Scratch / Dig Wert bestimmen

  • Das Maß für die Oberflächenqualität hinsichtlich Kratzer und Löcher einer optischen Oberfläche ist der sogenannte "Scratch / Dig" Wert nach US-Militärnorm MIL-PRF-13830B und ISO-10110-7:

    https://www.edmundoptics.de/kn…ce-quality-specifications

    https://www.sizes.com/units/scratch_and_dig.htm


    Gibt es allgemeine Angaben für die üblichen mit Pech und Ceroxid polierten Spiegel? Die wenigsten von uns werden ja im Reinraum arbeiten, so ist hin und wieder das ein oder andere Kratzerchen dabei. Wie kann man das mit Amateurmitteln messen oder wenigstens abschätzen?


    In der feinoptischen Industrie werden ja für größere Flächen oft 60/40 und für kleine Linsen und z.B. Teilerwürfel 40/20 genannt.

    Zambuto nennt selbstbewusst einen Wert von 10/5, was höchster Laserqualität entspricht.

  • Hallo Stathis,


    die eigentliche Messung ist aufwendig und erfordert hochwertiges Messequipment. Es gibt jedoch Referenzflächen, die Defekte aufweisen und durch Vergleich ist dann eine Zuordnung wie z.B. 60/40 möglich, siehe hier: https://www.thorlabs.de/catalogPages/670.pdf. Diese Variante ist vergleichsweise kostengünstig. NIST Zertifizierte Referenzen sind um ein vielfaches teurer und für den Heimbedarf sicher nicht notwendig.


    Grüße - Oliver

  • Hallo Stathis.



    War es der Anspruch von Zambuto, der dich zu dieser Frage gebracht hat?


    Selbst wenn er konsistent diese Oberflächenqualität schafft: Nach ein paar Beobachtungseinsätzen im Frühjahr haben sich auf den Spiegeln eines Newton-Teleskopes so viel Staub, Pollen und kleine Insektenleichen angesammelt, dass dieser Dreck den Streulichthintergrund beherrscht. Von allen anderen Störquellen abgesehen.


    Zu deiner Frage mit dem Abschätzen: Eine intensiv helle LED-Taschenlampe (mit einer einzelnen LED ist ausreichend, bitte keine Lichtschwerter) in einem dunklen Raum auf die Spiegeloberfläche richten, und das Streulicht betrachten. Das aus der Lampe austretende Licht muss dabei vom Auge völlig abgeschirmt werden, also zB eine schwarze Pappröhre davor befestigen, die den Abstrahlwinkel einengt.

    Alois hat zu diesem Zweck die Rückseite eines meiner Spiegel mit schwarzer Farbe eingesprüht, um die Reflexe von der Rückseite zu eliminieren.


    Quantitativ ist das alles natürlich nicht, aber nach Jahrzehnten der Diskussion um die Qualität der Politur von Amateuroptiken scheint zumindest für mich der Konsens zu sein, dass mit Pech und Ceroxyd / Polierrrot sorgfältig polierte Oberflächen aus Duran / Pyrex / Borofloat / Zerodur keinerlei Anlass zu sachlicher Kritik geben. Solange man halt nicht gerade Laseroptik für die Fusionsforschung oder EUV Lithographie damit betreiben möchte, sondern sehr gute Teleskopspiegel für VIS / UV das Ziel sind.



    Viele Grüße,

    Guntram

  • Die Frage wurde an mich herangetragen.


    Danke Oliver für den Hinweis auf diese normierten Scratch/ Dig Pannels. Wenn ich aber z.B. mit einer 10x Lupe oder umgedrehtem Okular und seitlicher Beleuchtung oder mit unserem Mikroskop in der Sternwarte die Oberfläche einer komplett auspolierten Optik inspiziere, sehe ich außer Fussel rein gar nix :face_with_monocle: . Da würde es mir wohl auch nichts helfen, eine Vergleichsfläche zu haben, da ich nichts zum vergleichen erkennen kann. Es sei denn, ich finde mal einen feinen Kratzer, aber die sind bei mir in der Regel selten. Oder braucht man zum erkennen wirklich diese superhellen Lichtquellen? Hat das mal jemand gemacht und kann berichten?


