaltsam. Das war ja noch zu Zeiten der Prohibition. Da traf man sich nicht auf ein Bierchen in der Kneipe, sondern auf nen Strich im Schleiflokal.

  • Hallo Jürgen,


    bitte versteht mich nicht falsch: Das "Fernrohr für Jedermann" hat, ganz klar, sehr viel dazu beigetragen, die Herstellung von Spiegeloptik im deutschen Sprachraum zu verbreiten.


    Unter anderem hat ein gewisser Alois Ortner nach dieser Anleitung einen 150er hergestellt, und bei seinem Arbeitgeber zur Prüfung vorgelegt. Die Prüfung fiel hervorragend aus, und so stand seiner zweiten Lehre, diesmal als Feinoptiker, nichts im Weg!


    Aber damals, im Schleifkeller, gab es die Gespräche der alten Hasen, die sich nur um das Parabolisieren drehten, und dann die schwer verständlichen Schattenfiguren im Buch, und die Beschreibungen, wie heikel diese Parabel sei...

    Mir hat es gereicht, und wie schon weiter oben geschrieben, hat mein Mentor diesen Part übernommen.


    Einige Jahre später, als das Teleskop fertig war, hat sich dann herausgestellt, dass etwas nicht stimmen kann: Die Planeten wurden sehr flau abgebildet, und die Cassini-Teilung wollte sich nicht zeigen. So fing ich an, mich mehr mit Optik zu beschäftigen. Es stellte sich heraus, dass der Spiegel nicht viel wert war: Astigmatismus, und statt einer sauberen Parabel zeigte sich eine saftige Hyperbel. Zudem war das Spiegelsubstrat offenbar ein zurückgewiesener Rohling für eine Linse, vermutlich für eine Luftbildkamera. Die Dichte deutet auf ein Bariumkron hin. Jedenfalls ist es kein Plattenglas, und auch kein Duran/Pyrex.


    Vor einigen Jahren habe ich den Spiegel neu bearbeitet: Rückseite plangeschliffen, und neu parabolisiert. Jetzt ist es doch noch "mein" Spiegel geworden.


    Viele Gruesse,

    Guntram

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