Testtunnel - Was bringt es genau?

  • Hallo Freunde der großen Schüsseln,


    ein Frage, und zwar wie ist den der positive Effekt aus einem Messtunnel mit Einhausung des Spiegel zu bewerten? War das für Euch eine sehr deutlich Verbesserung bei der Schwankungsbreite in den IG oder eher nur eine geringfügige Optimierung. Bin mit meinem Spiegel nun in einem Bereich, wo ich mir die Karten legen muss aufzuhören, wegen zunehmender Messunsicherheit, oder Aufwand für einen Testtunnel zu betreiben. Bevor ich da nun aber eine solche Konstruktion in meinen Keller installiere, frage ich zuvor besser mal nach.


    Schöne Grüße

    Gerhard

  • Hallo Gerhard,


    das kommt auf die Umgebung an. Wenn der Raum ohnehin schon gleichmässig temperiert ist, keine Wärmequellen und Luftströmungen hat, dann bringt der Tunnel nicht viel. Aber eine Wärmequelle hast du immer im Raum drin, das bist du selber.


    Gruß

    Michael


    P.S. Der Aufwand ist minimal. Du kaufst einfach ein paar Styropor-Platten und stellst sie hin, eine links, eine rechts und eine als Dach oben drauf.

  • Neben der Umgebung hängt es auch von der Spiegelgröße und dem Öffnungsverhältnis ab. Je größer der Spiegel und je länger die Messtrecke, um so schlimmer machen sich die Luftschichtungen und Luftturbulenzen bemerkbar. Sehr stark hängt es auch vom eigenen Anspruch ab. Sehr viel Erfahrung in dieser Hinsicht hat JoergP. Er musste ja auch 70 cm f/4,8 bis zum Anschlag hochstrehlen.


    Den "Hauptgewinn" hatte ich diesen Winter beim polieren und messen von 70 cm in einer zugigen Werkshalle. Bei 5°C draußen wurde die Halle nur tagsüber mittels Heizstrahlern auf 15°C geheizt - beim polieren heiße Birne, kalte Füße. Ohne Messtunnel wilder Tornado. Mit Messtunnel und reichlich Mittelwertbildung ging es dann doch hinreichend gut.


    Der Messtunnel rettet einen aber auch nur, wenn er nicht zu eng ist, sonst bildet sich oben eine Luftlinse. Siehe die eindrucksvollen Messungen von Henri. Ich habe festgestellt, dass die ersten 2 m am Spiegel am wichtigsten sind. Ob in 5 m Entfernung jemand am Interferometer Thermik erzeugt, spielt dagegen kaum eine Rolle.


    Ich denke, man kriegt bei all dem polieren, messen, polieren, vergleichen ein Gefühl dafür, was in den Einzelinterferogrammen eher echt und was eher Luftschliere ist und kann entscheiden, ob man einen Messtunnel braucht. Gerhard, muss man unbedingt einen 26 Zöller auf über 90% Strehl bringen wollen?

  • Gerhard,

    im Grunde ergeben sich die gleichen Fragen wie bei einem (geschlossenen) Tubus. Letztlich kommt es auf die Umstände an und wie man den Tunnel isoliert.

    Ich hatte die Erfahrung gemacht, dass schon eine (blickdichte) Plane), die man über eine Dachlattenkonstruktion tunnelmäßig legt, deutliche Vorteile bringt. Der Tunnel verbesserte das Bild allein dadurch, dass tagsüber dann weniger Streulicht im Strahlengang ist.


    Aber ich glaube, dass ein Keller der von Erdreich umgeben ist, jedem Tunnel überlegen sein dürfte. Fall's ich je in Verlegenheit komme, hier wo ich wohne, einen 700er Spiegel vermessen zu wollen ... das Haus hier hat eine große Tiefgarage, die ich dazu in den Nachtstunden zweckentfremden täte.


    Wenn ich heute einen Tunnel bauen wollte, täte ich dünne Styrodurplatten nehmen und aus ein paar Brettern sowas wie Buchstützen basteln (längs durchgehend oder als sog. Verbinder an den Plattengrenzen), welche die hochkanten Platten dann halten, oben drauf ebenfalls Platten. Das ließe sich in 15 Minuten bei Bedarf aufbauen (LEGO-Prinzip). Je nach Situation, ob der Fußboden kalt oder temperiert ist, würde ich Bodenplatten einlegen. Die würden aber im Zweifel auf den Buchstützenbretten - also mit Luftspalt zum Boden - liegen.

