Nachfokussierung wegen Temperaturveränderung

  • Hallo Miteinander,


    ich bräuchte Euren Rat/Erfahrung zum Fokusdrift während einer Aufnahmenacht. Das mobile Setup ist ein Tak FC100DF mit Fokussierer ZWO EAF und einer konstant gekühlten ZWOASI 1600MM

    In der Nacht vom 31.05. auf den 01.06.2021 fotografierte ich zwischen 23:12 und 01:38 und habe dummerweise den Fokus dazwischen nicht mehr kontrolliert. Erst bei der Auswertung der Aufnahmen viel mir auf, dass der FWHM sich beinahe gleichmäßig vergrößert (angefangen bei ca. 3, geendet bei 7,5):




    Meine Frage dazu: Liege ich mit der Interpretation richtig, dass sich hier das Fernrohr zusammenzieht und deswegen der Fokusser Schritte in Richtung extrafokal machen sollte um dies auszugleichen? Überschlagen mit einem Wärmeausdehnungskoeffizienten von 11*10^-6, einer Delta Temperatur von 5 Kelvin und l0 = 720mm ergeben sich rechnerisch 4/100 mm, was bei meinem Setup ca. 10 Motorschritte sind. Nur aus dem Gefühl heraus scheint mir das aber zu wenig um diese FWHM Vergrößerung zu rechtfertigen.


    In Ermangelung besseren Wetters kann ich das jetzt nicht einfach probieren und so dachte ich mir, ich frage einfach mal Euch, wie Ihr an dieses Thema herangegangen seid?


    Viele Grüße und CS


    Thomas

  • Überschlagen mit einem Wärmeausdehnungskoeffizienten von 11*10^-6

    Hallo Thomas,


    wie bist Du auf einen Wärmeausdehnungskoeffizienten von 11*10^-6 gekommen? Oder anders gefragt: Aus welchem Material besteht der Tubus?

    Weil... Alu hat mindestens den doppelten Wärmeausdehnungskoeffizienten.


    LG Phensri

  • Hallo Thomas,


    die temperaturabhängige Fokusdrift ist neben dem Seeing einer der Hauptgründe, warum DS-Aufnahmen nicht optimal scharf werden. Leider stehen gerade die hochwertigen Takahashi-Apos in dem Ruf, sehr temperaturempfindlich zu sein. Dagegen hilft nur regelmäßiges manuelles Nachfokussieren oder besser ein Motorfokus mit Temperatursensor. Da Du den anscheinend schon hast, musst Du ihm nur noch beibringen, den Fokus automatisch nachzustellen. Dazu müsste es eigentlich eine App vom Fokushersteller geben, denn der Ausdehnungskoeffizient des Tubus‘ dürfte nicht allein für die Fokusdrift verantwortlich sein. Auch die Optik verändert sich in Abhängigkeit von der Temperatur. Deshalb in einer Nacht mit möglichst großem Temperaturgang regelmäßig per Bahtinovmaske nachfokussieren und den Motorfokus damit anlernen. Danach müsste es dann problemlos möglich sein, immer optimal fokussierte Einzelframes aufzunehmen.


    CS, Jörg

  • Hallo Thomas,


    rein rechnerisch ergeben die 11µm/Meter/Kelvin die Längenänderung von 40µm zwischen den Enden Deines Teleskops.

    Nun erfahren aber die Linsen in Zusammenhang mit dem Fokussierer nicht die volle Längenänderung, da sie irgendwo dazwischen liegen.

    Und sich dass diese dann annähernd linear zu der Entwicklung des FWHM-Wertes entwickeln, sei zu prüfen.


    Ich habe mit dem TS115 APO eine ähnliche Baulänge und bei solchen Differenzen der Aussentemperatur im Garten stehend noch keine sichtbare Fokusdrifft gehabt.

    Wie war denn die Wetterlage?

    Hattest Du vielleicht Schleierwolken?

    Ich denke mal, dass Du das am Ende der Fotosession sicher gesehen hättest, aber ich dachte, ich frag trotzdem mal nach.


    CS
    CHris

    ESPRIT 150ED f/7, TS APO 115 f/7, TS RC10" f/8 Carbon, Lacerta 10" f/5, Nobilem 8x56B, EQ8-R Pro, AZ-EQ6GT, ASI294MC-Pro, veTEC 571C, EOS6Da, ASI178MC, ASI120mini

  • Hallo und Danke für die Anmerkungen!