    Ja Guntram, bei einem Teleskopspiegel, der ohnehin draußen den Elementen ausgesetzt ist, ergibt die Frage nach einem Scratch / Dig Wert wenig Sinn. Es spielt einfach keine Rolle, bzw. unsere mit Pech und Präzisionspoliermittel polierten Spiegel sind weit besser als nötig. Mich hätte es halt einfach mal interessiert, ob unsere Flächen in dieser Hinsicht mit denen der Industrie mithalten können.


    Im Gegensatz zu unserem Spiegeln ist die Linse eines Interferometers sehr nahe am Fokus und muss schon sauber und kratzerfrei sein. Meine ist mit 40/20 spezifiziert. Sie staubt mir immer wieder ein - man reiche mir einen gut temperierten Reinraum mit 6 m Messstrecke :clown_face:


    Zitat

    ...aber nach Jahrzehnten der Diskussion um die Qualität der Politur von Amateuroptiken scheint zumindest für mich der Konsens zu sein, dass mit Pech und Ceroxyd / Polierrrot sorgfältig polierte Oberflächen aus Duran / Pyrex / Borofloat / Zerodur keinerlei Anlass zu sachlicher Kritik geben.

    Sehe ich genau so. Oh, erinnert ihr euch noch an den Mega Thread über die "Micromarmelade"? Den suche ich jetzt aber nicht raus - wer will soll selber suchen.

  • Oder braucht man zum erkennen wirklich diese superhellen Lichtquellen? Hat das mal jemand gemacht und kann berichten?

    Hi Stathis,


    die Bewertung erfolgt meist an Inspektionsplätzen, die sehr hell ausgeleuchtet sind und häufig unter streifendem Einfall. Der Hintergrund ist zu allen umgebenden Seiten mit schwarzen Absorbern ausgestattet. Da ist eigentlich immer etwas zu sehen oder die Oberfläche ist mit 5/0 hervorragend.


    Grüße - Oliver

  • Hallo,

    Da ist eigentlich immer etwas zu sehen oder die Oberfläche ist mit 5/0 hervorragend.


    Grüße - Oliver

    Ja, wer suchet, der findet!


    Unsere Substrate sind ja sehr gutmütig. Die Spiegelmaterialien, die wir Amateure bearbeiten, sind, was die Politur angeht, fast narrensicher: Wenn man nicht alle Regeln guter Polierpraxis über Bord wirft, kommen unweigerlich ordentliche Flächen heraus.

    Die erwähnten Militärnormen werden vermutlich dann wirklich wichtig, wenn heikleres Material verarbeitet wird, zum Beispiel sehr weiche Gläser, gewisse Kristalle, oder Substrate, die aus welchen Gründen auch immer nicht ohne weiteres eine gute Politur annehmen. Und um eine Basis für Rechtsstreitigkeiten zu haben, wenn es um strittige sündteure Spezialanfertigungen geht.


    Viele Grüße,


    Guntram

  • Stathis,
    ich hatte mal 2005 verschiedene Polierfortschriitte unterm Mikroskop aufgenommen.

    Die klassischen Mikropits mit 80x




    und hier einen Kratzer

    einmal normal (das schwarze war 'ne Eddingmarkierung am Rand) und unten unterm Mikroskop 80x.

    Entlang der 45°-Randfase grenzte ich damals die Tiefenschärfe des Mikroskops bei 200x auf 25 μ ein, bei 80x auf 100 μ.

    Das wird sicherlich dem notwendigen Aufwand der US-Spezifikationen NICHT genügen, ist dafür mit Hausmitteln machbar/dokumentierbar.


    Zum Vergleich, Feinschliff bei 200x unterm Mikroskop


    oben K320 ausgeschliffen

    dazwischen Zwischenstadien, z.B. ein Pit auf Bildabschnitt 3 (zum Glück flach)
    unten 9μ Mikrogrit ausgeschliffen.

