>>Vor zwanzig Jahren ereignete sich eine totale Sonnenfinsternis, die von Madagaskar aus sichtbar war. Es war die erste totale Sonnenfinsternis in diesen Jahrhundert. Auch die letzte totale Sonnenfinsternis diesen Jahrhunderts wird von Madagaskar aus sichtbar werden.; Am 4.September 2100.<<
Madagaskar wird oft als "exotisch" beschrieben. Dieses Land bietet den Besucher eine Fülle von Eindrücken, die uns Mitteleuropäern sehr fremd geworden sind.
Das Brutosozialprodukt von 1700 DM im Jahr weist Madagaskar als eines der ärmsten Länder der Erde aus. Noch ist das Land aber nicht von größeren Hungerkatastrophen bedroht, ein Bevölkerungswachstum von 4% im Jahr und eine Bevölkerung, die zu 50% unter 15 Jahre alt ist und deren Schulbildung nicht gesichert ist, lassen kommende Probleme erwarten.
Erst seit ungefähr 1500 Jahren siedeln Menschen auf der durch die 400km breite Straße von Mozambique von Afrika isolierten Insel. Aus dem malayischen Raum zugewanderte Völker begannen die ursprüngliche Landschaft durch Reisanbau und die Haltung von Zebu-Rindern zu verändern. Aber erst in den letzten 100 Jahren nahm die Bevölkerungszahl derartig zu, daß durch Brandrodung auf der ursprünglich zu 80% bewaldeten Insel heute nur noch ein Rest von 10% Wald vorhanden ist. Mit verheerenden Folgen: Großflächige Bodenerosion und das Veröden ganzer Landstriche.
Während Madagaskar bis Mitte der 70er Jahre Reis exportieren konnte, ist das Land derzeit auf Importe dieses wichtigen Grundnahrungsmittels angewiesen. Wir haben auf unserer Reise durch das Land bettelde Kinder und alte Leute gesehen, wir haben auch gesehen, daß auf den Märkten und in den Geschäften alles lebensnotwendige reichlich angeboten wird.
Wir sahen eine ausgesprochen kinderreiche Bevölkerung, das ständige "Bonjour, vazaha !", mit dem uns die Kinder in Stadt und Dorf aus jedem Haus und jedem Winkel begrüßten, wird eine der Erinnerungen an Madagaskar bleiben.
Eine Reise zur totalen Sonnenfinsternis in Madagaskar
Montag 18. Juni 2001, Morondava. 100 km trennen uns noch von der Zone der totalen Sonnenfinsternis. 9500 km von Deutschland entfernt, 290 km südwestlich von Antananarivo, wo wir am 12.6. gegen Mittag mit dem Flugzeug landeten, ist Morondava unser erster Zwischenstopp, an dem wir für ein paar Tage verweilen.
Unser Weg führte von Antananarivo zuerst südlich nach Antsirabe auf der gut ausgebauten RN 7, dann nach Miandrivazo. Von hier führt zunächst in südliche Richtung eine Piste, die jedem Hard-Core-Achterbahnfreund nur empfohlen werden kann. Über vier Stunden wühlte sich unser vierradgetriebenes Fahrzeug aus einem metertiefen Kraterloch in das unmittelbar folgende. Jeder, der Morondava auf dem Landweg erreichen will , muß diese Teststrecke überstehen. Die Fahrer, die ihre Fahrzeuge - gleich, ob LKW oder zu Massentransportmitteln umfunktionierten PKW, oder die komfortabelen Nissan Patrols über diesen Weg steuern, kennen jedes der Löcher persönlich und die beste Strategie, sie zu überwinden.
Würden wir unser eigenes Auto über dieses Gelände steuern, wäre nach zwanzig Metern der Auspuff abgerissen, und nach weiteren 20 Metern läge die Hinterachse abgetrennt in der Landschaft. Eine eindrucksvolle Tor-Tour durch wunderbare Landschaften und viel Spaß. Vorbei an Dörfern aus einigen Palmwedelhütten, vor denen die Bewohner in Halbdunkel im Schein einer einzelnen Kerze sitzen, erreichten wir Freitag gegen Mitternacht die Stadt Morondava an der Westküste Madagaskars.
Ein wenig fühlten wir uns wie Tourismus-Pioniere. Aber wir sind nicht die einzigen. Langsam beginnt sich die Stadt mit Sonnenfinsternis-Hungrigen zu füllen. In Morondava ist eine nur 98%ige partiellen Sonnenfinsternis zu erwarten - gleichwohl schlägt das örtliche Gastgewerbe mit einem 150%igem "Eclipse-Tarif"-Aufschlag großzügig zu.