    @Phensri: Du hast vollkommen recht :thumbup: , ich habe einfach "blind" Stahlblech angenommen. Aber magnetisch ist der Tubus nicht. Dann wären das >20 Motorschritte und das sieht man deutlich (ich habe so einen Sprung beim Grünfilter)


    Jörg: ich arbeite mit APT, dort habe ich gesehen, dass temperaturabhängige Korrekturen eingegeben werden können. Aber ich denke da komme ich um die praktische Beobachtung und Notation nicht herum. Wobei in erster Näherung und mit dem richtigen Koeffizienten, die Umrechnung in Motorschritte wahrscheinlich ein besseres Ergbniss bringt als das Setup unkontrolliert laufen zu lassen.


    Chris: ich habe l0 von der Frontlinse bis zum Chip "gemetert". Berechtigte Frage, jedoch Schleierwolken waren keine da und die Taukappenheizung funktionierte


    LG und CS


    Thomas

  • Hallo Phensri,

    Das ist falsch... der Wärmeausdehnungskoeffizient wird in 1/°C oder 1/K (0-100°C) angegeben :)


    Gruß Phensri


    richtig, Temperaturänderungen sollen immer in Kelvin angegeben werden, aber die Angaben der Ausdehnung beziehen sich auch immer auf einen Meter. Bei zwei Meter Länge wären es dann 44µm/K.

    Vollkommen Recht hast Du bei dem Ausdehnungskoeffizienten von Alu bei 22µm/Kelvin in Bezug auf einen Meter Länge.

    Da hatten wir beide Stahl und nicht Alu im Kopf gehabt.

    Dank Dir.

    Interessante Info zur Temperaturempfindlichkeit.

    Da werde ich bei meinem APO beim nächsten mal drauf schauen.


    CS
    Chris

    ESPRIT 150ED f/7, TS APO 115 f/7, TS RC10" f/8 Carbon, Lacerta 10" f/5, Nobilem 8x56B, EQ8-R Pro, AZ-EQ6GT, ASI294MC-Pro, veTEC 571C, EOS6Da, ASI178MC, ASI120mini

  • aber die Angaben der Ausdehnung beziehen sich auch immer auf einen Meter

    Der Wärmeausdehnungskoeffizient hat die Dimension 1/°C oder 1/K und ist (z.B.) bei Alu (je nach Legierung) ca. 23,8x 10^-6.

    Für 1m Aluminium ΔT=1K wäre die Rechnung dann: 1000mmx1x23,8x 10^-6= 0.0238mm oder 23,8µm.


    Wo hast Du denn gelesen, dass sich der Wärmeausdehnungskoeffizient auf einen Meter bezieht?


    Thomas: Ich habe schon mehrere Motorfukusse gebaut. Mit dem Temperaturausgleich habe ich mich an die Beschreibung aus "Arduino ASCOM Focuser Pro DIY" gehalten.

    Dort ist ganz gut beschrieben, wie es gemacht wird.


    LG Phensri

  • Hallo Phensri,


    ich glaub, heute ist nicht mein Tag.

    Der Wärmeausdehnungskoeffizient (Länge, Fläche oder Volumen) hat natürlich keinen festen Bezug zum Meter.

    Den hab ich nur hergestellt, um einen vergleichbaren Standardbezug zu haben.

    Einige Produkte in Längenform haben diesen Standardbezug.

    Dank Dir.


    CS

    Chris

    ESPRIT 150ED f/7, TS APO 115 f/7, TS RC10" f/8 Carbon, Lacerta 10" f/5, Nobilem 8x56B, EQ8-R Pro, AZ-EQ6GT, ASI294MC-Pro, veTEC 571C, EOS6Da, ASI178MC, ASI120mini

  • Servus,

    …. Günter schrieb ja bereits, dass ein Koeffizient ( Faktor) keine Einheit besitzt, er fungiert als Materialkonstante (mit Einschränkung)….

    Die SI Normierung hingegen, gibt dann die zur Bezeichnung erforderlichen Einheiten an! Auch wenn unpraktisch, das Meter, das Kilogramm, die Sekunde usw.


    LG Mario

    Pentax SDHF75 f6,7

    Astro-Physics Traveler 105 f6

    Bresser AR152s f5

    Astro-Physics CNC 400

    Ioptron GEM28EC

  • Hallo Günner,


    Du liegst falsch, der Wärmeausdehnungskoeffizient ist nicht die dimensionslose Zahl 10^-6. Das würde doch gar keinen Sinn ergeben :rolleyes:

    Der Wärmeausdehnungskoeffizient besagt, um welche Länge sich ein Material pro °K ausdehnt. Weil das sehr gering ist wird es in µm angegeben.

