Links von mir rauscht der Wind in den Baumwipfeln, rechts zirpen die Grillen in der üppigen Wiese. Vor mir beginnt die Milchstraße an Kraft zu gewinnen. Ich sitze auf einer Bank und schaue über den zurechtgestutzten Busch hinweg gen Süden. Praktisch, wenn man keinen Stuhl mitbringen muss...
Der Himmel ist Anfang der Woche wunderbar klar, tagsüber kündigte strahlendes Blau und stechende Sonne eine typische Frühsommernacht an.
Eine Nacht, in der man einfach draußen steht, die Nase in die Luft reckt und die Stimmung genießt.
Wenigstens 2 Stunden lang war endlich wieder schöner Himmel zu erwarten. Ich war gespannt, was mein neues Fernglas an den Sommerobjekten zeigen würde, an der Milchstraße, an den Kugelhaufen und den ganzen Nebeln.
Es sollte die letzte Nacht für längere Zeit werden, wo man etwas länger Deepsky betreiben kann. Ich war hin und hergerissen: Dobson? Apo? Dobson? Apo und Fernglas? Nur Fernglas?
Dobson? Apo? Ich war vom Tag ziemlich platt und hatte trotz des kurzen Weges eine lange Überlegungsphase von um die halbe Stunde. Denn es wäre schon schön, endlich mal wieder gescheit durch den Dobson zu beobachten, was schon einen Moment her ist. Ich baute schonmal präventiv den Dobson ausm Wohnzimmer ab und schaute wie sich die Sache entwickelt, was die Zeit und Stimmung sagt. Erfahrungsgemäß dauert der Aufbau immer etwas länger als gedacht wenn das letzte Mal eine Weile her ist und die Nacht ist genauso schneller um als man denkt. Vorteil Apo: in 5 Minuten aufgebaut, in 5 Minuten abgebaut, also selbst wenn ich erst 23.45 Uhr losradel, hab ich immer noch locker 2 h Beobachtungszeit und bin halb 3 im Bett.
Faulheit oder je nach Blickwinkel Vernunft hat gesiegt...
Ich schaue durch das 12x42 als erstes auf M 4, entgegen dem letzten Mal nun auf dem Stativ. Ein Flugzeug nahte. Mit den 6,5 Grad erwischte ich das Flugzeug noch bequem so, dass ich über M 4 gleiten lassen konnte. Ich mag sowas
Ich peilte auf M 11. Ich hatte von meiner allerersten Bayernnacht vor gut 20 Jahren noch den Anblick im 10x50 Minolta auf einem Acker nahe dem Chiemsee in Erinnerung, woran sich der Anblick nun messen lassen musste. Wenn man M 11 links an den Sehfeldrand schiebt, tauchen rechts wunderschöne nuancierte Sternwolken und scheinbar sternleere dunkle Bereiche auf.
Die Bedingungen in der damaligen nacht waren schon ausnehmend gut, meine erste richtige Milchstraße! Auch zu dieser Zeit war tagsüber der Himmel stechend blau und ich dachte fast schon, Bayern wäre ein bisl eine andere Welt...da ist der Himmel irgendwie blauer
Der Anblick in der jetzigen Nacht toppte dies. Und so mancher wird mir sicher beipflichten, dass die ersten eindrucksvollen Beobachtungen schwer zu toppen sind... Nun aber zeigten sich die Sternwolken noch viel eindrucksvoller als damals, was natürlich nicht zuletzt mit der Abbildung zu tun haben wird – so nuanciert habe ich glaube ich im Weitfeldmodus die Milchstraße noch nicht unterteilt gesehen. Was für ein schöner Anblick! Wenn man M 11 links am Sehfeld paziert hat man rechtseitig einen hellen Stern im Sehfeld, der im dunklen Bereich liegt. Unmittelbar vor dem Stern (Alpha Sct) nebelte etwas... Blick in Skysafari: NGC 6664, 7.8 mag. Das ist im Fernglas eine interessante Kombination finde ich. Es war gerade erst kurz nach Mitternacht. 1-2 h später wurde der kleine NGC-Haufen mit höherer und prägnanter Milchstraße auf einmal regelrecht prominent... erstaunlich wieder, was so ein bissl höherer Stand ausmacht!