    PS:
    Habt ihr bei euch da in Essingen eine Burg, Höhle oder eine Kirche? Wenn Deine Wohnung/Haus da absolut nichts hergibt, sprich doch mal den Pfarrer etc. an.

  • Hallo in die Runde,


    für die ganz großen Schüsseln kann ich leider nicht ganz soviel beitragen, hab hauptsächlich Erfahrung mit Phase-Shifting Planflächeninterferometrie mit diversen Zygos bis 12", im Reinraum und in waagerechter Anordnung. Wir haben vor einiger Zeit einen Studenten mal nachmessen lassen, was eine Abdeckung des Strahlengangs eigentlich bringt. Wie erwartet war die Reproduzierbarkeit der Messungen mit Abdeckung etwas besser, aber die hauptsächlichen Fehler ohne Abdeckung wurde wahrscheinlich von mehr oder weniger gerichteten Luftströmungen verursacht. Eine provisorische Anordnung von Lüftern zur Erzeugung einer (nicht übermäßigen) Turbulenz brachte auch ganz gute Verbesserungen. Die Einzelmessungen waren zwar etwas stochastischer, aber da wir immer >20 Messungen mitteln, war es zu verschmerzen. Zumindest sind hierbei keine fehlerhaften Zonen aufgetreten. Aber so ein Meßturm bzw. eine Meßröhre ist natürlich auch was Feines. Hab mal in einem Projekt mitgearbeitet und gesehen, was Safran-Reosc für die ELT-Spiegel für einen Aufwand treibt.


    Vg Tino

  • Hallo Gerhard,


    Das Bergwerk in Wasseralfingen müsste doch perfekt sein, oder? Wenn Du abends mit dem letzten Zug rein und morgens mit dem ersten wieder rausfährst, brauchst Du nicht mal einen Sonderzug zu bestellen. Und ein abgelegener Stollen dürfte sich auch finden. Die staubarme Umgebung schadet sicher auch nicht 😉


    Viele Grüße, Holger


    P.S. Hier noch der Link für die, die nicht wissen, wovon ich rede:


    https://de.wikipedia.org/wiki/Tiefer_Stollen_(Wasseralfingen)

  • Je groesser der Strahldurchmesser (= Prueflingsdurchmesser), je groesser die Temperaturunterschiede und je groesser der Luftzug ist, desto mehr lohnt sich der Prueftunnel.


    Ich hatte das mit einem recht kleinen Pruefling (ein mehrspiegeliger Off-Axis-Kollimator, ca. 20x40 cm als groesster Spiegel) in einem Reinraumzelt, wo die gefilterte Luft durch ein Geblaese von oben eingelassen wird. Hierdurch entsteht ein Ueberdruck, der Staub aus einer schmalen Ritze am Boden des Reinraumzeltes austreibt. Was gut fuer den Reinraum ist, war schlecht fuer Turbulenzen. Ein Tunnel aus Laborgestaenge und Tuch half hier.


    Ein anderes Mal war es eine "High Bay". Das ist eine hohe Montagehalle mit Deckenkran, in der Nutzlasten fuer Ballonmissionen integriert und getestet werden. Die Aufgabe war, ein 50cm-Teleskop mit einem 50cm-Kollimator einzustellen. Das das Ganze in Texas stattfand, war die Halle natuerlich schoen klimatisiert. Hier half als "Tunnel" ein Partyzelt aus dem ortsansaessigen Wal-Mart. Das beruhigte die Optik zumindest so weit, dass wir sie ueber den defokussierten Stern justieren konnten. Quantitative Interferometrie waere wahrscheinlich nicht moeglich gewesen.

  • Mach am besten zuerst den Sterntest,...

    Bei dem 660 mm f/3,65 Spiegel von Gerhard den Sterntest aber bitte mit Kamera im direkten Fokus ohne jede Zwischenoptik und nicht mit Okular machen. Selbst die guten Okulare lügen bei solch schnellen Spiegeln.