    In älteren Büchern findet man auch noch die Angabe 0,0000238m/K (für Aluminium)

    Bei Deiner Rechnung 11µm/m/K kürzt sich die Längenangabe weg und übrig bleibt dann die dimensionslose Zahl 10^-6.



    Gruß Phensri


    Physikalische Einheiten werden immer in ihren unüblichsten Einheiten angegeben, Geschwindigkeit z.B. in Ångström pro Woche :)

  • Hallo Phrensi,


    ich liege nicht falsch.

    Ich schrieb, dass sich bei dem Längenausdehnungskoeffizienten k=11µm/m/K die Längen wegkürzen und k=11*10^-6 K ^-1übrigbleiben

    und nicht eine dimensionslose Zahl, wie du mir unterstellst.

    Somit sind beide Angaben gleichermassen richtig.


    Gruss

    Günter

  • Hallo Günner,


    Du hast natürlich vollkomen Recht: Der Wärmeausdehnungskoeffizient 1/°K muss eine dimensionslose Zahl sein.


    Wie ich auch schon in meinem Post #8 geschrieben hatte:

    Der Wärmeausdehnungskoeffizient hat die Dimension 1/°C oder 1/K und ist (z.B.) bei Alu (je nach Legierung) ca. 23,8x 10^-6.

    Für 1m Aluminium ΔT=1K wäre die Rechnung dann: 1000mmx1x23,8x 10^-6= 0.0238mm oder 23,8µm.

    Man sollte so spät Abends nichts mehr schreiben :)


    LG Phensri

  • Hallo,


    genau. Ein Koeffizient ist konsequent dimensionslos. Das Ergebnis bekommt seine Dimension dann mit l0. Kelvin kürzt sich heraus (Delta T [K] * 1/K).


    Da diese mathematische Begebenheit geklärt ist, anbei eine neue Frage: Gibt es eine Ableitung um vom FWHM (bei gegebenen Öffnungsverhältnis und stabilem Seeing) auf die Fokusungenauigkeit zu schließen? Müsste doch möglich sein, da vor|nach dem Brennpunkt ja ein konvergentes|divergendes Strahlenbündel vorliegt und mehr Pixel angesprochen werden.


    FWHM (Full Width at Half Maximum) für eine Normalverteilung ist ja ungefähr +/- 1*Standardabweichung (genauer: 2,3548 sigma). Wenn man die Luftunruhe mal weglässt, welche den FWHM Wert munter tanzen lässt, bekomme ich dann eine lineare Beziehung zwischen den beiden Größen (Abstand zum Fokus | FWHM)?


    Ich komme auf diese Überlegungen, da ich auch die Aufnahmen der anderen Filter in dieser Nacht ausgewertet habe. Und die verhalten sich nahezu gleich (es war ein vertikaler Belichtungsplan: also zuerst 3xLum, dann 1x R, 1xG, 1xB




    Wie dem auch sei, mit Alu als angenommes Material (ich finde nirgends eine Hinweis, was es sonst sein sollte) , komme ich bei meinen Verhältnissen auf 4 Steps / K. Das werde ich APT so mitteilen. Mal sehen wie dann die FWHM Werte über die Zeit aussehen.


    VG und CS

    Thomas

  • Hallo Thomas,


    ich bin gerade erst auf diesen alten Thread gestoßen. Klappt denn mittlerweile der Ausgleich der Fokusdrift über APT?


    Es wäre noch zu ergänzen, dass es bei meinen beiden APOs (80/480 und 130/910) bei Temperaturabfall zu einer relativen Verkürzung, nicht zu einer Verlängerung der Fokuslage kommt. Der Motorfokus fährt also ein, nicht aus. Das führe ich darauf zurück, dass bei Refraktoren der Einfluss der Temperatur auf die Linsenelemente größer ist als auf den Tubus. Den systemtypischen Gradienten in steps/°C kann man ganz gut ermitteln, indem man über die Nacht nachfokussiert und z. B. Excel eine lineare Regression rechnen lässt (wenn das System sich insgesamt linear zeigt). Bei mir sah das für den Photoline 130/910 mm so aus:



    Der Gradient beträgt demnach -64 steps/°C. Bei dem 80/480 ist es etwa die Hälfte. Mein MFOC erledigt die Driftkorrektur autonom. Mittlerweile ist die automatische Temperaturdriftkorrektur aber auch in den Nightly Versionen von NINA für alle Systeme verfügbar, die über einen Motofokus mit Temperatursensor verfügen. Man gibt als Parameter nur den Gradienten (mit umgekehrtem Vorzeichen) ein und das System korrigiert die Fokuslage zwischen den Aufnahmen automatisch. Das funktioniert ganz wunderbar.