Der Schütze kam langsam in brauchbare Reichweite und ich peilte mal wild herum. Der kleine Apo liegt noch im Rucksack. Zunächst im Fernglas: Lagunen- und Trifidnebel zeigen sich schon als eindrucksvolles Pärchen, auch der Trifidnebel deutlich als Nebelchen. Besonders wirkungsvoll ist es, wenn man die Augen seitlich abschirmt und wirklich nur das Sehfeld auf sich wirken lässt. So schwebt man im Sternenmeer und so kann ich mich in den Anblick besser reinfühlen. Einfach wunderschön. Nun durfte auch mal das 72mm-Röhrchen ran. Ich kenne ja den Anblick mittlerweile von dem Duo in dem Gerät und freue mich jedesmal drauf. Irgendwie, so scheint mir, kann man aber durchaus immer mal wieder neue Eindrücke und Assoziationen haben. So hatte ich dieses mal bei M 8 den Eindruck, als wäre der kleine helle, stark kondensierte Teil ein kleines Säckchen, wo man nur reinpieksen muss und es platzen unmittelbar hunderte neue Sterne heraus. Mag vielleicht etwas konstruiert klingen, aber das war tatsächlich mein Gedanke in jenem Augenblick.
Langsam krabbelte M 22 über die Bäume. Wow. Ich fühlte mich direkt ein wenig an Omega Zentauri erinnert, als ich mit Fernglas draufhielt. Oft ist der Kugelhaufen eher undankbar, weil die Horizontsicht nicht mitmacht, dieses mal aber wieder ein toller Anblick. Was besonderes ist für mich auch jedesmal M 7. Der steht so tief, dass ich eindrückliche Erinnerungen aus meiner brandenburgischen Heimat habe, als die Horizontsicht exzellent war und ich endlich die südlichen Messier-Objekte mit dem 10x50 Glas von damals abhaken konnte. Das hatte damals richtiges Südhimmel-Feeling, ohne dass ich jemals im Süden war damals, aber das hat sich als Südhimmel-Erfahrung irgendwie eingebrannt. Und so auch dieses mal: M 7 stand samt M 6 bequem in einem Sehfeld, wobei M 7 gerade nur knapp über den Bäumen schrammte. 1 h später war M 7 fast schon hochstehend, viel höher als damals in der Heimat. Jedenfalls ein toller Anblick, die beiden Haufen in einem Sehfeld so bequem betrachten zu können. Bemerkenswert finde ich, dass der eigentlich nur Südhimmelbeobachtern geläufige Katzenpfotennebel praktisch die gleiche Höhe hat wie M 7... Das verdeutlicht vielleicht, weshalb M 7 in mir immer dieses besondere Feeling aufkommen lässt.
Die Milchstraße in dem 12x42 macht großen Spaß. Es ist wirklich eine Welt für sich, mit 2 Augen solche Weitfelder zu genießen. So bietet jedes Gerät seine eigene Perspektive. Ich stelle fest, man braucht nicht mal einen Schrägeinblick im Sommer, denn die spannendsten Fernglas-Objekte sind eh fast im Geradsicht-Modus erreichbar. Besonders eindrucksvoll fand ich auch die Sternenansammlung M 24. Einfach traumhaft eingebettet in die strukturierte Milchstraße.
Über dem Schwanennebel zeigt sich ein weiterer Nebel im Fernglas... was ist DAS denn?
Ich erschrak beim Check in skysafari. M 16, der Adlernebel. So bekannt und doch so überraschend. Heieiei. Da sieht man mal, wie lange die Beobachtung der Milchstraße her ist, dass man sowas vergisst. Den Adlernebel hab ich generell sehr selten eingestellt bisher, wohingegen M 8/ M20 zu meinen Standards gehören.
Trotz Daunenjacke fröstelte mich ein wenig, erstaunlich wie lange man die Winterausrüstung brauchte in diesem Jahr. Es müssen so 5 Grad gewesen sein. Bald schwang ich mich wieder aufs Rad, ab durch den dunklen Wald, 15 Minuten später war ich daheim.
Zum Eindruck habe ich noch ein altes Bildchen – ich bitte um Entschuldigung, es ist schon ein Jahr alt, Mitte Mai letztes Jahr, aber trifft die Szene sehr gut, denn es war der selbe Ort, fast gleiche Himmelsposition und die gleiche Himmelsqualität. Den Weg hab ich mit Rotlicht angeleuchtet um ihn sichtbar zu machen.
Man sieht sehr schön M 7 zwischen dem hellen Milchstraßenzentrum und dem Waldrand. Knapp rechts darüber noch M 6, etwa auf Höhe des unteren Rands vom hellsten Milchstraßenbereich. M 8, der Lagunennebel ist auch super einfach zu finden, wenn man sich erstmal verinnerlicht, wie einfach der mit bloßen Augen geht, quasi direkt über dem Milchstraßenzentrum, umgeben von Dunkelwolken.
Bin schon sehr gespannt auf die Eindrücke unter Alpenhimmel.
CS!
Norman