Vor der Weiterfahrt in südlicher Richtung zur Finsterniszone wird in allen Reiseführern für Madagaskar ausdrücklich gewarnt: Hier wartet eine weitere Marterstrecke auf den Reisenden. Dennoch, als wir heute die für Morondava-Besucher obligatorische Ausflugstour zu den Baobab-Bäumen unternahmen, sahen wir erste Jeeps in die Straße Richtung Süden einbiegen. "Auf Wiedersehen in Morombe!". Wir nehmen übermorgen das Flugzeug, die 20sitzige Twin-Otter von Air Madagascar nach Morombe. Acht Uhr ab Morondava.
Laut unverbindlichem Flugplan wird Morombe zweimal pro Woche angeflogen, zur Sonnenfinsternis werden sicher Sonderflüge in den Flugplan eingefügt.
Wir sind gespannt auf Air Mad!
19. Juni. Morondava wird seit gestern von einer Scharr aus aller Welt angereister Menschen überschwemmt. Die große Anzahl geländegängiger Fahrzeuge erzeugt brodelnde Staubwolken in den Straßen der Stadt. Überall hört man "Allee de Baobab?". Jeder Taxifahrer versucht noch schnell eine Tour zu diesem Sightseeing-Muß anzubieten.
Minibusse voller Hellhäutiger strömen stadtauswärts zur Allee der Riesenbäume. Ein wenig wehmütig genießen wir das letzte Abendessen in Morondava.
20. Juni.
Wir hatten uns ein Taxi zum Flughafen bestellt und wurden pünktlich am Hotel "Arche Noah" abgeholt. Zehn Minuten sollte die Fahrt dauern. Für eine solche Fahrt hatten wir vor zwei Tagen 2000 Franc Malgache bezahlt. Heute waren 25000 fällig. Die Sonnenfinsternis erzeugt eine erstaunliche Inflation der Preise.
Gut 90 Minuten vor dem Abflug nach Morombe checken wir am Abflugschalter ein. Bordkarte eins und zwei. Die Twin Otter, ein zweimotoriges Hochdecker-Flugzeug, steht schon bereit. In der letzten Stunde vor dem Start können wir leider nicht auf dem Rollfeld warten, wir werden in die Abflughalle zurückgeschickt und die Tür zum Rollfeld wird geschlossen. "Sicherheit wird also groß geschrieben bei Air Mad" denke ich mir, und bin erfreut daß auch die Sicherheit meines Filmmaterials gewährleistet wird, denn es gibt erfreulicherweise keine Röntgendurchleuchtung des Fluggepäcks.
Inzwischen werden auch die Bordkarten drei bis fünf ausgegeben.
Nachdem die beiden Piloten in das aufgetankte Flugzeug eingestiegen sind ,öffnet sich auch für uns wieder die Tür zum Rollfeld. Etwas verloren pilgern fünf Fluggäste und ein Flugbegleiter zu ihrem Flieger, vorbei an der Dame vom Check-In die noch schnell cadeau-Sonnenfinsternisbrillen mit Air Madagascar-Aufdruck verteilt.
Die Twin Otter verströmt das Flair einer Berliner S-Bahn der sechziger Jahre im Kabinenbereich, das Cockpit ist aber vollgestopft mit modernster Flugtechnik. Ich ahne, daß ein außergewöhnliches Flugerlebnis bevorsteht.
Die Piloten prüfen die Funktionen des Fliegers doppelt, bevor die Reise losgeht.
Dann schließlich ist es soweit: Flug Nummer MD 2805 von Morondava nach Morombe wird vom Tower freigegeben und ohne Verzug geht es auf die Reise.
Sanfter Start, leicht hebt sich das Flugzeug in die Höhe.
Die Reisehöhe bietet wunderschöne Ausblicke über das Land.
Madagaskar ist ein (nicht nur) optisch ansprechendes Land. Was wir aus rund 1000 Meter Höhe sehen, ist ein optischer Leckerbissen und zeigt eine Welt natürlicher Fraktalmuster.
Wie chinesische Drachen winden sich Mangroven gesäumte Flüsse aus dem Landesinneren zur Straße von Mozambique.
Wir fliegen in die meteorologisch idealste Beobachtungsposition für die erste totale Sonnenfinsternis des neuen Jahrtausends und bekommen als Dreingabe ein Erlebnis, das im Nachhinein betrachtet das der Sonnenfinsternis an optischer Sensation sogar übertrifft.