    Viele Grüße

    Peter

  • Hallo Peter,


    Danke für Deine Hinweise!

    In der Tat habe ich das Problem für mich noch nicht gelöst. Das liegt aber eher an der fehlenden Zeit und dem, wenn ich dann mal Zeit und Lust habe, fehlenden klaren Himmel.

    Ich denke ich werde nicht umhinkommen die Fokuslagen über der Temperatur aufzuzeichnen (wie du oben zeigst), wenn ich das einigermaßen automatisieren will. Denn ich weiß tatsächlich noch nicht, in welche Richtung ich bei Temperaturschwankung zu fokussieren habe…

    Die Ableitung aus dem Ausdehnungskoeffizienten des Tubus ist erst mal Theorie. Wobei die Vorzeichen der Steps/K davon abhängen, wie die Programme „ticken“. Bei APT und Ascom habe ich angegeben, dass 0 die innere Endlage ist. Damit APT dann den MFOC nach außen korrigiert verlangt es ein Minusvorzeichen.

    Deswegen bin ich auch einigermaßen verwirrt und werde die Sache, wie du empfiehlst untermauern!


    Vielen Dank und Grüße

    Thomas

  • Moin,

    also ich nutze auch den ZWO EAF am 90/600er APO mit APT,

    ich hatte da mal 2-3 Nächte Aufnahmen gemacht und dann Parameter gefunden womit ich nie mehr Fokusdrift hatte,

    bin das Thema also sehr unwissenschaflich angegangen, bin aber mit dem Ergebnis äußerst zufrieden.


    Bei Interesse kann ich Dir ja mal die Settings durchgeben, dann hättest Du wenigstens eine Grundlage :)


    MfG

    Chris

    WO RedCat 51 / Omegon veTec533 / UMI 17 Harmonic Mount / SVBony SV165 & SV 305M Pro ;)

  • Kann man ja auch öffentlich für andere dokumentieren,

    hier die Settings, am Treiber des EAF hab ich glaub auch noch Werte wie Reverse eingestellt,

    häng das aber erst wieder am WE an den PC, sollte dort noch was speziell sein reich ich das nach ;)


    MfG

    Chris




  • Hallo Zusammen,


    ich wollte mich nach den letzten klaren Nächten zu diesem Thema zurückmelden.


    Mit fallender Temperatur muss der Fokusser tatsächlich nach innen gestellt werden. Das hätte ich nicht erwartet. Somit reagiert die Optik stärker auf die sinkende Temperatur als der Tubus. Damit sind auch die Überlegungen oben hinfällig.

    Ich habe nicht soviele Daten wie Peter gesammelt, aber diese nach Peters Prinzip dargestellt:




    Die Steigung der angenommenen Geraden mit ca. 14 Steps liegt bei der Angabe von Chris



    Das Ergebnis gestern Nacht ermutigt mich:



    Die FWHM über die Zeit steigt nur noch marginal und hat mit 3,8 den höchsten Wert. Die Kreise zeigen die nachfokussierten Bilder an. Ob der sichtbare Trend nun noch Fokusdrift ist, oder verschlechtertes Seeing? Ich denke mit dieser Einstellung bin ich in jedem Fall nahe dran.


    Danke nochmals für diese jüngsten Hinweise an Peter und Chris.


    VG und CS

    Thomas

  • Moin Thomas,

    iege ich mit der Interpretation richtig, dass sich hier das Fernrohr zusammenzieht


    in so einem Röhrchen sind mehrere Materialien am "arbeiten", nicht nur der Tubus...Früher gab es Flatfieldcameras (FFC) des belgischen Herstellers Lichtenknecker, da waren mit sog. Inverstäbe verbaut, um einer Temeraturdrift entgegenzuwirken.


    Ich habe mir daher zu eigen gemacht, nach bestimmten Intervallen konsequent nachzufokussieren, bis sich die Temperaturen auf einem Niveau eingependelt haben. Erscheint dann das Seeingscheibchen immer noch nicht ideal, dann hat sich das Seeing verschlechtert..., einpacken ;)

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