    ... und damals hatte die Webcam 640x480 VGA am 08/15-Bresser-Einsteiger-Mikroskop. Die Maßstabsskala ermittelte ich über Linienmuster vom Laserdrucker und Pixelzählen auf den Bildern. Mit mehr Licht bzw. vernünftigem Kondensor und besserer Webcam geht da heute sicher mehr.

    Und wenn du gar nichts unterm Mikroskop erkennst, dann leg mal ein Haar dazu oder verkratze eines der Mikroskoppräparatgläser.

  • Hallo Stathis,

    eigentlich ein sehr interessantes Thema. Meines Wissens gibt es bezüglich der Defektspezifikationen (ISO- bzw. MIL) drei optische Aspekte, welche hier betrachtet werden sollen.

    - Erstens die Streulichtproblematik bei Optiken, welche nicht in der Abbildungsebene liegen. Dies trifft wohl primär auf die Teleskopspiegel zu.

    - Zweitens ist bei Laseroptiken die Zerstörschwelle sehr stark von Defekten usw. beeinflusst, da diese zu lokale Zerstörungen bei High-Power-Anwendungen führen. Daher auch die besonders hohen Anforderungen.

    - Und Zuguterletzt möchte man die Defekte natürlich nicht in bzw. nahe der Abbildungsebene haben.


    Praktisch gibt es aber bei der ISO bzw. MIL-Definition einige Dinge, die nicht wirklich an den zwei, drei Zahlen festzumachen sind.

    Die eigentliche Meßvorschrift ist in der ISO10110 vorgegeben, also definierte kollimierte, schräge Beleuchtung (Spaltlampe) mit definierter Helligkeit und ohne Vergrößerung und dann wird der visuelle Eindruck der Fläche mit dem Vergleichsnormal verglichen, soweit ich mich errinnere. Ist halt sonst sehr Anwenderabhängig und eher qualitativ. Daher sind wir schon auf Arbeit seit längerem dazu übergegangen, ein automatisiertes Inspektionsmikroskop zu verwenden, wobei tausende Bilder aufgenommen werden und anschließend gestitched und ausgewertet werden. Hier bekommt man die größenzugeordnete Anzahl der Defekte, sowie eine Defektmap, welche man explizit in die ISO-Norm umrechnen kann. Praktisch ist das aber doch recht aufwendig, sodass das hauptsächlich zur Prozessevaluierung und nicht zur Einzelteilprüfung angewendet wird. Eine weitere vergleichbare, aber einfachere Definition sind PAC-Werte (particle contamination), weche in einer ECSS-Norm der ESA

    "ECSS-Q-ST-70-50C ) definiert sind. Hier werden alle Defekte >5µm ausgewertet und der Gesamtflächenanteil der Defekte in ppm angegeben. Hiermit kann man auch recht gut die Streulichtperformance abschätzen. Für eine wirklich exakte Modellierung der Streulichtperformance gibts aber Streulichtmessplätze, mit welchen man die BDSF (bidirektionale Streulichtfunktion) direkt messen kann und dann die PSD (power spectral-density function) ausrechen kann

    Diesbezüglich gibt es übrigens auch Berechnungstabellen, welche airborne-contamination bezüglich einer Reinraumklasse zu erwarten ist, wenn die Optik eine Zeit lang offen liegt oder steht.


    Inwiefern das im professionellen Hobbybereich für die großen Spiegel überhaupt zu realisieren ist, weiß ich nicht. Vllt ist es auch nicht nötig, ich denke nämlich auch, dass wenn man keine prinzipiellen Fehler bei der Bearbeitung und Politur macht, man eigentlich schon ganz gut dabei ist. Ich würde übrigens ein nicht zu kleines Planglas mit den Standardprozess läppen und polieren und dann unterm Mikroskop inspizieren, mglw. könnte ich aber da auch behilflich sein. ;)


    Vg Tino

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