    Hier Pflichtlektüre von PeJoerg für jeden Sterntester von schnellen Optiken:

  • Hallo Gerhard,

    vor dem Testtunnelbau würde ich erst mal Temperaturmessungen in dem gedachten Teststrahlengang machen. Das Ergebnis wird auch abhängig von der Jahreszeit sein, insbesondere wenn der Raum Außenwände hat. In meinem Universal- Werk und- Prüfraum ist es so dass ich im Winter trotz Messtunnel erst gar nicht versuche zu messen. Wenn es dann doch mal sein muss hat sich ein ziemlich luftdichter Messtunnel aus mit Alu kaschierter Iso-Tapete bzw. Styroporplatten bewährt, Dann macht es auch noch Sinn die Raumluft außerhalb des Messtunnels mittels Ventilator zu verwirbeln. Sonst wird mit Verzögerung das Temperaturprofil der Raumluft in unmittelbarer Nähe des Messtunnels auch in seinem inneren abgebildet.


    Zu Beginn meiner I-Meterzeit hab ich mal an einem 10" f/6 Zerodurspiegel umfangreichere Messungen mit/ohne Isotunnel gemacht. Siehe ab Tab. 4 in:

    Zufällige Fehler bei Messung mit dem Bath- Interfe - Das Teleskop-Selbstbau Optikforum - Astrotreff - Die Astronomie und Raumfahrt Community

    Die Geschichte mit der zusätzlichen Verwirbelung der Raumluft bei geschlossenem Iso- Tunnel kam dann später, finde ich aber nicht mehr wieder



    Gruß Kurt

  • Hallo Holger,


    klar kenne ich den tiefen Stollen. In früheren Zeiten war das wohl gar nicht so unüblich, an solchen Orten Spiegel zu schliefen. Kennst Du das Video? Das habe ich schonmal vor einigen Jahren verlinkt. Das waren noch Zeiten. Da wurden die dicken Prügel einfach mal geschultert. Top Secret Activities:-).


    Ja der Spiegel ist bestimmt längst gut genug. Im "Dienste der Wissenschaft" hätte ich noch gern herausgefunden, wie nun die Verbiegung im Teststand genau ist. Das ist mir leider nicht gut gelungen. Hintergrund ist ein wenig die Überlegung, wie eine optimale Unterstützung aussehen könnte. Rechnen kann ich sowas nicht. Daher die Überlegung einige naheliegende Möglichkeiten mit dem I-Meter noch etwas genauer zu durchleuchten. Die Schlinge war nicht optimal und bei der üblichen 90 Grad Halterung hatte ich den Eindruck, dass diese den Spiegel quasi in die Zange nimmt. Was ich noch testen möchte ist eine Schlinge nicht um den äußeren Rand, sondern durch den Spiegel hindurch zu fädeln. Möglicherweise könnte das im fertigen Teleskop gut funktionieren (fürs Schleifen völlig unpraktisch), da in diesem Fall keine Kräfte auf den Randbereich einfließen. Das will ich noch ausprobieren, bevor ich endgültig sage, dass eine Schlinge nicht funktioniert.


    Wenn ich da noch rangehe, dann werde ich zunächst wie Michael z.B. beschrieben hat Styrodurplatten oben, unten, seitlich und auch hinter dem Spiegel anbringen aber noch keinen vollständigen Messtunnel bauen. In den meisten Fällen scheint es doch merklich was zu bringen. Am Spiegel selbst habe ich nicht vor noch was zu machen, sondern hier das Teil erst mal am Himmel testen, bzw. das Teleskop bauen. 90Strehl braucht man sicher nicht bei der Größe, aber wenn es denn gelingt und man es mit vertretbarem Aufwand für sich schafft, dann freut man sich dann doch und kann dann nach einem hoffentlich auf guten Sterntest beruhigt ne Schicht drauf machen.


    Danke für die ganzen hilfreichen Rückmeldungen


    Gerhard

  • Hallo Gerhard,


    Danke für den Link, herrlich der Film! Schon dafür hat sich mein unqualifizierter Kommentar gelohnt :) - ich hoffe, Du ziehst auch Deinen besten Anzug an zum Polieren, der Spiegel hat es sicherlich verdient...


    Wenn das Teleskop fertig ist, können wir unsere Werke ja vielleicht mal gemeinsam ausführen?


    Viele Grüße


    Holger

    :milky_way: 10" f/5 Newton-Bino :comet: 120mm f/5 Achromaten-Bino :hammer_and_wrench: 8" f/8 Jones-Schiefspiegler-Bino

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